Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.04.1997, Az.: 22 U 158/96

Haftung wegen Vermögensübernahme; Vermögensbegriff; Berücksichtigung von dinglichen Belastungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.04.1997
Aktenzeichen
22 U 158/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16574
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1997:0410.22U158.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 11.01.1996 - AZ: 2 O 304/95

In dem Rechtsstreit
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
der Richter am Oberlandesgericht ... und ... und
des Richters, am Landgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 1997
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das am 11. Januar 1996 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagten zu 2 vorbehalten bleibt, ihre Haftung auf den Bestand des übernommenen Grundbesitzes in ... eingetragen im Grundbuch von ... zu beschränken.

Die Beklagte zu 1 hat die Berufung durch Rücknahme verloren.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 7 % als Gesamtschuldner, im übrigen die Beklagte zu 2 allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer für die Beklagte zu 2: 12.470 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung der Beklagten zu 2 ist nur insoweit begründet, als auf den Hilfsantrag der Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gem. § 419 Abs. 2 BGB auf den Bestand des übernommenen Vermögens - hier des Grundbesitzes in ..., eingetragen im Grundbuch von ... auszusprechen war.

2

1.

Das Landgericht hat mit Recht die Haftung der Beklagten zu 2 wegen Vermögensübernahme gemäß § 419 BGB für den Rückzahlungsanspruch in Höhe von 12.470 DM nebst Zinsen angenommen.

3

Die Beklagte zu 2 hat mit dem notariellen Vertrag vom 10.02.1994 den einzigen noch vorhandenen Vermögenswert - das Hausgrundstück - der Eheleute ... erworben. Die Eheleute besaßen neben dem Hausgrundstück unstreitig keine weiteren nennenswerten Vermögensgegenstände. Dies war der Beklagten auch bekannt, denn die Veräußerung des Grundstückes zu einem Kaufpreis von 155.000 DM bei einem im Vertrag angegebenen Verkehrswert von 217.000 DM an die Beklagte erfolgte nach ihrem eigenen Vortrag, um eine sonst drohende Zwangsversteigerung zu vermeiden, wie sich auch aus der von der Beklagten zu 2 vorgelegten Aufstellung der Schulden vom 01.03.1994 (Bl. 76 d.A.) ergibt.

4

Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 2 ist § 419 BGB auf den hier vorliegenden Fall anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter dem Vermögen im Sinne des § 419 BGB das Aktivvermögen ohne Abzug darauf ruhender Lasten zu verstehen (BGHZ 66, 217, 220 [BGH 19.02.1976 - III ZR 75/74]; BGHZ 93, 135, 138 [BGH 06.12.1984 - X ZR 103/83]; BGHZ 111, 14 [BGH 15.03.1990 - III ZR 131/89]). Für die Frage, ob in der Übertragung des Hausgrundstückes eine Vermögensübernahme im Sinne des § 419 BGB liegt, kommt es folglich nicht darauf an, ob und in welcher Höhe das Grundstück mit dinglichen Rechten belastet war. Diese Frage stellt sich nur, wenn festzustellen ist, ob überhaupt eine Vermögensübernahme vorliegt oder ob die dem Schuldner verbliebenen Teile seines Vermögens gegenüber den veräußerten Vermögensteilen als Zwangsvollstreckungsobjekt ins Gewicht fallen (BGHZ 93, 138 f [BGH 06.12.1984 - X ZR 103/83] m.w.N.). Eine Berücksichtigung der dinglichen Belastungen kommt nur dann in Betracht, wenn zwecks Feststellung der Vermögensübernahme im Sinne des § 419 BGB eine Abwägung zwischen dem Wert der Vermögensteile, die dem Schuldner verblieben sind, und dem Wert der Vermögensgegenstände, die er veräußert hat, zu erfolgen hat. Übernimmt aber der Erwerber mit dem Grundstück des Schuldners - wie hier - dessen gesamtes Vermögen, sind die Voraussetzungen des § 419 BGB gegeben ohne Rücksicht darauf, ob und in welcher Höhe das Grundstück mit dinglichen Rechten belastet ist. Eine Abwägung unter Berücksichtigung dinglicher Belastungen ist nicht erforderlich, wenn der übertragene Vermögensgegenstand der praktisch einzige noch vorhandene bedeutsame Wert des Veräußerers ist.

5

Es kommt deshalb auch weder auf die Feststellung des Verkehrswertes des Grundstückes noch darauf an, in welcher Höhe eingetragene Belastungen zum Zeitpunkt der Veräußerung valutierten. Im übrigen ergibt sich insoweit aus dem notariellen Kaufvertrag vom 10. Februar 1994 (§ 2 des Vertrages) auch nur die Eintragung einer Grundschuld zugunsten der Volksbank mit 155.000 DM, die die Beklagte zu 2 nach § 5 des Vertrages unter Übernahme der persönlichen Schuld übernommen hat. Der zu den Akten gereichte Grundbuchauszug datiert dagegen bereits vom 6. November 1991 und ist deshalb zu den tatsächlich im Jahre 1994 eingetragenen Belastungen nicht aussagekräftig.

6

Der Senat vermag auch nicht der nicht weiter begründeten Entscheidung des Landgerichts München (NJW RR 1991, 685) zu folgen, nach der eine Haftung des Übernehmers nach § 419 BGB ausscheide, wenn valutierte Grundpfandrechte den Wert des veräußerten Grundvermögens erreichen. Mit der Rechtsprechung des BGH ist der Senat vielmehr der Auffassung, daß § 419 BGB auch dann anwendbar ist, wenn der Erwerber mit dem Grundstück des Schuldners dessen gesamtes Vermögen übernimmt, auch wenn das Grundstück bis an die Grenze des Verkehrswertes belastet ist (ebenso Schroeder JuS 1991, 793, 796).

7

Diese Rechtsprechung, daß die Klage bereits im Erkenntnisverfahren abgewiesen werden könne, wenn feststehe, daß das übernommene Vermögen dem Kläger keine Vollstreckungsmöglichkeit ließe, ist mißverständlich und beschränkt sich nach dem Sinn des § 419 BGB, dem Gläubiger die ursprünglich vorhandene Haftungsgrundlage für seine Forderung zu erhalten, auf Fälle, in denen entweder von dem übernommenen Vermögen nichts mehr vorhanden oder gerade der Übernehmer allein vorrangig aus diesem zu befriedigen ist, weil er die Lasten des übernommenen Vermögens mit Eigenmitteln abgelöst hat (§§ 670, 677, 681 Satz 2, § 1978 Abs. 3, § 1991 Abs. 1, § 1990 Abs. 1 Satz 1, § 419 Abs. 2 Satz 2 BGB). Ist dagegen das übernommene Vermögen überlastet, ohne daß der Übernehmer selbst es wie vorbeschrieben für sich in Anspruch nehmen kann, hat er es dem Gläubiger, demgegenüber er sich auf die Beschränkung seiner Haftung beruft, zur Zwangsvollstreckung zur Verfügung zu stellen (§ 1990 Abs. 1 Satz 2, § 419 Abs. 2 Satz 2 BGB). Ob diesem die Vollstreckung gelingt, berührt seine - des Vermögensübernehmers - Rechte in diesem Falle nicht.

8

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2, Fall 1, 100 Abs. 2 und 4, 515 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihren Rechtsgrund in § 708 Nr. 10 ZPO. Über den Wert der Beschwer war nach § 546 Abs. 2 ZPO zu entscheiden.

Streitwertbeschluss:

Wert der Beschwer für die Beklagte zu 2: 12.470 DM.