Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 17.08.2021, Az.: 6 U 23/21

Ansprüche wegen des Erwerbs eines vermeintlich vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs; Fehlende Rückrufbetroffenheit; Keine Nachprüfung von Verwaltungsakten durch die ordentlichen Gerichte; Tatbestandswirkung einer EG-Typgenehmigung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.08.2021
Aktenzeichen
6 U 23/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 49801
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 18.12.2020 - AZ: 3 O 2520/20

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB AG vertreten durch den Vorstand, Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Landgericht (...) auf die mündliche Verhandlung vom 06.08.2021 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.12.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück - 3 O 2520/20 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Berufungsstreitwert wird auf die Wertstufe bis 7.000,00 € festgesetzt.

[Entscheidungsgründe]

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselabgasskandal in Anspruch.

Der Kläger erwarb ausweislich von "Rechnung und Kaufvertrag" vom 01.06.2018 (Anlage K1) von der Firma CC einen gebrauchten Pkw1, Euro 6, mit der Fahrgestellnummer (...), Erstzulassung 16.03.2015, "abgelesener Km-Stand ... ca. 90.800", für 17.450,00 €. Im Fahrzeug ist ein von der Beklagten entwickelter Dieselmotor des Typs Typ1 verbaut worden.

Das Fahrzeug ist mit einem sogenannten Thermofenster ausgestattet.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes betroffen.

Am 06.08.2021 hatte das streitgegenständliche Fahrzeug einen Kilometerstand von 162.985.

Der Kläger hat unter anderem vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug weise verschiedene unzulässige Abschalteinrichtungen - hierbei handele es sich neben dem Thermofenster unter anderem um eine Fahrkurvenerkennung und ein On-Board-Diagnose-System - auf. Damit ließe sich feststellen, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) oder im realen Straßenverkehr befinde. Die Beklagte habe ihn vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt und sei daher zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.649,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs zwei Wochen nach Rechtshängigkeit in Annahmeverzug befindet.

Hinsichtlich eines Betrags in Höhe von 613,09 €, den er sich als Nutzungsentschädigung hat anrechnen lassen, hat er den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat der teilweisen Erledigungserklärung widersprochen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat unter anderem vorgetragen, der Kläger habe weder einen Schaden erlitten noch sei er sittenwidrig getäuscht worden.

Das Landgericht hat mit dem am 18.12.2020 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Eine Abschalteinrichtung sei von dem Kläger nicht hinreichend dargetan worden. Von einer sittenwidrigen und vorsätzlichen Schädigung könne nicht die Rede sein, wenn eine Einrichtung im Prüfbetrieb genauso funktioniere wie im realen Fahrbetrieb.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Nachdem der Kläger mit der Berufungsbegründung vom 18.03.2021 - dort S. 2 - "wegen der Erhöhung des Gebrauchsvorteils die teilweise Erledigung des Rechtsstreits" hinsichtlich des Klagantrags zu 1. erklärt hat, beantragt er nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.075,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu zahlen,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs zwei Wochen nach Rechtshängigkeit in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte hat der teilweisen Erledigungserklärung nicht zugestimmt und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zum Vorgang gelangten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 5.075,68 € gemäß § 826 BGB oder aus einem anderen Rechtsgrund gegen die Beklagte wegen der angeblichen Manipulation des in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors des Typs Typ1.

Zwar kann in dem Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.d der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegen, die einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB gegen die Herstellerin begründen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris Rn. 12 ff.). Auf seine Auffassung, die Beklagte habe das streitgegenständliche Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen, kann der Kläger seine Ansprüche jedoch nicht mit Erfolg stützen, weil der Berücksichtigung seines Vorbringens die Tatbestandswirkung der uneingeschränkt gültigen Typgenehmigung des Fahrzeugs entgegensteht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die Nachprüfung von Verwaltungsakten den ordentlichen Gerichten grundsätzlich nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2021 - VI ZR 773/20 -, BeckRS 2021, 6374; Urteil vom 04.08.2020 - II ZR 174/19, z.V.b. in BGHZ 226, 329 Rn. 35; BGH, NVwZ-RR 2008, S. 154; NJW 1998, S. 3055; BGHZ 158, 19; jeweils m.w.N.), solange ein solcher Verwaltungsakt nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufgehoben worden oder nichtig ist (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.07.2020 - 5 U 4765/19 -, BeckRS 2020, 17693 Rn. 16; OLG Oldenburg, Beschluss vom 01.12.2020 - 11 U 58/20 -, juris Rn. 78 m.w.N.). Vielmehr besteht grundsätzlich die Pflicht, die durch den Verwaltungsakt getroffenen Regelungen bzw. Feststellungen den weiteren Entscheidungen zugrunde zu legen (vgl. Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 43 VwVfG Rn. 20 m.w.N.). Diese sog. Tatbestandswirkung tritt ein im Umfang der materiellen Bestandskraft des Verwaltungsakts und wirkt prinzipiell gegenüber jedermann, insbesondere auch gegenüber anderen Behörden und Gerichten (vgl. BGHZ 158, 19 Rn. 13; Goldhammer, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 43 Rn. 75).

Die EG-Typgenehmigung ist die für einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union in Anwendung der Richtlinie 2007/46/EG, der Richtlinie 2002/24/EG sowie der Richtlinie 2003/37/EG erteilte Bestätigung, dass der zur Prüfung vorgestellte Typ eines Fahrzeuges, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbständigen technischen Einheit die einschlägigen Vorschriften und technischen Anforderungen erfüllt (so die Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 4 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung). Mit der Erteilung der Typgenehmigung hat das Kraftfahrtbundesamt somit dem Hersteller, hier der Beklagten, bestätigt, dass das streitgegenständliche Fahrzeugmodell die Anforderungen der "einschlägigen Vorschriften" erfüllt, mithin auch diejenigen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 hinsichtlich der Schadstoffemissionen. Es handelt sich hierbei um einen Verwaltungsakt des Kraftfahrtbundesamtes gegenüber dem Fahrzeughersteller, dem hierdurch ermöglicht wird, die dem genehmigten Typ entsprechenden einzelnen Fahrzeuge unter Ausstellung und Beifügung einer Übereinstimmungsbescheinigung (§ 22 EG-FGV) in den Verkehr zu bringen. Hat aber die zuständige Behörde in einem bestandskräftigen Verwaltungsakt dem Hersteller bescheinigt, dass das streitgegenständliche Fahrzeugmodell insbesondere im Hinblick auf die Schadstoffemissionen den Anforderungen genügt, so sind die Zivilgerichte aufgrund der Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes daran gehindert, in einem Rechtsstreit zwischen einem Fahrzeugkäufer und dem Hersteller etwas anderes anzunehmen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.07.2020 - 5 U 4765/19 -, BeckRS 2020, 17693 Rn. 16). Mit der Tatbestandswirkung der vom Kraftfahrtbundesamt bestandskräftig erteilten und unverändert - also nicht durch nachträgliche Nebenbestimmungen eingeschränkten - wirksamen Typgenehmigung wäre die Annahme nicht vereinbar, die Beklagte habe (auch) dem Kläger gegenüber mit dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeuges, das dem genehmigten Typ entspricht, gegen die guten Sitten verstoßen, weil das Fahrzeug mit einer nicht zulässigen Abschalteinrichtung versehen sei, die der Erteilung einer Genehmigung entgegenstünde (OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 07.08.2019 - 7 U 726/19 -; OLG Frankfurt, Urteil vom 12.06.2020 - 10 U 193/19 -; OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 27.01.2020 - 5 U 395/19 -; Beschluss vom 01.12.2020 - 11 U 58/20 - juris Rn. 77 f.).

Zwar könnte sich die Beklagte auf die Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung nicht berufen, wenn sie diese Genehmigung durch eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörde, also des Kraftfahrtbundesamtes, erschlichen hätte; ein solcher Fall lag der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 zu dem Motortyp Typ2 zugrunde (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, juris Rn. 2 f.). Ebenso kann sich ein Hersteller nicht auf die Tatbestandswirkung der Typgenehmigung berufen, wenn er - möglicherweise - das KBA oder sonst zuständige Behörden und Einrichtungen im Typgenehmigungsverfahren getäuscht und die Typgenehmigung auf diese Weise erschlichen hat, obwohl eine unzulässige Abschalteinrichtung in dem Fahrzeug vorhanden ist, wovon das KBA noch keine Kenntnis hat. Das ist die Situation, die dem Beschluss des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Frage der Überspannung der Substantiierungsanforderungen an die Darlegung des Vorhandenseins eines Sachmangels wegen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Dieselmotor zugrunde lag; der Bundesgerichtshof hat dort betont, dass greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auch dann gegeben sein können, wenn das KBA eine Rückrufaktion gegenüber dem Hersteller noch nicht angeordnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/20 -, juris Rn. 13; Hervorhebung durch den Senat).

Eine dieser Ausnahmesituationen liegt hier aber nicht vor. Weder steht auf Grund einer bestandskräftigen Entscheidung des KBA fest, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in dem Motor Typ1 installiert ist, noch kann auf Grund des Vorbringens des Klägers die Möglichkeit bestehen, dass das KBA künftig eine solche Entscheidung noch treffen wird. Vielmehr hat das KBA den Motortyp bereits umfassenden Untersuchungen unterzogen und dabei keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt. Wie aus zahlreichen dem Senat vorliegenden KBA-Auskünften gegenüber verschiedenen Gerichten zu ersehen ist, sieht sich das KBA nicht getäuscht, sondern hält an der erteilten Typgenehmigung fest, und das nach eingehenden Untersuchungen. Die Tatbestandswirkung dieser Typgenehmigung haben die Zivilgerichte zu beachten. Darauf, ob sich das KBA in diesem Zusammenhang möglicherweise einer ursprünglich von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung "angeschlossen" hat, wie der Kläger meint, kommt es nicht an. Eine Rechtsauffassung wird nicht dadurch falsch, dass sie (möglicherweise) zuerst von der Beklagten vertreten worden ist. Die Typgenehmigung ist vom KBA in seiner Eigenschaft als dafür zuständige Fachbehörde erteilt worden. Das KBA hält die vom Kläger und anderen kritisierten Funktionen des Motors ausdrücklich nicht für unzulässige Abschalteinrichtungen. Unter diesen Umständen bestand und besteht keine Gefahr des Widerrufs der Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, das von dem Kläger vielmehr jederzeit uneingeschränkt genutzt werden konnte und kann.

Dem Senat ist aus einer Vielzahl amtlicher Auskünfte gegenüber Gerichten im ganzen Bundesgebiet bekannt, dass das KBA die Motoren des Typs Typ1 umfangreichen Untersuchungen unterzogen hat. Dabei wurde in keinem Fall eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Das KBA hat wiederholt ausgeführt, dass nicht jede Funktion, die der Erkennung des Prüfstands dient, unzulässig ist. Eine unzulässige Abschalteinrichtung liegt vielmehr nur vor, wenn die Erkennung des Prüfstands Auswirkungen auf die Steuerung der Abgasemissionen des Fahrzeugs hat, wenn also - wie bei dem ebenfalls von der Beklagten entwickelten Motor Typ2 - auf dem Prüfstand ein anderes (besseres) Emissionsverhalten bewirkt wird als im sonstigen Fahrbetrieb. Das ist bei den Motoren des Typs Typ1 nach den Feststellungen des KBA jedoch nicht der Fall.

So hat das KBA in einer amtlichen Auskunft gegenüber dem Oberlandesgericht München vom 23.02.2021 (Anlagenkonvolut BB1) unter anderem erklärt:

"Das KBA führte insgesamt sehr umfassende Untersuchungen an Fahrzeugen mit Motoren der Reihe des Entwicklungsauftrags Typ1 durch.

...

Es wurde weder bei dem streitgegenständlichen Fahrzeugtypen Pkw2 Euro 5 ... noch bei einem anderen Fahrzeug, welches ein Aggregat des Typ1 aufweist, eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Es wurden daher weder Nebenbestimmungen ... angeordnet, noch besteht ein behördlich angeordneter Rückruf."

Dem Senat liegen noch zahlreiche weitere amtliche Auskünfte des KBA vor, die alle bestätigen, dass nach umfangreichen Untersuchungen von Fahrzeugen mit Motoren des Typs Typ1 keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde. An diese Bewertung sind die Zivilgerichte wegen der Tatbestandswirkung der Typgenehmigung gebunden.

Aus diesem Grund kann auch der vom Kläger zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg - Urteil vom 09.04.2021, 8 U 68/20, BeckRS 2021, 8880 - nicht gefolgt werden. Das Oberlandesgericht Naumburg hat entschieden, dass dem dortigen Kläger ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB zustehe; dort ging es um einen ebenfalls von der Beklagten hergestellten Pkw Pkw3 mit einem Motor des Typs Typ1. Die Beklagte habe, so das Oberlandesgericht Naumburg, potentielle Erwerber von Fahrzeugen getäuscht, indem sie mit dem Inverkehrbringen des Motors Typ1 EU6 mit NSK-Technologie konkludent erklärt habe, dass die Fahrzeuge im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügen würden, deren Fortbestand nicht dadurch gefährdet sei, dass die erforderliche EG-Typgenehmigung durch eine Täuschung des KBA erschlichen worden sei. Diese Erklärung sei unzutreffend gewesen, weil es sich bei der streitgegenständlichen Software um eine gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung gehandelt habe (vgl. OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 15). Das unter Bezugnahme auf verschiedene Landgerichtsurteile erfolgte Vorbringen des Klägers sei hinreichend substantiiert, mit der Folge, dass die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast gehalten gewesen sei, vorzutragen, dass und warum hier keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege (OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 16). Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass (auch) nach Auffassung des KBA eine Abschalteinrichtung nicht unzulässig sei, sofern auch bei ihrer Deaktivierung die Grenzwerte eingehalten würden, denn insoweit sei nicht die Beklagte bei der Installierung der Abschalteinrichtung einer diesbezüglich bereits bestehenden Rechtsauffassung des KBA gefolgt; vielmehr habe sich das KBA der von der Beklagten nach Offenlegung der im Typ1 verbauten Abschalteinrichtung hierzu vertretenen und "jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrenden Rechtsauffassung" angeschlossen (OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 31).

Dem Urteil ist zu entnehmen, dass dem Oberlandesgericht Naumburg (wie dem Senat) KBA-Auskünfte gegenüber verschiedenen Gerichten vorlagen (vgl. OLG Naumburg, a.a.O, Rn. 23). Aus den dazu erfolgten Ausführungen sowie der vorstehend zitierten Bewertung ist zu ersehen, dass das Oberlandesgericht Naumburg die rechtliche Bewertung der Motorkonstruktion des Typ1 durch das KBA für falsch hält und eine eigene umfassende rechtliche Würdigung der Fahrzeugfunktionen des von der Beklagten hergestellten Pkw vornimmt (vgl. OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 17-25). Das Oberlandesgericht Naumburg setzt sich gewissermaßen an die Stelle des KBA und begründet im Einzelnen, warum seine Rechtsauffassung derjenigen des KBA vorzuziehen sei; die abweichende rechtliche Bewertung des KBA habe "keinerlei Grundlage" in der VO (EG) Nr. 715/2007 und sei "auch sonst haltlos" (OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 25).

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der eigenständigen Feststellung, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege, steht die Tatbestandswirkung der bestandskräftigen und auch nicht durch nachträgliche Nebenbestimmungen eingeschränkten Typgenehmigung entgegen. Bei der Einstufung einer Motorfunktion oder eines Bauteils eines Fahrzeugs etc. als unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. VO (EG) 715/2007 handelt es sich nicht um tatsächliche Feststellungen, sondern um die rechtliche Bewertung tatsächlicher Umstände. Diese Bewertung steht dem KBA als der zuständigen Verwaltungsbehörde zu. Die Verwaltungsakte, die von dieser zuständigen Behörde erlassen worden sind, unterliegen gegebenenfalls der Prüfung durch die Verwaltungsgerichte. Zivilgerichten kommt eine solche Prüfung hingegen grundsätzlich nicht zu, wie oben im Einzelnen ausgeführt.

Im Ergebnis möchte der Kläger erreichen, dass ein ihm günstiger Verwaltungsakt - die Typgenehmigung zu Gunsten seines Fahrzeugs - entgegen der ausdrücklichen Beurteilung der zuständigen Behörde von den Zivilgerichten für rechtswidrig erklärt wird, damit er sodann einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte geltend machen kann, den er auf die Gefahr des Widerrufs der Betriebszulassung seines Fahrzeugs wegen der (vermeintlichen) Unwirksamkeit der Typgenehmigung stützen will. Diesem Ansinnen kann kein Erfolg beschieden sein.

Aus den vorgenannten Gründen bedarf es daher weder einer Einholung eines Sachverständigengutachtens noch einer Vorlage zum EuGH, wie Art. 5 der Verordnung (EG) 715/2007 auszulegen ist.

2.

Der Kläger hat aus den unter 1. genannten Gründen keinen Anspruch auf die Feststellung der Erledigung - als solche ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO der ursprüngliche Zahlungsantrag nach der einseitig gebliebenen Teilerledigungserklärung zu behandeln (vgl. dazu Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Auflage, § 91a ZPO, Rn. 1, 34) -, auf die begehrte Feststellung des Annahmeverzugs und auf Zahlung von Verzugszinsen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision wegen der Divergenz zum Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 09.04.2021 - 8 U 68/20 - zugelassen.

IV.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Dabei hat der Senat für die im Berufungsverfahren erfolgte einseitige Teilerledigungserklärung des Klägers die "Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten" angesetzt (BGH, Beschlüsse vom 10.04.2018 - II ZR 149/17 -, Rn. 3, und vom 13.07.2005 - XII ZR 295/02 -, Rn. 6, beide nach Juris). Dabei waren mittels einer Differenzberechnung "von den Gesamtkosten die Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Prozess ohne den erledigten Teil geführt worden wäre" (BGH, Beschluss vom 13.07.2015, 13.07.2005 - XII ZR 295/02 -, Rn. 10, nach Juris).