Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.08.1986, Az.: 4 OVG A 95/86

Auslegung des Begriffs der Familienplanung aus § 37 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.08.1986
Aktenzeichen
4 OVG A 95/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 20230
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1986:0821.4OVG.A95.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 19.03.1986 - AZ: 2 VG A 228/84
nachfolgend
OVG Niedersachsen - 21.08.1986 - AZ: 4 OVG A 95/86

Verfahrensgegenstand

Sozialhilfe ( - Hilfe zur Familienplanung - § 37 b BSHG).

Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat
am 21. August 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Jacobi und
die Richter am Oberverwaltungsgericht Klay und Atzler sowie
die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 2. Kammer Stade - vom 19. März 1986 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die im Jahre 1966 geborene Klägerin beantragte im September 1984 beim Beklagten, die Kosten für ein empfängnisregelndes Mittel zu übernehmen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Oktober 1984 ab; den Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1984 zurück. Der Beklagte ist der Auffassung, insbesondere aus dem Wortlaut des § 37 BSHG ("Familienplanung") folge, daß der Hilfesuchende verheiratet sein müsse oder zumindest ersthaft beabsichtige, eine dauerhafte Bindung einzugehen. Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 19. März 1986 stattgegeben. Es hat ausgeführt: Insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes folge, daß dem Begriff "Familienplanung" kein feststehender Inhalt der Art zukomme, daß die Hilfe nur verheirateten oder in fester Bindung lebenden Hilfesuchenden gewährt werden dürfe. Gegen das ihm am 2. Mai 1986 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vom 26. Mai 1986, mit der er geltend macht, der Wortlaut der Vorschrift gebiete die von ihm gewünschte Auslegung.

2

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

3

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

4

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg. Der Senat schließt sich den Gründen des angefochtenen Urteils an (Art. 2 § 6 EntlG) , so daß eine wiederholende Darstellung entbehrlich ist. Dem Beklagten ist allerdings einzuräumen, daß jede Auslegung ihre Grenze an dem Wortlaut einer Bestimmung findet. Dem Begriff "Familienplanung" kommt aber kein eindeutiger Inhalt zu. Dieses' Wort wird auch verwandt, wenn damit "Empfängnisregelung" gemeint ist. Das wird aus dem bereits vom Verwaltungsgericht erwähnten Bericht der Abgeordneten Schlei in der Bundestagsdrucksache 7/1753 deutlich. Dort sind die Hilfen angesprochen, die in vorgesehenen Änderungen der Reichsversicherungsordnung und des Bundessozialhilfegesetzes von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung und Trägern der Sozialhilfe zu erbringen sind. An den Satz "Zur ärztlichen Beratung gehören auch die erforderliche Untersuchung und die Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln" schließen sich unmittelbar die Worte an "mit diesem Leistungsangebot soll auf eine verantwortungsvolle Familienplanung hingewirkt und geholfen werden, den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen oder aber unerwünschte Schwangerschaft zu vermeiden". Hieraus wird ersichtlich, daß nach demüblichen Sprachgebrauch, den auch der Gesetzgeber verwandt hat, die Erfüllung des Wunsches auf Schwangerschaft als auch die Verhütung von unerwünschter Empfängnis als Familienplanung bezeichnet wird. Dieser Begriff schließt damit nicht die Hilfe nach § 37 b BSHG für unverheiratete Hilfesuchende aus. Der vom Beklagten gewünschten Auslegung stehen schließlich kaum zu überwindende praktische Schwierigkeiten entgegen. Es erscheint ausgeschlossen (soweit es nicht um Verheiratete geht)? die von ihm aufgestellten Anforderungen verläßlich zu prüfen.

6

Abschließend verweist der Senat darauf, daß er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dahin versteht, daß es den Beklagten verpflichtet hat, der Klägerin die Hilfe für die Zeit zwischen der Stellung des Antrages und dem Erlaß des Widerspruchsbescheides zu bewilligen.

7

Die kostenrechtlichen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO.

8

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor. Die zu entscheidende Rechtsfrage beantwortet sich ohne weiteres aus dem Gesetz.

Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Jacobi hat Urlaub und ist daher Verhindert zu unterschreiben, Klay
Klay
Atzler