Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 17.11.1998, Az.: 1 A 97/98

Bemessung der Höhe der Gebühren für die Benutzung der städtischen Friedhöfe und des Krematoriums; Bemessung der Höhe der Gebühren für die Benutzung der Trauerhallen und Leichenkammern; Bemessung der Höhe der Nutzungsgebühren für Wahlgrabstätten und Reihengrabstätten

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
17.11.1998
Aktenzeichen
1 A 97/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 17885
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:1998:1117.1A97.98.0A

Verfahrensgegenstand

Friedhofsgebühren

Das Verwaltungsgericht Osnabrück - 1. Kammer - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17.11.1998
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Schlukat,
den Richter am Verwaltungsgericht Brinkmann und
den Richter am Verwaltungsgericht Beckmann sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Bescheide der Beklagten vom 15.12.1997 und 05.05.1998 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Inhaber eines Nutzungsrechts an der Wahlgrabstätte ... acht Beisetzungsmöglichkeiten in sogenannter landschaftlicher Lage auf dem ... Friedhof der Beklagten, das seine Mutter durch Urkunde vom 10.12.1971 gegen Zahlung von 13.600,00 DM für eine Nutzungsdauer von 40 Jahren erworben hatte. Anläßlich der Bestattung seiner Ehefrau am 05.12.1997 und einer notwendigen Verlängerung des Nutzungsrechts im Hinblick auf die 20 jährige Ruhensfrist um sieben Jahre zog ihn die Beklagte durch Bescheid vom 15.12.1997 zu einer Grabgebühr in Höhe von 27.440,00 DM heran.

2

Der Kläger widersprach und machte geltend, die Friedhofsgebührensatzung der Beklagten verletze das Äquivalenzprinzip, weil die Gebühr lediglich bei Wahlgrabstätten in landschaftlicher Lage nach der Größe der Grabstätte bemessen und nicht danach differenziert werde, ob und in welchem Umfange die Grabstätte tatsächlich genutzt werde. Zu Unrecht werde auch nicht berücksichtigt, daß bei Wahlgräbern in landschaftlicher Lage regelmäßig nur ein geringer Teil der Grabfläche tatsächlich als Grab in Anspruch genommen werde und daß die Grünflächen dort nicht nur von den Nutzungsberechtigten, sondern auch von der Allgemeinheit in Anspruch genommen werden. Es sei auch unzulässig, die Kosten für alle Friedhöfe der Beklagten auf die Nutzer insgesamt umzulegen. Im übrigen sei 1971 nicht ein Nutzungsrecht an einem Wahlgrab in landschaftlicher Lage, sondern ein solches an einem Wahlgrab schlechthin erworben worden. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sei die Beklagte nicht berechtigt, einseitig den Charakter dieses Nutzungsrechts zu ändern.

3

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Verfügung vom 05.05.1998 mit der Begründung zurück, daß es nicht unzulässig sei, Gebühren nach der Größe der Gräber zu bemessen. Eine größere Grabfläche führe auch zu einem erhöhten Aufwand bei der Pflege der Wegeverbindungen und Pflanzstreifen sowie zu höheren Entwässerungs- und Beleuchtungskosten. Im Jahre 1997 habe man mit den Grabgebühren ohnehin nur 79,55 % der darauf entfallenden Kosten decken können. Es sei im übrigen die freie Entschließung der Nutzer, sich für eine Wahlgrabstätte in landschaftlicher Lage zu entscheiden. Es begegne auch keinen Bedenken, daß in die Gebührenkalkulation auch sogenannte Vorhalte- bzw. Reservegrabflächen einbezogen worden seien.

4

Dagegen ist am 05.06.1998 Klage erhoben worden.

5

Der Kläger vertieft sein Vorbringen aus dem Vorverfahren, rügt insbesondere die unterschiedliche Gebührenbemessung bei normalen Wahlgräbern und solche in landschaftlicher Lage und macht geltend, daß bei Erwerb des Nutzungsrechtes keine Möglichkeit bestanden habe, zwischen einem Nutzungsrecht an einem normalen Wahlgrab und an einem solchen in landschaftlicher Lage zu wählen.

6

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15.12.1997 hinsichtlich der Grabgebühr und ihren Widerspruchsbescheid vom 05.05.1998 aufzuheben.

7

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie trägt vor: Die Ansicht des Klägers, die Höhe der Gebühr für den Erwerb eines Nutzungsrechtes an einem normalen Wahlgrab einerseits und einem solchen in landschaftlicher Lage andererseits verletze den Gleichheitsgrundsatz, sei unzutreffend. Unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Größen für diese Gräber und bei Einbeziehung der anteiligen Wege- und Grünflächen ergebe sich für das erstere ein Quadratmetersatz von 32,96 DM und für das letztere von 33,79 DM pro Jahr. Die höheren Gebühren für ein Wahlgrab in landschaftlicher Lage sei eine Folge der vorgeschriebenen unterschiedlichen Größen von 4,2 bzw. 10 qm pro Grabstätte. Es treffe auch die Behauptung des Klägers nicht zu, daß eine Umwandlung seines Nutzungsrechtes gegen den Willen seiner Mutter bzw. seinem Willen stattgefunden habe. Denn die Mutter des Klägers habe seinerzeit bereits ein Nutzungsrecht an einer Wahlgrabstätte in landschaftlicher Lage erworben. Dies folge zwar nicht aus dem Wortlaut der Urkunde vom 10.12.1971, sondern ergebe sich hinreichend aus der Höhe der Gebühr von 13.600,00 DM. Für den Erwerb des Nutzungsrechts an einem normalen Wahlgrab sei damals lediglich eine Gebühr von 1.500,00 DM erhoben worden.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

10

Gem. § 5 Abs. 1 NKAG und ihrer Satzung über die Erhebung von Friedhofsgebühren vom 02.11.1993 in der hier maßgeblichen Fassung vom 20.06.1995 (FGS) erhebt die Beklagte für die Benutzung der städtischen Friedhöfe und des Krematoriums Gebühren nach dem der Satzung anliegenden Gebührentarif (GT). Dieser sieht neben Bestattungsgebühren, Gebühren für die Benutzung der Trauerhallen und Leichenkammern, Verwaltungsgebühren und Gebühren für sonstige Leistungen auch Nutzungsgebühren für Wahl- und Reihengrabstätten vor (Nr. 3 und 4 GT). Mit letzteren werden die allgemeinen Kosten für den Erwerb und die Erschließung der Friedhofsflächen, die erstmalige Herstellung der Friedhofseinrichtungen sowie die Kosten für die Unterhaltungsmaßnahmen und Pflegeaufwendungen für die Friedhöfe mit Einrichtungen - allerdings ohne Trauerhallen und Leichenkammern - gedeckt, da die Beklagte neben den Nutzungsgebühren eine spezielle Friedhofsunterhaltungsgebühr nicht erhebt. Nach Nr. 3.3 GT beträgt die Nutzungsgebühr für Wahlgrabstätten in landschaftlicher Lage je Grabstelle von 10 qm im Jahr 490,00 DM, wobei gem. Nr. 3.5 GT bei Überschreitung des Nutzungsrechts infolge der Ruhezeit für die Verlängerung desselben eine anteilsmäßige Gebühr erhoben wird. Dieser Regelung entspricht die hier festgesetzte und angefochtene Nutzungsgebühr von 27.440,00 DM für die Verlängerung des Nutzungsrechtes an dem Wahlgrab in landschaftlicher Lage mit acht Grabstätten um sieben Jahre.

11

Entgegen der Ansicht des Klägers erweist sich die Gebühr nicht schon deshalb als rechtswidrig, weil die Beklagte diese einheitlich für alle von ihr betriebenen Friedhöfe erhebt. Es liegt grundsätzlich im Organisationsermessen einer Gemeinde, räumlich voneinander getrennte öffentliche Einrichtungen auch als selbständige Einrichtungen zu betreiben oder diese juristisch zu einer Einrichtung zusammenzufassen (Nds. OVG, Urteil vom 24.05.1989 - NST-N 1989, 250; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 713). Dazu bedarf es allerdings einer entsprechenden Entscheidung der Gemeinde in ihrer Friedhofssatzung. Das ist hier gem. § 1 Abs. 2 der Friedhofssatzung der Beklagten vom 02.07.1991 (FS) erfolgt. In diesem Fall ist die Gemeinde nicht nur berechtigt, sondern nach Ansicht des Gerichts auch verpflichtet, die Kosten aller Friedhöfe auf die Gesamtheit der Nutzungsberechtigten abzuwälzen (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6, Rnr. 704 m.w.N.)

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Dies kann die Gemeinde allerdings nur dann tun, wenn sie über eine Satzung verfügt, die wirksam den Kreis der Abgabeschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld bestimmt (§ 2 Abs. 1 NKAG). Hier fehlt es schon an einer wirksamen Regelung des Entstehens der Abgabeschuld.

13

Nach § 3 FGS entsteht die Gebührenschuld mit der Anmeldung. Diese Bestimmung findet im NKAG keine Rechtsgrundlage. Die Nutzungsgebühr stellt ihrem Wesen nach nicht ein Entgelt für den Erwerb eines Rechtes dar - dafür könnten allenfalls Verwaltungsgebühren erhoben werden -, sondern eine Abgabe für die künftige Inanspruchnahme des Friedhofs, und zwar bei Reihengräbern für die Dauer der Ruhezeit und bei Wahlgräbern für die der vereinbarten Nutzungszeit. Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung entstehen nach dem NKAG aber erst nach Ablauf der Benutzungsdauer (Nds. ÖVG, Beschluß vom 15.4.1993 - NST-N 1993, 320). Demzufolge erfordert § 2 Abs. 1 NKAG bei Gebühren, die für eine dauernde Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben werden, zur genügenden Bestimmung des Zeitpunktes des Entstehens der Benutzungsgebühr die satzungsmäßige Festlegung, daß die Gebühr entweder nach Ablauf der Nutzungszeit oder - was auch zulässig ist - nach Ablauf bestimmter Intervalle (z.B. jährlich, monatlich) entsteht (Driehaus, a.a.O. § 6 Rnr. 721 a). Bis zur Entstehung der Gebührenschuld können die Gemeinden bei nicht grundstücksbezogenen Gebühren wie hier lediglich Abschlagszahlungen auf die künftig entstehende Gebührenschuld erheben (§ 5 Abs. 5 NKAG). Daher scheidet die bisher übliche Handhabung, Benutzungsgebühren in Form einmaliger Grabgebühren im voraus zu erheben, für die Gemeinden aus. Ob dies auch für Friedhöfe in kirchlicher Trägerschaft gilt, bedarf hier keiner Erörterung.

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Da es somit an einer wirksamen Bestimmung des Entstehens der Gebührenschuld fehlt, erweisen sich die angefochtenen Bescheide schon aus diesem Grunde als rechtswidrig. Darüber hinaus dürfte es aber auch an einer wirksamen Bestimmung des Gebührensatzes fehlen. Dieser muß auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation durch den dafür zuständigen Rat beruhen (Driehaus, a.a.O., § 6 Rnr.721). Zwar hat die mündliche Verhandlung ergeben, daß gegen die Ermittlung der ansatzfähigen Kosten einerseits und der satzungsmäßigen Maßstabseinheiten andererseits keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Die Beklagte hat jedoch bei der Kalkulation der Nutzungsgebühren für Reihengräber einen Kalkulationszeitraum von 20 Jahren und für Wahlgräber von 23 Jahren - die Durchschnittsdauer der im Jahr 1995 erworbenen Nutzungsrechte an letzteren - zugrunde gelegt. Das ist mit § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG nicht vereinbar. Danach darf der Gebührenberechnung ein Kalkulationszeitraum zugrundegelegt werden, der drei Jahre nicht übersteigen soll. Zwar handelt es sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Sollvorschrift. Dies bedeutet jedoch, daß in der Regel der Zeitraum von drei Jahren nicht und nur in Ausnahmefällen überschritten werden darf. Das Gericht sieht jedoch keine hinreichenden Gründe, an die Kalkulation der Friedhofsgebühren anderen Maßstäben anzulegen als an die der Gebühren für die Benutzung anderer kommunaler Einrichtungen. Insbesondere scheidet ein Kalkulationszeitraum von 20 und mehr Jahren aus, weil sich für solche Zeiträume die Entwicklung der Kosten nicht mehr verläßlich übersehen und einschätzen läst.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 27.440,00 DM festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.

Schlukat
RiVG Brinkmann befindet sich im Urlaub und kann daher seine Unterschrift nicht beifügen. Schlukat
Beckmann