Amtsgericht Westerstede
Beschl. v. 20.07.2009, Az.: 81 F 1160/08 S

Erinnerung gegen die Kostenentscheidung nach Abschluss des Scheidungsverfahrens; Voraussetzungen für eine Ermäßigung nach Nr. 1311 KV GKG

Bibliographie

Gericht
AG Westerstede
Datum
20.07.2009
Aktenzeichen
81 F 1160/08 S
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 45707
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGWESTS:2009:0720.81F1160.08S.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2010, 226-227

Tenor:

Die Erinnerung des Antragstellers vom 30.04.2009 gegen die Kostenrechnung vom 21.04.2009 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird wegen der besonderen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.

Gründe

1

l.

Auf den Antrag der Parteien ist ihre Ehe durch Urteil vom 15.04.2009 geschieden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich wegen der zur Zeit nicht entscheidbaren Zusatzversorgungen - KZVK/VBL - ausgesetzt und abgetrennt worden. Die Parteien haben nach Verkündung des Urteils auf Rechtsmittel gegen den Scheidungsausspruch verzichtet. Der Streitwert für die Ehesache ist auf 10.500,00 € und für den Versorgungsausgleich auf 2.000,00 € festgesetzt worden. Zum Scheidungsausspruch ist im Rahmen der schriftlichen Urteilsbegründung wegen des Rechtsmittel Verzichts eine Darstellung von Tatbestand- und Entscheidungsgründen nicht erfolgt.

2

Mit Kostenrechung vom 21.04.2009 sind dem Antragsteller auf der Grundlage der Streitwertfestsetzung und der nach § 93a ZPO getroffenen gerichtlichen Kostenentscheidung Gerichtskosten von 219,00 € in Rechnung gestellt worden, die sich aus der Hälfte von 2 Gerichtsgebühren nach Nr. 1310 KV Anlage 1 zum GKG (KVGKG) nach einem Gesamtstreitwert von 12.500,00 € ergeben. Hiergegen hat der Antragsteller "Beschwerde" eingelegt mit dem Ziel der Herabsetzung der Gerichtsgebühr für das Scheidungsverfahren auf eine 0,5-Gebühr nach Nr. 1311 KV GKG, also auf einen Betrag von 109,50 €, so dass sich bei Hinzurechnung einer 2,0-Gebühr nach dem Wert des Versorgungsausgleichsverfahrens in Höhe von 146,00 € Gerichtsgebühren von insgesamt 255,50 € - und damit eine anteilige hälftige Kostenlast des Antragstellers von 127,75 € ergeben.

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Der Kostenbeamte hat der Beschwerde gemäß Verfügung vom 07.05.2009 nicht abgeholfen mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für eine Ermäßigung nach Nr. 1311 KV GKG nicht vorliegen, weil nicht das gesamte Verfahren beendet sei.

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Die Bezirksrevisorin vertritt in ihrer Stellungnahme vom 05.06.2009 dieselbe Auffassung.

5

II.

Die als Erinnerung auszulegende Beschwerde vom 30.04.2009 war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für eine Ermäßigung nach Nr. 1311 KV GKG nicht vorliegen.

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Zur Anwendung der durch das Kostenmodernisierungsgesetz geschaffenen Nr. 1311 Nr. 2 KV GKG auf den hier vorliegenden Fall werden 2 Meinungen vertreten:

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1. Die eine Auffassung beruft sich auf den Wortlaut der Bestimmung, wonach eine Gebührenermäßigung auf 0,5 Gebühren nur möglich ist bei Beendigung des gesamten Verfahrens, welches nach § 313 a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält (OLG Köln, OLGR Köln 2008, 576; KG Berlin FamRZ 2007, 300; OLG Stuttgart FamRZ 2006, 719; OLG Zweibrücken NJW 2006, 2564 [OLG Zweibrücken 17.10.2005 - 6 WF 178/05]; OLG Schleswig OLGR Schleswig 2007, 159; OLG Düsseldorf Beschluss vom 17.11.2005 II - 10 WF 31/05, Meyer, GKG, 8. Aufl. 2006, KV 1311 Rn. 93; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, KV 1311 Rn.1).

8

2. Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der neuen Fassung der Nr. 1311 Nr. 2 KV GKG um ein Redaktionsversehen mit der Folge, dass im Ergebnis diese Norm nur auf die Scheidungssache selbst anzuwenden und die Verfahrensgebühr für die Scheidung auch dann zu ermäßigen ist, wenn andere Folgesachen - so wie hier die stets zu begründende Entscheidung zum Versorgungsausgleich - keinen Ermäßigungstatbestand erfüllten (OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 1874; OLG Frankfurt FamRZ 2006, 1560; OLG Nürnberg FamRZ 2006, 634; Gerhardt/Keske, Handbuch des Fachanwaltes Familienrecht, 5. Aufl., 2005, Kapitel 17 Rn. 168; Zöller-Philippi ZPO 26. Aufl. § 606 Rn. 42 - ohne Begründung -).

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3. Das Gericht sieht aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bestimmung in Nr. 1311 Nr. 2 KV GKG, der eine Beendigung des gesamten Verfahrens verlangt, dessen Entscheidung nach § 312 a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthalten darf, keine Möglichkeit der Erinnerung stattzugeben. Für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers fehlt es an ausreichend eindeutigen objektiven Anhaltspunkten.

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Dass der Wortlaut der Vorschrift eindeutig ist, müssen auch die Vertreter der Gegenansicht einräumen. Ihre Ansicht, es handele sich bei der Regelung um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers, ist eher eine Vermutung. Aus den Gesetzesmaterialien zum Kostenmodernisierungsgesetz erschließt sich das nicht. Zu den Nr. 1310 und 1311 KV GKG (Bundestagsdrucksache 15/1971, Seite 161, heißt es hierzu:

"Auch für die Verfahren in Ehesachen, Lebenspartnerschaftssachen und Folgesachen soll das Pauschalgebührensystem eingeführt werden. Wegen der Besonderheiten im Verbundverfahren ist allerdings eine vollständige Übertragung des Gebührensystems nicht möglich. Eine Gebührenermäßigung kann im Verbundverfahren nicht davon abhängig gemacht werden, dass alle Verfahrensteile beendet werden. Es käme dann in Scheidungsverbundverfahren nur im Falle der Antragsrücknahme zu einer Gebührenermäßigung, da das Scheidungsverlangen nicht der Disposition der Parteien unterliegt. Es muss aber andererseits ein gebührenrechtlicher Anreiz bestehen, in den Folgesachen zu einer gütlichen Einigung zu gelangen. Im übrigen ist es nicht zu rechtfertigen, dass z.B. eine Einigung zum Güterrecht, das mitunter einen hohen Streitwert hat, nicht zu einer Gebührenermäßigung führt, weil das Gericht über den Scheidungsantrag entscheiden muss. Deshalb ist vorgesehen, dass die Frage der Gebührenermäßigung für jede Folgesache einzeln zu prüfen ist. Damit wird eine Vereinfachung des Kostenrechts in diesem Bereich zwar nur zum Teil erreicht, nämlich durch den Wegfall der verschiedenen Entscheidungsgebühren. Jedoch ist dies zur Gewährleistung eines Mindestmaßes an Gebührengerechtigkeit und zur Verfahrenssteuerung zwingend erforderlich.

Die Höhe der Verfahrensgebühr wird mit einem Gebührensatz von 2,0 vorgeschlagen. Dieser Gebührensatz ist um 1,0 niedriger als in sonstigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass auch im geltenden Recht die Gebühren in den hier zu regelnden Verfahren hinter den sonst zu erhebenden Gebühren zurückbleiben. Daran soll im Hinblick auf die ohnehin hohe finanzielle Belastung der Parteien in einer Trennungssituation festgehalten werden".

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Aus dieser Gesetzesbegründung lässt sich entgegen der unter Ziffer 2 dargestellten Ansicht nach Überzeugung des Gerichts keineswegs schlussfolgern, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe, entsprechend der bisherigen Praxis nach altem Recht (Nr. 1510, 1516, 1517 KV GKG) eine entsprechende Ermäßigung auf 0,5 Gebühren für das Scheidungsurteil ohne Begründung beizubehalten.

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Ebenso wenig überzeugt die weitere Argumentation, vom Gesetzgeber sei zu erwarten gewesen, bei Abweichung von dieser Praxis dies in den Gesetzesmaterialien deutlich zum Ausdruck kommen zu lassen.

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Der Gesetzesbegründung lässt sich allenfalls entnehmen, dass die Gebühren in Scheidungssachen und Folgesachen geringer als in allgemeinen Zivilsachen sein sowie die allenfalls allgemeine Einsicht, dass - im Ergebnis - die Gebühren vergleichbar niedrig bleiben sollen.

14

Vergleicht man die anfallenden Gebühren vor und nach der durch das Kostenmodernisierungsgesetz geschaffenen Regelung, so ergibt sich folgendes:

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Bei der vor der Einführung durch das Kostenmodernisierungsgesetzes geübten Praxis fielen in Verfahren der hier zu entscheidenden Art nach Nr. 1510 KV GKG 1,0 Gebühr nach dem Gesamtstreitwert, nach Nr. 1516 KV GKG 1,0 Gebühr nach dem Wert der zu begründenden Versorgungsausgleichsentscheidung und nach KV 1517 GKG 0,5 Gebühr nach dem Wert der Scheidungssache an. Das ergibt Gerichtsgebühren von insgesamt 401,50 € (Nr. 1510: 219,00 €; Nr. 1516: 73,00 €; Nr. 1517: 109,50 €) und damit eine anteilige hälftige Kostenlast von 200,75 €. Das entspricht in der Größenordnung der hier zur Überprüfung gestellten Kostenrechnung in Höhe von anteilig 219,00 €. Dem gegenüber ergibt sich nach der ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers annehmenden Ansicht eine hälftige Kostenlast von 127,75 €. Das sind rund 1/3 weniger als nach altem Recht. Vor diesem Hintergrund hätte es eher nahegelegen, dass der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren einen ausdrücklichen Hinweis zu finden, neben der Veränderung der Gebührenstruktur auch an dieser Regelung der Gebührensplittung festzuhalten. Das ist erkennbar nicht geschehen.

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Gegen die Annahme, dass es sich bei der neuen Fassung von Nr. 1311 Nr. 2 KV GKG um ein Redaktionsversehen handelt, sprechen die Gesetzesmaterialien zum ab 01.09.2009 geltenden Kostenrecht. In der Gesetzesbegründung zu Nr. 1111 KV FamGKG (Bundestagsdrucksache 16/6308 Seite 309), die im wesentlichen die Regelungen übernimmt, die jetzt in Nr. 1311 KV GKG enthalten sind, heißt es: "Nicht ausreichend ist es allerdings auch weiterhin, wenn die Ehesache oder die einzelne Folgesache nur teilweise ... erledigt wird. Eine - auf den Teilstreitwert begrenzte - Gebührenermäßigung tritt also ein, wenn die gesamte Ehesache oder eine gesamte Folgesache durch Rücknahme, Vergleich o.ä. erledigt werden".

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Mit dem ab 01.09.2009 geltenden Kostenrecht wird sich diese Streitfrage erübrigen. Denn der Ermäßigungstatbestand bei einer Endentscheidung (Beschluss) in einer Scheidungssache, die den Anträgen beider Beteiligten folgt bzw. aufgrund Rechtsmittelverzichts nicht zu begründen ist, § 38 FamFG, ist ausdrücklich ausgenommen, Nr. 1111 KV FamGKG. Das bedeutet, dass in einem Scheidungsverbundverfahren mit Versorgungsausgleich die Gebührenabrechnung aus dem addierten Streitwert für Scheidung und Versorgungsausgleich (2,0 Verfahrensgebühr), § 44 FamGKG, vorzunehmen ist, Nr. 1110 KV FamGKG.

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Wegen der besonderen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Streitfrage, die - soweit ersichtlich - im Bezirk des Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg bislang nicht entschieden ist, wird die Beschwerde zugelassen, obwohl der Beschwerdewert nicht erreicht ist.