Sozialgericht Aurich
Urt. v. 26.03.2003, Az.: S 5 AL 60/02
Anspruch auf Auszahlung eines Vermittlungsgutscheines; Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Dienste privater Arbeitsvermittler auf Kosten des Arbeitsamtes; Gläubiger des Anspruchs auf Zahlung des Vermittlungshonorar; § 421g Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III) als Fall eines gesetzlich geregelten Schuldbeitritts
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 26.03.2003
- Aktenzeichen
- S 5 AL 60/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 29357
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGAURIC:2003:0326.S5AL60.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 421g Abs. 1 SGB III
- § 421g Abs. 2 S. 4 SGB III
- § 296 Abs. 4 S. 2 SGB III
- § 421 BGB
- § 296 Abs. 2 S. 1 SGB III
- § 652 BGB
- § 81 Abs. 2 SGB III
- § 53 SGB III
- § 82 SGB III
Fundstelle
- info also 2003, 224-226 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
B.
C.
Prozessgegner
D.
In dem Rechtsstreit
hat das Sozialgericht Aurich - 5. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2003
durch
den Direktor des Sozialgerichts Frank - Vorsitzender - sowie
die ehrenamtlichen Richter E. und F.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Auszahlung eines zugunsten des Arbeitnehmers G. (geb.: H.) ausgestellten Vermittlungsgutscheines an die Klägerin.
Die im Oktober 2001 gegründete Klägerin betreibt in Form einer GmbH Unternehmens- und Personalberatung, Geschäftsführer ist der Betriebswirt I.. Herr G. war bei der Beklagten arbeitslos gemeldet und stand dort im Leistungsbezug. Aus dem Stelleninformationssystem der Bundesanstalt für Arbeit (SIS) erhielt er Kenntnis von einem Stellenangebot der Firma "K." mit Sitz in L. und einer Zweigniederlassung u.a. in M.. Geschäftsführer dieser Firma ist ebenfalls der Betriebswirt I.. Sowohl die Klägerin als auch die Firma "K." haben einen sog. Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der "N." mit Sitz in L. abgeschlossen, an der Herr I. neben einem weiteren Kommanditisten zu 50 % mit einem Kommanditanteil von 50.000,00 DM beteiligt ist.
Herr G. stellte sich am 15.04.2002 bei der Firma "K." vor und wurde in dem Vorstellungsgespräch beauflagt, sich einen Vermittlungsgutschein vom Arbeitsamt zu besorgen. Dies geschah noch am 15.04.2002, der Gutschein belief sich auf 2.500,00 EURO und war bis zum 14.07.2002 gültig. Im Text hieß es u.a.: "Der o.a. Betrag wird an einen von Ihnen eingeschalteten privaten Arbeitsvermittler gezahlt, wenn Sie von ihm in ein Beschäftigungsverhältnis vermittelt wurden. Die Zahlung erfolgt in Höhe von 1000.- Euro bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses. Der Restbetrag wird gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis mindestens sechs Monate gedauert hat."
Mit diesem Vermittlungsgutschein sprach Herr G. erneut bei der Firma "K." vor und wurde zur Klägerin geschickt, die Ihre Geschäftsräume in demselben Gebäude betreibt. Herr G. legte dort den Vermittlungsgutschein vor und unterschrieb einen Vermittlungsvertrag (datierend ebenfalls vom 15.04.2002). Sodann erstellte eine Mitarbeiterin ein sogen. "Profiling" mit ihm. Bei dem Profiling handelt es sich um einen 3-seitigen Fragebogen, der vor allem Fragen zum bisherigen Werdegang und zu besonderen Fähigkeiten enthält und mit dem Angebot endet, Herrn G. beim beruflichen Wiedereinstieg begleiten zu wollen. Mit diesem "Profiling" sprach er am selben Tag erneut bei der Firma "K." vor und wurde dort eingestellt.
Mit Schreiben vom 17.04.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Auszahlung des Vermittlungsgutscheines und legt dazu u.a. eine Kopie des Vermittlungsvertrages und eine Vermittlungsbestätigung der Firma "K." vor. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 07.06.2002 ab, da kein kausaler Zusammenhang zwischen der Vermittlungstätigkeit und der Einstellung von Herrn G. bei der Firma "K." bestehe. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin, mit dem diese auf die Vermittlungsbestätigung der Firma "K." hinwies, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2002 als unbegründet zurück. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht durch Vermittlung der Klägerin, sondern durch Eigenbemühungen von Herrn G. zustande gekommen.
Die Klägerin behauptet, Herr G. wäre ohne ihre Tätigkeit nicht eingestellt worden. Sie ist der Auffassung, für derartige Verträge sei Maklerrecht anwendbar und eine Maklerprovision entstehe bereits dann, wenn die vom Makler entfaltete Vermittlungstätigkeit für den Abschluss des Hauptvertrages mitursächlich gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 07.06.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Vermittlungsgutschein an die Klägerin zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und ist darüber hinaus der Auffassung, das Gesetz sehe keinen unmittelbaren Anspruch des Arbeitsvermittlers auf Erfüllung aus einem Vermittlungsgutschein vor.
Das Gericht hat die Verwaltungsunterlagen der Beklagten beigezogen und eine Auskunft der Firma "K." eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, in der Sache ist sie nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist nicht verpflichtet auf Grund des Vermittlungsgutscheines eine Vergütung an die Klägerin zu zahlen, da auch im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Arbeitsuchenden kein Vergütungsanspruch entstanden ist.
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist 421g Abs. 1 Satz SGB III. Danach verpflichtet sich das Arbeitsamt mit dem Vermittlungsgutschein den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach bestimmten Maßgaben zu erfüllen.
Die durch Gesetz vom 23.03.02 ( BGBl. I S. 1130 ff) mit Wirkung vom 27.03.02 eingeführte Vorschrift ermöglicht es Arbeitsuchenden unter bestimmten Voraussetzungen zum Zwecke der Arbeitsvermittlung die Dienste privater Arbeitsvermittler auf Kosten des Arbeitsamtes in Anspruch zu nehmen (vgl. Schlegel in Henning, Kommentar zum SGB III, Rn 1 ff zu § 421g; Brandts in Niesel, Kommentar zum SGB III, Rn 1 zu § 421g). Der Gesetzgeber erhoffte sich einen Wettbewerb zwischen dem Arbeitsamt und den privaten Arbeitsvermittlern, da derjenige im Ergebnis von der Neuregelung profitiere, der den Arbeitsuchenden frühzeitig in Arbeit vermittle; der private Vermittler habe einen Anreiz für die zügige Vermittlung, da sein Honorar bei vorheriger Vermittlung durch das Arbeitsamt entfalle, das Arbeitsamt könne umgekehrt durch frühzeitige Vermittlung die Aufwendungen für den Vermittlungsgutschein sparen (vgl. BT-Drucksache 14/8546 Seite 10 zu Nr. 34).
Die Rechtsnatur der Regelung ist zweifelhaft. Schlegel (a.a.O. Rn. 29) und das Sozialgericht Duisburg (S 12 AL 147/02) vertreten die Auffassung, dem Vermittler werde durch den Vermittlungsgutschein kein eigenständiger Anspruch gegenüber dem Arbeitsamt eingeräumt. Lediglich dem Arbeitslosen selbst werde ein Anspruch auf Zahlung des Vermittlungshonorars eingeräumt, § 421g Abs. 2 Satz 4 enthalte nur eine Verfahrensregelung über den Auszahlungsweg.
Die Kammer vertritt demgegenüber die Auffassung, dass es sich bei § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III um den Fall eines gesetzlich geregelten Schuldbeitritts handelt. Das Arbeitsamt verpflichtet sich mit Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch gegenüber dem Vermittler, seinen zivilrechtlichen Anspruch aus dem Vermittlungsvertrag gegenüber dem Arbeitsuchenden zu erfüllen. Bei einem Schuldbeitritt tritt der Mitübernehmer zusätzlich neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis ein, beide werden Gesamtschuldner (vgl. Palandt, Kommentar zum BGB, Rn. 2 vor § 414 BGB).
Dafür spricht zum einen die Stundungsregelung in § 296 Abs. 4 Satz 2 SGB III , die ersichtlich auf die Konsequenz des § 421 BGB abstellt. In der Erkenntnis, dass der Vermittler sich bei der gewählten Konstruktion zur Einbeziehung privater Arbeitsvermittler (privatrechtlicher Vertrag plus Vermittlungsgutschein) trotz eines Anspruchs gegen das Arbeitsamt auch an den Arbeitslosen halten könnte, hat der Gesetzgeber aus sozialpolitischen Gründen die Stundungsregelung eingeführt, um dem Anspruch des Vermittlers gegenüber dem Arbeitsamt auch zeitlich den Vorrang einzuräumen.
Für einen eigenen Anspruch spricht zum anderen, dass die Absicht des Gesetzgebers, einen Wettbewerb zwischen privaten Arbeitsvermittlern und der Bundesanstalt für Arbeit zu bewirken und einen Anreiz zugunsten des privaten Arbeitsvermittler für eine zügige Arbeitsvermittlung zu schaffen, entwertet würde, wenn der Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers von den für ihn regelmäßig nicht überschaubaren Innenbeziehungen zwischen dem Arbeitssuchenden und der Bundesanstalt für Arbeit abhängig wäre. Gerade durch das Instrument eines "Gutscheines" sollte der Vergütungsanspruch des privaten Arbeitsvermittlers von diesem Innenverhältnis gelöst und verselbstständigt werden. Der Anreiz für den privaten Arbeitsvermittler soll ja gerade darin bestehen, durch den "Gutschein" vorrangig einen zahlungsfähigen Gläubiger zu bekommen und nicht auf den regelmäßig wenig solventen Arbeitsuchenden angewiesen zu sein.
Schließlich hätte es nicht der aufwändigen Konstruktion eines Vermittlungsgutscheines bedurft, um dem Arbeitsuchenden lediglich einen Anspruch auf Übernahme der Vermittlungskosten des privaten Arbeitsvermittlers durch das Arbeitsamt zuzusprechen. Die §§ 53, 82 ff SGB III belegen beispielhaft, dass es im SGB III insoweit üblicherweise eine andere Regelungspraxis gibt. Entsprechendes gilt für die Fälle, in denen der Gesetzgeber dem Arbeitsamt lediglich die Möglichkeit einräumen will, Leistungen unmittelbar an Dritte auszuzahlen, wie § 81 Abs. 2 SGB III zeigt.
Ein Auszahlungsanspruch scheitert indes daran, dass die Klägerin keinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitsuchenden Wolters hat.
Der Arbeitsuchende ist zur Zahlung der Vergütung nur verpflichtet, wenn infolge der Vermittlung des Vermittlers der Arbeitsvertrag zustande gekommen ist ( § 296 Abs. 2 Satz 1).
Der Arbeitsvermittlungsvertrag zwischen Arbeitsvermittler und Arbeitsuchendem ist privatrechtlicher Natur und als Maklervertrag gem. § 652 BGB zu klassifizieren. Auch der Abschluss von Dienstverträgen kann Gegenstand einer Maklertätigkeit sein (vgl. Fuchs in Gagel, Rn. 2 zu § 296 SGB III). Auf Grund der zitierten Regelung in § 296 Abs. 2 SGB III entsteht der Anspruch des Arbeitsvermittlers dabei nur im Falle einer Tätigkeit als Vermittlungsmakler. Eine Maklertätigkeit im Sinne des § 652 BGB liegt aber nur dann vor, wenn der vom Auftraggeber des Maklers erstrebte Vertragschluss zwischen dem Auftraggeber und einem Dritten zustande gekommen ist; denn ein Vermitteln hat zur Voraussetzung, dass der Makler in Beziehung zu einem Dritten tritt und auf diesen zum Zwecke des Vertragschlusses einwirkt ( vgl. etwa Palandt, Kommentar zum BGB, Rn 6 vor § 652 ). Damit ist das Fehlen einer Vermittlung immer dann anzunehmen, wenn der Makler den von seinem Auftraggeber erstrebten Vertrag selbst abschließt, mithin kein Dritter einbezogen wird. Nach der Rechtssprechung der Zivilgerichte ist darüber hinaus anerkannt, dass ein Makler auch dann keinen Vergütungsanspruch hat, wenn durch seine Tätigkeit ein Hauptvertrag mit einer Person/Gesellschaft zustande kommt, mit der er, der Makler, gesellschaftsrechtlich oder auf andere Weise verflochten ist (vgl. Dehner in NJW 1991, Seite 3254 ff, 3259). Eine Verflechtung zwischen Makler- und Verkäuferfirma liegt nicht nur dann vor, wenn die eine Firma an der anderen kapitalmäßig beteiligt ist, sondern auch und erst recht dann, wenn eine natürliche Person die Geschäftstätigkeit beider Firmen entscheidend steuern und beeinflussen kann (vgl. Urteil des OLG Stuttgart vom 20.07.1973 in NJW 1973,1975 f; Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18.07.1973, - 5 U 51/73 -).
So liegt der Fall hier. Der Geschäftsführer der Klägerin ist gleichzeitig Geschäftsführer der Firma "K.". Darüber hinaus ist er mit einer Kommanditeinlage von 50.000,00 DM und damit zu 50% als einer von zwei Kommanditisten an der "O." beteiligt, mit der sowohl die Klägerin, als auch die Firma "K." einen so genannten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen haben.
Mangels der Einbeziehung eines Dritten im Sinne einer nicht verflochtenen Person liegt somit kein Vermitteln im Sinne des Maklerrechts vor, sodass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Vermittlungsvergütung gegen Herrn G. hat. Da die Beklagte gemäß § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III lediglich verpflichtet ist, einen Vergütungsanspruch des Arbeitsvermittlers gegen den Arbeitssuchenden zu erfüllen, geht der grundsätzlich aus dem Vermittlungsgutschein resultierende Anspruch der Klägerin ins Leere. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.