Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.06.1991, Az.: 4 W 61/91

Zur Frage, ob an bestimmten Einstellplätzen Sondereigentum begründet werden kann; Sonderrechtsfähigkeit bei Fehlen einer Raumeigenschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.06.1991
Aktenzeichen
4 W 61/91
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1991, 16207
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1991:0613.4W61.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 21.01.1991 - AZ: 2 T 175/90

Fundstellen

  • DNotZ 1992, 231-232
  • NJW-RR 1991, 1489 (Volltext mit red. LS)
  • Rpfleger 1991, 364-365 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Grundbuchsache
betreffend die im Grundbuch von Stade Band 353 Blatt 11307 verzeichneten Grundstücke

In der Grundbuchsache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters ...
sowie der Richter ... und ...
am 13 Juni 1991
beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 21. Januar 1991 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 10.000 DM.

Gründe

1

I.

Es geht um die Frage, ob an bestimmten Einstellplätzen Sondereigentum begründet werden kann. Diese Einstellplätze befinden sich im unterkellerten Erdgeschoß eines mehrstöckigen Gebäudes und sind von drei Wänden umgeben. An der Ausfahrt befindet sich keine Wand und keine Sperre. Die Zufahrt erfolgt über einen Hof, der von der Straße ebenfalls ohne Zugangssperre erreichbar ist, allerdings nur durch eine Durchfahrt unter der Wohnanlage hindurch.

2

Amts- und Landgericht haben die Eintragung von Sondereigentum mangels Abgeschlossenheit abgelehnt.

3

II.

Die gemäß § 78 Satz 1 GBO zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn die angefochtene Entscheidung läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsteller erkennen.

4

Nach § 3 Abs. 2 WEG soll Sondereigentum an Wohnungen und sonstigen Räumen nur eingetragen werden, wenn sie in sich abgeschlossen sind. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gelten Garagenstellplätze als abgeschlossene Räume, wenn ihre Flächen durch dauerhafte Markierungen ersichtlich sind. Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es, wie sich aus dem Vermerk des Rechtspflegers vom 21. Juni 1990 ergibt, den er nach einer Besichtigung gefertigt hat (Bl. 52 R d.A.). Dieser Gesichtspunkt ist jedoch von untergeordneter Bedeutung, weil dieses Eintragungshindernis durch eine Zwischenverfügung hätte beseitigt werden können.

5

Entscheidend ist vielmehr folgendes:

6

Ausgangspunkt ist zunächst einmal, daß nach gefestigter Rechtsprechung (z. B. OLG Frankfurt, Rpfleger 1977, 312) das Grundbuchamt durch die von der Stadt erteilte Abgeschlossenheitsbescheinigung nicht gebunden wird, sondern selbständig und eigenverantwortlich darüber zu befinden hat, ob die Voraussetzungen des § 3 WEG vorliegen.

7

Bei zutreffender Betrachtungsweise (Palandt/Bassenge, BGB, 50. Aufl. 1991, Rdn. 7 zu § 3 WEG mit Rechtsprechungsnachweisen) fingiert § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG, wonach Garageneinstellplätze bei unveränderlichen Markierungen als abgeschlossene Räume gelten, lediglich die Abgeschlossenheit, nicht aber die Raumeigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG. Soweit in manchen Entscheidungen (OLG Frankfurt, OLGZ 1984, 33) ausgeführt wird, § 3 Abs. 2 Satz 2 WEG fingiere sowohl die Abgeschlossenheit als auch den Charakter als Raum, so wird durch die folgende Begründung, Voraussetzung dafür sei aber, daß die Stellplätze noch als in einem Gebäude liegend betrachtet werden können, in Wahrheit doch zum Ausdruck gebracht, daß unbaulicher Zusammenschluß mit einem Gebäude vorhanden sein muß (ebenso z. B. BayOlG, Rpfleger 1986, 218). In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist im übrigen unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien und des Wortlauts vollkommen unstreitig, daß Stellplätze auf freien Flächen außerhalb eines Gebäudes nicht sondereigentumsfähig sind, und zwar selbst dann nicht, wenn sie mit Eckpfosten und einer Überdachung versehen sind.

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Wenn somit kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, daß sich die Garagenstellplätze in einem Gebäude befinden müssen, so entstehen Abgrenzungsschwierigkeiten doch gleichwohl, weil der Begriff des Gebäudes normalerweise zu definieren ist als ein von vier Wänden umschlossenes mit einer Überdachung versehenes Bauwerk, während in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits mehrfach Stellplätze auf dem Dach eines Gebäudes oder einer Garage als sonderrechtsfähig angesehen worden sind, obwohl es in diesen Fällen sowohl an den Seitenwänden als auch der Überdachung fehlte (OLG Frankfurt, Rpfleger 1977, 312; OLG Köln, DNotZ 1984, 700; LG Braunschweig, Rpfleger 1982, 298; BayOblG, Rpfleger 1986, 248).

9

Die Entscheidung des vorliegenden Falles hängt davon ab, ob man einen Stellplatz als in einem Raum befindlich auch dann ansehen kann, wenn er sich auf oder in einem Gebäude befindet, von der außerhalb derselben gelegenen Grundstücksfläche jedoch nicht durch Wände oder sonstige Zugangshindernisse abgeschlossen ist.

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In den bisherigen obergerichtlichen Entscheidungen ist bei uneingeschränkter Zugänglichkeit für jedermann eine Gebäudeeigenschaft verneint worden. So heißt es beispielsweise in dem erwähnten Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichtes, Kraftfahrzeugabstellplätze auf dem nichtüberdachten Oberdeck eines Parkhauses könnten allenfalls dann als sonderrechtsfähig gelten, wenn sie nur durch das Gebäude zu erreichen und gegenüber den umgebenden freien Grundstücksflächen baulich in irgendeiner Weise eingefriedet seien, ein Gesichtspunkt, auf den auch schon das Landgericht seine Entscheidung nicht zu Unrecht gestützt hat. In demselben Zusammenhang führt das OLG Frankfurt aus (Rpfleger 77, 313), bei Abstellplätzen, die nicht mit Mauern versehen seien, könne Sonderrechtsfähigkeit nur angenommen werden, wenn an der Einfahrt des Gebäudes zum Schutz der Berechtigten beispielsweise ein Rollgitter vorgesehen sei (ebenso OLG Köln, DNotZ 1984, 703). Damit in Übereinstimmung hat das OLG Frankfurt (OLGZ 1984, 32 ff.) ausgeführt, Pkw-Abstellplätze auf einem ebenerdig gelegenen und von der Umgebung nicht abgegrenzten Dach einer Tiefgarage seien nicht sonderrechtsfähig.

11

Mögen zwischen den erwähnten Entscheidungen der Obergerichte auch in Nuancen Unterschiede in der Begründung bestehen, so besteht jedoch Einvernehmen darüber, daß dann, wenn es an einer Raumeigenschaft im strengen Sinne des Wortes (4 Wände, 1 Dach) fehlt, die Sonderrechtsfähigkeit nur bejaht werden kann, wenn eine zusätzliche Zugangssperre zugunsten der Berechtigten besteht, weil anderenfalls eine Abgrenzung von Stellplätzen auf Freiflächen kaum mehr möglich erscheint. An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch im vorliegenden Fall, weil es sich um offene Unterstellplätze ohne jede Zugangssperre handelt.

Streitwertbeschluss:

Der Beschwerdewert beträgt 10.000 DM.