Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 13.01.2022, Az.: 8 U 134/21

Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in einer privaten Krankenversicherung; Voraussetzungen einer wirksamen Beitragsanpassung in einem Beitragsentlastungstarif; Akzessorische Rechtsnatur eines ausschließlich der Beitragsentlastung im Alter dienenden Tarifs in der privaten Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.01.2022
Aktenzeichen
8 U 134/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 11532
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2022:0113.8U134.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 23.04.2021 - AZ: 6 O 155/20

Fundstellen

  • VK 2022, 107
  • VersR 2022, 357-361
  • VuR 2022, 199
  • r+s 2022, 155-158
  • r+s 2022, 215

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur akzessorischen Rechtsnatur eines ausschließlich der Beitragsentlastung im Alter dienenden Tarifs in der privaten Krankenversicherung.

  2. 2.

    Ist ein Beitragsentlastungstarif in der privaten Krankenversicherung akzessorisch zu einer Hauptversicherung, bei welcher das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, so richtet sich eine Beitragsanpassung im Beitragsentlastungstarif nach § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG.

  3. 3.

    In den Versicherungs- oder Tarifbedingungen enthaltene Beitragsanpassungsklauseln, die von den Vorgaben der § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG abweichende Voraussetzungen für eine Beitragsanpassung in einem Beitragsentlastungstarif vorsehen (hier: Einführung einer neuen Sterbetafel in der Pflegepflichtversicherung ohne Notwendigkeit der Überschreitung eines Schwellenwerts), sind gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Tenor:

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 23. April 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Vers.-Nr. 4923907667 nicht wirksam geworden sind:

- im Tarif VISION 1 um 63,31 € zum 1. Januar 2011 bis zum 1. Dezember 2013,

- im Tarif VITAL 750 um 86,90 € zum 1. Januar 2015 bis zum 31. März 2021,

- im Tarif BEA-U um 2,55 € zum 1. Januar 2015,

- im Tarif BEA-U um 29,00 € zum 1. Januar 2019,

- im Tarif BEA-U um 0,97 € zum 1. Januar 2020.

  1. 2.

    Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages aus den folgenden Beitragserhöhungen verpflichtet ist:

- im Tarif VISION 1 um 63,31 € zum 1. Januar 2011 bis zum 1. Dezember 2013,

- im Tarif VITAL 750 um 86,90 € zum 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016,

- im Tarif BEA-U um 2,55 € zum 1. Januar 2015 bis zum 1. Mai 2015,

- im Tarif BEA-U um 29,00 € zum 1. Januar 2019,

- im Tarif BEA-U um 0,97 € zum 1. Januar 2020.

  1. 3.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 677,67 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2020 zu zahlen.

  2. 4.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 29. Dezember 2020 aus den Prämienanteilen gezogen hat, die der Kläger ab dem 1. Januar 2017 auf die unter Ziffer 2 aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.

  3. 5.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 98 % und die Beklagte 2 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 89 % und die Beklagte 11 %.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird für den Rechtsstreit erster Instanz unter Abänderung der Festsetzung im angefochtenen Urteil auf 29.020,26 € und für das Berufungsverfahren auf 6.371,89 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung mit unter anderem den Tarifen VISION 1, VITAL 750, 806 und BEA-U.

Für den Tarif BEA-U ist zum Thema Beitragsanpassung in den Besonderen Bedingungen für die Beitragsentlastung im Alter für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (Hauptversicherung) (Anlage B. 2, Anlagenband Beklagte) unter Buchstabe D vereinbart:

"Wird auf Grundlage des § 8b Teil 1 der allgemeinen Versicherungsbedingungen in der Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt, so werden auch im Tarif BEA-U die Rechnungsgrundlagen überprüft und ggf. mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders angepasst."

Streitgegenständlich sind folgende Beitragserhöhungen durch die Beklagte:

Tarif

Stichtag

Beitrag alt

Beitrag neu

Erhöhung

VISION 1

1.1.2011

457,50 €

520,81 €

63,31 €

VITAL 750

1.1.2015

245,69 €

332,59 €

86,90 €

BEA-U

1.1.2015

232,68 €

235,23 €

2,55 €

VITAL 750

1.1.2019

445,46 €

516,96 €

71,50 €

BEA-U

1.1.2019

244,95 €

273,95 €

29,00 €

806

1.1.2020

20,81 €

26,08 €

5,27 €

BEA-U

1.1.2020

273,95 €

274,92 €

0,97 €

Zur Begründung der Beitragserhöhungen übersandte die Beklagte jeweils im dem Erhöhungsstichtag vorausgehenden November einen Nachtrag zum Versicherungsschein, in welchem unter "Änderungsgründe" mit der Ziffer 1 jeweils auf eine separate Beilage verwiesen wurde. Insoweit lag den Nachträgen zum Versicherungsschein jeweils ein Informationsblatt "Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2011" bzw. "Informationen zur Beitragsanpassung zum ... (anderer Stichtag)" bei. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen (Anlagen B. 5-1 bis 5-4 sowie B. 8, Anlagenband Beklagte) Bezug genommen. Die hiernach erhöhten Beiträge wurden vom Kläger gezahlt.

Der Kläger hat die genannten Beitragserhöhungen für formell unwirksam gehalten. Tatsächlich habe kein Grund für eine Beitragsanpassung vorgelegen. Der Inhalt des jeweiligen Informationsblatts zur Beitragsanpassung genüge nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen. Es sei nicht klar genug ersichtlich, welche der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen - Versicherungsleistungen und/oder Sterbewahrscheinlichkeiten - sich verändert habe. Zudem benenne die Beklagte nicht, inwieweit der Schwellenwert überschritten worden sei und um wieviel Prozent sich die Rechnungsgrundlage erhöht habe, sodass der Versicherungsnehmer keine Plausibilitätskontrolle habe durchführen können.

In Bezug auf den Tarif BEA-U stehe der Beklagten bereits in materiellrechtlicher Hinsicht keine Befugnis zur Beitragserhöhung zu. Die entsprechende Prämienanpassungsklausel unter Buchstabe D der Tarifbedingungen sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Vers.-Nr. 4923907667 unwirksam sind:

a) im Tarif VISION 1 die Erhöhung zum 1. Januar 2011 in Höhe von 63,31 €,

b) im Tarif VITAL 750 die Erhöhung zum 1. Januar 2015 in Höhe von 86,90 €,

c) im Tarif BEA-U/28 die Erhöhung zum 1. Januar 2015 in Höhe von 2,55 €,

d) im Tarif VITAL 750 die Erhöhung zum 1. Januar 2019 in Höhe von 71,50 €,

e) im Tarif BEA-U/29 die Erhöhung zum 1. Januar 2019 in Höhe von 29,00 €,

f) im Tarif 806/30 die Erhöhung zum 1. Januar 2020 in Höhe von 5,27 €,

g) im Tarif BEA-U/29 die Erhöhung zum 1. Januar 2020 in Höhe von 0,97 €,

und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 653,57 € zu reduzieren ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite 6.757,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte

a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,

b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf dem Standpunkt gestanden, die Beitragserhöhungen ordnungsgemäß begründet zu haben. Dazu hat sie vorgetragen, sämtlichen streitigen Anpassungen hätten Veränderungen in den Versicherungsleistungen (und nicht der Sterbewahrscheinlichkeiten) als Auslöser zugrunde gelegen. Die jeweils auslösenden Faktoren hat sie in der Anlage B. 1 (Anlagenband Beklagte) beziffert. Im Hinblick auf die Anpassungen im Tarif BEA-U seien jeweils die Voraussetzungen gemäß den Tarifbedingungen erfüllt gewesen.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen.

Mit Urteil vom 23. April 2021, welches in r+s 2021, 343 veröffentlicht ist, hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020 festgestellt sowie die Beklagte zur Zahlung von 677,67 € verurteilt. Schließlich hat das Landgericht die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe bis zum 29. Dezember 2020 gezogener Nutzungen festgestellt. In Bezug auf die vor dem 1. Januar 2017 erfolgten Beitragsanpassungen greife die Verjährung ein; eine Klageerhebung sei dem Kläger auch seinerzeit schon zumutbar gewesen. Da der Kläger die in verjährter Zeit erfolgten Beitragsanpassungen nicht mehr zur gerichtlichen Überprüfung stellen könne, seien zu überprüfen nur noch die Beitragsanpassungen in den Tarifen VITAL 750 zum 1. Januar 2019, BEA-U zum 1. Januar 2019 bzw. zum 1. Januar 2020 sowie 806 zum 1. Januar 2020. Davon seien die Begründungen zu den Tarifen VITAL 750 und 806 formell ordnungsgemäß. Im Hinblick auf den Tarif BEA-U verhalte sich die Begründung allerdings nicht dazu, auf welcher gesetzlichen Grundlage (gestiegene Leistungsausgaben oder veränderte Sterbewahrscheinlichkeit) die Beitragserhöhungen beruhten. Stattdessen werde dort als maßgeblicher Grund die Einführung einer neuen Sterbetafel genannt. Dabei handele es sich nicht um einen tauglichen Beitragsanpassungsgrund. Es fehle an einer Information, inwiefern die Einführung der neuen Sterbetafel zu einer mindestens um 5 % abweichenden Sterbewahrscheinlichkeit geführt habe.

Gegen dieses Urteil richten sich die fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen beider Parteien, mit denen sie ihre erstinstanzlichen Anträge - der Kläger teilweise - weiterverfolgen.

Die Beklagte wendet sich gegen die Beurteilung des Landgerichts, die Beitragsanpassungen im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020 seien unwirksam. Hier habe das Landgericht den grundlegenden Charakter dieses "atypischen" Tarifs verkannt, der den Krankenversicherungsbeitrag im Alter entlaste, weswegen bei der Beitragsberechnung die statistische Lebenserwartung in Form der Sterbetafel zugrunde gelegt werde. Mit dem Hinweis darauf, dass Grund der Anpassung die Einführung einer neuen Sterbetafel in der Pflegeversicherung sei, habe die Beklagte den Grund für die Beitragsanpassung klar und verständlich mitgeteilt. Die in den Tarifbedingungen insoweit enthaltene Prämienanpassungsklausel sei gemäß § 40 VVG wirksam. Mit § 203 VVG, § 155 VAG schreibe der Gesetzgeber gerade nicht vor, dass nicht auch aus anderen Gründen eine Anpassung erfolgen dürfe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. April 2021 (Az.: 6 O 155/20) teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er meint, die Beitragsanpassung im Tarif BEA-U entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 155 Abs. 4 VAG, welcher eine Veränderung in den Sterbe-wahrscheinlichkeiten um mindestens 5 % voraussetze. Auch sei das Anknüpfen an Beitragsanpassungen im zu entlastenden Haupttarif für eine Beitragsanpassung in einem Beitragsentlastungstarif unwirksam.

In Bezug auf seine eigene Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen erstinstanzlichen Vortrag zur Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen und vertritt die Auffassung, das Feststellungsbegehren könne nicht verjähren. Die einzelnen Positionen, aus denen sich der Zahlungsantrag zusammensetzt, hat der Kläger teilweise geändert; insoweit wird auf die Aufstellung in der Berufungsbegründung (Bl. 178 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hannover, Az.: 6 O 155/20, aufzuheben und

1. festzustellen, dass über die im erstinstanzlichen Urteil festgestellte Unwirksamkeit hinaus folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Vers.-Nr. 4923907667 unwirksam waren:

a) im Tarif VISION 1 die Erhöhung zum 1. Januar 2011 in Höhe von 63,31 €,

b) im Tarif VITAL 750 die Erhöhung zum 1. Januar 2015 in Höhe von 86,90 €,

c) im Tarif BEA-U/28 die Erhöhung zum 1. Januar 2015 in Höhe von 2,55 €,

d) im Tarif 806/30 die Erhöhung zum 1. Januar 2020 in Höhe von 5,27 €,

und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite über den erstinstanzlich zum Antrag zu 2. ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 4.435,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte

a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,

b) die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet; das angefochtene Urteil beruht teilweise auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Berufung des Klägers mit Ausnahme der Erhöhung im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2015

A. Feststellung bezüglich Beitragserhöhungen und Zahlungspflicht

1. Die entsprechenden Feststellungsanträge sind als Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) zulässig. Insoweit liegt ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis vor. Allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung der sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist. Insofern ist die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung eine Vorfrage für den Leistungsantrag und geht zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus. Diese Vorgreiflichkeit macht das sonst für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich (vgl. BGH, Urteile vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, juris Rn. 19 f., vom 14. April 2021 - IV ZR 36/20, NLPrax 2021, 95, juris Rn. 27 f., vom 10. März 2021 - IV ZR 353/19, VersR 2021, 564, juris Rn. 17 f. und vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56, juris Rn. 19 f.).

2. Die Feststellungsklage ist teilweise begründet.

a) Nach § 203 Abs. 3 VVG ist der Versicherer zur Neufestsetzung der Prämien für bestehende Krankenversicherungsverhältnisse berechtigt, wenn sich nach Überprüfung durch einen unabhängigen Treuhänder eine Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage ergeben hat, wobei als maßgebliche Rechnungsgrundlagen die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten in Betracht kommen. Die Neufestsetzung richtet sich nach § 155 VAG. Abs. 3, 4 dieser Vorschrift verlangen einen jährlichen Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen bzw. Sterbewahrscheinlichkeiten und eine Prämienanpassung, wenn diese Gegenüberstellung eine Abweichung bei den Versicherungsleistungen von mehr als 10 %, sofern nicht in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein geringerer Prozentsatz vorgesehen ist, bzw. bei den Sterbewahrscheinlichkeiten eine Abweichung von mehr als 5 % ergibt. Die Neufestsetzung ist mit den hierfür maßgeblichen Gründen dem Versicherungsnehmer mitzuteilen und wird zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung folgt, § 203 Abs. 5 VVG.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Mitteilung im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten) bezogen auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung. Angegeben werden muss nur, dass eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die entsprechenden Schwellenwerte überschreitet. Nicht zu den maßgeblichen Gründen für eine Beitragsanpassung gehören Angaben dazu, in welcher Höhe sich die Rechnungsgrundlage verändert hat, in welchem Umfang der Schwellenwert überschritten wird, ob sich der überschrittene Schwellenwert aus dem Gesetz oder aus den Versicherungsbedingungen ergibt oder ob die Prämienhöhe auch durch weitere Faktoren beeinflusst wird. Ebenfalls ist es nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer durch die Mitteilung eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, aaO Rn. 26 ff.).

b) Gemessen hieran sind nur die Prämienerhöhungen im Tarif VISION 1 zum 1. Januar 2011 und im Tarif VITAL 750 zum 1. Januar 2015 unwirksam.

aa) Tarif VISION 1 zum 1. Januar 2011 (Anlage B. 5-1)

Diese Beitragserhöhung ist unwirksam. Die "Informationen zu den Beitragsänderungen zum 01.01.2011" enthalten keine konkrete Begründung für die Beitragsanpassung und erst recht keine Aussage dazu, ob diese auf einer Veränderung der Versicherungsleistungen oder der Sterbewahrscheinlichkeiten beruht. Es heißt dort lediglich:

"Der medizinische Fortschritt versorgt uns mit immer besseren Geräten, neuartigen Medikamenten und Therapien. Damit können heute viele Krankheiten erfolgreich therapiert oder sogar geheilt werden, die man früher kaum behandeln oder gar nicht erst diagnostizieren konnte. Eine erfreuliche Entwicklung. Eine Entwicklung, die auch Ihnen bei Bedarf zugute kommt. Allerdings gibt es diesen Qualitätszuwachs eben nicht zum Nulltarif. Hinzu kommt: Gute medizinische Betreuung funktioniert nur mit ausreichendem und bestens qualifiziertem Personal. Auch das hat seinen Preis. Und so kommt es, dass der Kostenanstieg im Gesundheitswesen seit Jahrzehnten über der allgemeinen Inflationsrate liegt - dass die Beiträge zur Krankenversicherung stärker steigen als die Lebenshaltungskosten und Gehälter."

Der hier allgemein angeführte überproportionale Kostenanstieg im Gesundheitswesen entspricht nicht der erforderlichen Angabe der Rechnungsgrundlage, wie sie für eine wirksame Mitteilung im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG erforderlich ist. Diese Begründung reicht für eine wirksame Beitragsanpassung nicht aus.

bb) Tarif VITAL 750 zum 1. Januar 2015 (Anlage B. 5-2)

Die zur Begründung dieser Erhöhung dienenden "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015" waren Gegenstand des BGH-Urteils vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20 -. Demnach konnte ein Versicherungsnehmer den Mitteilungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Die "Informationen zur Beitragsanpassung" beschrieben lediglich in allgemein gehaltener Form die jährliche Durchführung der Prämienüberprüfung, ohne das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitzuteilen. Der Versicherungsnehmer müsse daraus nicht den Schluss ziehen, dass die beschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Prämienerhöhung in diesem Fall eingetreten seien. Die von der Beklagten mitgeteilten Gründe reichen für eine Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG deshalb nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 25 f.).

cc) Tarif 806 zum 1. Januar 2020 (Anlage B. 8)

Die Beitragserhöhung zum 1. Januar 2020 im Tarif 806 ist hingegen wirksam. Den "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2020" ist zunächst zu entnehmen, dass die Tarife jährlich überprüft werden und bei Abweichungen um 10 % bzw. vereinbarten 5 %, bei den Sterbewahrscheinlichkeiten stets um 5 % der Beitrag angepasst wird. Ferner ergibt sich aus den Informationen, dass bei "allen angepassten Tarifen - also auch in Ihren Tarifen" (Unterstreichung wie im Original) bei der Überprüfung eine entsprechende Abweichung bei den Leistungen festgestellt worden sei. Damit enthalten die Informationen alle notwendigen Angaben für eine Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG, nämlich die Nennung der Berechnungsgrundlage, die nach Überprüfung eine Veränderung oberhalb des Schwellenwerts ergeben habe. Ein konkreter Bezug zu dem hier streitigen Tarif 806 wurde dadurch hergestellt, dass im Nachtrag zum Versicherungsschein aus November 2019 bei diesem Tarif die Ziffer 1 bei den Änderungsgründen genannt ist und das Informationsblatt "Änderungsgründe" zu Ziffer 1 auf die separat beiliegenden Informationen zur Beitragsanpassung verweist. Dem konnte der Versicherungsnehmer unschwer entnehmen, dass eine Anpassung im Tarif 806 erfolgt und dass hierfür die oben genannte für alle angepassten Tarife gegebene Begründung einschlägig ist.

Ohne Erfolg rügt der Kläger in der Berufungsbegründung, dass - was ausweislich der Anlage B. 1 für die Erhöhung im Tarif 806 zum 1. Januar 2020 zutrifft - Prä-mien erhöht wurden, obwohl die Überprüfung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen gesunkene Leistungsausgaben ergeben habe. Denn die Überprüfung der Prämie wird ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird, und zwar unabhängig davon, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist. Insoweit besteht auch keine Mitteilungspflicht des Versicherers (vgl. BGH, Urteil vom

20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 29 f.).

c) Soweit die Prämienerhöhungen nach dem Vorgesagten unwirksam sind, sind die vorliegenden Begründungsmängel allerdings durch die nachgeholte Begründung in der Klageerwiderung mit Wirkung ex nunc zu Beginn des zweiten Monats nach Zustellung der Klageerwiderung geheilt worden (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2021 - IV ZR 353/19, aaO Rn. 25). Die Klageerwiderung vom 1. Februar 2021 enthält die unmissverständliche Mitteilung, dass die Überschreitung des festgelegten Schwellenwerts bei sämtlichen streitgegenständlichen Anpassungen durch Veränderungen in den Versicherungsleistungen und nicht der Sterbewahrscheinlichkeiten ausgelöst worden sei. Die Klageerwiderung ist den klägerischen Prozessbevollmächtigten am 5. Februar 2021 zugestellt worden (Bl. 66b R d. A.), sodass auch die zunächst unwirksamen Prämienerhöhungen zum 1. April 2021 wirksam wurden.

3. Im Hinblick auf die auszuurteilende Feststellung folgt hieraus:

a) Zunächst war die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen

- im Tarif VISION 1 zum 1. Januar 2011 bis zum 1. Dezember 2013,

- im Tarif VITAL 750 zum 1. Januar 2015 bis zum 31. März 2021

festzustellen. Die Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ist bis zu dem Zeitpunkt festzustellen, an dem die in der Klageerwiderung nachgeholte ordnungsgemäße Begründung dem Versicherungsnehmer gegenüber wirksam wurde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 33 und dortiger Tenor zu Ziffer 1). In Bezug auf den Tarif VISION 1 ist hier zu beachten, dass nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers die letzte Zahlung auf die streitgegenständliche Beitragserhöhung am 1. Dezember 2013 erfolgte (Bl. 3 R d. A.).

b) Soweit der Kläger außerdem Feststellung begehrt, dass er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war, ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund einer nachfolgenden wirksamen Beitragserhöhung ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe besteht, die spätere wirksame Prämienanpassung mithin die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe bildet. Denn insoweit findet nicht nur die Festsetzung eines Erhöhungsbetrages, sondern eine vollständige Neufestsetzung statt, für deren Wirksamkeit die Wirksamkeit früherer Prämienerhöhungen unerheblich ist (vgl. BGH, Urteile vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 42 und vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, aaO Rn. 55).

Dies betrifft vorliegend den Tarif VITAL 750, in welchem zum 1. Januar 2017 eine wirksame Prämienanpassung stattfand, wie sich aus dem BGH-Urteil vom

16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, aaO Rn. 55 ergibt. Auf diese Rechtsprechung hat sich der Kläger ausdrücklich berufen, als er seinen auf die Erhöhung zum

1. Januar 2017 in diesem Tarif bezogenen Klageantrag zurückgenommen hat (Bl. 80 R d. A.). Dies zugrunde gelegt, war der Kläger insoweit nur bis zum

31. Dezember 2016 nicht zur Zahlung der erhöhten Prämienanteile verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 41 und dortiger Tenor zu Ziffer 2).

In Bezug auf den Tarif VISION 1 ist zwar eine wirksame Beitragsanpassung nach der hier vorliegenden unwirksamen nicht ersichtlich; indes erfolgte nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers die letzte Zahlung auf die streitgegenständliche Beitragserhöhung am 1. Dezember 2013 (Bl. 3 R d. A.). Insofern kommt hier nur eine Feststellung für den Zeitraum bis zum 1. Dezember 2013 in Betracht. Festzustellen war also die fehlende Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des Erhöhungsbetrages aus den Beitragsanpassungen

- im Tarif VISION 1 zum 1. Januar 2011 bis zum 1. Dezember 2013,

- im Tarif VITAL 750 zum 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016.

B. Rückzahlung von Beiträgen

1. Nach dem Vorgesagten hat der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung der ohne Rechtsgrund geleisteten Beiträge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Höhe von insgesamt 4.364,76 €, der sich wie folgt errechnet:

Tarif

vom

bis

Erhöhung

Monate

Summe

VISION 1

1.1.2011

1.12.2013

63,31 €

36

2.279,16 €

VITAL 750

1.1.2015

31.12.2016

86,90 €

24

2.085,60 €

Eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes kommt insoweit nicht in Betracht, weil der Kläger keinen Versicherungsschutz ohne Rechtsgrund erlangt hat. Der Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen bestand vielmehr ungeachtet der unwirksamen Prämienerhöhungen fort (vgl. BGH, Urteile vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 36 und vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, aaO Rn. 46).

2. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift unter Berücksichtigung des BGH-Urteils vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20 - durch und erfasst die vorgenannten Forderungen insgesamt.

Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, juris Rn. 40). Der Kläger erlangte mit dem Zugang der Änderungsmitteilungen im November 2010 und November 2014 im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, juris Rn. 42). Der Verjährungsbeginn war auch nicht aufgrund einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage hinausgeschoben. Hierfür reicht es nicht aus, dass es zu den Anforderungen an die nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden Gründe einer Prämienanpassung in der Vergangenheit einen Meinungsstreit gab, der erst durch das BGH-Urteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19 - einer Klärung zugeführt wurde. Denn dem Gläubiger ist die Erhebung einer Klage jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn er gleichwohl bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend macht und dadurch selbst zu erkennen gibt, vom Bestehen des Anspruchs auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2021 - IV ZR 113/20, juris Rn. 45). So liegt es hier, denn der Kläger hat bereits am 23. November 2020 die vorliegende Klage beim Landgericht eingereicht, mithin vor Verkündung des BGH-Urteils vom 16. Dezember 2020.

Soweit die Verjährung durch Klageerhebung in vorliegender Sache gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), betrifft dies nur die im November 2020 noch nicht verjährten - mithin die ab dem Jahr 2017 entstandenen - Rückforderungsansprüche, weil die bis zum Schluss des Jahres 2016 entstandenen Ansprüche mit Ende des Jahres 2019 bereits verjährt waren. Damit verbleibt unter Berücksichtigung der Verjährung kein Bereicherungsanspruch des Klägers mehr, weil der Anspruch sich ausschließlich auf spätestens im Dezember 2016 geleistete Zahlungen erstreckt und deshalb vollständig verjährt ist.

Auf eine eventuelle Entreicherung der Beklagten (§ 818 Abs. 3 BGB) kommt es unter diesen Umständen nicht an.

C. Feststellung bezüglich Nutzungen

Da es sich im Hinblick auf die verjährten Ansprüche bei den Nutzungen um Nebenleistungen im Sinne von § 217 BGB handelt, steht der Beklagten diesbezüglich ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 214 Abs. 1 BGB zu (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30. Juni 2021 - 20 U 152/20, juris Rn. 73). Es besteht mithin auch kein Anspruch des Klägers auf Feststellung einer Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe und/oder diesbezüglicher Zinsen.

Berufung der Beklagten (betreffend die Erhöhungen im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020) und Berufung des Klägers betreffend die Erhöhung im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2015

Die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen im Tarif BEA-U sind formell wirksam, weil sie in ihren Begründungen den Voraussetzungen gemäß Buchstabe D der Tarifbedingungen entsprechen. Sie sind aber materiell unwirksam, weil die genannte Klausel in den Tarifbedingungen eine materiell unwirksame Prämienanpassungsklausel darstellt (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn die in Buchstabe D der Tarifbedingungen genannten Voraussetzungen entsprechen nicht den - auf den Tarif anzuwendenden - Vorgaben der § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG.

1. Zum Beitragsentlastungstarif im Alter findet sich in den "Informationen zur Beitragsanpassung" jeweils ein eigener Abschnitt mit den Gründen für die Beitragsanpassung. Dieser lautet zum 1. Januar 2015 unter anderem:

"Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sehen daher vor, dass die Beiträge im Tarif BEA immer dann angepasst werden, wenn in der Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt wird. Mit der Beitragsanpassung zum 01.01.2015 wird eine neue Sterbetafel in der Pflegepflichtversicherung eingeführt. Dies muss nun auch in Ihrem Tarif BEA berücksichtigt werden."

In den "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019" und den "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2020" heißt es zur Begründung unter anderem:

"Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sehen daher vor, dass die Rechnungsgrundlagen des Tarifs BEA immer dann überprüft und ggf. mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders angepasst werden, wenn in der Privaten Pflegepflichtversicherung eine neue Sterbetafel eingeführt wird (§ 8b Teil 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen). Das ist zum 01.01.2019 [bzw. 01.01.2020] der Fall."

2. Mit den gegebenen Begründungen sind die Beitragsanpassungen im Tarif BEA-U jeweils formell wirksam.

Bei dem Tarif BEA-U handelt es sich - gemäß der Formulierung der Beklagten - um einen "atypischen" Tarif, welcher der Beitragsentlastung im Alter dient. Die Gründe, aus denen diesbezüglich eine Beitragsanpassung erfolgen darf, sind unter Buchstabe D der Besonderen Bedingungen für die Beitragsentlastung im Alter (Anlage B. 2) dahin geregelt, dass Auslöser für die Überprüfung der Rechnungsgrundlagen und Anpassung des Beitrags die Einführung einer neuen Sterbetafel in der Pflegepflichtversicherung ist. Die Einführung einer neuen Sterbetafel in der Pflegepflichtversicherung wird in den Informationsblättern jeweils als Auslöser für die Beitragsanpassung genannt. Mit dieser Begründung sind die Mitteilungen auf der Grundlage der Tarifbedingungen formell wirksam, da sie die dort genannte Erhöhungsvoraussetzung nennen (ebenso OLG Köln, Urteil vom 27. Oktober 2020 - 9 U 63/20, juris Rn. 60; OLG Hamm, Urteil vom 30. Juni 2021 - 20 U 162/20, Anlage B. 10, Anlagenhefter zur Berufungsbegründung der Beklagten).

3. Allerdings hat der Kläger bereits erstinstanzlich die materiellrechtliche Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Klausel in Buchstabe D der Besonderen Tarifbedingungen geltend gemacht und gemeint, diese stelle eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, weil der Versicherer auf diese Weise außerhalb des § 203 Abs. 2 VVG einseitig den Beitrag neu festsetzen könne. Das gesetzlich vorgesehene Prämienanpassungsverfahren stehe nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Dieser Argumentation tritt die Beklagte ohne Erfolg unter Berufung auf § 40 Abs. 1 VVG entgegen.

a) Der Tarif BEA-U unterfällt im Streitfall § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG, weil (auch) hinsichtlich dieses Tarifs das ordentliche Kündigungsrecht des beklagten Versicherers ausgeschlossen ist.

aa) Ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts kann den Versicherungsbedingungen nicht zweifelsfrei entnommen werden. Die Besonderen Bedingungen für die Beitragsentlastung im Alter für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (Hauptversicherung) (Anlage B. 2) lauten unter Buchstabe J:

"Der Tarif BEA-U kann jederzeit ohne Einhaltung einer Frist zum Monatsende gekündigt werden. Der Versicherungsnehmer sollte zur Vermeidung von Anspruchsverlusten zuvor prüfen, ob eine Umwandlung in eine kleine Anwartschaft nach Abschnitt F oder eine vorzeitige Beitragsentlastung nach Abschnitt G möglich ist."

Zwar deutet diese Bestimmung aufgrund der ausschließlichen Erwähnung des Versicherungsnehmers darauf hin, dass darin lediglich eine Kündigung durch den Versicherungsnehmer behandelt wird; ein Kündigungsrecht des Versicherers wird durch diese Formulierung dennoch nicht von vornherein ausgeschlossen.

bb) Das Kündigungsrecht des Versicherers ist aber gesetzlich ausgeschlossen, § 206 Abs. 1 VVG.

Schlechthin ausgeschlossen ist eine ordentliche Kündigung des Versicherers nach dieser Vorschrift in der substitutiven Krankheitskostenversicherung, d. h. in der privaten Krankenversicherung, die ganz oder teilweise den im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehenen Krankenversicherungsschutz ersetzen kann (vgl. Voit in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 206 Rn. 12, § 195 Rn. 2). Der Tarif BEA-U ist wegen seiner Akzessorietät zu einer substitutiven Krankenversicherung jedenfalls wie eine solche zu behandeln.

(1) Bei dem Tarif BEA-U handelt es sich nicht um einen eigenständigen Tarif in der Krankheitskostenversicherung. Es handelt sich vielmehr um einen Annex zu einer Hauptversicherung bzw. um Versicherungsbedingungen über die Modalitäten der Beitragszahlung in der Hauptversicherung.

Dass als Voraussetzung einer Versicherung im Tarif BEA-U zwingend mindestens ein anderer, eigenständiger Tarif ("Hauptversicherung") bei der Beklagten bestehen muss, ergibt sich schon aus der Bezeichnung der Tarifbedingungen: "Besondere Bedingungen für die Beitragsentlastung im Alter für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (Hauptversicherung)". Ausdrücklich bestimmt dazu Buchstabe A Satz 1 der Tarifbedingungen:

"Aufnahmefähig in den Tarif BEA-U sind Personen, für die eine Krankheitskostenvollversicherung bei unserem Unternehmen besteht."

Buchstabe B Satz 4 der Tarifbedingungen präzisiert die in Betracht kommende Hauptversicherung folgendermaßen:

"Hauptversicherung kann eine substitutive Krankheitskostenvollversicherung oder eine Krankenhaustagegeldversicherung oder eine unbefristete Krankheitskostenzusatzversicherung mit Alterungsrückstellung oder eine Kombination davon sein."

Hieraus folgt, dass die Hauptversicherung zum Tarif BEA-U entweder substitutiver oder nicht substitutiver Art (wie die Krankenhaustagegeldversicherung, vgl. Voit in Prölss/Martin, aaO, § 195 Rn. 4) sein kann oder eine Kombination aus beiden.

Die Einschätzung, dass es sich bei einem Beitragsentlastungstarif nicht um einen eigenständigen Tarif handelt, wird belegt durch das in dem in Übereinstimmung mit dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen ergangenen Runderlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 26. November 1996 - 451040 - (Nds. MBl. Nr. 3/1997, S. 83) zitierte BMF-Schreiben vom 23. September 1996 - VII B 4 - W 8130 - 80/96 -, dessen Auffassung sich das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium des Innern angeschlossen haben und welches dort auszugsweise wie folgt zitiert wird:

"Bei den von Ihnen angesprochenen Beitragsentlastungstarifen handelt es sich nicht um eigenständige Tarife, sondern um unselbstständige Tarifkomponenten, die nur als Bestandteile von Krankheitskostentarifen vereinbart werden können. Diese Tarifkomponenten stellen eine Alternative zu den seit einiger Zeit auf dem Markt befindlichen Krankenversicherungstarifen dar, die so kalkuliert sind, dass der Beitrag ab dem Alter 65 sinkt. Im Gegensatz zu diesen jetzt neu angebotenen Tarifen haben die von Ihnen genannten Tarifkomponenten den Vorteil, dass sie auch noch nachträglich zu bereits bestehenden Krankenversicherungstarifen vereinbart werden können. Bei den (unselbstständigen) Beitragsentlastungskomponenten handelt es sich entgegen Ihrer Auffassung - wie oben dargelegt - eben nicht um einen eigenständigen Tarif, sondern lediglich um eine Modifizierung der Beitragszahlung, die die bisher üblichen hohen Beitragssteigerungen im Alter abfedert und auf die Zeit der jüngeren Lebensalter verteilt." (Fettdruck wie im Original)

In der Literatur wird dies so formuliert, dass der Beitragsentlastungstarif akzessorisch an die Krankheitskostenversicherung anknüpfe (vgl. Schrage, VW 1995, 857). Es gebe keinen eigenständigen Entlastungstarif, der neben einer Krankheitskostenvollversicherung bestehe und der ein eigenständiges Kündigungsrecht hätte und in dem eine besondere Alterungsrückstellung oder ein besonderes Deckungskapital angespart wäre. Beitragsentlastungstarife seien ganzheitlich ganz normal nach Art der Lebensversicherung kalkulierte Krankheitskostenvollversicherungen mit einer gegenüber konventionellen Tarifen modifizierten Beitragszahlung (vgl. Bohn, VW 1995, 1098 unter Ziffer 2.). Derselbe Autor führt an anderer Stelle aus der Praxis der M. Krankenversicherung aus, dass diese keine eigenständigen Beitragsentlastungstarife anbiete, sondern besonders zu vereinbarende Besondere Bedingungen über die Modalitäten zur Zahlung der Beiträge für die Krankheitskostenvollversicherung. Ein fälschlich als eigenständig angenommener Beitragsentlastungstarif komme möglicherweise einer Art Rentenversicherung gleich und könne deshalb schon wegen des bestehenden Spartentrennungsgebots nicht von der PKV angeboten werden (vgl. Bohn, VW 1995, 1712). Ähnlich meint Präve (VersR 1997, 1301, unter Ziffer IV 6), es handele sich um Beitragsentlastungskomponenten, die als Bestandteile von Krankheitskostentarifen vereinbart werden könnten.

(2) Die Frage, ob Beitragsentlastungstarife einen Anspruch auf Beitragszuschuss gemäß § 257 Abs. 2 Satz 1 SGB V auslösen, weil sie "der Art nach den Leistungen dieses Buches entsprechen" (also den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung), wird in Rechtsprechung und Literatur diskutiert. Dagegen wird eingewandt, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechende Tarife nicht vorgesehen seien (vgl. Henssler, BB 2016, 2613, 2616); andererseits wird vertreten, dass nur ein Kalkulationselement aus dem eigentlichen Leistungsversprechen herausgelöst werde und die Ausgestaltung der Beitragskalkulation im Gesamtzusammenhang mit dem jeweiligen Grundtarif gesehen werden müsse, sodass auch unter dem Gesichtspunkt der vom Gesetzgeber beabsichtigten ausreichenden Vorsorge für ältere Versicherte nichts gegen eine Zuschussfähigkeit spreche (vgl. Präve, aaO). Das Sozialgericht Stuttgart will den Beitragsentlastungstarif bei der Berechnung des Zuschusses berücksichtigen, weil es im Ergebnis auf den vom Krankenversicherungsunternehmen monatlich verlangten Betrag ankomme (vgl. Pressemitteilung vom 5. August 2021 zum Verfahren SG Stuttgart - S 4 R 2147/18 -, juris).

(3) Nach Auffassung des Senats muss bei der Beurteilung, ob ein Beitragsentlastungstarif (hier: der Tarif BEA-U) dem Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht und damit als substitutiv einzustufen ist, darauf abgestellt werden, ob die dazugehörige Hauptversicherung als substitutiv oder nicht substitutiv zu bewerten ist. Dies ergibt sich aus der oben dargestellten unselbstständigen, akzessorischen Natur des Beitragsentlastungstarifs, der ausschließlich zusammen mit einer - substitutiven oder nicht substitutiven - Hauptversicherung vereinbart werden kann.

Eine solche Differenzierung findet sich auch im Einkommensteuerrecht. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Satz 3 EStG sind Sonderausgaben in Bezug auf Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung diejenigen Beitragsanteile, die auf Vertragsleistungen entfallen, die in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vergleichbar sind. Gemäß dem BMF-Schreiben vom 24. Mai 2017 - IV C 3-S 2221/16/10001:004 - (BStBl I 2017, 820 Rn. 113) ist bei Zahlung auf einen Beitragsentlastungstarif nur der auf die Basisabsicherung - also den substitutiven Teil der privaten Krankenversicherung - entfallende Beitragsanteil einkommensteuerrechtlich abziehbar. Berücksichtigt man, dass die Beitragsentlastung nur eine Komponente bzw. Zahlungsmodalität in einem einheitlich kalkulierten Tarif darstellt, erscheint diese Sichtweise folgerichtig, welche den akzessorischen Beitragsentlastungstarif die rechtliche Einordnung der Hauptversicherung im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung teilen lässt.

(4) Im Streitfall ist davon auszugehen, dass der Tarif BEA-U zum Basistarif bzw. Standardtarif gehört. Der Basistarif ist wie der Standardtarif substitutive Krankenversicherung (vgl. Boetius in Langheid/Wandt, VVG, 2. Aufl., § 204 Rn. 100).

Den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass sie dem Kläger im Zusammenhang mit den Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2017 und zum 1. Januar 2019 Angebote zum Wechsel in den Standardtarif (Basistarif) unterbreitet hat, welche jeweils auch den Tarif BEA-U beinhalteten. So erhielt der Kläger im November 2016 zusammen mit dem Nachtrag zum Versicherungsschein und dem Informationsblatt zur Beitragsanpassung zum 1. Januar 2017 die "Hinweise zum Wechsel in den Standardtarif" (Anlage B. 5-3). Diese enthielten im Standardtarif unter anderem den Tarif BEA-U mit einem gleichbleibenden Monatsbeitrag im Vergleich zum bisherigen Beitrag von 244,95 €. Im November 2018 übersandte die Beklagte dem Kläger zusammen mit dem entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein und dem Informationsblatt zur Beitragsanpassung zum 1. Januar 2019 zwei Angebote "Umstellungsmöglichkeit Standardtarif" und "Umstellungsmöglichkeit Basistarif" (Anlage B. 5-4). Beide Vorschläge zur Vertragsumstellung enthielten den Tarif BEA-U in ebenfalls gleichbleibender Höhe von jeweils 273,95 €.

Dem lässt sich entnehmen, dass sich der Tarif BEA-U innerhalb des vom Kläger vereinbarten Versicherungsumfangs in voller Höhe auf die Basisabsicherung bezog, weil er auch nach der vorgeschlagenen Umstellung auf den Standard- bzw. Basistarif jeweils in gleichbleibender Beitragshöhe fortbestehen sollte. Stellt der Tarif BEA-U damit eine Komponente der Beitragszahlung im Standard- bzw. Basistarif dar, teilt er auch deren Charakter als substitutive Krankheitskostenversicherung, sodass in Bezug auf diesen Tarif ein ordentliches Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen und § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG anwendbar sind.

(5) Hieraus folgt im Übrigen auch ohne weiteres, dass es sich bei dem Tarif BEA-U nicht um eine Ergänzungsversicherung bzw. Zusatzversicherung handelt. Damit werden Krankenversicherungen bezeichnet, die über den Versicherungsschutz aus einer Krankheitskosten-Vollversicherung der PKV bzw. über den Pflichtleistungskatalog der GKV hinausgehen. Allerdings handelt es sich noch um eine substitutive Krankenversicherung, wenn die versicherte Leistung als solche Gegenstand des Pflichtleistungskatalogs der GKV ist. Verlassen wird der Anwendungsbereich der substitutiven Krankenversicherung erst dann, wenn die PKV-Leistung überhaupt erst oberhalb der GKV-Pflichtleistung beginnt, beispielsweise wenn nur die Zuschläge für Wahlleistungen im Krankenhaus versichert sind (vgl. Boetius in Langheid/Wandt, aaO, Vorbemerkung zu §§ 192-208 Rn. 636, 642). Da der Tarif BEA-U - wie dargestellt - im Streitfall Bestandteil des Basistarifs ist, kann hier von einer Ergänzungsversicherung nicht gesprochen werden. Hinzu kommt, dass der Tarif BEA-U dem Versicherungsnehmer nur im Zusammenhang mit einer Hauptversicherung offensteht; eine Zusatzversicherung kann allerdings auch ohne eine Hauptversicherung gesondert abgeschlossen werden, wenn etwa eine in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Person sich (zusätzlich zum Schutz der GKV) allein im Hinblick auf die Zuschläge für Wahlleistungen privat krankenversichert. Auch unter diesem Aspekt verbietet sich eine Gleichsetzung der Ergänzungsversicherung bzw. Zusatzversicherung mit dem nur akzessorisch zu vereinbarenden Beitragsentlastungstarif BEA-U.

b) Ein gesetzliches Prämienanpassungsrecht im Tarif BEA-U kann die Beklagte mit der von ihr gegebenen Begründung der Einführung einer neuen Sterbetafel in der Pflegepflichtversicherung nicht für sich in Anspruch nehmen, weil es sich dabei schon nicht um eine in § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG, § 155 Abs. 3 VAG vorgesehene Rechnungsgrundlage handelt. Selbst wenn man aber die Einführung einer neuen Sterbetafel so interpretieren wollte, dass damit die Rechnungsgrundlage Sterbewahrscheinlichkeiten gemeint ist, lässt sich der Begründung der Beklagten zum Tarif BEA-U jedenfalls nicht die Überschreitung eines Schwellenwerts entnehmen. Die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten werde, gehört jedoch zum erforderlichen Begründungsumfang einer Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021 - IV ZR 191/20, juris Rn. 26 f.).

c) Nach dem Vorstehenden kommt auch ein vertragliches Prämienanpassungsrecht auf der Grundlage von Buchstabe D der Besonderen Bedingungen für die Beitragsentlastung im Alter nicht in Betracht. Diese Klausel steht nicht im Einklang mit § 203 Abs. 2 VVG, § 155 Abs. 3 VAG, weil sie eine dort nicht vorgesehene Rechnungsgrundlage (Einführung einer neuen Sterbetafel in der Pflegepflichtversicherung) - zudem ohne die Notwendigkeit der Überschreitung eines Schwellenwerts - als auslösenden Faktor vorsieht, und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB materiell unwirksam. Die unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers ergibt sich schon daraus, dass der mit den gesetzlichen Normen über die Voraussetzungen einer Prämienanpassung in der Krankenversicherung bezweckte Schutz leerliefe, wenn der Versicherer einseitig Anpassungsklauseln mit geringeren Anforderungen in seine Bedingungen aufnehmen könnte.

Der Verweis der Beklagten auf § 40 Abs. 1 VVG geht in diesem Zusammenhang fehl. Zwar können Prämienanpassungsklauseln nach dieser Vorschrift grundsätzlich in Allgemeinen Versicherungsbedingungen vereinbart werden (vgl. BeckOK VVG/Klimke, 12. Edition, § 40 Rn. 3). Dies gilt allerdings nicht für die Krankenversicherung, da § 203 VVG insoweit eine Sonderregelung enthält, welche § 40 VVG vorgeht (vgl. Reiff in Prölss/Martin, aaO, § 40 Rn. 8; Beckmann in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 40 Rn. 7, 27). Damit fehlt es für die von der Beklagten erstrebten Beitragsanpassungen im Tarif BEA-U insgesamt an einer rechtlichen Grundlage.

4. Als Rechtsfolge war zunächst die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen

- im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2015,

- im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2019,

- im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2020

festzustellen. Eine zeitliche Befristung war insoweit nicht auszusprechen, weil sich nicht eine Konstellation dergestalt ergibt, dass eine ordnungsgemäße Begründung in der Klageerwiderung nachgeholt und wirksam geworden wäre.

Auch eine nachfolgende wirksame Beitragserhöhung in diesem Tarif lässt sich nicht feststellen, sodass die Feststellung, dass der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war, jeweils bis zur letzten Zahlung auf diesen Tarif (dies betrifft die Erhöhung zum 1. Januar 2015 mit der letzten Zahlung am 1. Mai 2015, Bl. 3 R, 178 d. A.) bzw. unbegrenzt (in Bezug auf die anderen beiden Erhöhungen zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020) auszusprechen war. Festzustellen war demnach die fehlende Verpflichtung des Klägers zur Zahlung des Erhöhungsbetrages aus den Beitragsanpassungen im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2015 bis zum 1. Mai 2015,

- im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2019,

- im Tarif BEA-U zum 1. Januar 2020.

5. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur Verjährung stehen dem Kläger Rückzahlungsansprüche in Bezug auf den Tarif BEA-U nur für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2017 zu. Demnach sind die Ansprüche aus der Erhöhung zum 1. Januar 2015 vollständig verjährt, weil sie schon mit dem 1. Mai 2015 endeten. Rückzahlungsansprüche aus den Erhöhungen zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020 werden hingegen von der Verjährung nicht erfasst. Diese hat der Kläger mit der Klageschrift jeweils bis zum 17. November 2020 geltend gemacht (Bl. 3 R d. A.); eine darüber hinausgehende Zahlung wird in der Berufungsinstanz nicht verlangt (vgl. Bl. 178 d. A.). Damit waren dem Kläger aufgrund von Beitragsanpassungen im Tarif BEA-U insgesamt 677,67 € wie folgt zuzusprechen:

Tarif

vom

bis

Erhöhung

Monate

Summe

BEA-U

1.1.2019

17.11.2020

29,00 €

23

667,00 €

BEA-U

1.1.2020

17.11.2020

0,97 €

11

10,67 €

6. Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB). Sie begründet dies damit, dass sie die zu viel gezahlten Prämien für Altersrückstellungen zugunsten der Versichertengemeinschaft verwendet hat. Mit dieser Argumentation kann die Beklagte nicht gehört werden, denn Zahlungen des Versicherungsnehmers, die ohne wirksame Prämienerhöhung erfolgen, sind nicht nach den für Prämien geltenden Vorschriften als Rückstellungen zu verwenden. Sollte die Beklagte gleichwohl aus den entsprechenden Zahlungen Rückstellungen gebildet haben, kommt es für den Wegfall der Bereicherung darauf an, ob die Beklagte insoweit über eine Möglichkeit zur Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber dem Kläger verfügt (vgl. BGH, Urteile vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 39 f. und vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, aaO Rn. 50 ff.). Zu diesem Punkt hat die Beklagte nichts Konkretes vorgetragen.

7. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen zu, welche die Beklagte aus dem ohne Rechtsgrund geleisteten Prämienanteil ge-zogen hat, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 BGB. Allerdings ist der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen. Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen. Da der Kläger Rechtshängigkeitszinsen auf den Rückzahlungsbetrag (Klageantrag zu 2) beantragt hat, ist die Pflicht der Beklagten zur Nutzungsherausgabe daher nur zeitlich beschränkt festzustellen (vgl. BGH, Urteile vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 43 und vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, aaO Rn. 58). Da die Klageschrift vorliegend am 29. Dezember 2020 zugestellt worden ist (LGU S. 5) und dem Kläger deshalb Prozesszinsen gemäß § 291 BGB ab dem 30. Dezember 2020 zustehen, beschränkt sich der Zeitraum der Nutzungsherausgabe auf den 1. Januar 2017 bis zum 29. Dezember 2020.

8. Ein Feststellungsanspruch im Hinblick auf die Verzinsung der wie vorstehend herauszugebenden Nutzungen steht dem Kläger nicht zu, weil § 291 BGB in Bezug auf Feststellungsklagen nicht eingreift und ein vorprozessualer Verzugseintritt nicht ersichtlich ist (vgl. BGH, Urteile vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20, aaO Rn. 44 und vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, aaO Rn. 59). Überdies könnte sonst ein Verstoß gegen § 289 Satz 1 BGB vorliegen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Frage der Voraussetzungen einer wirksamen Beitragsanpassung in einem Beitragsentlastungstarif ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt.

IV.

Den Streitwert für den Rechtsstreit erster Instanz hat der Senat gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG abweichend auf 29.020,26 € festgesetzt. Er berechnet sich

- aus dem im Wege der negativen Feststellungsklage geltend gemachten Prämienmehrbetrag von 306,51 € (Bl. 21 d. A.) × 42 = 12.873,42 €. Da der Feststellungsantrag am 23. November 2020 anhängig geworden ist, während der Zahlungsantrag den Zeitraum bis zum 17. November 2020 umfasst, bezieht sich der Feststellungsantrag nur auf das zukünftige Rechtsverhältnis der Parteien und ist daher in voller Höhe streitwertrelevant. Der neben dem Zahlungsantrag gestellte Feststellungsantrag erhöht den Streitwert nur insoweit, als er sich nicht auf denselben Zeitraum wie der Zahlungsantrag bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2021 - IV ZR 353/19, aaO Rn. 37),

- sowie aus dem bezifferten Zahlungsantrag aus der Klageschrift in Höhe von 16.146,84 € (§ 40 GKG).

- Der Nutzungsherausgabeanspruch betrifft eine Nebenforderung im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG und erhöht deshalb den Streitwert nicht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren von insgesamt 6.371,89 € bemisst sich

- im Hinblick auf die Berufung des Klägers lediglich nach dem bezifferten Zahlungsantrag in Höhe von 4.435,48 €. Der Feststellungsklage kommt im Berufungsverfahren kein eigener - wirtschaftlicher - Wert mehr zu, nachdem diese in eine Zwischenfeststellungsklage umformuliert worden ist; bei dem Nutzungsherausgabeanspruch handelt es sich um eine Nebenforderung,

- für den Wert der Berufung der Beklagten anhand der vom Landgericht ausgeurteilten negativen Feststellung über 29,97 € × 42 = 1.258,74 € zuzüglich des Zahlungsausspruchs von 677,67 €.