Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.08.2011, Az.: 5 K 138/10
Tätigkeit eines Nachlasspflegers als ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG; Entsprechende Anwendung der Regelung des § 1836 Abs. 1 S. 4 BGB a.F. über § 1915 BGB auf das Pflegerecht
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.08.2011
- Aktenzeichen
- 5 K 138/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 33708
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2011:0825.5K138.10.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 19.04.2012 - AZ: V R 31/11
Rechtsgrundlagen
- § 4 Nr. 26 Buchst. a, b UStG
- § 1836 Abs. 1 S. 4 BGB a.F.
- § 1915 BGB
Fundstellen
- DStRE 2012, 816-819
- EFG 2012, 663-665
- ErbBstg 2012, 148
- StBW 2012, 154
- ZEV 2012, 10
Umsatzsteuer 2002
Zur Steuerfreiheit einer Nachlasspflegschaft nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG (ehrenamtliche Tätigkeit)
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tätigkeit der Klägerin als Nachlasspflegerin eine ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG darstellt.
Die Klägerin ist als Betreuerin und als Nachlasspflegerin tätig. Die von ihr als Betreuerin erzielten Einnahmen betrugen im Streitjahr 1.963,36 EUR; als Nachlasspflegerin erzielte sie 23.626,41 EUR.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung für die Jahre 2000 und 2001 kam der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Klägerin als Betreuerin wegen der am Arbeitsaufwand orientierten Vergütung nicht als ehrenamtliche Tätigkeit anzusehen sei. Die Umsätze aus der Übernahme der Nachlasspflegschaften behandelte der Beklagte dagegen als steuerfrei nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG. Da die Betreuungsumsätze unterhalb der Kleinunternehmergrenze des § 19 UStG lagen, wurde keine Umsatzsteuer für 2000 und 2001 festgesetzt.
Für das Streitjahr und die Folgejahre gab die Klägerin zunächst keine Umsatzsteuererklärungen ab, weil die Betreuungsumsätze weiterhin unterhalb der Kleinunternehmergrenze blieben.
In 2008 wurde die Klägerin beim Finanzamt für Fahndung und Strafsachen vorstellig, nachdem sie erfahren hatte, dass bei einem ihrer Kollegen die Übernahme von Nachlasspflegschaften der Steuerpflicht unterworfen worden war. Aufgrund der vorgelegten Einnahmeübersichten stellte die Fahndung fest, dass die Klägerin im Streitjahr mehr als 10 Nachlasspflegschaften übernommen hatte. Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit wurde unter Hinweis auf § 1836 Abs. 1 Satz 3, 4 BGB (Fassung 2002 - nachf.: a.F.) abgelehnt.
Dementsprechend erließ der Beklagte erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2006. Für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2008 folgende Besteuerungsgrundlagen:
Erlöse Betreuerin | 1.963,36 EUR |
---|---|
Erlöse Nachlasspflegerin | 23.626,42 EUR |
Summe | 25.589,77 EUR |
darin enthaltene USt (16/116) | 3.076, 19 EUR |
Erlöse netto | 19.226,00 EUR. |
Im Einspruchsverfahren berücksichtigte der Beklagte noch Vorsteuern aus der Gewinnermittlung 2002 in Höhe von 382,08 EUR.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Führung der Nachlasspflegschaften nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG steuerbefreit sei, weil es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handele.
Ehrenamtlichkeit bedeute vor allem, dass die Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt werde. Abzugrenzen sei die unentgeltliche Tätigkeit als Nachlasspfleger von der berufsmäßig ausgeübten Nachlasspflegschaft. In der damaligen Fassung des§ 1836 BGB sei genau geregelt, wann eine Nachlasspflegschaft entgeltlich bzw. unentgeltlich ausgeführt werde. Demnach sei von einer berufsmäßigen Tätigkeit auszugehen, wenn im Regelfall mehr als 10 Nachlasspflegschaften pro Jahr betreut würden oder die Führung der Betreuung mehr als 20 Stunden pro Woche in Anspruch nehme. Dabei gelte die entgeltliche und damit berufsmäßige Führung des Amtes als Ausnahme vom Grundsatz der Unentgeltlichkeit. Aufgrund dieses Regel-/Ausnahmeverhältnisses erfordere § 1836 BGB a.F. die ausdrückliche Feststellung der berufsmäßigen Ausübung der typischer als Ehrenamt ausgeführten Tätigkeit. Wenn eine solch ausdrückliche Feststellung der berufsmäßigen Ausübung vom Nachlassgericht im Streitfall nicht getroffen werde, belege dies, dass die Ausübung der Pflegschaften durch die Klägerin gerade nicht als berufsmäßig angesehen worden sei.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Nachlassgericht selbst die Nachlasspfleger bestelle und damit einen genauen Überblick über Anzahl und Umfang der Pflegschaften habe. Ihr seien nur Fälle zugeteilt worden, die sie im Rahmen der Ehrenamtlichkeit bearbeiten konnte. Dem Nachlassgericht sei auch bekannt gewesen, dass sie neben ihrer Tätigkeit als Mutter und Hausfrau verschiedene zeitintensive Pflegetätigkeiten für Familienangehörige übernommen habe. So sei der Sohn der Tochter als Frühgeburt mit schweren Gesundheitsschäden zur Welt gekommen. Daneben habe sie noch die Versorgung der 90-jährigen Mutter des Ehemannes und ab 2004 die Pflege des kranken Ehemannes übernommen.
Da eine berufsmäßige Ausübung der Pflegschaften nicht festgestellt worden sei, habe sie auch keinen Anspruch auf Vergütung. Vielmehr habe es nach § 1836 Abs. 3 BGB a.F. im Ermessen des Gerichts gestanden, im Einzelfall eine Vergütung zu bewilligen sofern der Nachlass nicht vermögenslos sei.
Tatsächlich habe sie im Streitjahr auch sechs Pflegschaften geführt, in denen keine oder nahezu keine Vergütung festgesetzt wurde, teilweise habe sie nicht einmal Auslagenersatz erhalten, weil kein Vermögen vorhanden gewesen sei. Solche offensichtlich vermögenslosen Pflegschaften würden von keinem Berufsbetreuer übernommen. Hier zeige sich der ehrenamtliche Einsatz und der Idealismus der Klägerin.
Während der berufsmäßige Nachlasspfleger regelmäßig nach Stunden liquidiere und damit die Höhe seiner Vergütung selbst absehen und berechnen könne, fehle bei ihr jegliche Kalkulationsgrundlage. Sie mache die Übernahme einer Pflegschaft auch nicht davon abhängig, ob anhand des voraussichtlichen Vermögens des Nachlasses eine Vergütung zu erwarten sei. Ein solches Erwerbsstreben liege ihr fern.
Schließlich verweist die Klägerin darauf, dass die Vorschriften über die Vormundschaft (Betreuung) in§ 1936 BGB a.F. nicht ohne Anpassung auf die anderen Gegebenheiten bei der Nachlasspflegschaft übertragen werden könnten. Bei der in § 1915 BGB angeordneten "entsprechenden" Anwendung der Vorschriften des Vormundschaftsrechts (Betreuungsrechts) auf die Pflegschaft sei zu berücksichtigen, dass zwischen dem Vormundschaftsrecht (Betreuungsrecht) und der Nachlasspflegschaft erhebliche inhaltliche Unterschiede bestünden, sowohl hinsichtlich des durchschnittlichen Zeitaufwandes als auch in physischer und psychischer Belastung des Betreuers einerseits und des Nachlasspflegers andererseits. Während die Betreuung einer lebenden Person die ständige Bereitschaft und Verfügbarkeit erfordere, sei die Nachlasspflegschaft schwerpunktmäßig von Verwaltungsaufgaben geprägt, die vom Pfleger bei freier Zeiteinteilung vom Schreibtisch aus erledigt werden könnten.
Dieser Unterschiedlichkeit stehe der Wortlaut des Gesetzes nicht entgegen. § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB a.F. nenne die Voraussetzungen (mehr als 10 Vormundschaften oder mehr als 20 Wochenstunden Zeitaufwand) als "Regelfall" für berufsmäßige Vormundschaft (Betreuung). Ein "Regelfall" lasse immer auch Abweichungen zu. Dabei sei zu berücksichtigen, dass im Streitjahr zwar 40 Nachlasspflegschaften parallel geführt worden seien. Die Klägerin habe allerdings nur in einem Teil der Pflegschaften überhaupt nennenswerte Aktivitäten ausüben müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 2002 über Umsatzsteuer vom 26.06.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.03.2010 aufzuheben
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, einer ehrenamtlichen Tätigkeit stehe entgegen, dass die Voraussetzungen für eine berufsmäßige Ausübung nach § 1836 Abs. 1 Satz 3, 4 BGB a.F. erfüllt seien. Für die Frage der Berufsmäßigkeit sei nicht zwischen Tätigkeiten im Rahmen der Vormundschaft/Betreuung und der Nachlasspflegschaft zu unterscheiden. Die von der Klägerin angeführte Zeitkomponente könne keine Bedeutung haben, da die Voraussetzungen für die Berufsmäßigkeit (mehr als 10 Vormundschaften oder mehr als 20 Wochenstunden) alternativ zueinander stünden. Die Feststellung der berufsmäßigen Betreuung sei bei Vorliegen des Regelfalls auch zwingend vorzunehmen, ein Ermessensspielraum bestehe insoweit nicht.
Die Höhe der tatsächlich erhaltenen Vergütung im Streitjahr und den Folgejahren belege, dass der Klägerin sehr wohl regelmäßige Einnahmen aus der Übernahme der Nachlasspflegschaften zugeflossen seien. Diese seien auch abstrakt geeignet, den Lebensunterhalt einer Person zu begleichen. Da sich die Vergütung der ehrenamtlich tätigen Nachlasspfleger nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. OLG Hamm vom 31.05.2002 15 W 146/02) auch derjenigen eines berufsmäßig tätigen Pflegers angenähert habe, bestehe sehr wohl eine Kalkulationsgrundlage für die etwaige Höhe der Vergütung.
Schließlich nimmt der Beklagte Bezug auf das BMF-Schreiben vom 21.09.2000 (BStBl 2000, 1251) Danach sei eine Vergütung, die nach § 1836 Abs. 3 BGB festgesetzt wird, weil Umfang und Schwierigkeit dies rechtfertigen, nicht als Aufwendungsersatz bzw. Entschädigung i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG anzusehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Führung der Pflegschaften stellt keine steuerfreie Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 26 UStG dar.
Die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 26 UStG ist gegeben, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeübt wird (§ 4 Nr. 26 Buchst. a) oder wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht (§ 4 Nr. 26 Buchst. b).
§ 4 Nr. 26 Buchst. a UStG ist nicht einschlägig, weil die Pflegschaften nicht für eine juristische Person des öffentlichen Rechts, sondern von der Klägerin in eigener Verantwortung durchgeführt wurden.
Die Anwendung des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG scheitert am Vorliegen einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Zudem besteht die nach § 1836 Abs. 3 BGB a.F. gezahlte Vergütung nicht nur in Auslagenersatz und einer angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis.
Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH Urteil vom 20.08.2009 V R 32/08, BStBl II 2010, 88 und Urteil vom 25.01.2011 V B 144/09, BFH/NV 2011, 863) alle Tätigkeiten,
- die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden,
- die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet oder
- die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden.
1.
Die Nachlasspflegschaft ist im Gesetz nicht ausdrücklich als ehrenamtliche Tätigkeit bezeichnet. Zwar erklärt § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. die Ehrenamtlichkeit der Vormundschaft (Betreuung) zum gesetzlichen Leitbild (vgl. Pammler-Klein/Pammler, jurisPK-BGB Band 4, § 1836, Rz 8 m.w.N.); entsprechendes gilt nach § 1915 BGB für die Nachlasspflegschaft. Darunter fällt aber nur das unentgeltliche Tätigwerden bzw. das Tätigwerden gegen bloßen Aufwendungsersatz im Sinne der §§ 1835, 1836a BGB a.F. (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.2001 3 K 1668/01, DStR 2002, 241 m.w.N.).
a) Für Zwecke der Vergütung unterscheidet § 1836 BGB a.F. zwischen den hauptberuflich tätigen Vormündern (Betreuern), den sog. Berufsbetreuern und den nichtberuflich tätigen Betreuern, die in Vergütungsfragen gemeinhin als ehrenamtliche Betreuer bezeichnet werden: Nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. wird die Vormundschaft ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht die berufsmäßige Führung festgestellt hat. Die Voraussetzungen für eine solche Berufsausübung liegen im Regelfall vor, wenn mehr als 10 Vormundschaften pro Jahr geführt werden oder die für die Führung der Vormundschaften erforderliche Zeit voraussichtlich 20 Wochenstunden nicht unterschreitet (§ 1836 Abs. 1 Satz 3, 4 BGB a.F.). Dem ehrenamtlichen Vormund kann das Gericht ausnahmsweise eine Vergütung bewilligen, wenn der Umfang oder die Schwierigkeit der vormundschaftlichen Geschäfte dies rechtfertigen (§ 1836 Abs. 3 BGB a.F.).
Die Definitionskriterien einer berufsmäßig geführten Vormundschaft/Betreuung gehen zurück auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 01.04.1998 (BT-Drs. 13/10331, S. 41). Das Amtsgericht hat regelmäßig schon bei der Bestellung eines die Vormundschaft/Betreuung ausübenden Vormunds/Betreuers zu prüfen, ob in dessen Person die Voraussetzungen der Berufsmäßigkeit und damit der Vergütungsfähigkeit seiner Tätigkeit erfüllt sind. Dies soll nach der Intention des Gesetzgebers der Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit hinsichtlich der Vergütung dienen (BT-Drs. 13/10331, S. 27).
Die Regelung des § 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB a.F. die zum 1.7.2005 in das Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz (VBVG) überführt wurde, ist über § 1915 BGB auf das Pflegschaftsrecht entsprechend anzuwenden. Auch hier hat das Gericht bereits bei der Bestellung der Pflegschaft zu prüfen, ob Berufsmäßigkeit vorliegt. Dabei sind die genannten Definitionskriterien heranzuziehen. Eine besondere Anpassung oder Auslegung dieser Kriterien aufgrund der von der Klägerin vorgetragenen Besonderheiten des Nachlasspflegschaften (inhaltliche und zeitliche Unterschiede zur Betreuung) kommt nicht in Betracht, da dies der vom Gesetzgeber intendierten Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit hinsichtlich der Vergütung widersprechen würde.
Die Klägerin hat im Streitfall 40 Pflegschaften geführt, so dass von einer Berufsmäßigkeit im Sinne des§ 1836 Abs. 1 Satz 4 BGB a.F. auszugehen ist. Unerheblich ist dabei, dass das Nachlassgericht eine entsprechende Feststellung unterlassen hat. Das Fehlen einer solchen zivilgerichtlichen Feststellung hat nämlich keine Bindungswirkung für das Steuerrecht (vgl. FG Baden Württemberg, Urteil vom 24.09.2009 3 K 1350/08 EFG 2010, 120 [FG Baden-Württemberg 24.09.2009 - 3 K 1350/08] unter II.2.). Entscheidend ist allein, dass die gleichzeitige Führung von mehr als 10 Pflegschaften nach der Wertung des BGB die Berufsmäßigkeit begründet. Die von der Klägerin vorgetragenen Besonderheiten bei einzelnen Betreuungen (z.B. Mittellosigkeit einzelner Nachlässe) bleiben dabei außer Betrachtung.
b) Unabhängig davon steht bereits die Festsetzung einer Vergütung nach § 1836 Abs. 3 BGB a.F. als solches der Annahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit entgegen. Schon die Formulierung verdeutlicht die vom Gesetzgeber vorgenommene Wertung: Die Vergütung muss "gerechtfertigt" werden, das heißt, sie ist nicht der Regel-, sondern der Ausnahmefall. Eine Vergütung ist demnach nur dann zu bewilligen, wenn Umfang (Zeitaufwand) und Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte dies rechtfertigen; diese müssen nachhaltig und deutlich über dem normalen Maß einer ehrenamtlichen Amtsführung liegen. Eine Vergütung ist danach nur dann zu bewilligen, wenn die unentgeltliche Wahrnehmung der Pflegschaften auch als Wahrnehmung einer staatsbürgerlichen Pflicht nicht mehr zumutbar erscheint (Wagenitz in Münchener Kommentar, BGB, § 1836 Rz. 63). Dieser gesetzgeberischen Wertung in§ 1836 Abs. 3 BGB zufolge beschränkt sich die ehrenamtliche Betreuung/Pflegschaft auf die Fälle des unentgeltlichen Tätigwerdens bzw. des Tätigwerdens gegen bloßen Aufwendungsersatz im Sinne der §§ 1835, 1836a BGB a.F.
2.
Die zivilrechtlich vorgegebene Begrenzung des Ehrenamts auf die Fälle des unentgeltlichen Tätigwerden bzw. des Tätigwerdens gegen bloßen Aufwendungsersatz entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch der Ehrenamtlichkeit.
Danach ist ehrenamtlich tätig, wer außerhalb seines Haupterwerbs oder Hauptberufs uneigennützig einer Tätigkeit nachgeht, die im allgemeinen Interesse liegt, sei es in der Wahrnehmung eines öffentlichen Amts (Ehrenamt im engeren Sinne) oder einer sozialen Aufgabe (Ehrenamt im weiteren Sinne, vgl. Stadie, UStG, § 4 Nr. Nr. 26 Rz. 13). Kennzeichnend für eine "ehrenamtliche Tätigkeit" ist, dass diese "der Ehre halber" ausgeübt wird und nicht wegen einer materiellen Entschädigung. Die Aufwandsentschädigung, die mit einer ehrenamtlichen Aufgabe verbunden ist, stellt in der Regel eine Entschädigung für Kosten und kein Einkommen dar.
Soweit der Klägerin die gesondert geltend gemachten Auslagen (z.B. Fahrtkosten, Porto, Telefon) erstattet wurden, liegen steuerfreie Entschädigungen vor. Anders ist es bei den streitigen Vergütungen. Die Festsetzung der Vergütung bemisst sich nämlich nicht nach den entstandenen Kosten, sondern nach dem zeitlichen Aufwand ("Umfang") und der Bedeutung ("Schwierigkeit") der Pflegschaft (vgl. § 1836 Abs. 3 BGB a.F.).
Zur Bestimmung des "Umfangs" wird von den Zivilgerichten der Zeitaufwand herangezogen, den die Führung der Betreuung/Pflegschaft erfordert. Insoweit bedarf es keiner Ermittlung eines tatsächlichen Zeitaufwands; ausreichend ist eine Schätzung des Zeitaufwands anhand konkreter Anhaltspunkte (BayObLG, Beschluss vom 31.03.2004 3 Z BR 250/03, FamRZ 2004, 1138). Unter dem Aspekt der "Schwierigkeit" sind die Bedeutung der dem Betreuer/Pfleger obliegenden Geschäfte, die Anforderungen, die ihre sachgerechte Erledigung an den Betreuer/Pfleger stellt, und der sich darauf ergebende Grad der Verantwortung maßgebend. Derartige Schwierigkeiten können sich auch aus dem Umfang, der Art und der Zusammensetzung des zu verwaltenden Vermögens ergeben (BayObLG aa.aO.).
Dementsprechend ist auch die Vergütung der Klägerin festgesetzt worden. Zwar enthalten die Beschlüsse der Nachlassgerichte regelmäßig keine besondere diesbezügliche Begründung. Den Erläuterungen der Klägerin ist jedoch zu entnehmen, dass Grundlage für die vom Rechtspfleger nach § 1836 Abs. 3 BGB a.F. zu treffende Ermessensentscheidung die von ihr vorgelegten Unterlagen (Rechnungslegung und Kurzbericht) gewesen sind. Diese Unterlagen sind dem Finanzgericht exemplarisch für die ersten 10 der in 2002 geführten Nachlasspflegschaften zur Verfügung gestellt worden. In den Kurzberichten gibt die Klägerin die von ihr durchgeführten bzw. noch anstehenden Tätigkeiten zur Sicherung des jeweiligen Nachlasses im Einzelnen an. Dies wird beispielhaft an drei Fällen belegt:
- So führt die Klägerin in der Nachlassangelegenheit Erich K. unter dem 14.02.2002 aus, dass eine sehr aufwendige und schwierige Arbeit der Erbenermittlung und wegen des unklaren Testaments und der bis zum OLG geführten Rechtsstreite ein erhebliches Aktenstudium erforderlich gewesen sei. Mit Beschluss vom 18.02.2002 wird der Klägerin daraufhin eine (weitere) Vergütung von 3.000,-- EUR bewilligt.
- In der Rechtssache Horst Otto K. weist die Klägerin in ihrem Kurzbericht vom 03.04.2002 u.a. darauf hin, dass noch ein Kaufvertrag über das Hausgrundstück in H. und ein Guthaben aus einer Hausverwaltung abzuwickeln sei. Mit Beschluss vom 12.06.2002 ist ihr eine Vergütung von 6.300,-- EUR bewilligt worden.
- In der Rechtssache Frank-Ulrich W. weist die Klägerin in ihrem Bericht vom 20.10.2001 auf den diversen Schrift- und Telefonverkehr mit verschiedenen Behörden (Arbeitsamt, Krankenkasse, Sozialamt etc.). Mit Beschluss vom 26.11.2002 ist ihr eine Vergütung von 500,-- EUR gewährt worden.
3.
Die Führung von Pflegschaften gegen Vergütung nach § 1836 Abs. 3 BGB a.F. wird auch nicht vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst.
Dieses setzt das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraus (BFH Urteil vom 20.08.2009 V R 32/08, BStBl II 2010, 88 und Urteil vom 25.01.2011 V B 144/09, BFH/NV 2011, 863). Wenn die gezahlte Vergütung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse leistungsbezogen ist, scheidet eine ehrenamtliche Tätigkeit regelmäßig aus (Hünnekens in Peter/Burhoff/Stöcker, UStG, § 4 Nr. 26 Rn. 13).
Die Übernahme der Pflegschaften ist von einem eigennützigen Erwerbsstreben der Klägerin geprägt. Hierfür spricht bereits die Höhe der erzielten Einnahmen im Streitjahr (23.626,41 EUR) sowie in dem Vorjahr (2001: 100.776,59 DM) und den Folgejahren (2003: 44.067,06 EUR; 2004: 19.945,35 EUR; 2005: 33.310,36 EUR). Diese Einnahmen sind abstrakt geeignet, den Lebensunterhalt einer Person zu bedienen.
Dem steht die Führung von sechs überschuldeten Nachlässen in 2002 nicht entgegen. Zwar hat die Klägerin hier keinen Anspruch auf Vergütung. Im Hinblick darauf, dass sie im Streitjahr 40 Nachlässe geführt hat, dürfte dieser Umstand jedoch dadurch ausgeglichen sein, dass von ihr auch vermögende Nachlässe (z.B. Nachlässe mit Grundvermögen) geführt wurden, die eine (hohe) Vergütung erwarten ließen.
Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass es ihr angesichts der Ermessensentscheidung des Rechtspflegers nach§ 1836 Abs. 3 BGB a.F. an einer Kalkulationsgrundlage für die Einnahmen gemangelt habe. Zum einen ist das Nachlassgericht bei der Festsetzung der Vergütung an die oben erläuterte Auslegung der Begriffe "Umfang" und "Schwierigkeit" durch die Obergerichte gebunden. Danach kann die Klägerin bei Abfassung ihrer Kurzberichte sehr wohl überblicken, ob die von ihr vorgenommenen Tätigkeiten dem Umfang und der Bedeutung nach so gewichtig sind, dass eine Vergütung zu erwarten ist.
Dies gilt zumal sich die Bemessung der Vergütung des ehrenamtlich Tätigen nach § 1836 Abs. 3 BGB a.F. derjenigen eines berufstätigen Pflegers nach § 1836 Abs. 2 BGB angeglichen hat (so ausdrücklich OLG Hamm, Beschluss vom 31.05.2002 15 W 146/02, FamRZ 2003, 116 m.w.N.). Nachdem der Wert des Nachlasses durch eine Gesetzesänderung zum 1.1.1999 kein eigenständiges Kriterium für die Bemessung der Vergütung im Rahmen des § 1836 Abs. 3 BGB a.F. mehr sein kann, ist die Vergütung des Berufspflegers und des ehrenamtlichen Pflegers durch den Umfang und die Schwierigkeiten der jeweiligen Pflegschaft geprägt mit dem alleinigen Unterschied, dass beim Berufspfleger zusätzlich dessen Fachkenntnisse zu berücksichtigen sind. Die Führung von Pflegschaften mit Vergütungsanspruch nach § 1836 Abs. 3 BGB a.F. ist danach ebenso leistungsbezogen wie die berufsmäßig geführte Pflegschaft. Sie unterscheidet sich damit deutlich von der eigentlich ehrenamtlichen Tätigkeit, die unentgeltlich bzw. gegen bloße Aufwandsentschädigung geleistet wird.
Neben der fehlenden Ehrenamtlichkeit scheitert die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG auch daran, dass die nach 1836 Abs. 3 BGB a.F. gezahlte Vergütung nicht nur in Auslagenersatz und einer angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis bestand. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).