Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.09.1986, Az.: 17 OVG B 3/86
Anfechtung einer Personalratswahl eines Werkstattschiffes; Verselbstständigung einer Personalvertretung wegen räumlicher Entfernung eines Marineschiffes; Rechtmäßigkeit der Verselbständigung einer Außenstelle; Geltendmachung von Mängeln der Verselbständigung mit der Wahlanfechtung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.09.1986
- Aktenzeichen
- 17 OVG B 3/86
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1986, 16379
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1986:0903.17OVG.B3.86.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig - 14.01.1986 - AZ: PB 21/85
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 3 BPersVG
- § 25 BPersVG
Verfahrensgegenstand
Anfechtung der Personalratswahl
In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
im Termin zur Anhörung am 3. September 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Angestellter Bernhold, Polizeihauptmeister im BGS Fabel,
Zolloberamtsrat Lassen und Regierungsoberamtsrat Tonn
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluß des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 14. Januar 1986 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ficht die Personalratswahl des Werkstattschiffes ... an.
Das Marinearsenal in ... unterhält einen Arsenalbetrieb in ... und eine Außenstelle in ... Diese wurde 1974 eingerichtet, um im Marinestützpunkt ... die dort liegenden Einheiten instandsetzungsmäßig zu bedienen. Die Arbeitsbereiche waren teilweise in landfesten Unterkünften und teilweise auf dem WSS "..." untergebracht. Durch Erlaß des Bundesministers der Verteidigung vom 11. Februar 1976 wurde das WSS ... auch bestandsmäßig dem Arsenalbetrieb ... - Außenwerkstatt ... - zugeordnet.
In der Vergangenheit führten sämtliche Mitarbeiter der Außenwerkstatt ... unter Einschluß der Fahrbesatzung des WSS ... vor den Personalratswahlen jeweils Abstimmungen gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG durch und wählten für diesen Bereich einen eigenen Personalrat.
Am 18. Januar 1985 stimmte die Fahrbesatzung des WSS ... mit Mehrheit für eine Verselbständigung des Schiffs gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG. Aufgrund der Weisung des Antragstellers, daß an Bord und in der Dienstzeit keine Personalratswahl der ... stattfinden dürfe, wurde die Wahl am 10. Mai 1985 als Briefwahl durchgeführt und ihr Ergebnis am gleichen Tage außerhalb der Arbeitszeit und der ... festgestellt
Der Antragsteller hat die Personalratswahl des WSS ... am 20. Mai 1985 angefochten und insbesondere geltend gemacht, daß neben der Verselbständigung der Außenstelle ... eine weitere Verselbständigung eines Dienststellenteils nicht möglich sei, da es an den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 fehle. Das Werkstattschiff sei maximal einige Wochen im Jahr auf See. Eine andere Aufgabenstellung sei auch künftig nicht zu erwarten.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Personalratswahl des WSS ... für ungültig zu erklären.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat vorgetragen: Es müsse auch die zukünftige Entwicklung berücksichtigt werden. Es sei ausreichend, wenn das Schiff in einem zeitlich erheblichen. Umfang von der Dienststelle abwesend sei und wegen der räumlichen Entfernung keine angemessene Personalvertretung stattfinden könne. Er rechne damit, daß die ... zukünftig der Bundesmarine in ständiger Bereitschaft für Einsätze auf See und in anderen Basen zur Verfügung stehen müsse. Deshalb sei die Verselbständigung erfolgt.
Mit Beschluß vom 14. Januar 1986 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgegeben, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Nach Durchführung der Wahl seien Mängel der Verselbständigung mit der Wahlanfechtung geltend zu machen. Das sei hier geschehen. Der Antragsteller sei auch antragsbefugt. Die Wahl sei für ungültig zu erklären, da die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 BPersVG nicht gegeben seien. Die Verselbständigung eines Dienststellenteils einer bereits gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigten Dienststelle könne nur erfolgen, wenn dieser räumlich weit von der Dienststelle entfernt liege. Das sei hier nicht der Fall. Unter Dienststelle sei in diesem Zusammenhang die Außenstelle ... zu verstehen. Die Voraussetzungen der Vorschrift könnten nur dann als erfüllt angesehen werden, wenn das Schiff regelmäßig in einem zeitlich erheblichen Umfang von der Dienststelle entfernt sei. Daran fehle es hier. Ein Zeitraum von wenigen Wochen im Jahr könne in diesem Sinne nicht als zeitlich erheblich angesehen werden. Auch Wertliegezeiten hätten auszuscheiden. Die bloße (vage) Aussicht einer zukünftigen Veränderung der Aufgabenstellung könne bei der Verselbständigung nicht berücksichtigt werden. So habe sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, daß die diesbezüglich vom Beteiligten gehegten Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Aufgabenstellung des Schiffes - vermehrte Bereitschaft für Einsätze auf See und in anderen Basen - bisher nicht eingetroffen seien. Da das WSS ... mit der Außenstelle ... organisatorisch eine Einheit bilde, sei unter den gegebenen Umständen eine Verselbständigung gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG nicht in Betracht gekommen.
Gegen den ihm am 27. Januar 1986 zugestellten Beschluß richtet sich die am 24. Februar 1986 eingelegte und am 24. März 1986 begründete Beschwerde des Beteiligten, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht: Im November 1985 sei in ... die Werkstattanlage an Land fertiggestellt und in Betrieb genommen worden, so daß die Außenstelle ... das WSS ... nicht mehr brauche. Nach einem Umbau in ... sei geplant, die ... als Werkstatt am Arsenalbetrieb ... mit voraussichtlichem Liegeplatz im Gelände des Arsenals einzusetzen. Damit hätten sich frühere Pläne verwirklicht. Zwar stehe der neue Auftrag der ... noch nicht in allen Einzelheiten fest. Es sei aber davon auszugehen, daß die ... gerade nach der Umrüstung in Zukunft nicht so sehr dort eingesetzt werde, wo es ebenfalls Werkstätten gebe, sondern im mobilen Einsatz auf See.
Der Beteiligte beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Wahlunterlagen, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Personalratswahl des WSS ... zu Recht für ungültig erklärt.
Die Beteiligten streiten über die personalvertretungsrechtliche Verselbständigungsfähigkeit des WSS ... gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG.
Einer solchen Verselbständigung bedürfte es allerdings nicht, wenn das WSS ... ohnehin im personalvertretungsrechtlichen Sinne eine eigene Dienststelle mit dem Kapitän als Dienststellenleiter wäre. Diese - vom Beteiligten erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragene - Ansicht trifft jedoch nicht zu. Nach seiner organisatorischen Struktur ist das Marinearsenal vielmehr eine einheitliche Dienststelle. Daß es für die ... eine eigene StAN gibt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn jedes dem Marinearsenal zugehörige Schiff hat eine eigene StAN, ohne allein dadurch den Status einer selbständigen Dienststelle zu erlangen. Auch die Stellung des Kapitäns rechtfertigt keine andere Beurteilung; jedenfalls während der Liegezeiten des Schiffs im Heimathafen ist er voll dem Leiter des Marinearsenals verantwortlich und dessen Weisungen unterworfen. Als selbständige Dienststelle kann das WSS ... deshalb nur aufgrund der Fiktion des § 6 Abs. 3 BPersVG unter den dort genannten Voraussetzungen anzusehen sein. Der Streit um die Verselbständigungsfähigkeit kann, nachdem auf dem Schiff eine gesonderte Personalvertretung gewählt wurde, im Rahmen eines Wahlanfechtungsverfahrens nach § 25 BPersVG ausgetragen werden, wie es der Antragsteller hier zulässigerweise eingeleitet hat (vgl. Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6, Aufl., § 6 RN 34, 35 m. Nachw.; Fischer/Goeres im GKÖD, Bd. V, § 6 BPersVG RN 28; Dietz-Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 6 RN 72). Der Fall, daß die Voraussetzungen für eine Verselbständigung offensichtlich nicht vorlagen und die Wahl deshalb auch ohne Anfechtung nichtig wäre (vgl. BVerwGE 7, 251 [BVerwG 03.10.1958 - VII P 9/57] - PersV 1958, 1959, 141; Dietz-Richardi a.a.O.; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier a.a.O., RN 27), ist hier nicht gegeben.
Die Wahlanfechtung ist auch begründet. Die Verselbständigung des WSS ... war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, nach dem Gesetz nicht zulässig.
Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BPersVG gelten Nebenstellen und Teile einer Dienststelle, die räumlich weit von dieser entfernt liegen, als selbständige Dienststellen, wenn die Mehrheit ihrer wahlberechtigten Beschäftigten dies in geheimer Abstimmung beschließt. (Haupt-)Dienststelle i.S. dieser Vorschrift ist hier das Marinearsenal Wilhelmshaven. Ihr gegenüber hat sich die Außenwerkstatt ... des Arsenalbetriebs ... zulässigerweise verselbständigt, da die gesetzlichen Voraussetzungen insoweit erfüllt sind. Die Außenwerkstatt ... gilt deshalb gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BPersVG personalvertretungsrechtlich als selbständige Dienststelle. Selbst wenn gegenüber dieser - nur kraft gesetzlicher Fiktion als Dienststelle anzusehenden - Teileinheit noch eine weitere "Unterverselbständigung" von Teilen dieser Teileinheit in Betracht kommt, sind aber hinsichtlich des WSS ... die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 BPersVG nicht erfüllt. Allerdings kann grundsätzlich auch ein Schiff eine Nebenstelle oder einen Dienststellenteil i.S. dieser Vorschrift bilden (vgl. zu der entsprechenden ... Qualifizierung als Betriebsteil gemäß § 4 BetrVG Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 4 RN 2). Gesetzliche Voraussetzung ist aber auch in einem solchen Fall die räumlich weite Entfernung zur Mutter-Dienststelle. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach objektiven Maßstäben und nicht danach zu beurteilen ist, ob sich die Mehrzahl der Bediensteten einer Teileinheit von ihrer Dienststelle weit entfernt fühlt (BVerwG, Beschl. v. 15.10.1975 - VII P 18.75 -, PersV 1976, 421 f). Dafür kommt es nicht allein auf die kilometermäßige Entfernung, sondern darauf an, ob es angesichts der Entfernung und der bestehenden Verkehrsverhältnisse gewährleistet ist, daß sich der Personalrat tatsächlich mit den Angelegenheiten der von ihm zu betreuenden Bediensteten genügend zu befassen vermag (BVerwG a.a.O.; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 6 RN 21 m, Nachw.; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, 4. Aufl., § 6 RN 17; Fischer/Goeres im GKÖD, Bd. V, § 6 BPersVG RN 16). Eine ausgeprägte Intensität der Gemeinschaft zwischen den Beschäftigten der Nebenstelle und denen der Dienststelle sowie deren Personalrat muß jedoch nicht gewährleistet sein, da ein solcher Kontakt nicht einmal in örtlich zusammengefaßten größeren Dienststellen besteht oder gefordert werden kann (Fischer/Goeres a.a.O.; Lorenzen/Schmitt/Haas a.a.O.).
Ob nach diesen Maßstäben für ein Schiff die Voraussetzung der räumlich weiten Entfernung erfüllt ist, wird entscheidend davon abhängen, ob das Schiff regelmäßig am Ort der Dienststelle liegt oder die überwiegende Zeit des Jahres auf See ist. Hier ist der erstere Fall gegeben; die ... lag entsprechend ihrer Aufgabenstellung als Werkstattschiff in der weit überwiegenden Zeit des Jahres am Ort der Außenwerkstatt ... - dem Sitz der gegenüber dem Marinearsenal verselbständigten Dienststelle - und befand sich nur wenige Wochen auf See. Es ist auch nicht dargetan, daß sich diese Aufgabenstellung in der voraussehbaren Zukunft entscheidend ändern wird; vielmehr ist davon auszugehen, daß die ... auch nach ihrer Umrüstung nur zwei bis drei Wochen im Jahr auf See sein wird. Diese Umrüstung ist lediglich bedeutsam für die von der ... künftig zu betreuenden Schiffsklassen, hat aber keine wesentlichen Auswirkungen auf das Verhältnis der Liegezeiten in ... und der Verweildauer auf See. Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des Vorbringens des Beteiligten gerechtfertigt, die ... werde nach ihrer Umrüstung von ... nach ... verlegt werden. Dieser Plan ist allerdings, wie sich in der mündlichen Anhörung ergeben hat, inzwischen verwirklicht; die ... ist seit dem 15. Juli 1986 Teil des Marinearsenalbetriebs ... Auch diese neue Zuordnung kann aber keine Grundlage für eine personalvertretungsrechtliche Verselbständigung der ... gegenüber der Außenwerkstatt ... sein. Denn mit ihrer Verlegung nach ... ist die ... Bestandteil des - seinerseits gegenüber dem Marinearsenal ... verselbständigten - dortigen Arsenalbetriebs; ob diesem gegenüber eine weitere Unterverselbständigung in Frage käme, wäre aufgrund der in Zukunft gegebenen Verhältnisse nach den hier aufgezeigten Maßstäben zu beurteilen, kann aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Bernhold
Fabel
Lassen
Tonn