Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.11.2010, Az.: 8 K 347/09

Gesonderte Zurechnung des Ertrages aus einer Festanlage zu der Tonnagebesteuerung bei einer Festgeldanlage im Interesse der Mitreeder; Ermittlung des Gewinnes hinsichtlich eines Betriebes eines Handelsschiffes nach der im Betrieb geführten Tonnage

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.11.2010
Aktenzeichen
8 K 347/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 36419
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:1123.8K347.09.0A

Fundstelle

  • Jurion-Abstract 2010, 228898 (Zusammenfassung)

Orientierungssatz:

ges. und einh. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2004 - 2006

Bei der Tonnagebesteuerung nach § 5a EStG sind Erträge aus Festgeldanlagen dann gesondert dem Tonnagegewinn zuzurechnen, wenn die Festgeldanlage nicht als Liquiditätsreserve dem Betrieb des Schiffes dient, sondern im Interesse der Mitreeder erfolgt ist.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Erträge aus Festgeldanlagen neben der Tonnagebesteuerung nach § 5 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gesondert zu versteuern sind.

2

Der Kläger ist Liquidator der Partenreederei ... i.L. In den Streitjahren betrieb die Gesellschaft das Seeschiff "..." im internationalen Verkehr und ermittelte den Gewinn nach § 5 a EStG. Mitreeder waren zu je 50% Herr A und Herr B.

3

Im Jahresabschluss auf den 31.12.2003 waren für die Partenreederei noch Schiffshypothekendarlehen in Höhe von ... Euro ausgewiesen, die im Jahr 2004 vollständig getilgt wurden. Weitere Bankverbindlichkeiten bestanden in den Streitjahren nicht, das Girokonto wurde im Haben geführt.

4

Die Gesellschaft verfügte seit dem Dezember 2004 über ein Termingeldkonto. Im Einzelnen wurden auf dem Konto die folgenden Beträge angelegt bzw. ausgezahlt / überwiesen:

5

...

6

Ausweislich der Steuerbescheinigungen erzielte die Reederei daraus Zinserträge in Höhe von ... Euro im Jahr 2004, in Höhe von ... Euro im Jahr 2005 und in Höhe von ... Euro im Jahr 2006.

7

Das Seeschiff wurde mit Vertrag vom ... veräußert und am ... an den Erwerber übergeben.

8

Mit den Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erklärte die Partenreederei jeweils den nach § 5a EStG ermittelten Gewinn. Die Zinserträge gab die Gesellschaft in der Gewinnermittlung an, ging jedoch davon aus, dass diese nicht neben dem Tonnagegewinn zu versteuern seien. Der Beklagte folgte den Angaben in der Erklärung zunächst mit den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2004, für 2005 und für 2006

9

In dem Zeitraum vom ...bis... führte das Finanzamt bei der Partenreederei eine steuerliche Außenprüfung durch. Der Außenprüfer vertrat die Auffassung, die Zinserträge gehörten mangels unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Betrieb des Schiffes nicht zu dem Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG und es handele sich nicht um Nebengeschäfte nach § 5a Abs. 2 EStG. Die Erträge seien daher neben dem Gewinn nach § 5a EStG zu erfassen.

10

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte geänderte Feststellungsbescheide und rechnete die Zinsen in Höhe von ... Euro (2004), ... Euro (2005) und ... Euro (2006) dem Tonnagegewinn hinzu. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid zurück. Er führte zur Begründung aus, sämtliche Termingeldanlagen seien ausschließlich für Entnahmen der Mitreeder verwandt worden.

11

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Im Klageverfahren vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, die Zinserträge seien durch die Tonnagebesteuerung abgegolten. Die auf den Festgeldkonten angelegten Gelder seien zuvor als Betriebseinnahmen auf dem Girokonto der Klägerin vereinnahmt worden, so dass ein Umgehungstatbestand, wie die Verlagerung von steuerpflichtigen Zinserträgen auf die Gesellschaft, nicht vorliege. Die Gelder hätten als Betriebsmittelreserve gedient. Aufgrund der hohen, z.T. nicht versicherbaren Risiken im Schiffsverkehr könnten erhebliche finanzielle Belastungen entstehen, so dass die Bildung von Betriebsmittelreserven notwendig gewesen sei. Aus diesem Grund hätte die Gesellschaft ständig liquide Mittel in Höhe von ...Euro vorgehalten. Diesbezüglich verweist die Klägerin auch auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Aufstellung aus den Buchführungsunterlagen über die Bankbewegungen in den Streitjahren, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

12

Das Rechtsverständnis der Finanzverwaltung, Zinserträge nicht als Teil des Tonnagegewinns anzusehen, stelle einen nicht zulässigen Eingriff in die Geschäftsführung dar. Die Zahlung an die Mitreeder sei ferner teilweise im Zusammenhang mit dem Verkauf des Schiffes vorgenommen worden, denn bei Verkauf sei die Festgeldanlage aufgelöst worden.

13

Zudem seien die Geldanlagen mit monatlicher Kündigungsfrist jeweils nur kurzfristig erfolgt, die längste Anlagezeit habe 11 Monate umfasst.

14

Die Klägerin beantragt,

den Gewinn um ... Euro im Jahr 2004, um ... Euro im Jahr 2005 und um ... Euro im Jahr 2006 zu mindern,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Er hält an seiner Auffassung fest, dass die Zinsen neben dem Tonnagegewinn nach § 5a EStG zu erfassen seien. Die Tonnagebesteuerung sei eine Subventionierung der Schifffahrt, so dass die Vorschriften eng ausgelegt werden müssten. Es sei daher geboten, nur die Gewinne zu subventionieren, die unmittelbar aus dem Betrieb des Handelsschiffes erwirtschaftet würden. Hier habe die Kapitalanlage nicht dem Zweck gedient, finanzielle Mittel für den Betrieb des Schiffes bereit zu halten, sondern aus der tatsächlichen Verwendung ergebe sich, dass die Beträge für Ausschüttungen gedacht gewesen seien.

17

Hinsichtlich des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Steuerakten.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist nicht begründet.

19

Der Beklagte hat die Zinserträge aus der Termingeldanlage auf dem Konto ... zutreffend neben dem Tonnagegewinn nach § 5 a Abs. 1 EStG erfasst.

20

Nach § 5 a Abs. 1 EStG kann der Gewinn, soweit er auf den Betrieb von Handelsschiffen entfällt, nach der im Betrieb geführten Tonnage ermittelt werden. Gem. § 5 a Abs. 2 2. Alt. EStG gehören zum Betrieb von Handelsschiffen ebenfalls solche Neben- und Hilfsgeschäfte, welche unmittelbar mit dem Einsatz von Handelsschiffen zusammenhängen.

21

Im Streitfall entfallen die Zinserträge weder direkt auf den Betrieb des Handelsschiffes noch hängen diese als Neben- oder Hilfsgeschäft unmittelbar mit dem Einsatz des Schiffes zusammen.

22

Grundlage der Gewinne, soweit sie im Sinne des § 5 a Abs. 1 EStG auf den Betrieb des Handelsschiffes entfallen, sind im Wesentlichen die Umsatzerlöse die sich aus der originären unternehmerischen Betätigung, d.h. dem Betrieb eines Seeschiffes, ergeben. Erfasst sind mithin die vorliegend nicht streitigen Zeitchartererlöse sowie die Erlöse aus freier Fahrt. Die Erzielung von Zinseinnahmen ist demgegenüber nicht Gegenstand des Unternehmens, so dass eine Einbeziehung in den Tonnagegewinn nur als Hilfs- oder Nebengeschäft im Sinne des § 5a Abs. 2 EStG in Betracht kommen kann. In der im Streitfall gegebenen kurzfristigen Anlage von erwirtschafteten Geldern liegt jedoch auch kein Hilfsgeschäft, denn Hilfsgeschäfte sind solche Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb üblicherweise mit sich bringt und die eine Aufnahme der Haupttätigkeit erst ermöglichen (vgl. Hennrichs / Kuntschik in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 5 a Rz C 26 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Anlage der Beträge auf dem Termingeldkonto wesentliche Voraussetzung für die schon lange bestehende unternehmerische Tätigkeit ist, sind nicht ersichtlich.

23

Nebengeschäfte sind demgegenüber solche Geschäfte, deren Hauptzweck nicht in der unternehmerischen Betätigung liegt und die sich auch nicht notwendigerweise aus dem hauptsächlichen Geschäftsbetrieb ergeben, jedoch in zeitlicher Folge vorkommen und nebenbei mit erledigt werden (Hennrichs/Kuntschik in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 5 a Rz C 26, m.w.N.). Da infolge fast jeder unternehmerischen Tätigkeit Geschäftskonten errichtet werden, stehen Zinserträge aus laufenden Geschäftskonten als Nebengeschäft mit dem Betrieb eines Handelsschiffes in unmittelbarem Zusammenhang. Sofern sich die Zinserträge jedoch nicht aus laufenden Geschäftskonten ergeben, sondern aus gesonderten Sparkonten (Termingeldkonten, Festgeldkonten o.ä.), kann ein unmittelbarer Zusammenhang zum Hauptgeschäft nur dann angenommen werden, wenn die Art, Höhe und Dauer der Kapitalanlage unmittelbar durch den Einsatz oder die Vercharterung des Schiffes veranlasst ist (vgl. Hennrichs/Kuntschik in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 5 a Rz C 29, m.w.N.). Dazu gehört auch die Schaffung einer Liquiditätsreserve z.B. für Erhaltungsaufwendungen oder Ersatzanschaffungen. Bei der Prüfung, ob ein Neben- oder Hilfsgeschäft vorliegt, müssen aufgrund des Subventionscharakters der Tonnagebesteuerung strenge Anforderungen an das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs gestellt werden.

24

Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen stehen die Zinserträge nicht als Nebengeschäft in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes. Die Kapitalanlage erfolgte zur Überzeugung des Senats vielmehr im Interesse der Mitreeder und nicht als Liquiditätsreserve zur Abdeckung eventueller Risiken im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes. Dies ergibt sich daraus, dass die auf dem Termingeldkonto angelegten Beträge ab dem jeweiligen Anlagezeitpunkt in einer Rückschau tatsächlich dem Schiffsbetrieb nicht zur Verfügung standen. Vielmehr sind die Beträge vollständig unmittelbar nach Ablauf des Anlagezeitraumes von beiden Mitreedern entnommen worden und konnten als Verstärkung des Kapitals für den Betrieb des Schiffes nicht mehr genutzt werden. Die betriebswirtschaftliche Situation der Partenreederei war mithin mit der Situation identisch, die sich ergeben hätte, wenn die Mitreeder das Geld vor der Anlage auf dem Termingeldkonto entnommen hätten. Demgegenüber war mit der Gestaltung, d.h. mit der Anlage des Geldes auf einem Konto der Reederei, ein steuerlicher Vorteil für die Mitreeder beabsichtigt. Denn nach der von Klägerin vertretenen Rechtsauffassung wären die Zinserträge durch den Tonnagegewinn abgegolten, während bei der Entnahme und einer anschließenden Kapitalanlage auf einem Konto des jeweiligen Mitreeders die Zinserträge hätten - gesondert - versteuert werden müssen. Zur Überzeugung des Senats diente die Termingeldanlage auf einem Konto der Partenreederei daher der Erzielung steuerlicher Vorteile der Mitreeder und der diesbezüglich erzielte Zinsgewinn entfällt nicht auf den Betrieb des Handelsschiffes.

25

Hinzu kommt, dass keine wirtschaftliche Notwendigkeit erkennbar war, die Beträge als Liquiditätsreserve vorzuhalten. Bereits zum 31.12.2004 bestanden ausweislich der Bilanz lediglich geringe Verbindlichkeiten, die Schiffshypothekendarlehen waren vollständig getilgt und das laufende Konto wies regelmäßig zum 31.12. Guthaben aus. Aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Zusammenstellung der Kontenbewegungen wird zudem ersichtlich, dass die angelegten Beträge für die Gesellschaft nicht erforderlich waren, denn in kurzer Zeit nach Entnahme der Beträge sind der Gesellschaft erhebliche Zahlungseingänge zugeflossen. Hinsichtlich der Beträge im Einzelnen wird Bezug genommen auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufstellungen aus der Buchführung für 2004, 2005 und 2006. Hinzu kommt, dass die im Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes bestehenden Risiken durch Abschluss verschiedener Versicherungen im Wesentlichen abgedeckt waren, denn ausweislich des Jahresabschlusses bestand umfangreicher Versicherungsschutz. Die Klägerin hat insoweit nicht vorgetragen, noch ist dies aus den Akten ersichtlich, dass im konkreten Fall der Versicherungsschutz tatsächlich nicht ausgereicht hätte, sondern nur auf andere Schiffe verwiesen. Dies kann jedoch für die hier vorliegende Klage nicht berücksichtigt werden.

26

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.