Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.09.2010, Az.: 3 T 37/10

Annahme eines Zeitraums für die Kreditbeschaffung von zwei bis drei Wochen als maßgebend für die Unterscheidung zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
13.09.2010
Aktenzeichen
3 T 37/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 36615
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2010:0913.3T37.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Uelzen - 20.01.2010 - AZ: 7 IN 118/09
AG Uelzen - 17.03.2010 - AZ: 7 IN 118/09
AG Uelzen - 17.03.2010 - AZ: 7 IN 5/10
AG Uelzen - 16.04.2010 - AZ: 7 IN 118/09

Fundstelle

  • ZInsO 2011, 2044-2045

In dem Insolvenzverfahren
...
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
durch
die Richterin am Landgericht Kreter als Einzelrichterin
am 13.09.2010
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 03.02.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 20.01.2010 (7 IN 118/09) in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.04.2010 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 06.04.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 17.03.2010 (7 IN 118/09) in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.04.2010 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

  3. 3.

    Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 01.03.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 17.03.2010 (7 IN 5/10) in der Form des Nichtabhilfebeschlusses vom 22. April 2010 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Mit Antrag vom 11.11.2009, beim Insolvenzgericht eingegangen am 12.11.2009 begehrte die Beteiligte zu 1.) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Insoweit wird auf den Antrag Bl. 1 d.A. 7 IN 118/09 verwiesen. Mit Schriftsatz vom 04. Dezember 2009 (Bl. 6 d.A.) wurde der Antrag begründet mit einer Forderung aus einem gerichtlichen Vergleich zum Aktenzeichen 13 C 5081/09 des Amtsgerichts Uelzen und der Mitteilung des Obergerichtsvollziehers Czekalla, dass der Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erschienen sei und Haftbefehl gegen diesen beantragt werde. Der gerichtliche Vergleich datiert vom 10.09.2009, indem sich der Schuldner verpflichtet hat, an die Beteiligte zu 1.) einen Betrag in Höhe von 2.500,00 EUR zu zahlen. Mit Beschluss vom 20.01.2010, Bl. 80/81 d.A. Band I Aktenzeichen 7 IN 118/09 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren gegen den Schuldner eröffnet. Mit Schreiben vom 03.02.2010 (Bl. 197-199 d.A. Bd. I) legte der Schuldner sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Uelzen vom 20.01.2010 ein mit der Begründung, dass es vorliegend bereits an einem zulässigen Antrag fehle, weil durch Überweisung vom 14.01.2010 die Gläubigerin befriedigt worden sei. Die Gläubigerin habe den Insolvenzantrag nicht auf die noch offenstehende Forderung, sondern auf die Gesamtforderung in Höhe von 2.500,00 EUR bezogen. Die Forderungen seien komplett vom Schuldner getilgt worden. Auch eine objektive Gefährdung der Vermögenslage der Gläubigerin bestehe definitiv nicht mehr. Sämtliche Gläubiger seien inzwischen befriedigt worden. Mit Schreiben vom 15.02.2010 (Bl. 258/259 d.A. Bd. I) erklärt die Gläubigerin den Insolvenzantrag für erledigt und beantragt, dem Schuldner die Kosten des Insolvenzantragsverfahrens aufzuerlegen. Der Antrag wird damit begründet, dass mit Überweisung vom 02.02.2010 letztendlich alle ausstehenden Forderungen beglichen worden seien. Mit Schriftsatz vom 01.03.2010 schloss sich der Schuldner der Erledigungserklärung an und beantragte nunmehr der Gläubigerin die Kosten des Insolvenzantragsverfahrens aufzuerlegen. Insoweit wird auf Bl. 279-282 d.A. Bd. II verwiesen.

2

Mit Beschluss vom 17.03.2010 wurden die Kosten des Verfahrens dem Schuldner auferlegt. Insoweit wird auf den Beschluss 305/306 d.A. Bd. II verwiesen.

3

Gegen diesen Beschluss legte der Schuldner mit anwaltlichem Schreiben vom 06.04.2010 (Bl. 322/323 d.A. Bd. II) sofortige Beschwerde ein und beantragte die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin aufzuerlegen, hilfsweise die Kosten des Verfahrens der Gläubigerin aufzuerlegen, soweit diese nach dem 14.02.2010 entstanden sind. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.04.2010 Bl. 327/328 d.A. wurde die sofortige Beschwerde vom 03.02.2010 für erledigt erklärt und auch insoweit beantragt, der Gläubigerin die Kosten aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 16.04.2010 half das Insolvenzgericht den beiden Beschwerden aus den Gründen der angefochtenen Beschlüsse nicht ab und legte diese dem Landgericht Lüneburg als Beschwerdeinstanz zur Entscheidung vor.

4

In dem Verfahren 7 IN 5/10 beantragte die Landschaftliche Krankenkasse Niedersachsen-Bremen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner unter Hinweis auf das bereits anhängige Antragsverfahren 7 IN 118/09 mit der Begründung, dass der Schuldner der Gläubigerin noch einen Betrag in Höhe von 3.752,42 EUR schulde, worin Beiträge vom 01.04.2009 bis 31.12.2009 in Höhe von 3.454,82 EUR enthalten seien. Mit Schriftsatz vom 03.02.2010 (Bl. 5 d.A.) teilte die dortige Gläubigerin mit, dass der Beitragsrückstand inzwischen ausgeglichen worden sei, man den Antrag für erledigt erkläre und begehre, dass die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen seien.

5

Mit Beschluss vom 17.03.2010 zum Aktenzeichen 7 IN 5/10 Bl. 8 d, dortigen Akte legte das Amtsgericht Uelzen - Insolvenzgericht - dem Schuldner die Kosten des Verfahrens auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.03.2010, eingegangen beim Amtsgericht Uelzen am 07. April 2010 legte der Schuldner gegen den Beschluss vom 17.03.2010 sofortige Beschwerde ein.

6

Mit Beschluss vom 22.04.2010 (Bl. 17 d. dortigen Akte) half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Angelegenheit dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.

7

II.

Die sofortigen Beschwerden sind nach §§ 4 InsO, 91a Abs. 2 ZPO zulässig.

8

Sie sind insbesondere fristgemäß eingelegt worden.

9

Die sofortigen Beschwerden sind aber nicht begründet. Die am 11.11.2009 und am 18.01.2010 gegen den Schuldner gestellten Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren zu den jeweiligen Zeitpunkten zulässig und begründet.

10

Die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens waren gegeben. Gemäß § 16 InsO setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass ein Eröffnungsgrund gegeben ist.

11

Es war der Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit gegeben. Gem. § 17 InsO ist allgemeiner Eröffnungsgrund die Zahlungsunfähigkeit. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Eröffnungsanträge durch die TK Group (Beteiligte zu 1.) am 11.11.2009 und durch die Landwirtschaftliche Krankenkasse Niedersachsen-Bremen (Beteiligte zu 2.) am 18.01.2010 waren die fälligen Ansprüche auf Zahlung aus einer Forderung aus einem gerichtlichen Vergleich, welches einen rechtskräftigen Titel darstellt und auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gegeben. Diese hat der Schuldner nicht bezahlt gehabt. Wegen der Forderung aus dem gerichtlichen Vergleich ist er nach erfolgloser Vollstreckung auch zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden.

12

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hierbei ist zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung zu unterscheiden. Nur eine vorübergehende Zahlungsstockung begründet keine Zahlungsunfähigkeit. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen (Begründung zu § 20 und § 21 Regierungserklärung BT Drucksache 12/2443 S. 114), dass "ganz geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht bleiben müssen", erscheine jedoch "nicht gerechtfertigt, Zahlungsunfähigkeit erst anzunehmen, wenn der Schuldner einen bestimmten Bruchteil der Gesamtsumme seiner Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann". Insoweit ist nur eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung anzusehen und stellt keinen Insolvenzeröffnungsgrund dar (Uhlenbrock, InsO, 12. Aufl., § 17 Rdn. 9; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 17 Rdn. 11; HK-InsO/Kirchhof § 17 Rdn. 18). Als Zahlungsstockung ist deshalb nur noch eine Liquidität anzusehen, die den Zeitraum nicht überschreitet, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen (vgl. BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 24.05.2005 in WM 2005, 1468 [BGH 24.05.2005 - IX ZR 123/04]-1472). Als Zeitraum für die Kreditbeschaffung sind 2-3 Wochen erforderlich, aber auch ausreichend (Landgericht Bonn, ZIP 2001, 346 [AG Potsdam 01.02.2001 - 35 IN 478/00]; Uhlenbrock a.a.O., § 17 Rdn. 9,18; HK-InsO/Kirchhof a.a.O., § 17 Rdn. 18).

13

Der Anspruch der Beteiligten zu 1.) aus dem gerichtlichen Vergleich war am 10.09.2009 fällig. Nach Mitteilung des Obergerichtsvollziehers waren zwischen dem 01.06.2009 und 15.12.2009 13 Zwangsvollstreckungsaufträge gegen den Schuldner bei ihm eingegangen. Insoweit wird auf die Aufstellung vom 16.12.2009 Bl. 30 d.A. Bd. I zum Aktenzeichen 7 IN 118/09 verwiesen.

14

Ebenfalls schuldete der Schuldner der Beteiligten zu 2.), der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Niedersachsen-Bremen über einen Zeitraum vom 01.04.2009 bis 31.12.2009 Beiträge. Es kann daher nicht mehr von einer lediglichen Zahlungsstockung ausgegangen werden. Der Schuldner hat über einen längeren Zeitraum Forderungen gegen ihn nicht beglichen. Die Gläubiger hätten mit ihrem Antrag nicht weiter warten müssen. Zum Zeitpunkt der verspäteten Zahlung durch den Schuldner waren daher die Kosten des Antragsverfahrens bereits entstanden.

15

Insoweit war die Entscheidung des Insolvenzgerichts aufrechtzuerhalten. Die Kostenentscheidung ergeht gem.§§ 4 InsO, 91a ZPO.

Kreter