Landgericht Stade
Beschl. v. 24.11.2004, Az.: 11 Qs 82/04

Ausgleich von Eignungsmängeln; Eignungsmangel; Entziehung der Fahrerlaubnis; Fahreignung; hohe Alkoholisierung; hohe Blutalkoholkonzentration; individuelle Analysephase; Kraftfahreignung; neue Fahrerlaubnis; Neuerteilung einer Fahrerlaubnis; Rückfallgefahr; Sperrfrist; Verhaltensalternativen; Wiedererteilung der Fahrerlaubnis; Wiederherstellung der Kraftfahreignung

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
24.11.2004
Aktenzeichen
11 Qs 82/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 51059
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer Abkürzung der gemäß § 69a Abs. 1 StGB verhängten Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis.

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 05. Oktober 2004 wird aufgehoben. Die in dem Strafbefehl des Amtsgerichts vom 09. Februar 2004 festgesetzte Frist von einem Jahr, vor deren Ablauf die Verwaltungsbehörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf, wird zum 01. Januar 2005 aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren tragen der Beschwerdeführer und die Landeskasse je zur Hälfte.

Gründe

1

Das Amtsgericht verhängte mit dem seit dem 31.03.2004 rechtskräftigen Strafbefehl vom 09.02.2004 gegen den Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs eine Geldstrafe, entzog ihm die Fahrerlaubnis, zog den Führerschein ein und bestimmte, dass die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf von einem Jahr keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf. Der Beschwerdeführer war mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,02 g Promille mit einem Pkw gefahren und hatte dabei einen Unfall verursacht.

2

Mit Antrag vom 08.09.2004 beantragte der Beschwerdeführer, die Sperre zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis aufzuheben. Das lehnte das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss im Wesentlichen mit der Begründung ab, bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 2 g Promille müsste die Wiedergeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen besonders kritisch geprüft werden.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat teilweise Erfolg. Aus § 69 a Abs. 7 Satz 1 StGB folgt, dass die Sperre vorzeitig aufgehoben werden kann, wenn neue Tatsachen den Schluss rechtfertigen, dass die erneute Zulassung verantwortet werden könnte (vgl. Janiczewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht 18. Auflage 2004 § 69 a StGB Rn. 9 m. w. N.). Dabei muss nicht die sichere Feststellung getroffen werden, dass der Täter wieder geeignet ist. Vielmehr ist Prüfungsgegenstand nur, ob der durch die Tat offenbar gewordene Mangel an Eignung möglicherweise wieder entfallen ist (Himmelreich, DAR 2004, 8 m. w. N.).

4

Derartige Zweifel am weiteren Fortbestand der Ungeeignetheit bestehen hier. Dem Amtsgericht ist zuzugeben, dass bei einer hohen Alkoholisierung, wie sie hier vorgelegen hat, besondere Anforderungen zu stellen sind (vgl. LG Hildesheim, NStZ-RR 2003, 312 [LG Hildesheim 14.05.2003 - 12 Qs 47/03], kritische Anmerkungen hierzu allerdings bei Himmelreich/Halm, NStZ 2004, 317). Das Führen von Kraftfahrzeugen mit derart hoher Blutalkoholkonzentration deutet auf einen langfristigen Umgang mit erheblichen Mengen von Alkohol hin (vgl. OVG Schleswig, NZV 1992, 379 [OVG Schleswig-Holstein 11.03.1992 - 4 L 215/91]).

5

Hier liegen jedoch besondere Umstände vor. Anders als bei dem der Entscheidung der Kammer vom 02. September 2003 - 11 Qs 76/03 - zugrunde liegenden Fall hat der Beschwerdeführer nicht eine bloße Teilnahmebestätigung des Kurses zur Förderung der Fahreignung Avanti 40 der Nordkurs GmbH & Co. KG vorgelegt. Vielmehr hat die Kursleiterin Dipl.-Psych. G. in der weiteren, ausführlich begründeten Bescheinigung vom 30. August 2004 dargelegt, dass dem Beschwerdeführer auf der Grundlage einer verkehrspsychologisch fundierten Führerscheinberatung die Teilnahme gerade an dem Kurs Avanti 40 nahe gelegt worden ist. Daher lag dieser Empfehlung die verkehrspsychologische Einschätzung zugrunde, dass der Beschwerdeführer durch die Teilnahme an diesem Kurs seinen Eignungsmangel würde ausgleichen können.

6

Hinzu kommt, dass der Kurs Avanti 40 in fünf Präsenztagen von jeweils acht Seminarstunden und zwischengezogenen Praxisphasen intensiv gestaltet ist und über die Vermittlung von Informationen hinaus individuelle Analyse- und Trainingsphasen beinhaltet (vgl. LG Dresden, DAR 2002, 280 [LG Dresden 11.03.2002 - 14 Qs 30/02]). Dass solche Kurse geeignet sind, Eignungsmängel auszugleichen und die Rückfallgefahr deutlich zu vermindern, ist inzwischen erwiesen (Winkler NZV 1992, 425; Bode, NZV 2004, 7).

7

Aus der ausführlichen Teilnahmebescheinigung der Psychologin ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer motiviert und engagiert an dem Kurs teilgenommen und ihn erfolgreich mit dem Ergebnis absolviert hat, dass er für die Situationen, die ihn früher zum Konsum von Alkohol veranlasst haben, Verhaltensalternativen entwickelt hat und seine Angabe, nun abstinent zu leben, plausibel ist.

8

An der Professionalität der Durchführung des Kurses bestehen keinerlei Zweifel; die N. GmbH & Co. KG ist von der Bundesanstalt für das Straßenwesen als Träger von Kursen zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung gemäß §§ 70, 72 FeV akkreditiert (vgl. www.bast.de).

9

Vor diesem Hintergrund kann verantwortet werden, die Sperre zum 01. Januar 2005 aufzuheben und dem Beschwerdeführer so zu ermöglichen, sich früher um die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis gem. § 11 FeV zu bemühen.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 473 Abs. 4 StPO.