Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.01.2011, Az.: 3 K 12074/07
Die Anordnung einer Außenprüfung stellt allein noch keine Tatentdeckung dar womit vor Beginn der Prüfungsmaßnahmen noch eine strafbefreiende Erklärung möglich ist; Möglichkeit einer strafbefreienden Erklärung nach Anordnung einer Außenprüfung bis zum Beginn der Prüfungsmaßnahmen; Ausrichtung des Tatbegriffs i.S.d. § 7 S. 1 Nr. 1 b StraBEG an dem zur Tatentdeckung führenden Verdachtsmoment; Erfordernis einer Differenzierung des Begriffs der Tat i.S.v. § 1 StraBEG im Gegensatz zu dem i.S.v. § 371 Abs. 2 AO
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.01.2011
- Aktenzeichen
- 3 K 12074/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 20100
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2011:0126.3K12074.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 25.02.2014 - AZ: X R 10/11
Rechtsgrundlagen
- § 7 S. 1 Nr. 2 StraBEG
- § 10 Abs. 2 S. 1 StraBEG
- § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG
- § 371 Abs. 2 AO
Fundstelle
- PStR 2011, 271
Steuerfestsetzung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG für 1997 und 1998
Der Begriff der Tat im Sinne von § 7 Satz 1 Nr.2 StraBEG ist sachverhaltsbezogen auszulegen, er bestimmt sich nicht wie im Fall der Selbstanzeige nach § 371 AO nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigem.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine strafbefreiende Erklärung des Klägers vom 14.12.2004 für die Veranlagungszeiträume 1994 bis 2002 auch für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 anzuerkennen ist, oder ob insoweit eine Sperrwirkung nach § 7 S. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung (Strafbefreiungserklärungsgesetz - StraBEG -) eintritt. Streitbefangen ist der Aufhebungsbescheid nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG vom 20.12.2004 i.d.F. vom 11.09.2006.
Der Kläger ist verheiratet und wird mit seiner Ehefrau gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Objektes Burgstraße 24 in Göttingen.
Der Kläger ist zudem an der Firma X-GmbH & Co. KG in G als Kommanditist beteiligt und erzielt hieraus gewerbliche Einkünfte.
Am 18.06.2003 hat das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Verkürzung von Einkommensteuer 1997 und 1998 und Umsatzsteuer 1997, 1998 und 2001 durch Nichtangabe von Mieteinnahmen nebst darin enthaltener Umsatzsteuer aus dem Mietvertrag über das Objekt B-straße in G eingeleitet und diesem mit Schreiben vom 20.06.2003 bekanntgegeben.
Die Einleitungsverfügung lautet: " Ich habe gegen Sie am 18.06.2003 das Strafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, dass Sie Mieteinnahmen und darin enthaltene Umsatzsteuer aus dem am 15.07.1997 zwischen den Eheleuten S und Herrn F geschlossenen Mietvertrag für gewerbliche Räume und Grundstücke, Objekt in G, B-straße, nicht in Ihren Einkommensteuerklärungen angegeben haben bzw. die gebotenen Umsatzsteuererklärungen nicht eingereicht haben."
Unter dem 11.10.2004 erließ das Finanzamt für Großbetriebsprüfung eine Prüfungsanordnung u.a. hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Firma X- GmbH & Co. KG für die Jahre 1998 bis 2003.
Im Vorfeld der Prüfung überprüfte der Kläger gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer der X-GmbH& Co. KG, Herrn G. S., deren Steuererklärungen und stellten hierin Fehler fest. Noch vor Beginn der Außenprüfung am 11.10.2005 gab daraufhin der Kläger am 14.12.2004 eine strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) hinsichtlich seiner zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i.S. des § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1 StraBEG für die Jahre 1993 bis 2002 bei dem Beklagten ab. Als den Einnahmen zugrundeliegenden Lebenssachverhalten gab der Kläger nicht versteuerte Aufwandsentnahmen, zu niedrig versteuerte Kapitaleinkünfte, bei der KG nicht berücksichtigte Mieteinnahmen sowie ein Tafelpapier und ein Grundstück an, die nicht der Erbschaftsteuer unterworfen waren (Anlage zur strafbefreienden Erklärung vom 14.12.2004).
Der Beklagte verneinte für die Veranlagungszeiträume 1997, 1998 und 2001 die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärung. Auf Grund des zur Zeit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bereits eingeleiteten Strafverfahrens gegen den Kläger für diese Jahre war nach Ansicht des Beklagten nach § 7 S. 1 Nr. 2 StraBEG eine Sperrwirkung eingetreten. Er änderte daraufhin die nach § 10 Abs. 2 S. 1 StraBEG in der strafbefreienden Erklärung liegende Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 20.12.2004 gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG ab. Die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärungen für die Jahre 1997, 1998 und 2001 verneinte der Beklagte, während er für die übrigen von der strafbefreienden Erklärung umfassten Jahre die Strafbefreiungsabgabe der strafbefreienden Erklärung des Klägers folgte.
Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.
Der Beklagte hat hinsichtlich des angefochtenen Bescheid vom 20.12.2004 durch Änderungsbescheid vom 11.09.2006 die Nichtanerkennung der strafbefreienden Erklärung auf die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 beschränkt.
Er wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nach Meinung des Beklagten knüpft die Sperrwirkung des§ 7 StraBEG an den Begriff der "Tat" an. Der Begriff sei entsprechend zu verstehen wie im Rahmen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Die einzelne Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO aber bestimme sich nach der Rechtsprechung des BGH nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigem. Eine weitergehende Differenzierung zur Bestimmung der Tat nach einzelnen Einkunftsarten, Einnahmen oder Besteuerungsgrundlagen werde von der Rechtsprechung nicht vorgenommen.
Hiergegen wendet sich der Kläger im vorliegenden Klageverfahren und führt dazu im Wesentlichen aus: Seine strafbefreiende Erklärung vom 14.12.2004 sei auch hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 anzuerkennen und beinhalte auch insoweit eine wirksame Steuerfestsetzung.
Nach § 10 Abs. 2 S. 1 StraBEG stehe die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Nach § 10 Abs. 3 S. 1 sei die mit Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung nur dann zu ändern, soweit nach dem StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintrete.
Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG lägen nicht vor. Nach § 1 Abs. 1 StraBEG werde wegen einer Steuerverkürzung nicht bestraft, wer innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die auf Grund seiner unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenden Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt (strafbefreiende Erklärung) und einen gesetzlich definierten Abgeltungsbetrag abführe.
Unstreitig hätten die Gesellschafter der X- GmbH & Co. KG, der Kläger und Herr G. S., am 14.12.2004 beim FA strafbefreiende Erklärungen für die Gesellschaft für die Gewerbesteuer und Umsatzsteuer und der Kläger für sich selbst zur Einkommensteuer abgegeben und die sich hieraus ergebenden Zahlbeträge fristgemäß abgeführt. Die strafbefreiende Erklärung sei seitens des Beklagten grundsätzlich anerkannt worden. Lediglich bezogen auf die Einkommensteuer des Klägers für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 werde ihr bislang unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 1 Ziffer 2 StraBEG die Anerkennung verweigert.
Gegenstand des zum Zeitpunkt der strafbefreienden Erklärung anhängigen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger seien ausschließlich vermeintlich verkürzte Mieteinnahmen aus einem von diesem und seiner Ehefrau gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrag für ein Objekt in G gewesen.
In der an den Kläger gerichteten Bekanntgabemitteilung heiße es ausdrücklich: "Ich habe gegen Sie am 18.06.2003 das Strafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, dass Sie .......... Steuern verkürzt haben, indem Sie Mieteinnahmen und darin enthaltene Umsatzsteuer aus dem am 15.07.1997 zwischen den Eheleuten und Herrn F. geschlossenen Mietvertrag über gewerbliche Räume und Grundstücke, Objekt in G, B-straße, nicht in ihren Einkommensteuererklärungen angegeben haben bzw. die gebotenen Umsatzsteuererklärungen nicht eingereicht haben."
Nach dem von der herrschenden Literatur und Rechtsprechung vertretenen Tatbegriff lägen im vorliegenden Fall die Sperrwirkungen nach§ 7 S. 1 Ziffer 2 StraBEG nicht vor. Der von der herrschenden Meinung in der Literatur verfolgte Tatbegriff sei nicht synonym mit dem der Tathandlung im Sinne des § 370 AO. Es sei nicht die Angabe einer unrichtigen bzw. Nichtabgabe einer Steuererklärung darunter zu verstehen, sondern lediglich Falschangaben bzw. unterlassene Angaben bezüglich einzelner Besteuerungsgrundlagen in einer Steuererklärung (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO, RZ 191.2 a).
Hierbei sei ausdrücklich eine Begrenzung auf die Nichterfüllung bestimmter Mitwirkungspflichten bezüglich einzelner Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen. Nur diese Sichtweise werde dem fiskalischen Zweck der Selbstanzeige gerecht. Beschränke sich daher die bekanntgegebene Verfahrenseinleitung auf eine bestimmte Einkunftsart, dann sei insoweit die Straffreiheit infolge § 371 Abs. 2 Nr. 1 b AO ausgeschlossen.
Nach dieser Literaturmeinung führe somit die Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen vermeintlicher Verkürzung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht zu einer Sperrwirkung für gewerbliche Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der Firma X- GmbH & Co. KG.
Der BGH habe sich seit Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung im Jahre 1994 noch nicht zum Begriff der Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 Ziffer 1 b AO geäußert. Er habe jedoch bzgl. § 371 Abs. 2 Ziffer 1 a AO eine Entscheidung zum Tatbegriff getroffen (wistra 2000, 219 [BGH 05.04.2000 - 5 StR 226/99]).
Dort heiße es unter anderem wörtlich: "Das gegen den Angeklagten eingeleitete Ermittlungsverfahren betraf jedoch andere Taten als diejenigen, die Gegenstand seiner späteren Selbstanzeigen waren. Das Ermittlungsverfahren erstreckte sich zum Zeitpunkt der Durchsuchung lediglich auf den Verdacht der Steuerhinterziehung persönlicher Steuern des Angeklagten und betrieblicher Steuern der von ihm geleiteten Gesellschaften, nicht aber auf die Hinterziehung von Künstlereinkommensteuern, hinsichtlich derer der Angeklagte später berichtigte Steuererklärungen abgab...
Obwohl der Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO, der lediglich von der Ermittlung "einer Steuerstraftat" spricht, weder eine zeitliche noch eine sachliche Begrenzung der Sperrwirkung vorsieht, ist diese Norm einschränkend auszulegen und die von ihr ausgehende Sperrwirkung formal zu begrenzen."
Hieraus folge, dass der BGH den Tatbegriff restriktiv verstehe. Er stelle letztlich zur Bestimmung der "Tat" auf die einzelne konkrete Handlung, das heißt auf die Nichtabgabe bzw. die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung ab. Dies zeige eindeutig, dass vorliegend auch nach Auffassung des BGH eine Sperrwirkung nicht anzunehmen sei. Die Rechtsprechung des BGH aus dem Anwendungsbereich des § 371 Abs. 2 AO sei auf § 7 Satz 1 Ziffer 2 StraBEG zu übertragen. Damit eine Sperrwirkung Platz greife, müsse letztlich eine falsche Erklärung Gegenstand der Verfahrenseinleitung gewesen sein.
Vorliegend sei aber die maßgeblich originär unrichtige Steuererklärung nicht die Einkommensteuererklärung des Klägers, sondern die Gewinnfeststellungserklärung der Firma X- GmbH & Co. KG gewesen.
Der Beklagte habe bei seiner rechtlichen Würdigung nicht ausreichend berücksichtigt das Verhältnis von Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) und Folgebescheid (Einkommensteuerbescheid).
Außerdem habe der Beklagte nicht hinreichend berücksichtigt, dass im Rahmen der Sperrtatbestände des§ 371 Abs. 2 Nr. 1 AO bzw. § 7 Ziffer 2 StraBEG nicht auf die Folgen einer Handlung im Sinne einer Steuerverkürzung, sondern im engeren Sinne auf die Entdeckung der Tathandlung selbst abzustellen sei.
Auch der Sinn und Zweck der Sperrtatbestände des § 371 Abs. 2 AO und des § 7 Abs. 2 StraBEG sprächen im vorliegenden Fall gegen das Eingreifen der Sperrtatbestände. Denn die Selbstanzeige und die Strafbefreiungserklärung hätten den Sinn, Straffreiheit dann zu gewähren, wenn die Steuerquelle, die durch sie zum Sprudeln gebracht werden solle, noch nicht entdeckt sei.
Die Einleitungsverfügung vom 18.06.2003 habe keinerlei Beziehung zu der erst 1 1/2 Jahre später erfolgten strafbefreienden Erklärung des Klägers. Die ausschließlich auf private Vermietungseinkünfte bezogene Verfahrenseinleitung sei in keiner Weise Motiv oder auch nur mitursächlich für die wesentlich spätere, ausschließlich auf betriebliche Vorgänge beschränkte strafbefreiende Erklärung.
Letztlich sei zu beachten, dass der den Kläger betreffende für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens maßgebliche Tatverdacht unbegründet gewesen sei. Der weitere Ablauf des Verfahrens habe gezeigt, dass die Kläger in den streitigen Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 keinerlei Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verkürzt hätten. Vielmehr hätten sie im Gegenteil zu hohe Mieteinkünfte der Einkommensteuer unterworfen.
Jahr | erklärte Mieteinkünfte | tatsächliche Mieteinkünfte | Differenz | |
---|---|---|---|---|
1997 | DM 92.289,60 | DM 86.032,73 | ./. | DM 6.256,87 |
1998 | DM 71.482,00 | DM 60.377,89 | ./. | DM 11.104,12 |
Zusammenfassend sei festzuhalten, dass sowohl nach dem einzig richtigen, nämlich an die Tathandlung anknüpfenden Verständnis des Tatbegriffes, als auch nach Sinn und Zweck der Strafaufhebungsaufgründe und nicht zuletzt der Tatsache, dass eine inhaltlich nicht begründete Verfahrenseinleitung keine Sperrwirkung nach sich ziehen könne, die strafbefreiende Erklärung auch für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 anzuerkennen sei.
Die Kläger beantragen,
den Einspruchsbescheid vom 12.01.2007 sowie den Aufhebungsbescheid vom 20.12.2004 und vom 11.09.2006 aufzuheben soweit, als diese der strafbefreienden Erklärung die Anerkennung für 1997 und 1998 versagen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Vorverfahren vertretenen Rechtsansicht fest, dass die streitbefangene strafbefreiende Erklärung des Klägers keine Wirkung für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 entfalten kann, da insoweit die Sperrwirkung des § 7 S. 1 Nr. 2 StraBEG eingreife. Die einzelne Tat im Sinne des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO bestimme sich nach Rechtsprechung des BGH nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigen. Eine weitergehende Differenzierung zur Bestimmung der Tat nach einzelnen Einkunftsarten, Einnahmen oder Besteuerungsgrundlagen werde von der Rechtsprechung nicht vorgenommen.
Auch eine weitergehende Differenzierung nach Einnahmen innerhalb einer einzelnen Tat komme allenfalls für die Bestimmung des sachlichen Umfanges der nach Abschluss des eingeleiteten Strafverfahrens weiterhin bestehenden Sperrwirkung in Betracht. Dies ergäbe sich aus dem Wortlaut des § 7 S. 2 StraBEG, wonach nach Abschluss des Strafverfahrens Straffreiheit eintreten könne, "soweit sich die strafbefreiende Erklärung auf Einnahmen bezieht, die im Rahmen dieses Verfahrens nicht festgestellt worden sind."
Der sachliche Umfang der Sperrwirkung ab dem Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens bis zu dessen Abschluss umfasse nach dem Gesetzeswortlaut des § 7 S. 1 StraBEG hingegen die "Tat" und nicht einzelne "Einnahmen". Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Gesetzgeber für den Tatbegriff im Sinne des § 7 S. 1 StraBEG keine Differenzierung nach Einnahmen oder Einkunftsarten vorgesehen habe und dass eine Begrenzung der Sperrwirkung erst für die Zeit nach Abschluss des Verfahrens nach § 7 S. 2 StraBEG eintrete.
Dieser Tatbegriff sei auch bei der Anwendung des § 7 S. 1 Nr. 2 StraBEG zu Grunde zu legen. Im Streitfall komme es daher auf eine Unterscheidung zwischen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und den Einkünften aus Gewerbebetrieb zur Bestimmung der Tat nicht an. Die materiell-rechtliche Tat sei keiner weitergehenden Aufteilung in einzelne Einkunftsarten zugänglich.
Im Zeitpunkt der Abgabe der strafbefreienden Erklärung am 14.12.2004 sei das Strafverfahren gegen die Kläger wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung 1997 und 1998 bereits eingeleitet und noch nicht abgeschlossen gewesen. Der sachliche Umfang der Sperrwirkung erstrecke sich also zu dem Zeitpunkt der Abgabe der strafbefreienden Erklärung auf die gesamte Einkommensteuer 1997 und 1998 und nicht nur auf die einzelne Einkunftsart Vermietung und Verpachtung.
Tat im Sinne des § 7 S. 1 StraBEG sei auch nicht die Abgabe einer einzelnen unrichtigen Steuererklärung, sondern die Tat umfasse begrifflich den gesamten Tatbestand der Steuerhinterziehung, mithin auch den Erfolgseintritt. Die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung sei Tathandlung, also nur ein Teil der Tat.
Eine andere Betrachtungsweise ergebe sich auch nicht aus dem vom Kläger mehrfach zitierten Urteil des BGH (wistra 2000, 219 [BGH 05.04.2000 - 5 StR 226/99]). Für die Entscheidung des BGH sei maßgeblich gewesen, dass sich der Ermittlungswille des Amtsträgers zum Zeitpunkt der Durchsuchung nur auf den Verdacht der Hinterziehung persönlicher Steuern des Angeklagten und betrieblicher Steuern der von ihm geleiteten Gesellschaften, nicht aber auf die Hinterziehung von Künstlereinkommensteuern, hinsichtlich derer der Angeklagte später berichtigte Steuererklärungen abgab, erstreckte. Ein derartiger Sachverhalt liege hier aber nicht vor.
Keinesfalls stelle die Entscheidung des BGH darauf ab, dass dem Amtsträger innerhalb einer nach Steuerart und Besteuerungszeitraum bestimmten Tat einzelne Besteuerungsgrundlagen im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens bereits bekannt gewesen seien oder nicht.
Nach der Rechtsprechung des BGH (wistra 1984, 142) versuche der Steuerpflichtige mit der Abgabe einer unrichtigen Feststellungserklärung eine Steuerhinterziehung. Erst mit der Festsetzung der Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Feststellungen infolge der unrichtigen Feststellungserklärungen werde der tatbestandliche Erfolg der Steuerhinterziehung herbeigeführt. Die Abgabe der Feststellungserklärung sei somit ein Teilakt auf dem Weg zur vollendeten Einkommensteuerhinterziehung.
Im vorliegenden Fall sei durch die Abgabe unrichtiger Feststellungserklärungen 1997 und 1998 für die Firma X- GmbH & Co. KG jeweils eine Steuerhinterziehung versucht worden. Die begonnene Tatbestandsverwirklichung sei durch weitere Täuschungshandlungen hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen fortgeführt worden. Das heiße, dem tatbestandlichen Erfolg der Einkommensteuerverkürzung sei sich im vorliegenden Fall durch Teilakte der unrichtigen Feststellungs- und Einkommensteuererklärungen genähert worden. Die Abgabe einer unrichtigen Feststellungserklärung und die Abgabe einer entsprechend unrichtigen Einkommensteuererklärung zusammen bildeten eine Handlungseinheit. Dementsprechend bildeten im Streitfall jeweils die unrichtige Feststellungs- und Einkommensteuererklärung 1997 und 1998 eine Handlungseinheit.
Ebenso sei der Ausgang eines eingeleiteten Strafverfahrens für den Eintritt der Sperrwirkung nach § 7 S. 1 Nr. 2 StraBEG nicht relevant. Entscheidend für den Eintritt der Sperrwirkung sei vielmehr die rechtmäßige und wirksame Einleitung des Strafverfahrens. Im Streitfall sei das Strafermittlungsverfahren gegen den Kläger für Einkommensteuer 1997 und 1998 rechtmäßig und wirksam durch Verfügung vom 23.06.2003 eingeleitet worden. Damit sei die Sperrwirkung gemäß § 7 S. 1 Nr. 2 StraBEG hinsichtlich der gesamten Einkommensteuer dieser beiden Veranlagungszeiträume im Zeitpunkt der Abgabe der strafbefreienden Erklärung am 14.12.2004 bereits eingetreten gewesen.
Die auf die Nichtangabe von Mieteinnahmen beschränkte Begründung für die Einleitung eines steuerlichen Ermittlungsverfahrens schließe die Abgabe einer wirksamen strafbefreienden Erklärung nicht nur hinsichtlich dieser Einkunftsart, sondern der gesamten Steuerart aus.
Nach Tz. 18 des BMF-Schreibens vom 16.09.2004 greife die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG, wenn das Finanzamt Erkenntnisse habe, die eine strafrechtliche Ahndung als wahrscheinlich erscheinen ließen. Dies sei im vorliegenden Fall aufgrund des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens der Fall.
Nach einem Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 29.10.2009 werde der Zweck der strafbefreienden Erklärung, "die Errichtung einer Brücke in die Steuerehrlichkeit", nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige eine strafbefreiende Erklärung erst zu einem Zeitpunkt abgebe, in dem aufgrund der bevorstehenden Betriebsprüfung und der noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass dem Beklagten sein Veranlagungsfehler offenbar werde. Dann handele der Täter nicht aus tätiger Reue.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Steuerakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. Januar 2011.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte ist zu Unrecht von der Unwirksamkeit der strafbefreienden Erklärung des Klägers vom 14.12.2004 für die Jahre 1997 und 1998 ausgegangen. Denn die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG ist nicht eingetreten. Der Beklagte durfte die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG durch die strafbefreiende Erklärung des Klägers bewirkte Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung bzgl. der Jahre 1997 und 1998 nicht nach § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufheben. Nach dieser Vorschrift ist, soweit nach dem StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt, die mit Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern.
Nach § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG tritt Straf- oder Bußgeldfreiheit nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung i.S.d. § 6 einem Tatbeteiligten (Täter oder Teilnehmer) oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
Urteile des BFH zu der Frage, wann eine Sperrwirkung nach § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG eintritt, gibt es nicht. Es gibt lediglich Rechtsprechung zu § 7 Satz 1 Nr. 1 a und b StraBEG. Nach § 7 Satz 1 Nr. 1 a tritt keine Straf- und Bußgeldfreiheit ein, wenn bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Nach § 7 Satz 1 Nr. 1 b tritt keine Straffreiheit, wenn die Tat bereits entdeckt war und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
Die Frage der Tatentdeckung, die von § 7 Satz 1 Nr. 1 b für das Eingreifen der Sperrwirkung gefordert wird, wird von der Rechtsprechung des BGH im Zusammenhang mit § 371 AO erörtert. Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO tritt Straffreiheit bei einer Selbstanzeige nicht ein, wenn die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.
In seinem Beschluss vom 05.04.2000 (5 Str 226/99, wistra 2000, 219) führt der BGH aus, nach Aufgabe der Rechtsprechung zur fortgesetzten Handlung sei insbesondere unter Berücksichtigung der mit § 371 AO vom Gesetzgeber verfolgten Zielsetzung ohnehin auf die einzelne Handlung, das heiße auf die Nichtabgabe bzw. die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung, abzustellen. Die einzelne Tat i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO bestimme sich folglich nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigem. Es bleibe jedoch im entschiedenen Fall offen, ob dies auch für die Fälle der Tateinheit bei gleichzeitiger Abgabe von in wesentlichen Punkten inhaltsgleichen Steuererklärungen gelte. Der BGH stellt klar, dass der Begriff der Steuerstraftat i.S.d. § 371 AO einschränkend auszulegen und die von ihr ausgehenden Sperrwirkungen formal zu begrenzen ist.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 26.11.2008 X R 20/07, BStBl II 2009, 388) kommt es für die Ausschlussgründe des § 7 StraBEG entscheidend darauf an, ob der Steuerpflichtige, typisierend betrachtet, freiwillig gehandelt hat ("Akte tätiger Reue"). Der BFH führt bezogen auf § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG aus, dieser sei normspezifisch so auszulegen, dass die entdeckte Tat i.S.d. Vorschrift nach den Verdachtsmomenten bestimmt werde, welche hinreichend seien, um von der Wahrscheinlichkeit einer (strafgerichtlichen) Verurteilung auszugehen. Im Unterschied zu § 371 Abs. 2 AO umfasse der Begriff der Tat i.S.d. § 1 StraBEG deshalb nicht alle in einer unzutreffenden Steuerklärung enthaltenen untrennbaren Besteuerungsgrundlagen (so auch Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 371 Rz. 169). Diese Auslegung folge aus dem Sinn und Zweck des § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG. Mit dem StraBEG verfolge der Gesetzgeber den Zweck, eine Brücke in die Steuerehrlichkeit einzuführen (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2005 IX B 59/05, BFH/NV 2005, 1498). Dieser Zweck sei insoweit nicht zu erreichen, als für den Betroffenen bereits vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung erkennbar sei, dass die Behörde auch ohne sein Zutun in der Lage sein würde, die steuerliche Verfehlung zu ahnden. In einem solchen Fall würde die Anerkennung der steuerlichen Abgeltungswirkung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nicht auf einen Akt tätiger Reue beruhen und damit nicht freiwillig sein, sondern auf einem bloßen Mitnahmeeffekt beruhen, den der Gesetzgeber durch die Ausschlussgründe des § 7 StraBEG verhindern wolle (Sell, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit, DStR 2003, 1185).
Ausgehend hiervon sei es geboten, den Tatbegriff i.S.d. § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG an dem zur Tatentdeckung führenden Verdachtsmoment auszurichten, wobei die Tatentdeckung gem. Halbsatz 2 dieser Vorschrift dem Betroffenen bekannt sein müsse und er bei verständiger Würdigung der Sachlage damit habe rechnen müssen. Diese Betrachtungsweise, die sich an den für den Betroffenen erkennbaren Umständen ausrichte, lasse ihm die Möglichkeit, nicht von dem Verdachtsmoment erfasste andere unzutreffende Besteuerungsgrundlagen (z.B. hinreichender Verdacht zu gering erklärter Betriebseinnahmen, kein Verdacht der Nichtangabe von Einnahmen aus Kapitalvermögen) wirksam im Wege einer strafbefreienden Erklärung aufzudecken. Denn insoweit handele der Betroffene typisierend betrachtet weiterhin freiwillig.
Für eine solche Auslegung spreche auch der Umstand, dass auch § 3 Abs. 1 Satz 3 StraBEG nicht die Angabe aller in der jeweiligen Steuererklärung unrichtig angegebenen Besteuerungsgrundlagen, sondern neben der Angabe der hinterzogenen Steuern die Darlegung des Lebenssachverhalts verlange. Dieser sei durch die Bezeichnung durch die Einnahmequelle und/oder der Art der Tätigkeit zu konkretisieren (BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225 Tz. 5.4).
Transferiert man die Grundsätze der Rechtsprechung des BFH zu § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG auf § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG umfasst der Begriff die Tat im Sinne von § 1 StraBEG im Gegensatz zu dem im Sinne von § 371 Abs. 2 AO gem. der in § 7 StraBEG gewählten Formulierung "soweit .... wegen einer Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 maßgebend ist, gerade nicht alle in einer unzutreffenden Steuererklärung enthaltenen untrennbaren Besteuerungsgrundlagen. Dementsprechend bestimmt sich die Tat i.S.d. § 7 StraBEG auch nicht wie im Falle der Selbstanzeige nach § 371 AO nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigem. Diese vom Gericht vertretene sachverhaltsbezogene Auslegung des Tatbegriffs folgt aus dem Sinn und Zweck des StraBEG, eine Brücke in die Steuerehrlichkeit einzuführen (BFH-Beschluss vom 02.06.2005 IX 59/05, BFH/NV 2005 1498) und für die Vergangenheit Rechtsfrieden eintreten zu lassen ( Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit, BT-Drucksache 15/1309, Seite 7). Dieser Zweck kann nur dann nicht mehr erreicht werden, wenn für den Betroffenen bereits vor Abgabe der strafbefreienden Erklärung erkennbar ist, dass die Finanzbehörde auch ohne sein Zutun in der Lage sein wird, seine steuerlichen Verfehlungen zu ahnden. Dieses Verständnis des § 7 Satz 1 StraBEG lässt dem Betroffenen die Möglichkeit, die nicht von dem Verdachtsmoment erfassten unzutreffenden Besteuerungsgrundlagen wirksam in einer strafbefreienden Erklärung aufzudecken. Beschränkt sich also eine bekannt gegebene Verfahrenseinleitung auf eine bestimmte Einkunftsart, dann ist nur insoweit die Straffreiheit ausgeschlossen (Kohlmann, Steuerstrafrecht zu § 371 Rn. 195 Punkt 1 und 206).
So wie die Erklärung gem. § 3 StraBEG wirksam beschränkt werden kann, wirken auch die Ausschlussgründe, wie § 7 Satz 1 durch das Einleitende "soweit" verdeutlicht entsprechend dem sachlichen und persönlichen Umfang der Maßnahmen nach Nr. 1 und Nr. 2 bzw. der Erklärung nach Nr. 3 der Vorschrift ( so auch Rüping in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO, § 7 StraBEG Rz. 20).
Eine andere Auslegung des § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG würde dazu führen, dass der Tatbegriff des § 1 StraBEG bezüglich § 7 Satz 1 Nr. 2 ein anderer wäre als bezüglich § 7 Satz 1 Nr. 1 b, nämlich für Nr. 2 nur differenziert nach Steuerart, Steuerjahr und Steuerpflichtigen und in Nr. 1 b sachverhaltsbezogen.
Auch im zum Strafbefreiungserklärungsgesetz ergangenen BMF-Schreiben vom 03.02.2004 IV A 4-S 1928 18/04 (BStBl I 2004, 225) ist unter Punkt 15 "Verhältnis von strafbefreiender Erklärung zur Selbstanzeige" ausgeführt, die Ausschlusstatbestände der§§ 371 Abs. 2 und 378 Abs. 3 AO und § 7 StraBEG greifen jeweils nur, soweit der Tatbestand im Einzelfall erfüllt ist und sind daher ggf. lebenssachverhaltsbezogen (Tz. 15 Punkt 1). In Tz. 15 Punkt 2 heißt es "jeder Betroffene kann selbst entscheiden, ob und inwieweit er für bestimmte Lebenssachverhalte, hinsichtlich derer er Steuern i.S.d. § 1 Abs. 1 StraBEG verkürzt hat, eine strafbefreiende Erklärung oder eine Selbstanzeige abgibt. Die Wahl ist nicht auf bestimmte Steuerarten und -zeiträume/-zeitpunkte beschränkt." Als Beispiele für eine hinreichende Spezifizierung des Lebenssachverhalts wird unter Punkt 5.4 z.B. genannt
Zinsen aus ... (z.B. Lichtenstein) ... mit Angabe des Kreditinstituts
nicht gebuchte Provisionseinnahmen
Einnahmen aus Erbschaft oder Schenkung
fingierte Betriebsausgabe wegen ..... (z.B. privaten Reparaturkosten).
Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen hatte gegen den Kläger ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Verkürzung von Einkommensteuer 1997 und 1998 sowie Umsatzsteuer 1997, 1998 und 2001 durch Nichtangabe von Mieteinnahmen nebst darin enthaltener Umsatzsteuer aus dem Mietvertrag über das Objekt B-str. in G eingeleitet. Hierbei handelte es sich um private Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung. Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger waren ausschließlich verkürzte Mieteinnahmen aus einem von diesem und seiner Ehefrau gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrag für ein Objekt in G. In der Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens heißt es wörtlich: "Ich habe gegen Sie am 18.06.2003 das Strafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht besteht, dass Sie ... Steuern verkürzt haben, in dem Sie Mieteinnahmen und darin enthaltene Umsatzsteuer aus dem am 15.07.1997 zwischen den Eheleuten ... und Herrn F geschlossenen Mietvertrag für gewerbliche Räume und Grundstücke, Objekt in G B-str. , nicht in Ihren Einkommensteuererklärungen angegeben haben bzw. die gebotenen Umsatzsteuererklärungen nicht eingereicht haben."
In seiner strafbefreienden Erklärung vom 14.12.2004 hingegen machte der Kläger Angaben zur Einkommensteuer für die Jahre 1993 bis 2002, die größtenteils aus seinem betrieblichen Bereich, der X-GmbH & Co. KG herrührten. Dabei handelt es sich ausweislich der Anlage zur strafbefreienden Erklärung vom 14.12.2004 Seite 1 um nicht versteuerte Aufwandsentnahmen, Mieteinnahmen, die bei der KG nicht berücksichtigt wurden, sowie ein Tafelpapier und ein Grundstück, die nicht der Erbschaftsteuer unterworfen worden waren.
Die von der strafbefreienden Erklärung umfassten Einnahmen i.S.d. § 1 StraBEG haben nichts zu tun mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem Objekt B-str., deretwegen die Finanzverwaltung ein Strafverfahren eingeleitet hatte.
Gemäß dem Wortlaut des Einleitungsvermerks des Strafverfahrens waren von dem Strafverfahren keine anderen Verdachtsmomente umfasst, als die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem im Privatvermögen gehaltenen Mietobjekt B-str. in G. Es bestand hingegen kein Verdacht wegen zu gering erklärter Betriebseinnahmen oder zu hoher Aufwandsentnahmen bei der X-GmbH & Co. KG oder wegen Nichtangabe von Einnahmen aus Kapitalvermögen oder nicht der Erbschaftsteuer unterworfenen Vermögensgegenständen.
Das Argument des Beklagten, Tz. 18 des BMF-Schreibens vom 16.09.2004 (IV A 4-S 1928-120/04, IV A 4-S 1928-94/04) besage, dass die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG greife, wenn das FA Kenntnisse erlangt habe, die eine strafrechtliche Ahndung wahrscheinlich erscheinen lasse und der Steuerpflichtige dies wisse bzw. wissen müsse, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen befasst sich die besagte Tz. 18 mit § 7 Satz 1 Nr. 1 b StraBEG und nicht mit § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG. Zum anderen ist im vorliegenden Fall eine strafrechtliche Ahndung wegen der vom Kläger angezeigten Lebenssachverhalte aufgrund des konkret eingeleiteten Ermittlungsverfahrens vom 18.06.2003 nicht wahrscheinlich gewesen. Das FA für Fahndung und Strafsachen hatte lediglich einen Verdacht wegen Hinterziehung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt B-str. im Zeitpunkt der Abgabe der strafbefreienden Erklärung durch den Kläger am 14.12.2004. Nach den unbestrittenen Ausführungen des Klägers und des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung und nach dem Inhalt der vorgelegten Akten hat die Finanzverwaltung in den anderthalb Jahren, die zwischen der Einleitung des Strafverfahrens und der Abgabe der strafbefreienden Erklärung des Klägers lagen, keine für den Kläger erkennbaren Erkenntnisse erlangt, die eine strafrechtliche Verfolgung des Klägers wegen der von der strafbefreienden Erklärung erfassten Lebenssachverhalte wahrscheinlich erscheinen ließ und von der der Kläger wusste oder wissen musste.
Im Gegensatz zur vom Beklagten und vom FG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 29.10.2009 5 K 531/06, EFG 2010, 984) vertretenen Auffassung schließt auch die Anordnung einer Außenprüfung nicht den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, dem Steuerpflichtigen eine Brücke in die Steuerehrlichkeit zu bauen, aus. Dies folgt schon aus dem Umkehrschluss von§ 7 Satz 1 Nr. 1 a StraBEG. Denn dort heißt es "Straf- oder Bußgeldfreiheit tritt nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung i.S.d. § 6 1. a) bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist."
Auch gem. Tz. 18 des BMF-Schreiben vom 16.09.2004 stellt die Anordnung einer Außenprüfung allein noch keine Tatentdeckung dar. Weiterhin heißt es in Punkt 9.2 des BMF-Merkblattes vom 03.02.2004 (BStBl I 2004, 225), dass Straf- und Bußgeldfreiheit nach § 7 Satz 1 Nr. 1 a StraBEG nicht eintrete, wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen sei, was jedoch im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben ist. Weiterhin wird dort ausgeführt, die Ausschlusswirkung trete nur ein, wenn der Amtsträger für die Betroffenen erkennbar mit ersten Ermittlungsmaßnahmen beginne. Die bloße Ankündigung einer Prüfung oder lediglich amtsinterne Vorermittlungen lösten keine Ausschlusswirkungen aus. Daher könne nach Bekanntgabe der Prüfungsordnung, aber noch vor Beginn der Prüfungsmaßnahmen noch eine strafbefreiende Erklärung abgegeben werden.
Im vorliegenden Fall erging die Prüfungsanordnung am 11.04.2004, der Kläger gab seine strafbefreiende Erklärung am 14.12.2004 ab. Die Außenprüfung begann jedoch erst am 11.10.2005.
Die in dem BMF-Merkblatt vom 03.02.2004 zu § 7 Satz 1 Nr. 1 a StraBEG getätigten Ausführungen müssen genauso für den Ausschlussgrund des § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG gelten. Der vom Gesetzgeber in § 3 StraBEG verwendete Begriff des Lebenssachverhalts verweist auf die Bewertung einzelner wirtschaftlicher Vorgänge, die für die Entstehung der in § 1 Abs. 2 - 5 StraBEG erfassten Steueransprüche von Bedeutung sind. Dementsprechend können sich auch die Ausschlussgründe des § 7 StraBEG nur auf einzelne Lebenssachverhalte beziehen. Entscheidend ist insoweit der Begriff der Tat und der Tatentdeckung i.S.d. StraBEG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs.3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).