Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.02.2023, Az.: 12 A 2165/22

Berufsbild; Gesundheitsfachberuf; Heilberuf; Heilhilfsberuf; Heilkunde; sektorale Heilpraktikererlaubnis; Podologie; heilkundliche Tätigkeit; Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Podologie

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.02.2023
Aktenzeichen
12 A 2165/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 13391
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2023:0216.12A2165.22.00

Fundstelle

  • MedR 2023, 509

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes (HeilPrG) zulässig; die Heilpraktikererlaubnis ist teilbar.

  2. 2.

    Für die Podologie kann eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erteilt werden, da für sie ein ausdifferenziertes Berufsbild besteht und der Bereich der medizinischen Behandlungsmethoden innerhalb der Podologie - für den die sektorale Heilpraktikererlaubnis allein in Betracht kommt - ausreichend differenziert und abgrenzbar ist.

In der Verwaltungsrechtssache
Frau A.,
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
B.,
B-Straße, B-Stadt - -
gegen
Stadt Oldenburg - Rechtsamt -
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Schloßplatz 25 - 26, 26122 Oldenburg - 22 13 213-61/19 -
- Beklagte -
wegen Heilpraktikererlaubnis (Podologie)
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 12. Kammer - ohne mündliche Verhandlung am 16. Februar 2023 durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Meyer, die Richterin am Verwaltungsgericht Schulze, den Richter am Verwaltungsgericht Baars sowie der ehrenamtlichen Richterin D. und den ehrenamtlichen Richter E. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Mai 2019 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer auf das Gebiet der Podologie beschränkten Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Podologie.

Sie ist von Beruf Podologin. Am 15. Februar 2019 beantragte sie bei der Beklagten die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Podologie.

In seiner Stellungnahme vom 21. März 2019 führte das Gesundheitsamt der Beklagten aus, der Antrag könne nicht befürwortet werden. Für die beantragte sektorale Heilpraktikererlaubnis bestehe weder eine Rechtsgrundlage noch gebe es hierzu höchstrichterliche Rechtsprechung. § 3 PodG sehe ausdrücklich eine selbstständige Tätigkeit der Podologen/Podologinnen im kosmetischen Bereich vor, während im heilkundlichen Bereich ausdrücklich eine ärztliche Anleitung oder eine ärztliche Veranlassung vorgeschrieben sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Physiotherapie sei nicht vergleichbar, da es für die Physiotherapie an derartigen Einschränkungen fehle. Außerdem unterlägen nur solche Heiltätigkeiten der Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, die gesundheitliche Schäden verursachen könnten. Damit unterliege die medizinische Fußpflege nicht generell der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz.

Mit Schreiben vom 27. März 2019 gab die Beklagte der Klägerin unter der Mitteilung, dass sie gemäß den Ausführungen ihres Gesundheitsamtes die Ablehnung ihres Antrags beabsichtige, Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Schreiben vom 10. April 2019 ließ die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte vortragen, es bestehe für sie ein Rechtsanspruch auf eine sektorale Heilpraktikererlaubnis nach einer entsprechenden Kenntnisprüfung. Inzwischen hätten etliche Bundesländer, angelehnt an die Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung bezüglich der Physiotherapeuten, die Möglichkeit hierzu eröffnet. Auch andere Oberverwaltungsgerichte bestätigten diese Rechtsauffassung. Zudem erachteten einzelne Gesundheitsämter in Niedersachsen die Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für Podologie für zulässig. Die Nichtgewährung bedeute ein Chancengefälle und eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb einer Berufsgruppe; dies sei nicht mit Art. 12 GG vereinbar. Sie weise auch auf ihre wirtschaftlichen Einbußen hin. Sie sei selbstverständlich bereit, eine entsprechende Kenntnisprüfung zu absolvieren.

In der von der Beklagten eingeholten fachaufsichtlichen Stellungnahme des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 10. Mai 2019 ist dargelegt, für die Erteilung der beantragten sektoralen Heilpraktikererlaubnis bestehe weder eine gesetzliche Grundlage noch gebe es eine entsprechende höchstrichterliche Entscheidung. Die Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung zum Bereich der Physiotherapie sei nicht vergleichbar. Podologen/Podologinnen dürften gemäß § 3 PodG im kosmetischen Bereich selbstständig tätig werden, im heilkundlichen Bereich dagegen nur nach ärztlicher Anweisung. Eine solche Differenzierung fehle in § 8 MPhG. Für Podologen/Podologinnen könne nicht eine beides umfassende Erlaubnis erteilt werden, da dann auch erlaubnisfreie Tätigkeiten erfasst würden. Dieser Unterschied führe dazu, dass die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Ein weiterer Unterschied bestehe darin, dass es an der Fähigkeit zur Erstellung einer Differenzialdiagnose für eine selbstständige Tätigkeit in dem erlernten Gesundheitsfachberuf fehle. Auch gebe es ein milderes Mittel als die Erlaubnis. Es könne eine Nachqualifizierung erworben werden. Das Vorgehen der anderen Bundesländer ändere nichts an dieser Rechtslage. Die dortigen Erlaubnisse beruhten auf Verwaltungsvorschriften ohne Außenrechtswirkung. Die Verwaltungsvorschriften in Niedersachsen hielten sich an den gesetzlichen Rahmen, insbesondere den der Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz und die Rechtsprechung.

Mit Bescheid vom 20. Mai 2019 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Podologie im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Ministeriums vom 10. Mai 2019 ab.

Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 11. Juni 2019 Klage erhoben.

Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, für die von ihr beantragte sektorale Heilpraktikererlaubnis bestehe eine Rechtsgrundlage im Heilpraktikergesetz in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG. Einer höchstrichterlichen Rechtsprechung bedürfe es insoweit nicht. Nach den gesetzlichen Vorgaben des Podologengesetzes übten Podologen auch eine heilkundliche Tätigkeit aus. Dass zu ihrem Berufsbild auch Tätigkeitsbereiche gehörten, die nicht dem heilkundlichen Bereich zuzuordnen seien, stehe dem nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht habe hierzu ausdrücklich ausgeführt, dass die Ausgestaltung des Berufsbildes keine Sperre für eigenverantwortliche Tätigkeiten im heilkundlichen Bereich darstelle. Die heilkundlichen Tätigkeiten der Podologen seien auch gefahrengeneigt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass Podologen Behandlungen bei erheblichen Erkrankungen am Fuß wie Diabetes, Blutererkrankung, Rheuma, Krebs vornähmen. Jede Fehlbehandlung beinhalte massive Gesundheitsgefahren. Darüber hinaus sei die Tätigkeit der Podologen ausreichend ausdifferenziert und abgrenzbar. Dies ergebe sich aus der gesetzlichen Formulierung des Berufsbildes, sowie der Ausbildungs- und Prüfungsordnung, in der bestimmte Behandlungsmethoden und Krankheitsbilder aufgezählt seien. Diesbezüglich nehmen sie Bezug auf die hierzu ergangene Rechtsprechung. Aus dem Umstand, dass eine entsprechende sektorale Heilpraktikererlaubnis in anderen Bundesländern erteilt werde, sei ersichtlich, dass hierfür auch ein Bedürfnis bestehe. In diese Richtung wiesen auch die neueren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Bereich der Logopädie und der Ergotherapie. Die Ausführungen der Fachaufsicht zum "milderen Mittel" seien nicht nachvollziehbar. Auch der gesetzlichen Wertung der §§ 124 ff. SGB V sei zu entnehmen, dass die sichere Gewährleistung der medizinischen Versorgung in erweiterten Zuständigkeitsbereichen für Angehörige der Medizinalfachberufe geboten sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Mai 2019 zu verpflichten, über ihren Antrag auf Erteilung einer auf das Gebiet der Podologie beschränkten Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen der im gerichtlichen Verfahren überreichten Stellungnahme des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 18. Juni 2019. Darin führt das Ministerium erneut aus, es bestehe keine Rechtsgrundlage für die begehrte sektorale Heilpraktikererlaubnis und auch keine entsprechende höchstrichterliche Entscheidung. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Physiotherapie sei nicht vergleichbar, da die maßgebliche rechtliche Regelung der Tätigkeit von Physiotherapeuten nicht zwischen eigenverantwortlicher und nicht eigenverantwortlicher Tätigkeit unterscheide. Das Tätigkeitsfeld der Podologen sei auch nicht ausreichend ausdifferenziert und abgrenzbar. Ihm unterfielen der kosmetische Bereich, der von den Podologen eigenverantwortlich, sowie der medizinische Bereich, der nur auf ärztliche Verordnung hin ausgeführt werden dürfe. Die Regelungen anderer Bundesländer seien nicht maßgeblich; ihre relevanten Verwaltungsvorschriften hätten keine Außenwirkung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorganges der Beklagten und den der Gerichtsakte Bezug genommen; er ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben.

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2019 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten; sie hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, über ihren Antrag auf Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Podologie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte sektorale Heilpraktikererlaubnis sind die Regelungen in § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) - HeilprG - vom 17. Februar 1939 (in der im BGBl. III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung), i. V. m. der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung - 1. DVO-HeilprG - vom 18. Februar 1939 (in der im BGBl. III, Gliederungsnummer 2122-2-1, veröffentlichten bereinigten Fassung), beide zuletzt geändert durch Art. 17e (HeilPrG) sowie Art. 17f i.V.m. Art. 18 Abs. 4 (1. DVO-HeilprG) des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I 2016, S. 3191) (vgl. BVerwG, Urteil v. 26. August 2009 - 3 C 19/08 -, juris). Danach bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein. Auf die Erteilung der Erlaubnis besteht ein Rechtsanspruch, wenn kein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 1. DVO-HeilprG eingreift (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Da die Beklagte bereits generell die Möglichkeit der Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Podologie verneint und den Antrag der Klägerin abgelehnt hat, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, die gem. § 2 Abs. 1 i 1.DVO-HeilprG erforderliche Prüfung hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zu absolvieren, besteht bisher allerdings nur ein Anspruch der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ihres Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Die grds. Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten sektoralen Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Podologie liegen vor.

Die von der Klägerin beabsichtigte Anwendung medizinisch indizierter podologischer Behandlungsmethoden ohne ärztliche Verordnung ist eine heilkundliche Tätigkeit, die ohne Erlaubnis nicht ausgeübt werden darf (1.). Eine sektorale Heilpraktikererlaubnis für das Gebiet der Podologie darf erteilt werden (2.).

1. Die Ausübung der Heilkunde ist gem. § 1 Abs. 2 HeilprG jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen. Wegen der mit dem Erlaubniszwang verbundenen Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG fallen darunter nach verfassungskonformer Auslegung nur solche Heilbehandlungen, die heilkundliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen können, wobei ein nur geringfügiges Gefährdungspotential nicht ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8/17 -, sektorale Heilpraktikererlaubnis für den Bereich der Logopädie, juris).

Danach ist die eigenverantwortliche Anwendung podologischer Methoden zur Krankenbehandlung als Ausübung der Heilkunde zu qualifizieren.

Zum einen werden heilkundliche Fachkenntnisse vorausgesetzt. Dies ergibt sich aus den zur Bestimmung des Berufsbildes des Podologen ergangenen gesetzlichen Vorschriften des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen (Podologengesetz) - PodG - vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, S. 3320), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 24. Februar 2021 (BGBl. I 2021, S. 274), sowie der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Podologinnen und Podologen - PodAPrV - vom 18. Dezember 2001 (BGBl. I 2002, S. 12), zuletzt geändert durch Art. 25 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I 2019, S. 1307).

Gem. § 2 Abs. 1 PodG wird die Erlaubnis erteilt, wenn der Antragsteller u.a. die vorgeschriebene Ausbildung abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat.

Gem. § 5 der PodAPrV erstreckt sich der schriftliche Teil der Prüfung auf die Fächergruppen Berufs-, Gesetzes- und Staatskunde; Psychologie/ Pädagogik/Soziologie; Anatomie; Physiologie; Allgemeine und Spezielle Krankheitslehre. Der mündliche Teil erfasst gem. § 6 PodAPrV die Fächer Theoretische Grundlagen der podologischen Behandlung, Spezielle Krankheitslehre, Arzneimittellehre, Material- und Warenkunde, Hygiene und Mikrobiologie. Der praktische Teil erstreckt sich gem. § 7 PodAPrV auf die Fächer Podologische Behandlungsmaßnahmen und Podologische Materialien und Hilfsmittel. Neben der Durchführung von fußpflegerischen Maßnahmen befähigt die Ausbildung demnach auch dazu, pathologische Veränderungen oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, die eine ärztliche Abklärung erfordern, zu erkennen und medizinisch indizierte podologische Behandlungen durchzuführen. Entsprechend ist in § 3 PodG bestimmt, dass die Ausbildung insbesondere dazu befähigen soll, durch Anwendung geeigneter Verfahren u.a. pathologische Veränderungen oder Symptome von Erkrankungen am Fuß, die eine ärztliche Abklärung erfordern, zu erkennen und unter ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung medizinisch indizierte podologische Behandlungen durchzuführen und damit bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation von Fußerkrankungen mitzuwirken (Ausbildungsziel). Die Podologie ist darüber hinaus ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel (§ 124 Abs. 1 SGB V Heilmittel-Richtlinie vom 20. Januar 2011 / 19. Mai 2011, BAnz. 2011 Nr. 96, zuletzt geändert am 19. Mai 2016, BAnz. AT 10. August 2016 B2) - HeilM-RL -. Dieser Qualifizierung kommt ebenfalls eine berufsbildprägende Funktion zu (vgl. dazu VGH BW, Urteil vom 23. März 2017 - 9 S 1899/16 -, juris). In den §§ 27 bis 28b HeilM-RL sind wesentliche Behandlungsmethoden und Therapieformen der Podologie beschrieben.

Dass die Podologie auch Behandlungsmethoden umfasst, denen kein heilkundlicher Charakter zuzuschreiben ist, steht der Einstufung der Podologie als Ausübung der Heilkunde nicht entgegen. Der Heilkundecharakter muss keine bestimmte quantitative Schwelle überschreiten; erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass dem heilkundliche Fachkenntnisse voraussetzenden Tätigkeitsbereich erhebliches Gewicht zukommt, weil er einen bedeutsamen Bestandteil der eigenverantwortlich ausgeübten Tätigkeit ausmacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019, a.a.O.). Dies ist hier angesichts des umfangreichen Feldes entsprechender Behandlungsmethoden an Füßen insbesondere schwer erkrankter Menschen gem. HeilM-RL und des erklärten Ausbildungsziels im Bereich der medizinischen Fußversorgung gem. § 3 PodG unzweifelhaft zu bejahen.

Mit der Anwendung podologischer Methoden zur Krankenbehandlung ist auch die Gefahr nennenswerter gesundheitlicher Schäden verbunden. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus der Aufzählung der Behandlungsmethoden der medizinischen Podologie in der HeilM-RL, zu denen u.a. Techniken wie das Schneiden, Schleifen, Fräsen von Hornhautverdickungen und Nägeln auch an Füßen mit Hautdefekten und Entzündungen, sowie Schneidetechniken im Rahmen der Nagelspangenbehandlung gehören, die u.U. gezielte Verletzungen oder die Gefahr von solchen beinhalten. Bei vorgeschädigten Patienten, die beispielsweise an Diabetes oder Hämophilie leiden, können bereits kleinste, oft unsichtbare Mikroverletzungen zu ernsten medizinischen Problemen, z. B. Infektionen, führen.

Die Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz entfällt nicht deshalb, weil die Klägerin ausgebildete Podologin ist. Die ihr nach dem Podologengesetz erteilte Erlaubnis berechtigt nicht zu Krankenbehandlungen ohne ärztliche Verordnung und somit nicht zur Ausübung der Heilkunde. Das Berufsrecht unterscheidet zwischen Heilberufen, die eigenverantwortlich körperliche oder seelische Leiden behandeln dürfen (z.B. Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker), und den Heilhilfsberufen oder Gesundheitsfachberufen, die zur Krankenbehandlung grundsätzlich nur aufgrund ärztlicher Verordnung befugt sind. Das normierte Berufsbild des Podologen zählt zu der zweiten Gruppe, wie sich bereits aus der Formulierung in § 3 PodG ergibt. Danach ist - wie ausgeführt - die Ausbildung u.a. darauf ausgerichtet, unter ärztlicher Anleitung oder auf ärztliche Veranlassung medizinisch indizierte podologische Behandlungen durchzuführen und damit bei der Prävention, Therapie und Rehabilitation von Fußerkrankungen mitzuwirken. Aus § 27b HeilM-RL ergibt sich die Notwendigkeit einer ärztlichen Erstdiagnostik vor Verordnung einer podologischen Therapie. Aus § 28a HeilM-RL ergibt sich, dass über die podologische Befunderhebung hinausgehende Diagnostik, die Wundversorgung und weitere Therapien, einschließlich konservativer oder invasiver Maßnahmen der Wundbehandlung (z. B. Anwendung lokaler Therapeutika, Eröffnung eitrigen Gewebes), für alle Stadien ärztliche Leistung bleiben. Auch für die Verordnung der Nagelspangenbehandlung prüft gemäß § 28 Abs. 4 S. 1 HeilM-RL ein Arzt mögliche Kontraindikationen.

Die Ausgestaltung eines Berufsbildes als Heilhilfsberuf bedeutet jedoch andererseits keine Sperre für eine eigenverantwortliche Tätigkeit in diesem Bereich auf Grundlage einer Heilpraktikererlaubnis (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. August 2009, a.a.O.).

2. Für das Gebiet der Podologie darf auch eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erteilt werden.

Die Heilpraktikererlaubnis ist teilbar; das Heilpraktikergesetz enthält weder dem Sinn noch dem Wortlaut nach ein Verbot der Erteilung einer inhaltlich beschränkten Erlaubnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019, a.a.O.). Bei Inkrafttreten des Gesetzes hat noch kein Bedürfnis für eine solche Beschränkung bestanden. Seitdem haben sich jedoch die Berufsbilder auf dem Sektor der Heilberufe in damals nicht vorhersehbarer Weise ausdifferenziert. Die Vorschriften des vorkonstitutionellen Heilpraktikergesetzes müssen daher im Lichte der Freiheit der Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten angepasst werden. Danach ist eine uneingeschränkte Heilpraktikererlaubnis mit der Folge einer umfassenden Kenntnisüberprüfung nach § 2 Abs. 1 S. 1 i der 1. DVO-HeilprG zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Patienten nicht erforderlich und deshalb unverhältnismäßig, wenn ein Antragsteller die Heilkunde nur auf einem abgrenzbaren Gebiet ausüben will, dessen Tätigkeitsumfang hinreichend ausdifferenziert ist. In einem solchen Fall reicht es aus, eine auf dieses Gebiet beschränkte Erlaubnis zuzusprechen, solange sichergestellt ist, dass der Antragsteller die Grenzen seines Könnens kennt und beachtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2009, a.a.O.; Urteil vom 10. Oktober 2019, a.a.O.). Die Anerkennung sektoraler Beschränkungen der Heilpraktikererlaubnis beruht darauf, dass im Bereich der Gesundheitsberufe durch den Gesetzgeber einerseits Berufsbilder mit erheblichen Qualifikationsanforderungen festgelegt werden und andererseits über das Heilpraktikergesetz die Möglichkeit aufrechterhalten bleibt, allein aufgrund einer Kenntnisüberprüfung durch das Gesundheitsamt (§ 2 Abs. 1 S. 1 i 1. DVO-HeilPrG) eigenverantwortlich Patienten zu behandeln. Darin liegt eine systematische Unstimmigkeit, die sich dadurch jedenfalls abmildern lässt, dass der Zugang zu abgrenzbaren heilkundlichen Betätigungsfeldern durch entsprechend beschränkte Heilpraktikererlaubnisse eröffnet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2009, a.a.O.).

Eine sektorale Heilpraktikererlaubnis kann erteilt werden, wenn der in Rede stehende Tätigkeitssektor ausreichend ausdifferenziert und abgrenzbar ist. Dies ist der Fall, wenn sich der Umfang der erlaubten Heiltätigkeit klar bestimmen und von anderen Bereichen der Heilkundeausübung abgrenzen lässt. In der Praxis dürfen keine Unklarheiten darüber bestehen, ob eine konkrete Behandlungsmaßnahme zu dem betreffenden Tätigkeitsgebiet zählt oder nicht (BVerwG, Urteil vom 26. August 2009, a.a.O.). Es muss eindeutig sein, welche Behandlungsmethoden und Therapieformen von dem Gebiet umfasst werden und zur Behandlung welcher Krankheiten, Leiden und Beschwerden sie eingesetzt werden. Die Zuerkennung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis ist daher nur möglich, soweit sich auf dem Gebiet der Heilkunde ein eigenständiges und abgrenzbares Berufsbild herausgebildet hat (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019, a.a.O.).

Bei der Podologie handelt es sich um einen hinreichend ausdifferenzierten und abgrenzbaren Bereich. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus § 3 PodG, insbesondere aber aus den Ausbildungsinhalten gem. §§ 5 bis 7 PodAPrV und den in den §§ 27 bis 28b der HeilM-RL niedergelegten Behandlungsmethoden ein hinreichend klar abgegrenztes Tätigkeitsfeld für den Bereich der medizinischen Behandlungsmethoden der Podologie, der allein Inhalt der sektoralen Heilpraktikererlaubnis sein kann und soll.

Der Abgrenzbarkeit steht nicht entgegen, dass Podologen auch im nicht heilkundlichen Bereich tätig sind und eigenverantwortlich rein pflegerische, kosmetische Behandlungen durchführen. Dass die sektorale Heilpraktikererlaubnis allein und ausschließlich für den hiervon seinerseits klar und erkennbar abgrenzbaren heilkundlichen Tätigkeitsbereich erteilt werden soll, der allein erlaubnispflichtig ist, unterliegt keinem Zweifel. Das Gesetz selbst geht von einer Abgrenzbarkeit dieser Bereiche aus; für den Podologen ist unzweifelhaft erkennbar, für welche Tätigkeit eine ärztliche Verordnung erforderlich ist.

Weiterhin schließt der Umstand, dass die Richtlinie zur Durchführung des Verfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz (RdErl. d. MS v. 1. September 2018, Nds. MBl. 2018, S. 820, ber. S. 874) in der Fassung vom 27. Juli 2020 (Voris - 21064 -) unter Nr. 7 lediglich Verfahren hinsichtlich der sektoralen Heilpraktikererlaubnisse auf den Gebieten der Psychotherapie, der Physiotherapie und der Logopädie vorsieht, die Erteilung für das Gebiet der Podologie nicht aus. Die Richtlinie kann als Verwaltungsvorschrift, der keine Außenwirkung zukommt, keine Berufsbeschränkung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG darstellen (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 25. August 2016 - 7 K 1583/14 -; VG Braunschweig, Urteil vom 18. August 2022 - 1 A 145/20 -, beide juris).

Dass andererseits ein Großteil der anderen Bundesländer eine Heilpraktikererlaubnis beschränkt auf das Gebiet der Podologie zulässt, hat zwar ebenfalls keine rechtliche Relevanz für die vorliegende Entscheidung, zeigt aber die Entwicklung in der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O.; VG Braunschweig, a.a.O.; Sächs.OVG, Urteil vom 14. März 2017 - 4 A 703/16 -; VG Gera, Urteil vom 9. Dezember 2014 - 3 K 705/14 Ge -; VG Dresden, Urteil vom 10. August 2016 - 4 K 977/13 -alle juris; VG Stade, Urteil vom 7. Dezember 2022 - 6 A 1256/21 -, V.n.b.) auf. Dahingehend dürfte auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts deuten, die in den letzten Jahren die Zulässigkeit der sektoralen Heilpraktikererlaubnisse auch für den Bereich der Logopädie (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019, a.a.O.) bejaht hat, d.h. für einen Beruf, dessen Tätigkeitsbereich gesetzlich genauso klar bestimmt ist, wie der der Podologie (dahingehend auch für den noch (national)gesetzlich auszuformulierenden Bereich der Chiropraktik: BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2021 - 3 C 17/19 -, juris; offen gelassen mangels ausreichender Feststellungen zur Gefahrengeneigtheit BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 10/17 -, juris).

Da der Klägerin bisher nicht die Möglichkeit eröffnet wurde, die gem. § 2 Abs. 1i 1. DVO-HeilprG i.V.m. Nr. 5 und 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie zur Durchführung des Verfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz erforderliche Kenntnisprüfung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2019 - 3 C 8/17 -,a.a.O.), zu absolvieren und damit ihre Kenntnisse nachzuweisen, besteht allein deswegen derzeit noch kein Anspruch auf die Erteilung der beantragten Erlaubnis, sondern nur auf die Neubescheidung ihres Antrages durch die Beklagte unter Berücksichtigung der Rechtssauffassung des Gerichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird gem. § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 S. 1 VwGO zugelassen.

Die Sprungrevision wird gem. § 134 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 sowie gem. § 134 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Frage, ob auch für den medizinischen Behandlungsbereich des Berufsfeldes der Podologin/des Podologen eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erteilt werden darf, ist für die Vielzahl der Inhaber dieser Berufsqualifikation von erheblichem (wirtschaftlichem) Interesse. Die Frage wird von den zuständigen Verwaltungsbehörden u.a. in Niedersachsen offenbar uneinheitlich beantwortet bzw. verneint. Sie wird von einer Reihe von Untergerichten und dem Sächs.OVG bejaht.