Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 23.06.2022, Az.: 2 B 47/22

Bauvorlagen; Nachbarschutz; Schutzpflichten; Standsicherheit anderer baulicher Anlagen; Standsicherheitsnachweis; Tragfähigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
23.06.2022
Aktenzeichen
2 B 47/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59250
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

Der Antragsteller ist Erbbauberechtigter des mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt. Er wendet sich gegen eine der Beigeladenen für das östlich angrenzende Grundstück Speckmannweg 7 (Baugrundstück) erteilte Baugenehmigung, durch die die Errichtung von drei Reihenhäusern zugelassen wird.

Das Grundstück des Antragstellers sowie das Baugrundstück liegen im unbeplanten Innenbereich der Hansestadt Lüneburg sowie im ausgewiesenen Erdfall- und Senkungsgebiet von A-Stadt, das sich mit einer Größe von 1,8 Quadratkilometern etwa von der Rückseite des Rathauses der Hansestadt Lüneburg über die westliche Altstadt bis zum Schildstein und bis Volgershall erstreckt. Innerhalb dieses Bereiches liegt der rund 1,2 km² große Salzstock, in dem es auch zu Erdfällen kommen kann (siehe allgemeine Informationen zum Senkungsgebiet unter https://www.hansestadtlueneburg.de/Home-Hansestadt-Lueneburg/Stadt-und-Politik/Geschichte/Senkung.aspx). Das Baugrundstück befindet sich südlich der vermuteten Salzstockhochlage und im Einflussbereich zweier morphologischer Hauptabbruchkanten, die sich infolge von Lösungserscheinungen im Untergrund bilden und die ein Hinweis auf Senkungsbewegungen der Geländeoberfläche durch Lösung von Salz oder Gips sein können (vgl. VV Bl. 9, 114). Bis zu seinem Abriss im Frühjahr 2021 stand ein Einfamilienhaus auf dem Baugrundstück.

Am 19. Juni 2020 beantragte die Beigeladene für das Baugrundstück die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung von drei zweigeschossigen, nicht unterkellerten Reihenhäusern mit Spitzboden (ohne Aufenthaltsräume) und vier Stellplätzen. Ausweislich der grüngestempelten Bauvorlagen handelt es sich bei dem Bauvorhaben um ein Gebäude der Gebäudeklasse 3. Der Standsicherheitsnachweis war den Bauvorlagen nicht beigefügt; ausweislich des Prüfvermerks sollte dieser nachgereicht werden.

Der Antragsteller, der ebenso wie weitere Anwohner im Baugenehmigungsverfahren beteiligt wurde, machte schon im Baugenehmigungsverfahren Einwendungen gegen das Bauvorhaben geltend. Diese betrafen insbesondere die Lage des Baugrundstücks im Senkungsgebiet. Der Antragsteller sowie weitere Anlieger vermuteten zwischen den zwei bekannten Abbruchkanten, die südlich bzw. nördlich des Baugrundstücks verzeichnet sind, eine weitere Abbruchkante, die den nördlichen Teil des Baugrundstücks tangieren und nördlich des Grundstücks des Antragstellers verlaufen soll (vgl. Stellungnahme des weiteren Anliegers Prof. Sch., VV Bl. 95). Ausweislich eines von dem Anlieger Prof. Sch. beauftragten geotechnischen Kurzgutachtens des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. Klaus-Peter S. vom 22. Januar 2021 (VV Bl. 99 ff.) sei dadurch, dass infolge des im Vergleich zur früheren Bebauung deutlich größer dimensionierten Vorhabens etwa die dreifache Belastung wie zuvor auf das Grundstück einwirke, zu befürchten, dass zwangsläufig unterschiedliche Baugrundverformungen (Setzungen) entstünden, die durch die geologisch bedingten Geländesenkungen überlagert würden. Wegen der exponierten Lage des Bauvorhabens in der Nähe zweier bekannter Abbruchkanten seien notwendigerweise die Bauwerksplanung und die spätere Umsetzung der Baumaßnahmen mit besonderen technischen Auflagen zu versehen. Diesbezüglich verwies Prof. S. in seinem Kurzgutachten auf die DIN 1054: 2010-12 und den Eurocode 7 (EC 7), DIN EN 1997-1: 2014-07. Wegen der schwierigen geologischen Verhältnisse gehöre das Vorhaben zur Geotechnischen Kategorie GK 3, für die die Norm sehr dezidierte Anforderungen an die Planung, die Ausführung und die Überwachung der Baumaßnahme stelle. Vor diesem Hintergrund sei es dringend erforderlich, dass die Planung die vorstehend aufgeführten Randbedingungen berücksichtige und durch ein geotechnisches Fachgutachten nachgewiesen werde, dass durch die vorgesehene Baumaßnahme keine nachteiligen Auswirkungen auf die Nachbarschaft entstünden, und dass durch die geplanten Tiefbaumaßnahmen (Rückbau des Altgebäudes einschließlich der Gründung und Erdarbeiten zur Herrichtung der Neubaugründung) keine neuen Bodenbewegungen an den Abbruchkanten ausgelöst würden. Zudem sollten auf allen Nachbargrundstücken und an den Nachbargebäuden umfangreiche Beweissicherungen durchgeführt werden. Zusätzlich müsse mit einem weitläufigen und tief in den Untergrund reichenden geotechnischen Messprogramm das Untergrundverhalten der den Gipshut überdeckenden Erdschichten überwacht werden. Nur mit diesen empfohlenen Messungen könne bei sich abzeichnenden neuen Untergrundbewegungen die Bautätigkeit rechtzeitig gestoppt werden.

In Reaktion auf die Einwendungen der Anlieger gab die Antragsgegnerin bei dem Diplom-Geologen T. T. die Erstellung einer Stellungnahme zum Bauvorhaben bezüglich der Lage im Senkungsgebiet bzw. der Lage zur Abbruchkante in Auftrag, die dieser unter dem 6. Februar 2021 vorlegte (VV Bl. 111 ff.). In seiner Stellungnahme wertete er die vorhandenen Messdaten und Stellungnahmen dahingehend aus, dass die festzustellenden Senkungsbewegungen in nördlicher Richtung zunähmen. Dementsprechend seien auch an der nördlichen der beiden kartierten Abbruchkanten höhere Senkungsgeschwindigkeiten festzustellen als an der südlichen. Auch im Bereich des Baugrundstücks sei eine eher geringe Senkungstendenz von 0,9 mm pro Jahr festzustellen. Aufgrund der dargestellten Senkungsverhältnisse sei das Bauvorhaben in die Geotechnische Kategorie GK 3 einzustufen. Auch der Geologe T. verwies diesbezüglich auf die DIN 1054:2010-12 und den Eurocode 7 (EC 7), DIN EN 1997-1: 2014-07, wo Anforderungen an Planung, Ausführung und Beweissicherung der Baumaßnahmen aufgestellt würden. Er empfahl, den Abriss und den Neubau auf dem Baugrundstück durchweg erschütterungsarm festzuschreiben. Die seitens des Gutachters Prof. S. aufgeworfene Frage der zusätzlichen Lasten durch den geplanten Baukörper sei im Rahmen des geotechnischen Gutachtens zu erörtern. Hierzu sei der Bodenaufbau üblicherweise geotechnisch zu untersuchen, um Rückschlüsse auf die Tragfähigkeit des Baugrundes machen zu können. Entsprechend seien dann ggf. geotechnische Maßnahmen bei der Gründung des Gebäudes unter Ansatz der maximal verträglichen Setzungen und Setzungsdifferenzen notwendig. Inwieweit Grundbruchberechnungen im Hinblick auf Eingriff und Lage der nächstgelegenen betroffenen Bauten von Nöten seien, sei gleichfalls in Abhängigkeit der anstehenden Bodenschichten und der vorgesehenen Eingriffstiefe im geotechnischen Gutachten zu betrachten und festzulegen.

Mit Bescheid vom 8. März 2021 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Die Baugenehmigung enthält verschiedene Nebenbestimmungen, die sich mit der Lage des Baugrundstücks im Senkungsgebiet auseinandersetzen. So ist unter Ziff. I.1. angeordnet, dass aufgrund der Lage des Baugrundstücks im Erdfall- und Senkungsgebiet und der Größe des Bauvorhabens der Standsicherheitsnachweis vor Baubeginn vorzulegen ist. Mit der Ausführung der Bauarbeiten darf erst begonnen werden, wenn die Prüfung des Standsicherheitsnachweises durch einen von der Bauaufsicht der Antragsgegnerin beauftragten Prüfingenieur für Baustatik erfolgt und dieser durch die Bauaufsicht freigegeben worden ist. Eventuelle Forderungen, die sich aufgrund der noch durchzuführenden Prüfung des Standsicherheitsnachweises ergeben, gelten nach Ziff. I.1. als Nebenbestimmungen der Baugenehmigung. Ferner sieht die Baugenehmigung in Ziff. I.2. vor, dass entsprechend den anerkannten Regeln der Technik ein geotechnisches Fachgutachten nach den Vorgaben „u.a. der DIN EN 1997 mit den ergänzenden Regeln der DIN 1054: 2010-12, dem Eurocode (EC 7), der DIN EN 1997-1: 2014-07 als Grundlage für den Standsicherheitsnachweis“ vorzulegen ist. Aus dem Gutachten resultierende Maßnahmen werden nach der Nebenbestimmung zum Bestandteil der Baugenehmigung. Gemäß Ziff. I.3. der Baugenehmigung ist zudem bezüglich verschiedener Nachbargebäude, darunter das Gebäude des Antragstellers, in Abstimmung mit den jeweiligen Eigentümern ein Beweissicherungsverfahren in Auftrag zu geben. Die Auftragsbestätigung ist der Bauaufsicht vorzulegen. Nach Ziff. I.4. der Baugenehmigung sind die Erdarbeiten und der Rohbau möglichst erschütterungsarm durchzuführen.

Der Antragsteller wurde über die Erteilung der Baugenehmigung mit Schreiben vom 8. März 2021 in Kenntnis gesetzt. Er erhob am 28. März 2021 Widerspruch.

Zur Begründung führte er aus: Das Bauvorhaben füge sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sowie der überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Umgebung werde durch Ein- und Zweifamilienhäuser geprägt. Auch der abgerissene Bestand auf dem Baugrundstück – ebenfalls ein Einfamilienhaus – entfalte unbeschadet seines Abrisses noch prägende Wirkung. Die Grundstücke in der näheren Umgebung seien höchstens zur Hälfte bebaut; insofern bestehe eine erhebliche Diskrepanz zu dem Bauvorhaben, durch das das Grundstück um mehr als die Hälfte überbaut werde. Die geplante Stellplatzanlage füge sich nicht in die Umgebung ein. Die Baulinie am nordöstlichen Rand des Speckmannweges werde nicht eingehalten; vielmehr entstehe durch die geplante Bebauung ein erheblicher Sprung nach Nordosten. Der Platzcharakter im Bereich der Kreuzung Speckmannweg/Finkenberg werde durch das Bauvorhaben gesprengt. Zudem verstoße das Bauvorhaben gegen § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO. Nach dieser Vorschrift, die zu seinen Gunsten nachbarschützende Wirkung entfalte, dürften die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden. Dass es zu keinen Auswirkungen auf die Tragfähigkeit des nachbarlichen Baugrunds komme, müsse der Bauherr in den Bauvorlagen erkennbar machen. Bauvorlagen, die insoweit keine abschließende Beurteilung zuließen, erlaubten die Aufhebung der Baugenehmigung wegen formeller Rechtswidrigkeit. Hier habe sich die Antragsgegnerin in der Baugenehmigung zwar mit den geologischen Besonderheiten des Baugrundes auseinandergesetzt und diese Problematik auch in verschiedenen Nebenbestimmungen abgearbeitet, diese seien indes nicht ausreichend, um die Standsicherheit seines Wohngebäudes nachzuweisen. Ausweislich des Vermerks der Antragsgegnerin vom 12. März 2019 sei die tatsächliche Ausdehnung der Salzstockhochlage nicht hinreichend geklärt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese bis auf das Baugrundstück reiche und eine weitere Abbruchkante vorhanden sei, die sich vom Baugrundstück bis hin zu seinem Grundstück bzw. Haus erstrecke. Das Vorhaben wie auch sein Grundstück befänden sich im Hauptgefährdungsbereich. Aus seiner Sicht sei der Nachweis der Standsicherheit auch für die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks bereits zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung zu erbringen und nicht erst im Nachgang durch Erfüllung von Auflagen in Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung. Eine Prognose der Senkungsintensität aufgrund des Bauvorhabens sei den Bauvorlagen nicht zu entnehmen. Weil das genehmigte Gebäude eine völlig andere Ausrichtung habe und damit andere Masseeinwirkungen auf den Baugrund des Vorhabengrundstücks entfalte als das abgerissene Bestandsgebäude, blieben die Auswirkungen des Bauvorhabens im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 NBauO aufgrund der Massezunahme unklar. Insofern befasse sich die Baugenehmigung nur defizitär mit den Auswirkungen des Vorhabens auf den Baugrund in der Nachbarschaft. Zwar seien nach der Baugenehmigung Beweissicherungen durchzuführen, hingegen sei offenbar nicht vorgesehen, mit einem tief in den Untergrund reichenden geotechnischen Messprogramm das Untergrundverhalten der den Gipshut überdeckenden Erdschichten zu überwachen, wie dies der Gutachter Prof. S. vorgeschlagen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2021 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und lehnte den Antrag, den Untergrund geologisch über die unmittelbaren Nachbargrundstücke hinaus über einen längeren Zeitraum vor Beginn der Baumaßnahme geotechnisch zu untersuchen, ab. Dem Widerspruchsbescheid fügte die Antragsgegnerin die aufgrund der Einwendungen des Antragstellers eingeholte ergänzende Stellungnahme des Geologen T. vom 24. November 2021 bei. Darin heißt es, es sei nicht nachgewiesen, dass es eine weitere Abbruchkante gebe. Aber auch wenn es eine solche geben sollte, sei aufgrund des Senkungsverhaltens der vergangenen Jahre nicht davon auszugehen, dass sich die Senkungsintensität verändere. Im Übrigen deuteten die Messungen der vergangenen 70 Jahre eher auf einen Rückgang der Senkungen hin. Insofern erscheine die vorhandene Datengrundlage zur Senkungssituation ausreichend, um die Senkungen im Rahmen des für das geplante Bauvorhaben zu erstellenden geotechnischen Gutachtens beurteilen zu können. Aus Sicht des Gutachters sei mit der Baugenehmigung den Empfehlungen der Stellungnahme vom 6. Februar 2021 gefolgt worden. Die Einhaltung der Nebenbestimmungen und Hinweise der Baugenehmigung sei im Hinblick auf die seitens des Antragstellers besorgte Gefährdung der Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und der Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO unerlässlich.

Am 27. Januar 2022 hat der Antragsteller zunächst Klage erhoben und - nach Beginn der Bauarbeiten - am 14. April 2022 bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Den unter dem 13. Mai 2022 beantragten Erlass eines Hängebeschlusses hat die Kammer mit Beschluss vom 17. Mai 2022 abgelehnt.

Zur Begründung vertieft der Antragsteller sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus: Das geotechnische Fachgutachten vom 24. November 2021, welches das Baugelände – anders als die übrigen mit der Angelegenheit befassten Gutachter – nicht in die Geotechnische Kategorie 3, sondern (nur) in die Geotechnische Kategorie 2 einordne, erfülle nicht die Anforderungen der Nebenbestimmung Ziff. I.2. der angefochtenen Baugenehmigung. Dies sehe auch Prof. S. ausweislich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. Mai 2022 so. Das Bauvorhaben sei eindeutig der Geotechnischen Kategorie 3 zuzuordnen. Auch die Baugenehmigung selbst sei defizitär, weil zahlreiche weitere Schutzmaßnahmen in der Baugenehmigung hätten geregelt werden müssen. Die Nebenbestimmung in Ziff. I.2. sei zu unbestimmt, weil sie nicht festschreibe, dass das Baugrundstück der Geotechnischen Kategorie 3 zuzuordnen sei.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene, erstere unter Vorlage der von dem Antragsteller als fehlend gerügten Unterlagen, nämlich des Berichts zur durchgeführten Beweissicherung auf dem Grundstück des Antragstellers, des Prüfberichts zum Standsicherheitsnachweis der wk consult vom 14. April 2022 sowie des Geotechnischen Berichts (Gründungsbeurteilung) vom 24. November 2021 der Burmann, M.+P., treten dem Antrag entgegen.

II.

Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.

Nach § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit eines ihn belastenden Verwaltungsaktes gegenüber dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehbarkeit oder Ausnutzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Entscheidung bedarf es einer Abwägung zwischen dem Interesse des Begünstigten an der sofortigen Ausnutzbarkeit der ihm erteilten Regelung und dem Interesse des davon betroffenen Antragstellers an einer vorläufigen Aussetzung der Wirkungen der Regelung, bei der insbesondere auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Bei der hier gegebenen Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn kommt entscheidend hinzu, dass diese nur dann Erfolg haben kann, wenn die Baugenehmigung – ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit in objektiver Hinsicht – unter Verletzung nachbarschützender Vorschriften erteilt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989 - 4 C 14.87 -, juris).

Nach diesen Vorgaben fällt die Interessenabwägung hier zulasten des Antragstellers aus. Bei der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht erkennbar, dass er durch die angefochtene Baugenehmigung in seinen Nachbarrechten verletzt wird. Sein Rechtsbehelf im Hauptsacheverfahren, hier seine Klage vom 27. Januar 2022 (2 A 28/22), wird voraussichtlich erfolglos bleiben, weshalb ein überwiegendes Aussetzungsinteresse nicht erkannt werden kann.

1. Die Einwände des Antragstellers gegenüber dem Bauvorhaben, die an dessen Lage im Senkungsgebiet anknüpfen und die im Wesentlichen dahingehen, dass die Baugenehmigung die von dem Vorhaben ausgehenden potentiellen Gefahren für die Tragfähigkeit seines eigenen Grundstücks nur unzureichend abarbeite, werden voraussichtlich unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zur Aufhebung der Baugenehmigung führen.

a) Die angefochtene Baugenehmigung verletzt den Antragsteller nicht in seinen aus § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO folgenden Rechten. Nach dieser Vorschrift dürfen durch eine bauliche Anlage die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden. Zwar dient diese Vorschrift ersichtlich auch den Rechten eines Nachbarn. Die vorliegende Baugenehmigung verletzt aber schon deshalb keine diesbezüglichen Nachbarrechte, weil sie bezüglich dieser Vorschrift keine Legalisierungswirkung entfaltet.

Die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung bezieht sich grundsätzlich nur auf die im Genehmigungsverfahren zu prüfenden Fragen. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, das hier gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 NBauO durchzuführen ist, weil die vorliegend genehmigte Errichtung eines Wohnhauses keinen Sonderbau im Sinne des § 2 Abs. 5 NBauO betrifft, sind indes nicht sämtliche Vorgaben der Niedersächsischen Bauordnung, sondern nur die in § 63 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 NBauO genannten zu prüfen. Die Legalisierungswirkung einer im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung ist dementsprechend beschränkt. Sie erfasst nicht diejenigen Vorschriften, die nicht zum Prüfprogramm gehören (Stiel/Lenz, Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 63 Rn. 8). Nach diesen Vorgaben nimmt § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO nicht an der Legalisierungswirkung der streitgegenständlichen Baugenehmigung teil, denn sie ist im Katalog des § 63 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 NBauO nicht genannt und darum im - vorliegend einschlägigen – vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen.

Die begrenzte Legalisierungswirkung hat Folgen für den Nachbarschutz. Rechtswirkungen gegenüber den Nachbarn entfaltet die Baugenehmigung nur in dem Umfang, in dem nachbarschützende Rechtsvorschriften gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 NBauO überhaupt zu prüfen sind. Nur insoweit enthält die Baugenehmigung nämlich eine Regelung, die den Nachbarn potentiell in seinen Rechten verletzen könnte. Eine Nachbarklage und ein Antrag nach den §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO bleiben hingegen erfolglos, wenn die vermeintlich verletzten Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht zum Prüfprogramm gehören (Stiel/Lenz, Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 63 Rn. 25).

Weil § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist, kann der Antragsteller als Nachbar die im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung nicht mit der Begründung angreifen, das genehmigte Vorhaben gefährde die Standsicherheit seiner baulichen Anlage (vgl. zu den entsprechenden Vorschriften des bayerischen Landesrechts Bay. VGH, Beschl. v. 27.10.1999 - 2 CS 99.2387 -, juris Rn. 16).

Vorliegend gilt nicht deshalb etwas Anderes, weil sich die Bauaufsichtsbehörde in der streitgegenständlichen Baugenehmigung ersichtlich mit den Vorgaben des § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO auseinandersetzt hat. So zeigen sowohl die Verwaltungsvorgänge als auch die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen, dass sich die Antragsgegnerin ersichtlich mit Fragen der Standsicherheit und der Tragfähigkeit des Baugrundes befasst hat. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin die erteilte Baugenehmigung zugleich mit einer entsprechenden Legalisierungswirkung ausstatten wollte. Denn diese Prüfung kann sie schlicht auch im Rahmen ihrer allgemeinen Überwachungspflichten nach § 58 Abs. 1 NBauO vorgenommen haben. Bei der Annahme, die Bauaufsichtsbehörde habe eine Baugenehmigung hinsichtlich einer Vorschrift über den Prüfumfang im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren hinaus mit Legalisierungswirkung versehen, ist darum grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. Stiel/Lenz, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO, § 63 Rn. 8).

Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin mit der Baugenehmigung die Vorgaben des § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO abschließend bearbeitet und die Baugenehmigung mit einer entsprechenden Legalisierungswirkung ausgestattet hätte. Vielmehr hat die Antragsgegnerin den Standsicherheitsnachweis ausdrücklich unter den Vorbehalt einer bauaufsichtlichen Prüfung und Freigabe gestellt (vgl. Ziff. I.1 der Baugenehmigung) und hat zudem angeordnet, dass Maßnahmen und Beschränkungen des geotechnischen Gutachtens Bestandteil der Baugenehmigung werden (Ziff. I.2 der Baugenehmigung). Damit hat sie sich die Möglichkeit offengehalten, ggf. weitergehende Maßnahmen zum Schutz der Tragfähigkeit des Nachbargrundstücks zu treffen. Somit kommt der Baugenehmigung bezüglich der möglichen Folgewirkungen für das Grundstück des Antragstellers weder eine abschließende Feststellungs- noch eine Gestattungswirkung zu, die den Antragsteller in seinen Rechten verletzen könnte. Insbesondere ist aufgrund der nur begrenzten Legalisierungswirkung der Baugenehmigung nicht ausgeschlossen, dass die Bauaufsichtsbehörde weitere bauaufsichtliche Maßnahmen zum Schutz der Rechte des Antragstellers aus § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO ergreift.

b) Die Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen Schutzpflichten, die der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller bezüglich etwaiger Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Tragfähigkeit seines Grundstücks obliegen.

Schutzpflichten der Bauaufsichtsbehörde zugunsten des Nachbarn, was Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Tragfähigkeit seines Grundstücks angeht, sind insbesondere in der bereits genannten Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO geregelt. Zwar gehört diese Vorschrift grundsätzlich nicht zum Prüfprogramm im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, weil sie, wie dargelegt, im Katalog des § 63 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 NBauO als zu prüfende Vorschrift aus der Niedersächsischen Bauordnung nicht aufgeführt ist. Die in § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO geregelten Schutzpflichten können jedoch der Sache nach im Einzelfall auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zum Tragen kommen. Gemäß § 63 Satz 3 Hs. 2 NBauO bleibt § 65 NBauO „unberührt“, sein Regelungsgehalt gilt also auch dann, wenn § 63 NBauO im Übrigen den Prüfungsumfang wie dargestellt beschränkt. § 65 NBauO regelt dabei insbesondere, ob und inwiefern der Standsicherheitsnachweis im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen ist (vgl. § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 NBauO). Gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 Nr. 1, Abs. 3 NBauO ist dies nur unter bestimmten – hier nicht einschlägigen – Voraussetzungen der Fall. Im Übrigen ist der Standsicherheitsnachweis im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen (vgl. § 65 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 NBauO). Die Baugenehmigungsbehörde kann in diesen Fällen gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 NBauO allerdings anordnen, dass der Standsicherheitsnachweis ausnahmsweise doch zu prüfen ist. Dies kommt nach der genannten Vorschrift dann in Betracht, wenn besondere statischkonstruktive Nachweise oder Maßnahmen insbesondere wegen des Baugrundes erforderlich sind. Diese nach bestimmten Maßgaben erweiterte Prüfkompetenz der Bauaufsichtsbehörde umfasst dabei auch die potentiellen Auswirkungen, die das Bauvorhaben auf die Tragfähigkeit des Nachbargrundstücks sowie die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen hat. Dies ergibt sich aus dem in § 14 Niedersächsische Bauvorlagenverordnung (NBauVorlVO) geregelten Inhalt des Standsicherheitsnachweises. So müssen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 NBauVorlVO die Standsicherheit der baulichen Anlagen und ihrer Teile durch die statischen Berechnungen nachgewiesen werden. Die Beschaffenheit des Baugrundes und seine Tragfähigkeit sind in den statischen Berechnungen anzugeben (§ 14 Abs. 2 Satz 2 NBauVorlVO). Ferner sieht § 14 Abs. 2 Satz 3 NBauVorlVO vor, dass – „soweit erforderlich“ – durch statische Berechnungen nachzuweisen ist, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke, auch während der Durchführung der Baumaßnahme, nicht gefährdet werden. Die Vorschrift greift also die Vorgaben des § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO auf Ebene der bautechnischen Nachweise auf.

Aus diesen Vorgaben ergibt sich zunächst, dass die Bauaufsichtsbehörde auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren objektivrechtlich befugt ist, die Beschaffenheit des Baugrundes und seine Auswirkungen auf die Standsicherheit des zur Genehmigung gestellten Bauvorhabens sowie benachbarter baulicher Anlagen in den Blick zu nehmen. Denn um entscheiden zu können, ob es „insbesondere wegen des Baugrundes“ erforderlich sein könnte, gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 NBauO die Prüfung des Standsicherheitsnachweises anzuordnen, und ob der Bauherr darüber hinaus gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 NBauVorlVO verpflichtet sein soll, nachzuweisen, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke nicht gefährdet werden, muss die Baugenehmigungsbehörde diese Fragen zumindest überschlägig geprüft haben.

Mit dieser auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren bestehenden objektiven Prüfungskompetenz dürfte nach Auffassung der Kammer auch ein entsprechender Prüfanspruch des Nachbarn dann korrelieren, wenn aufgrund besonderer, der Bauaufsichtsbehörde bekannter Umstände – wie beispielsweise unsichere Baugründe oder rutschgefährdete Hanglagen – im Raum steht, dass der fertige Baukörper die Standsicherheit benachbarter Gebäude oder die Tragfähigkeit des Grundes gefährdet und somit ein Konflikt mit § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO in Betracht kommt (vgl. in diese Richtung auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 10.12.2018 - 8 S 2440/18 -, juris Rn. 9; vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 1.5.2019 - 1 ME 66/19 -, Veröff. n. b.).

Vorliegend war die Bauaufsichtsbehörde aufgrund der Lage des Baugrundstücks im Erdfall- und Senkungsgebiet verpflichtet, sich schon im Vorfeld, das heißt im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens oder jedenfalls parallel dazu im Rahmen eines bauaufsichtlichen Verfahrens, mit den Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Standfestigkeit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit von Nachbargrundstücken zu befassen. Denn mit der Erteilung der Baugenehmigung für ein Baugrundstück im Senkungsgebiet setzt die Bauaufsichtsbehörde, auch wenn sie die Baugenehmigung nicht mit einer entsprechenden Legalisierungswirkung ausstattet, zumindest ein gewisses Risiko dafür, dass sich etwaige Gefahren materialisieren, weil die Baugenehmigung ein erster Schritt zur Verwirklichung des Bauvorhabens ist.

Den aus diesem normativen Gefüge abzuleitenden Schutzansprüchen des Antragstellers hat die Antragsgegnerin indes insgesamt genüge getan.

Es bestehen zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin zum Schutz des Antragstellers vor den schon im Baugenehmigungsverfahren erkennbaren Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Tragfähigkeit seines Grundstücks verpflichtet gewesen sein könnte, der Beigeladenen die Erteilung der Baugenehmigung ganz zu verwehren.

Eine entsprechende Befugnis zur Ablehnung der Baugenehmigung käme in objektivrechtlicher Hinsicht dann in Betracht, wenn erkennbar wäre, dass die Verwirklichung des Bauvorhabens zwangsläufig und unvermeidbar zu einem Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO führen würde. Denn das eingeschränkte Prüfprogramm zwingt die Bauaufsichtsbehörde nicht in allen Fällen, eine Baugenehmigung für ein Vorhaben zu erteilen. Sie kann vielmehr befugt sein, die Baugenehmigung zu versagen, wenn sie trotz des eingeschränkten Prüfprogramms bemerkt, dass das Vorhaben einer aus dem Prüfprogramm ausgeschlossenen Bestimmung des öffentlichen Rechts widerspricht und dieses Hindernis nicht behebbar ist. Ein zwingend nach Ausführung rechtswidriges Vorhaben muss die Bauaufsichtsbehörde jedenfalls nicht umstandslos genehmigen (Stiel/Lenz, in: Große-Suchsdorf, 10. Aufl. 2020, NBauO § 63 Rn. 14).

Es kann vorliegend dahinstehen, ob diese Erkenntnis auch eine subjektivrechtliche Ausprägung hat, namentlich ob sich der Antragsteller als Nachbar mit diesem Argument gegen die Erteilung der Baugenehmigung wehren könnte. Denn eine Situation, in der die Antragsgegnerin die Baugenehmigung wegen eines nicht behebbaren Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO von vornherein nicht hätte erteilen können bzw. dürfen, liegt hier ersichtlich nicht vor. Den vorliegenden Gutachten und gutachterlichen Stellungnahmen lässt sich nicht entnehmen, dass das Bauvorhaben aufgrund der Beschaffenheit des Baugrundes schlechterdings nicht errichtet werden könnte. Hiervon geht namentlich auch der von den Anliegern beauftragte Gutachter Prof. S. nicht aus. Offenbar in der Annahme der grundsätzlichen Zulässigkeit und bautechnischen Umsetzbarkeit des Vorhabens auf dem vorhandenen Baugrund empfiehlt er wegen der exponierten Lage des Bauvorhabens in unmittelbarer Nähe zu zwei bekannten Abbruchkanten sowie der mit dem Bauvorhaben einhergehenden Laststeigerung auf dem Baugrundstück gegenüber dem bisherigen Belastungszustand (S. 3 f des geotechnischen Kurzgutachtens vom 22. Januar 2021) lediglich, die Bauwerksplanung und die spätere Umsetzung der Baumaßnahme mit besonderen technischen Auflagen zu versehen.

Auch im Übrigen kann die Kammer nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin mit Erteilung der Baugenehmigung Schutzpflichten gegenüber dem Antragsteller verletzt hätte.

Die Antragsgegnerin hat sich ausweislich des Verwaltungsvorgangs sowie des Inhalts der Baugenehmigung mit der Lage des Baugrundstücks im Senkungsgebiet auseinandergesetzt. Sie hat erkannt, dass die Frage der Standfestigkeit des Bauvorhabens angesichts seiner Lage im Senkungsgebiet besonderer Betrachtung bedarf, und dass sie infolgedessen eine Ermessensentscheidung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 NBauO zu treffen hat. In Ausübung ihres nach § 65 Abs. 2 Satz 2 NBauO eröffneten Ermessens hat sie angeordnet, dass der Standsicherheitsnachweis ausnahmsweise vor Baubeginn vorzulegen und zu prüfen ist. Ferner hat sie bestimmt, dass der Bauherr ein geotechnisches Gutachten beizubringen hat. Mit dieser Anordnung hat sie § 14 Abs. 2 Satz 3 NBauVorlVO Rechnung getragen, wonach „soweit erforderlich“ durch statische Berechnungen nachzuweisen ist, dass die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes der Nachbargrundstücke, auch während der Durchführung der Baumaßnahme, nicht gefährdet werden. In dem vorzulegenden geotechnischen Gutachten sollen auch nach dem Verständnis des von den Anliegern beauftragten Gutachters Prof. S. insbesondere Aussagen zur Tragfähigkeit des Baugrundes getroffen werden. Auch sind die Auswirkungen der durch das Bauvorhaben im Vergleich zur früheren Bebauung bewirkten Massesteigerung zu beleuchten. Aus den Feststellungen des Gutachtens können darum Rückschlüsse bezüglich der Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Tragfähigkeit der Nachbargrundstücke gezogen werden. Es dient insofern dem Nachweis, dass durch die vorgesehenen Baumaßnahmen nicht die von dem Antragsteller befürchteten nachteiligen Auswirkungen auf die Nachbarschaft entstehen (vgl. S., Geotechnische Stellungnahme vom 22.1.2021, VV Bl. 103; vgl. auch T., Stellungnahme vom 6.2.2021, VV Bl 115). Das geotechnische Gutachten ist dabei ebenfalls schon vor Baubeginn vorzulegen. Dies folgt zumindest aus der zusätzlichen Bestimmung, dass das geotechnische Gutachten als Grundlage für den seinerseits vor Baubeginn vorzulegenden und zu prüfenden Standsicherheitsnachweis dienen soll.

Mit diesen in der Baugenehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen hat die Antragsgegnerin den ihr gegenüber dem Antragsteller obliegenden Schutzpflichten, was die Auswirkungen des Vorhabens auf die Tragfähigkeit des Grundstücks des Antragstellers angeht, genüge getan. Sie hat sichergestellt, dass diese Frage vor Baubeginn geprüft wird. Durch die vor Baubeginn vorzulegenden Nachweise wird die Antragsgegnerin in den Stand versetzt, bei auftretenden Problemen ggf. weitergehende bauaufsichtliche Anordnungen zu treffen. Zudem ist in der Baugenehmigung selbst angeordnet, dass ggf. aus dem Gutachten resultierende erforderliche Maßnahmen und Beschränkungen Bestandteil der Baugenehmigung werden, ohne dass die Baugenehmigung die nach dem Gutachten erforderlichen Maßnahmen von vornherein abschließend regeln würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin – angesichts der oben beschriebenen begrenzten Legalisierungswirkung der Baugenehmigung – auch weiterhin befugt ist, zusätzliche bauaufsichtliche Anordnungen zur Durchsetzung der Vorgaben des § 12 Abs.1 Satz 2 NBauO zu treffen.

Einen Anspruch darauf, dass die Prüfung der Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich schon vor Erteilung der Baugenehmigung stattfindet, hat der Antragsteller – insbesondere auch angesichts der insoweit begrenzten Legalisierungswirkung der Baugenehmigung – hingegen nicht. Der Antragsgegnerin steht ein weites Ermessen zu, wie sie die ihr gegenüber dem Antragsteller obliegenden Schutzpflichten erfüllt. Sie ist frei, die Vorgaben des § 12 Abs. 1 Satz 2 NBauO auch in einem ggf. parallel zum Baugenehmigungsverfahren zu führenden bauaufsichtlichen Verfahren sicherzustellen. Dass die streitgegenständliche Baugenehmigung diese Fragen im Detail ins bauaufsichtsrechtliche Verfahren verlagert, ist darum nicht zu beanstanden.

Vor dem Hintergrund des Vorstehenden ist schließlich nicht ersichtlich, dass die Baugenehmigung in nachbarrechtsverletzender Weise zu unbestimmt wäre. Ein Rügerecht des Nachbarn wegen Unbestimmtheit einer Baugenehmigung besteht nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn die Unbestimmtheit ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft und aufgrund des Mangels nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den geprüften nachbarschützenden Vorschriften entspricht. Ein solcher Fall kann dabei u. a. auch dann vorliegen, wenn die Baugenehmigung hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen insofern unbestimmt ist, weil sie nicht das für den Nachbarschutz „Wesentliche“ der Funktion des Baugenehmigungsverfahrens entsprechend präventiv regelt, sondern diese Fragen unzulässigerweise in das Überwachungsverfahren verlagert (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.10.2021 - 1 ME 104/20 -, juris Rn. 13; vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 11.3.2022 - 15 ZB 21.2871 -, juris Rn. 12).

Ein solcher Fall liegt aus den bereits dargelegten Gründen hier nicht vor. Die in Umsetzung der Schutzpflichten formulierten Nebenbestimmungen regeln selbst das für den Nachbarschutz Wesentliche. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu erkennen, dass die Nebenbestimmung in Ziff. I.2. die Anforderungen an das vorzulegende geotechnische Fachgutachten nicht in hinreichender Weise konkretisiert hätte und deshalb ersichtlich ungenügend wäre, um die Rechte des Antragstellers wirksam zu schützen. Vielmehr formuliert schon die Nebenbestimmung selbst substantielle Anforderungen, denen das Gutachten genügen muss. So verlangt die Nebenbestimmung ein Gutachten, das nach „den anerkannten Regeln der Technik“ erstellt wird und verweist diesbezüglich ausdrücklich auf die DIN 1054: 2010-12, den Eurocode 7 und DIN EN 1997-1:2014-07. In den in Bezug genommenen technischen Normen sind die geotechnischen Kategorien geregelt. Ferner werden dort Anforderungen für die Planung, Ausführung und Überwachung von Baumaßnahmen formuliert. Insofern ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden, dass die Nebenbestimmung in Ziff. 1.2. nicht ausdrücklich eine Geotechnische Kategorie vorgibt. Denn ein nach den anerkannten Regeln der Technik erstelltes geotechnisches Gutachten muss diese Einordnung selbst korrekt vornehmen. Insofern ist auch hinreichend sichergestellt, dass das vorzulegende geotechnische Gutachten die Maßnahmen und Beschränkungen vorschreiben wird, die für die Gewährleistung der Tragfähigkeit des Grundstücks des Antragstellers erforderlich sind. Soweit das geotechnische Gutachten dies nicht leistet, ist möglicherweise das als Voraussetzung für den Baubeginn vorzulegende Gutachten fehlerhaft, was der Antragsteller ggf. im Rahmen eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten geltend machen könnte. Dieser etwaige Mangel ist aber nicht schon in der Nebenbestimmung Ziff. I.2. angelegt, die die Anforderungen an das Gutachten hinreichend bestimmt regelt.

Dass die Baugenehmigung noch weiterführende oder konkreter formulierte Schutzvorkehrungen hätte treffen müssen als die in den Nebenbestimmungen vorgesehenen, drängt sich schließlich auch deshalb nicht auf, weil die Nebenbestimmungen weitgehend den Empfehlungen des von dem Antragsteller herangezogenen Gutachters Prof. S. in seinem Gutachten vom 22. Januar 2021 entsprechen. Soweit der Gutachter dort auch einen nicht umgesetzten Vorschlag macht (Überwachung des Untergrundverhaltens der den Gipshut überdeckenden Erdschichten, vgl. VV Bl. 103), betrifft dies ersichtlich nicht die sich allein nach dem öffentlichen Baurecht richtende Zulässigkeit des Vorhabens, sondern diese Maßnahme soll die der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche dienende Beweissicherung komplementieren. Auch in der im vorliegenden Verfahren vorgelegten Stellungnahme des Gutachters Prof. S. vom 30. Mai 2022 richten sich die Bedenken des Gutachters nicht gegen die Baugenehmigung bzw. die Nebenbestimmungen an sich, sondern er beanstandet das in Umsetzung der Nebenbestimmungen vorgelegte geotechnische Fachgutachten vom 24. November 2021, das nach seiner Auffassung nicht den Anforderungen der Baugenehmigung entspreche. Ob und inwiefern diese Bedenken begründet sind, ist aber keine Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, sondern betrifft deren Vollzug. Etwaige Mängel könnte der Antragsteller insoweit – wie ausgeführt – im Rahmen eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten geltend machen.

c) Schließlich ist, anders als der Antragsteller meint, die Baugenehmigung auch nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise formell rechtswidrig, weil die Bauvorlagen keine abschließende Beurteilung ermöglichten, dass es durch das Bauvorhaben nicht zu Auswirkungen auf die Tragfähigkeit seines Grundstücks komme. Soweit der Antragsteller mit seinem Vorbringen die Unvollständigkeit der Bauvorlagen rügt, führt dies unabhängig davon, ob die Bauvorlagen tatsächlich unvollständig gewesen sein sollten, schon deshalb nicht zum Erfolg seines Rechtsbehelfs, weil der Nachbar regelmäßig kein formelles subjektives öffentliches Recht auf Vollständigkeit der Bauvorlagen hat (vgl. Bay. VGH, Beschl. v. 25.7.2019 - 1 CS 19.821 -, juris Rn. 14). Eine subjektive Rechtsverletzung infolge unvollständiger Bauvorlagen käme nur insoweit in Betracht, als die Bauaufsichtsbehörde aufgrund der Unvollständigkeit der Bauvorlagen ihre präventiven Prüfpflichten im Baugenehmigungsverfahren nicht erfüllt hätte und die Prüflücke potentiell nachbarrechtsrelevante Fragen beträfe. Ein solcher Fall liegt hier indes aus den bereits genannten Gründen nicht vor. Vielmehr hat die Antragsgegnerin die ihr obliegenden Schutzpflichten in dem dargestellten Umfang schon im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigt, indem sie über die Anordnung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 NBauO den Standsicherheitsnachweis zum Prüfungsgegenstand im Baugenehmigungsverfahren gemacht hat, und überdies – wohl auf Grundlage des § 14 Abs. 2 Satz 3 NBauVorlVO – die Vorlage eines geotechnischen Gutachtens als Nachweis für die Auswirkungen des Bauvorhabens auf die Tragfähigkeit des Nachbargrundstücks vorgesehen hat. Die Verlagerung der Prüfung im Übrigen auf das bauaufsichtliche Verfahren ist nicht zu beanstanden.

2. Das Vorhaben verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Seine Zulässigkeit richtet sich, da es sich im unbeplanten Innenbereich befindet, nach § 34 BauGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB). Sofern die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, beurteilt sich das Vorhaben hinsichtlich seiner Art der baulichen Nutzung nach den Vorgaben der Baunutzungsverordnung (§ 34 Abs. 2 BauGB).

Soweit es um die Art der baulichen Nutzung geht, auf deren Erhaltung der Antragsteller unabhängig von seiner konkreten eigenen Beeinträchtigung einen Anspruch hat, entspricht das Vorhaben diesen Vorgaben ohne weiteres. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich bei der Eigenart der näheren Umgebung um ein faktisches Allgemeines oder Reines Wohngebiet handelt und ob überhaupt ein faktisches Wohngebiet zu erkennen ist, denn das Vorhaben wäre in allen Konstellationen seiner Art nach zulässig, was auch der Antragsteller nicht in Frage stellt.

Soweit der Antragsteller bemängelt, dass die nähere Umgebung praktisch nur aus Ein- und Zweifamilienhäusern bestehe und die von der Beigeladenen errichteten Reihenhäuser sich deshalb nicht einfügten, betrifft dies das Maß der baulichen Nutzung (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.7.2014 - 1 LA 168/13 -, juris Rn. 8). Der bezüglich der Art der baulichen Nutzung anerkannte Gebietserhaltungsanspruch begründet kein Abwehrrecht gegen Mehrfamilienhäuser und auch nicht gegen Doppel- oder Reihenhäuser in einem bisher durch Einfamilienhäuser geprägten Wohngebiet (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 4.7.2014 - 7 B 363/14 -, juris Rn. 3).

Ob sich das Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung sowie hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die nähere Umgebung einfügt, ist auf den Antrag des Antragstellers hin indes nicht vollständig zu überprüfen, denn einen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Einhaltung eines aus der Umgebungsbebauung abgeleiteten Maßes der baulichen Nutzung, entsprechend dem hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung anerkannten Gebietserhaltungsanspruch, gibt es nicht. Auch in seinem sog. Wannsee-Urteil (BVerwG, Urt. v. 9.8.2018 - 4 C 7.17 -, juris Rn. 13) erkennt das Bundesverwaltungsgericht keinen aus Bundesrecht abgeleiteten Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung an, sondern leitet den Drittschutz von Maßfestsetzungen in einem Bebauungsplan von einer entsprechenden Zwecksetzung der Gemeinde ab, die im unbeplanten Innenbereich naturgemäß fehlt. Gerügt werden kann das fehlende Sich-Einfügen eines Vorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung bzw. nach der überbaubaren Grundstücksfläche vom Nachbarn mithin nur dann, wenn es sich gleichzeitig als Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme darstellt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 9.3.2020 - 1 ME 154/19 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Beschl. v. 13.01.2021 - 10 A 1328/20 -, juris Rn. 6 ff.).

Soweit der Antragsteller zur Begründung seines Antrags umfangreich ausführt, die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB lägen nicht vor, kann dies allein nach oben Gesagtem nicht zum Erfolg seines Rechtsmittels führen, weil er sich auf einen rein objektivrechtlichen Verstoß gegen diese Vorgaben nicht berufen kann. Sein Antrag wäre vielmehr nur dann begründet, wenn er zugleich erfolgreich geltend machen könnte, er werde durch das Vorhaben in seinem Anspruch auf nachbarliche Rücksichtnahme verletzt. Das Gebot der Rücksichtnahme ist bei Vorhaben, die wie hier im unbeplanten Innenbereich liegen, Bestandteil der Prüfung, ob sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Dem Rücksichtnahmegebot kommt nachbarschützende Wirkung im Einzelfall (nur) insoweit zu, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Insoweit müssen die Umstände des Einzelfalles eindeutig ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen und inwieweit eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist (BVerwG, Urt. v. 5.8.1983 - 4 C 36.79 -, juris). Das Gebot der Rücksichtnahme besagt, dass ein Bauvorhaben im Einzelfall unzulässig ist, wenn von ihm Beeinträchtigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart der Umgebung unzulässig sind. Ob eine bauliche Anlage gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie schutzwürdig die Umgebung ist, wobei bestehende Vorbelastungen nicht außer Betracht bleiben dürfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.1.1983 - 4 C 59.79 -, juris). Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ist dann anzunehmen, wenn sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Bauvorhabens dem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann. Soweit sich ein Nachbar an der schieren Größe eines Vorhabens stört, kommt ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in der Regel nur dann in Betracht, wenn das Vorhaben eine unzumutbare erdrückende Wirkung entfaltet. Das wird indes nur in Ausnahmefällen der Fall sein und zwar erst dann, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d. h. dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder eine Gefängnishofsituation hervorruft. Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass es die bislang vorhandene Situation lediglich verändert, reicht hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse „Dramatik“ der Situation (vgl. zuletzt nur Nds. OVG, Beschl. v. 24.2.2022 - 1 ME 186/21 -, juris Rn. 9). In der Regel wird jedenfalls aus tatsächlichen Gründen das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt sein, wenn die landesrechtlichen Abstandsvorschriften eingehalten sind. Denn auch die Abstandsflächen sollen vor einer unzumutbaren einmauernden oder erdrückenden Wirkung schützen und ein Mindestmaß an Belichtung, Belüftung und Besonnung des benachbarten Grundstücks sicherstellen. Insoweit kommt der Einhaltung der Abstandsvorschriften eine gewisse „Sperrwirkung“ zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.1.1999 - 4 B 128.98 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 18.2.2009 - 1 ME 282/08 -, juris Rn. 43; Nds. OVG, Beschl. v. 6.4.2021 - 1 ME 58/20 -, juris Rn. 16).

Gemessen an diesen Vorgaben verstößt das Vorhaben der Beigeladenen ersichtlich nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Antragsteller trägt in objektivrechtlicher Hinsicht umfangreich vor, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche nicht einfügen und gegen § 34 Abs. 1 BauGB verstoßen würde. Die Kammer kann indes nicht feststellen, dass der Antragsteller aufgrund der geltend gemachten objektivrechtlichen Verstöße, selbst wenn man sie als gegeben unterstellen würde, zugleich in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt wäre. Der Antragsteller führt hierzu im Wesentlichen aus, das Vorhaben wirke aufgrund seiner Größe sowie der überbauten Grundstücksfläche wie ein „Riegel“, durch das sein Grundstück in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werde. Eine solche unzumutbare „Riegelwirkung“ anzunehmen, liegt indes schon deshalb fern, weil das geplante Wohnhaus zum Grundstück des Antragstellers weit mehr als den bei einer Höhe von knapp 6 m erforderlichen Grenzabstand von 3 m einhält und das Grundstück des Antragstellers zudem vor allem nach Norden und Westen hin von Bebauung frei bleibt, wodurch sich für die gegebene innerstädtische Lage denkbar weitläufige Sichtachsen ins Grüne eröffnen. Auch soweit der Antragsteller ausführt, durch das Vorhaben gehe der „Platzcharakter“ im Bereich der Kreuzung Speckmannweg/Finkenberg verloren, betrifft dies ersichtlich nicht seine Rechte. Denn diesbezüglich geht es allenfalls wiederum um die Einfügens-Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung bzw. der überbaubaren Grundstücksfläche, deren Einhaltung der Antragsteller nicht unabhängig von einer eigenen spürbaren Beeinträchtigung durchsetzen kann. Zudem bleibt offen, wieso ein aus den tatsächlichen Verhältnissen abzuleitender Platzcharakter gerade dem Schutz der Anlieger zu dienen bestimmt sein sollte. Schließlich ist auch die Stellplatzanlage nicht rücksichtslos, denn die beiden Stellplätze mit je zwei Einstellplätzen sind jeweils straßenseitig und in praktisch größtmöglicher Entfernung zum Grundstück des Antragstellers angeordnet. Es ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, dass eine zu geringe Anzahl von Stellplätzen vorgesehen wäre und dies zu unzumutbarem Parksuchverkehr führen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 sowie auf § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller aufzuerlegen, weil die Beigeladene das Verfahren durch eigenständige Ausführungen zur Sache gefördert hat (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.7.2021 - 1 ME 75/21 -, juris). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziff. 7 lit. a) der Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts.