Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.11.2018, Az.: 2 Ws 426/18
Keine Anwendbarkeit von § 48 Abs. 6 Satz 1 RVK auf Nebenklagevertreter bei Prozesskostenhilfebewilligung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.11.2018
- Aktenzeichen
- 2 Ws 426/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 64703
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 19.09.2018 - AZ: 96 Qs 95/18
- AG Hannover - 20.08.2018 - AZ: 220 Ds 7311 Js 42280/16
Rechtsgrundlagen
- StPO § 397a Abs. 2
- StPO § 397a Abs. 3
- RVG § 6 S. 1
- RVG § 48 Abs. 6 S. 1
- RVG § 55
- ZPO § 114
- ZPO § 115
- ZPO § 116
- ZPO § 117
- ZPO § 118
- ZPO § 119
- ZPO § 120
- ZPO § 121
- ZPO § 122
- ZPO § 123
- ZPO § 124
- ZPO § 125
- ZPO § 126
- ZPO § 127
Amtlicher Leitsatz
1. Der Nebenklagevertreter hat keinen Anspruch auf Festsetzung und Erstattung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse nach § 55 RVG, soweit diese vor Beantragung der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO entstanden beziehungsweise angefallen sind.
2. § 48 Abs. 6 S. 1 RVG ist für einen Rechtsanwalt, der als Nebenklagevertreter unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinzugezogen wird, nicht anwendbar (entgegen: OLG Koblenz, Beschluss vom 14.06.2007, Az.: 2 Ws 300/07).
3. Bereits die Auslegung des Wortlautes der für die vorliegende rechtliche Konstellation geltenden Vorschriften des § 397a Abs. 2 und 3 StPO sowie der Prozesskostenhilfe (§§ 114 bis 127 ZPO) spricht gegen eine Anwendbarkeit des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG.
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird verworfen.
Gründe
I.
In dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Hannover ist mit Beschluss vom 19.06.2017 die Nebenklage zugelassen worden. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt und in der Hauptverhandlung als Vertreter des Nebenklägers aufgetreten. Die Hauptverhandlung erstreckte sich über 14 Termine im Zeitraum vom 23.08.2017 bis zum 26.02.2018. Bei Gericht eingehend am 07.12.2017 beantragte der Nebenkläger mit Schreiben vom 06.12.2017 für die Hinzuziehung seines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO. Diesen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat das Amtsgericht durch Beschluss in dem Hauptverhandlungstermin vom 08.12.2017 ohne Ratenzahlung bewilligt.
Mit seinem Schreiben vom 22.05.2018 beantragt der Nebenklagevertreter die Festsetzung und Erstattung im Einzelnen dargelegter Gebühren und Kosten. Diese umfassen auch den Zeitraum vor der Antragstellung nach § 397a Abs. 2 StPO.
Abweichend von diesem Antrag hat die Kostenbeamtin des Amtsgerichts in dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.06.2018 die beantragte Erstattung um den Betrag von 1.822,84 € gekürzt unter Hinweis darauf, dass eine Rückwirkung der Prozesskostenhilfe auf einen Zeitpunkt vor der Antragstellung ausgeschlossen sei.
Im Einzelnen wurden folgende geltend gemachte Gebühren und Kosten abgesetzt:
Gebühr | Nr. RVG-VV | Betrag in € |
---|---|---|
Grundgebühr | 4100 | 160,00 |
Verfahrensgebühr | 4104 | 132,00 |
5 Termingebühren zu je 220,00 € HVT vom 23.08.2017, 13.09.2017, 20.10.2017, 10.11.2017 und 24.11.2017) | 4108 | 1.100,00 |
Postauslagenpauschale | ||
(Ermittlungsverfahren) | 7002 | 20,00 |
Kopierkosten bis 05.12.2017 | 7000 | 119,80 |
anteilige Umsatzsteuer | 7008 | 291,04 |
Summe | 1.822,84 |
Mit seiner Erinnerung vom 10.07.2018 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss verfolgt der Nebenklagevertreter seinen Antrag auf Kostenfestsetzung in voller Höhe weiter und verweist hierzu auf die Bestimmung des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang zur Stellungnahme der Bezirksrevisorin vorgelegt. Die Bezirksrevisorin hat mit ausführlicher Begründung vom 01.08.2018 sowie ergänzend vom 10.08.2018 bei dem Amtsgericht den Antrag gestellt, die Erinnerung zurückzuweisen. Mit Beschluss vom 20.08.2018 hat das Amtsgericht die durch die Kostenbeamtin abgesetzten Beträge dem Nebenklagevertreter zugesprochen und die zu erstattende Vergütung dem Antrag des Nebenklagevertreters entsprechend festgesetzt.
Hiergegen hat sich die Bezirksrevisorin mit ihrer Beschwerde vom 30.08.2018 gewandt und beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 20.08.2018 aufzuheben. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit dem Beschluss der Beschwerdekammer des Landgerichts Hannover vom 19.09.2018 ist der Beschluss des Amtsgerichts Hannover aufgehoben und damit schlüssig der geltend gemachte weitergehende Anspruch des Nebenklagevertreters zurückgewiesen worden. Zugleich hat das Landgericht die weitere Beschwerde gegen seinen Beschluss nach § 33 Abs. 6 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.
Am 05.10.2018 hat der Nebenklagevertreter (weitere) Beschwerde eingelegt, der durch die Beschwerdekammer nicht abgeholfen worden ist.
II.
Dem zulässigen Rechtmittel bleibt der Erfolg versagt.
1. Die weitere Beschwerde ist nach §§ 33 Abs. 6 S. 1, 56 Abs. 2 S. 1 RVG statthaft.
Das nach §§ 33 Abs. 3 S. 3, Abs. 6 S. 4, 56 Abs. 2 S. 1 RVG befristete Rechtsmittel (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Auflage 2017, § 33 Rn. 19) ist rechtzeitig eingelegt worden. Dem Kostenband ist zwar eine förmliche Zustellung des Beschlusses des Landgerichts vom 19.09.2018 an den Nebenklagevertreter nicht zu entnehmen. Da die Absendung des Beschlusses jedoch laut Vermerk der Geschäftsstelle am 02.10.2018 erfolgt und das Rechtsmittel bereits am 05.10.2018 eingegangen ist, ist die gesetzliche Frist von zwei Wochen offenkundig gewahrt.
Soweit § 33 Abs. 6 S. 2 RVG die Zulässigkeit der Einlegung einer weiteren Beschwerde davon abhängig macht, dass das Rechtsmittel auf eine Rechtsverletzung im Sinne der §§ 546, 547 ZPO gestützt wird, hat der Nebenklagevertreter hierzu bereits mit seinen Schriftsätzen vom 10.07.2018 und 18.09.2018 zureichend Vortrag gehalten. In Auslegung des Rechtsmittels geht der Senat daher davon aus, dass der Rechtsmittelführer auf diesen Vortrag konkludent Bezug nimmt.
2. Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet.
Der Nebenklagevertreter hat keinen Anspruch auf Festsetzung und Erstattung seiner Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse nach § 55 RVG, soweit diese vor Beantragung der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO entstanden beziehungsweise angefallen sind.
Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung (OLG Koblenz, Beschluss vom 14.06.2007, Az.: 2 Ws 300/07, RVGreport 2008, 139, 140 m. Anm. Burhoff = AGS 2007, 507-508 = JurBüro 2007, 644-645, juris Rn. 8; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 23. Auflage 2017, § 48 Rn. 197; BeckOK RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt, 41. Ed. 01.09.2018, RVG § 48 Rn. 99; Hartung/Schons/Enders/Hartung, 3. Auflage 2017, RVG § 48 Rn. 61; Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018, § 48 Rn. 122) ergibt sich ein solcher Anspruch jedoch nicht aus den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Die hierfür regelmäßig herangezogene Bestimmung des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG lautet:
Wird der Rechtsanwalt in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet, erhält er die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung, in Strafsachen einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und in Bußgeldsachen einschließlich der Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde.
Soweit die Vorschrift auf das Vergütungsverzeichnis Bezug nimmt, lautet die hier einschlägige Vorbemerkung zu Teil 4 - Strafsachen:
Vorbemerkung 4:
(1) Für die Tätigkeit als Beistand oder Vertreter eines Privatklägers, eines Nebenklägers, eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten, eines Verletzten, eines Zeugen oder Sachverständigen und im Verfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz sind die Vorschriften entsprechend anzuwenden.
Gleichwohl ist der § 48 Abs. 6 S. 1 RVG für einen Rechtsanwalt, der als Nebenklagevertreter unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinzugezogen wird, nicht anwendbar.
Im Einzelnen:
a) Bereits die Auslegung des Wortlautes der für die vorliegende rechtliche Konstellation geltenden Vorschriften des § 397a Abs. 2 und 3 StPO sowie der Prozesskostenhilfe (§§ 114 bis 127 ZPO) spricht gegen eine Anwendbarkeit des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG.
aa) In § 397a Abs. 2 S. 1 StPO wird ausdrücklich bestimmt, dass für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Nebenkläger Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen ist.
Daraus folgt insbesondere, dass Prozesskostenhilfe nach § 117 ZPO nur auf Antrag und nach Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Nebenklägers gewährt wird (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 397a Rn. 10). Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 114 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO das wirtschaftliche Unvermögen des Nebenklägers, die Kosten für einen Rechtsanwalt aufzubringen (a.a.O. Rn. 8). Dabei bestimmt sich nach § 115 ZPO die Verpflichtung und der Umfang des Nebenklägers, sein Einkommen und Vermögen einzusetzen. Anders als bei der Bestellung eines Beistands für den Nebenkläger nach § 397a Abs. 1 StPO erstreckt sich die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO nur auf den jeweiligen Rechtszug (BGH NStZ-RR 2015, 351-352, juris Rn. 3).
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gilt grundsätzlich nicht rückwirkend, sondern ab der ihr zugrundeliegenden Beschlussfassung. Lediglich wenn über den vollständigen, bescheidungsfähigen Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht rechtzeitig entschieden worden ist, wird regelmäßig eine Rückwirkung der Entscheidung auf den Zeitpunkt der Antragstellung angenommen (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rn. 15 m.w.N.).
Die anwendbaren Vorschriften der Prozesskostenhilfe stehen daher den geltend gemachten Ansprüchen auf Festsetzung und Erstattung vor der Antragstellung auf Prozesskostenhilfe entstandener Gebühren und angefallener Kosten grundsätzlich entgegen.
bb) Ausgenommen von der Verweisung auf die Vorschriften der Prozesskostenhilfe sind nach § 397a Abs. 2 S. 2 StPO lediglich die im Rahmen der strafprozessualen Nebenklage nicht passenden Vorschriften über die Erfolgsaussicht und Mutwilligkeit (§ 114 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 und Abs. 2 ZPO) sowie der Beiordnung des Rechtsanwalts (§ 121 Abs. 1 bis 3 ZPO). Hierfür trifft die Strafprozessordnung speziellere und damit vorrangige Regelungen.
So wird abweichend von den zivilprozessualen Vorschriften die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht, dass der Nebenkläger seine Interessen nicht selbst ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist (a.a.O. Rn. 9).
Insbesondere wird jedoch auch die Bestimmung über die im Zivilprozess vorgesehene Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 ZPO im Wesentlichen (Abs. 1 - 3) außer Kraft gesetzt. Lediglich für den besonderen Fall der Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten kann dem Nebenkläger nach § 121 Abs. 4 ZPO auf Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet werden.
Auch in § 397a Abs. 3 StPO ist lediglich in den Fällen § 397a Abs. 1 StPO die "Bestellung" eines Beistands in entsprechender Anwendung des § 142 StPO durch den Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts vorgesehen. Soweit auch bei Gewährung von Prozesskostenhilfe von einer Beiordnung des Rechtsanwaltes ausgegangen wird (vgl. Meyer/Goßner a.a.O. Rn. 14; KK-StPO/Senge, StPO, 7. Auflage 2013, § 397a Rn. 11), dürfte dies noch auf dem mit Ablauf des 30.11.1998 außer Kraft getretenen Wortlaut des § 397a Abs. 1 S. 3 StPO a.F. beruhen. In den danach gültigen Fassungen der Vorschrift wurde nur noch wegen der Bestellung als Beistand auf § 142 Abs. 1 StPO Bezug genommen. Im Übrigen erstreckt sich seit diesem Zeitpunkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits nach dem Wortlaut des § 397a Abs. 2 StPO lediglich auf die "Hinzuziehung" eines Rechtsanwalts.
Soweit der Nebenkläger nach § 397a Abs. 2 StPO zur Ausübung seiner Rechte im Strafverfahren sich also eines Rechtsanwalts bedient (diesen "hinzuzieht"), sieht für diesen Nebenklagevertreter weder die Strafprozessordnung eine Bestellung noch die Zivilprozessordnung eine Beiordnung des Rechtsanwalts vor.
cc) Aus diesem Grunde spricht schon der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften gegen eine Anwendung der für eine rückwirkende Erstattung von Gebühren und Auslagen geltenden abweichenden Regelung in § 48 Abs. 6 RVG auf den im Wege der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO hinzugezogenen Nebenklagevertreter.
b) Auch die Systematik der anwendbaren Gesetze spricht für die aufgezeigte Auslegung des Wortlautes des § 48 Abs. 6 RVG.
aa) Wie oben bereits dargelegt, ist den Vorschriften der Prozesskostenhilfe eine rückwirkende Bewilligung vor einer vollständigen Antragstellung fremd (s.o.).
bb) Doch auch nach den Vorschriften der Strafprozessordnung ist eine Erstreckung der Vergütung auf die Gebühren und Auslagen eines vom Nebenkläger hinzugezogenen Rechtsanwalts vor Beantragung der Prozesskostenhilfe weder erforderlich noch sonst angezeigt. Denn die Strafprozessordnung sieht - jedenfalls in der seit dem 01.12.1998 geltenden Fassung - nunmehr nach § 406h Abs. 3 und 4 StPO unter Verweisung auf § 397a StPO ausdrückliche Sonderregelungen vor, nach denen bereits im vorbereitenden Verfahren vor der Anklageerhebung einem Verletzten einer Straftat entweder ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt oder für die Hinzuziehung des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den durch das OLG Koblenz (a.a.O. Rn. 9) zur Gesetzeslage zum damaligen Zeitpunkt angeführten - ohne wesentliche Veränderung fortgeltenden - Vorschriften der §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 1 RVG. Diese Vorschriften regeln lediglich den Vergütungsanspruch des Nebenklagevertreters gegenüber dem Nebenkläger selbst (Gerold/Schmidt/Burhoff a.a.O. § 53 Rn. 5) sowie - im Falle einer entsprechenden Kostengrundentscheidung des Gerichts - gegenüber dem Verurteilten (a.a.O Rn. 13). Diese Ansprüche sind jedoch unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründet, weil sie gerade bereits durch die privatrechtliche Mandatierung des Rechtsanwalts entstehen. Der Senat vermag daher hieraus kein Argument herzuleiten, das einen Anspruch des Nebenklagevertreters auf Erstattung von Gebühren und Auslagen vor Beantragung der Prozesskostenhilfe unmittelbar gegenüber der Staatskasse rechtfertigt.
c) Schließlich spricht auch der im Gesetzgebungsverfahren zugrunde gelegte Zweck der mehrfach geänderten genannten Vorschriften gegen eine Erstreckung des Vergütungsanspruchs auf die Zeit vor der Antragstellung auf Prozesskostenhilfe.
So beruht die heutige Regelung des 48 Abs. 6 S. 1 RVG (wortgleich mit dem bis zum 31.08.2009 geltenden § 48 Abs. 5 S. 1 RVG a.F.) auf einer Übernahme der Regelung des bis zum 30.06.2004 geltenden § 97 Abs. 3 BRAGO. Dies ergibt sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfes (BT-Drs. 14/8818, S. 60, Zu § 45). Dort heißt es lapidar: "Absatz 5 Satz 1 übernimmt die Regelung des § 97 Abs. 3 BRAGO." Jene Vorschrift über die Rückwirkung der Pflichtverteidigerbestellung bestand bereits seit langem (vgl. nur BT-Drs. 7/3243, S. 10, Nr. 49 Buchst. c)) und wurde in der letzten gültigen Fassung durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 eingeführt, um eine verbliebene Streitfrage über den Umfang des Anspruches zu klären (BT-Drs. 12/6962, S. 107, Nr. 35 Buchst. b)). Den Ursprungsvorschriften der BRAGO war jedoch ersichtlich gemein, dass sie die gebührenrechtliche Rückwirkung der Bestellung nur eines Pflichtverteidigers regeln sollten.
Die Vorschrift des § 397a StPO wurde hingegen erstmals durch das Opferschutzgesetz eingefügt und ist am 07.04.1987 in Kraft getreten. Die ursprüngliche Fassung der Vorschrift sah für Nebenkläger zunächst nur für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Auflösung der bis dahin geltenden Globalverweisung auf die Rechte des Privatklägers vor. Nach dem Regierungsentwurf (BT-Drs. 10/5305, S. 14, § 397a) sollte sich daran zunächst nichts ändern. Insbesondere gibt es keinen Hinweis darauf, dass die zu der Zeit bereits bestehende Vorschrift des § 97 Abs. 3 BRAGO auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe Anwendung finden sollte.
Zusammenfassend ergibt die Auswertung der Gesetzesmaterialien keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber entgegen der Auslegung des Wortlautes und der Systematik der Gesetzes eine Erstreckung der Gewährung von Prozesskostenhilfe auf die Zeit vor der Antragstellung bezweckt hat.