Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 19.03.1986, Az.: 2 VG A 228/84

Anspruch auf Hilfe zur Familienplanung; Anspruch auf Übernahme der Kosten für Mittel zur Empfängnisverhütung gegen den Sozialhilfeträger; Anspruch auf Übernahme der Kosten für Mittel zur Empfängnisverhütung gegen die Krankenkasse; Ärztliche Verordnung empfängnisregelnder Mittel; Begriff der Familienplanung; Begriff der Familie; Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Antibabypille

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
19.03.1986
Aktenzeichen
2 VG A 228/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 18370
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:1986:0319.2VG.A228.84.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 21.08.1986 - AZ: 4 OVG A 95/86
OVG Niedersachsen - 21.08.1986 - AZ: 4 OVG A 95/86

Fundstellen

  • NJW 1987, 2324-2325 (Volltext mit red. LS)
  • NVwZ 1987, 923 (red. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Hilfe zur Familienplanung (§ 37 b BSHG)

Das Verwaltungsgericht Stade - 2. Kammer Stade - hat
in der Sitzung vom 19. März 1986
ohne mündliche Verhandlung
unter Mitwirkung von:
Vorsitzendem Richter am Verwaltungsgericht Dr. von Kunowski
Richter am Verwaltungsgericht Munk
Richterin Dr. Frentz
Ehrenamtlicher Richter ... Ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 1984 und dessen Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1984 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Hilfe zur Familienplanung durch Übernahme der Kosten der ärztlich verordneten empfängnisregelnden Mittel zu gewähren.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt Hilfe zur Familienplanung nach § 37 b Bundessozialhilfegesetz.

2

Die am ... 1966 geborene Klägerin beantragte beim Beklagten am 13. September 1984 die Übernahme der Kosten für Mittel zur Empfängnisverhütung im Rahmen der Hilfe zur Familienplanung. Im Zeitpunkt der Antragstellung ging die Klägerin noch zur Schule und bezog seit März 1984 ergänzende Sozialhilfe zu ihrer Halbwaisenrente in Höhe von monatlich DM 271,20. Gegenwärtig besucht die Klägerin die Hauswirtschaftsschule in ...; der Schulabschluß ist für April 1986 zu erwarten. Die Klägerin verfügt gegenwärtig über folgende Einkünfte:

SozialhilfeleistungeninHöhevonmonatlichDM235,-,
BAFöG-Leistungen""""DM338,-,
Halbwaisenrente""""DM271,20,
anteiliges Kindergeld""""DM75,-.
3

Den Antrag der Klägerin lehnte der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. Oktober 1984 ab und wies zur Begründung darauf hin, daß wegen des Nachrangs der Sozialhilfe gemäß § 2 BSHG die Klägerin gehalten sei, die Übernahme der Kosten eines Verhütungsmittels zunächst bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse ... zu beantragen, bei der sie krankenversichert sei. Sofern die AOK ... die Kostenübernahme ablehnen sollte, weil eine Notwendigkeit zur Einnahme eines empfängnisregelnden Mittels nicht bestehe, könne auch vonseiten des Sozialhilfeträgers eine Hilfe nach § 37 b BSHG nicht gewährt werden.

4

Den Widerspruch der Klägerin vom 1. November 1984 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1984, der Klägerin zugestellt am 6. Dezember 1984, zurück und führte zur Begründung aus, daß nach § 37 b BSHG zur Familienplanung Hilfe nur dann zu gewähren sei, wenn für die Einnahme eines empfängnisregelnden Mittels eine ärztliche Verordnung vorliege. Im übrigen müsse sich die Klägerin auf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung verweisen lassen.

5

Im Laufe des Verwaltungsverfahrens hat die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung ihres Gynäkologen Dr. med. ... vom 19. Oktober 1984 vorgelegt, ferner eine Bestätigung der Allgemeinen Ortskrankenkasse ... vom 13. Dezember 1984, "daß die Übernahme der Kosten für Mittel zur Empfängnisverhütung nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fällt".

6

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vor der Berichterstatterin am 15. Januar 1986 hat die Klägerin erklärt, daß sie gegenwärtig eine Beziehung zu einem festem Freund habe, ohne daß sie sagen könne, daß sie sich mit diesem Freund verloben und gegebenenfalls verheiraten wolle.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 1984 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 4. Dezember 1984 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Hilfe zur Familienplanung durch Übernahme der Kosten der ärztlich verordneten empfängnisregelnden Mittel zu bewilligen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Der Beklagte verteidigt den Inhalt der angefochtenen Bescheide und weist ergänzend darauf hin, daß die Klägerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens keine ärztliche Verordnung für empfängnisregelnde Mittel vorgelegt habe. Im übrigen sehe § 37 b Ziff. 2 BSHG lediglich die Übernahme der Kosten der ärztlich verordneten empfängnisregelnden Mittel vor, zu denen aber Mittel der Empfängnisverhütung nicht gehörten. Nach Vorlage eines Rezeptes des Dr. med. ... vom 16. Oktober 1984 begründete der Beklagte den Klagabweisungsantrag mit einer Selbsthilfepflicht der Klägerin und wies im übrigen darauf hin, daß "Familienplanung" im Sinne des § 37 b BSHG bedeute, daß seitens des Hilfesuchenden die ernsthafte Absicht bestehe, mit einem Partner eine dauerhafte Bindung einzugehen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vertrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Beratung und Urteilsfindung waren, Bezug genommen.

11

II.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erklärt.

12

Die Klage ist zulässig; sie ist insbesondere fristgerecht erhoben worden. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war die Klägerin volljährig, so daß es eines Vertreters im anhängigen Gerichtsverfahren nicht bedurfte. Die Klage ist auch begründet.

13

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 16. Oktober 1984 und vom 4. Dezember 1984 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weil der Klägerin ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der ärztlich verordneten empfängnisregelnden Mittel im Rahmen der Hilfe zur Familienplanung zusteht; die angefochtenen Bescheide waren deshalb aufzuheben und die im Entscheidungstenor genannte Verpflichtung des Beklagten auszusprechen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 VwGO).

14

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 37 b Satz 2, Ziff. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG, in der Neufassung der Bekanntmachung vom 24. Mai 1983 - BGBl. I Seite 613 -). Nach dieser Vorschrift gehört zur Hilfe zur Familienplanung, die nach § 37 b Satz 1 BSHG zu gewähren ist, vor allem die Übernahme der Kosten der ärztlich verordneten empfängnisregelnden Mittel. Auf die Hilfe nach § 37 b BSHG besteht ein Anspruch des Hilfesuchenden (so unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG: Gottschick/Giese, Komment. zum BSHG, 8. Aufl. 1983, § 37 b, Rdziff. 3; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Komment. zum BSHG, 11. Aufl. 1984, § 37 b, Rdziff. 4), wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt sind. Das ist bei der Klägerin der Fall. Dazu im einzelnen:

15

Die Klägerin hat ein Rezept des sie behandelnden Gynäkologen Dr. med. ... vom 16. Oktober 1984 vorgelegt, das die von § 37 b Satz 2, Ziff. 2 BSHG vorausgesetzte ärztliche Verordnung der empfängnisregelnden Mittel darstellt. Darüber hinaus gehört das Präparat, hinsichtlich dessen die Klägerin vom Beklagten die Kostenübernahme beansprucht, zu den "empfängnisregelnden Mitteln" im Sinne des § 37 b Satz 2, Ziff. 2 BSHG, denn § 37 b Satz 2, Ziff. 2 BSHG umfaßt unter dem Begriff der "ärztlich verordneten empfängnisregelnden Mittel" - und dies verkennt der Beklagte - sowohl Mittel zur Ermöglichung einer Schwangerschaft wie zu ihrer Verhütung (Gottschick/Giese, a.a.O., § 37 b, Rdziff. 9; Knopp/Fichtner, Komment. zum BSHG, 5. Aufl. 1983, § 37 b, Rdziff. 7).

16

Zu Unrecht meint der Beklagte, daß § 37 b Satz 2 Ziff. 2 BSHG der Klägerin keinen Kostenübernahmeanspruch einräume, weil in ihrem Falle von einer "Familienplanung" im Sinne des § 37 b Satz 1 BSHG nicht gesprochen werden könne. Die Klägerin hat dazu erklärt, daß sie gegenwärtig eine Beziehung zu einem festen Freund habe, ohne sagen zu können, daß sie sich mit diesem Freund auch verloben und gegebenenfalls verheiraten wolle. Die Klägerin hat weiter erklärt, daß sie in ihrer gegenwärtigen Ausbildungssituation das Risiko einer Schwangerschaft nicht eingehen wolle. Mit dieser Einlassung hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer hinreichende Anhaltspunkte für eine "Familienplanung" im Sinne des § 37 b Satz 1 BSHG vorgetragen. Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Beklagten, daß der Begriff "Familienplanung" im Sinne der vorgenannten Vorschrift einschränkend dahin interpretiert werden müsse, daß seitens des Hilfesuchenden die ernsthafte Absicht zu bestehen habe, mit einem Partner eine dauerhafte Bindung einzugehen.

17

Diese Auslegung des Begriffes "Familienplanung" läßt sich weder unter historischen noch unter teleologischen und systematischen Aspekten rechtfertigen.

18

Für die. Auslegung des Begriffes "Familienplanung" gibt eine Wortlautinterpretation des § 37 b Satz 1 BSHG wenig her. Denn der Familienbegriff des BSHG, wie er sich zum Beispiel in § 7 BSHG äußert, ist zu umfassend, als daß er zur Klärung und Differenzierung des Begriffes "Familienplanung" im Sinne des § 37 b Satz 1 BSHG beitragen könnte. Denn der Familienbegriff des BSHG umfaßt einerseits Ehegatten und ihre Kinder und andererseits durch Abstammungs- und blutmäßige Bande miteinander verbundene Angehörige (Schellhorn/Jirasek/Seipp, a.a.O., § 7, Rdziff. 2; ähnlich: Gottschick/Giese, a.a.O., § 7, Rdziff. 4). Auch der Familienbegriff des Jugendhilferechts, der von einigen Kommentatoren im Rahmen des § 7 BSHG und der Bestimmung des Familienbegriffes des BSHG analog herangezogen wird, führt zu keiner Klärung des Problems. Denn aus der bisherigen Rechtsprechung zum Familienbegriff in § 1 Abs. 3 JWG ist ebenfalls die Annahme eines relativ extensiven Begriffes der "Familie" herauszulesen (vergl. hierzu: VG Arnsberg, Urteil vom 18. Dezember 1981, FamRZ 1982, 834; OVG Münster, Urteil vom 19. Februar 1975 - VIII A 736/74 -, FEVS 23, 286; BVerwG, Urteil vom 31. März 1977 - V C 22/76 -, BVerwGE 52, 214; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1983 - V C 12/82 -, FEVS 32, 353; vergl. ferner: Krug, Komment. zum Jugendwohlfahrtsgesetz, Ausgabe 1984, § 1, Anm. 9).

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Gegen die eingeschränkte Interpretation des Begriffes der "Familienplanung" durch den Beklagten spricht aber eine historische Betrachtungsweise. Denn § 37 b BSHG und der diese einzelne Vorschrift umfassende Unterabschnitt 5 a sind durch § 5 Nr. 5 des Strafrechtsreformergänzungsgesetzes vom 28. August 1975 (BGBl. I Seite 2289) in das BSHG eingefügt worden und gemäß § 13 Strafrechtsreformergänzungsgesetz am 1. Dezember 1975 in Kraft getreten. Parallel zu § 37 b BSHG (und zu § 37 a BSHG) ist § 200 e RVO in Kraft getreten, der folgenden Wortlaut hat:

"Versicherte haben Anspruch auf ärztliche Beratung über Fragen der Empfängnisregelung; zur ärztlichen Beratung gehören auch die erforderliche Untersuchung und die Verordnung von empfängnisregelnden Mitteln".

20

Die im Falle der Klägerin einschlägige Vorschrift des § 37 b Satz 2 Ziff. 2 BSHG geht über diese Bestimmung der RVO insoweit hinaus, als auch die Kosten der empfängnisregelnden Mittel - und nicht nur deren Verordnung - zu übernehmen sind. Insoweit besteht ein Nachrangverhältnis lediglich hinsichtlich § 37 b Satz 2 Ziff. 1 BSHG, dem die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 200 e RVO vorgehen (ebenso: Gottschick/Giese, a.a.O., § 37 b, Rdziff. 2). Die Regelungen des hier einschlägigen § 37 b/BSHG Satz 2, Ziff. 2 sowie der Vorschriften in § 37 a BSHG und in § 200 e RVO sind im Zusammenhang mit den Änderungen des Strafgesetzbuches durch das Strafrechtsreformergänzungsgesetz zu sehen, deren Ziel es war, den Schutzbereich der Regelungen über den Schwangerschaftsabbruch zu präzisieren und näher zu konkretisieren (vergl. hierzu: Schellhorn/Jirasek/Seipp, a.a.O., § 37 a, Rdziff. 4-10). Der Bezug auf diesen historischen Kontext und ein Vergleich mit § 200 e RVO, der für Versicherte generell konzipiert ist, ergibt für die Auslegung des Begriffes "Familienplanung", daß die Hilfe nach § 37 b BSHG nicht nur verheirateten Hilfesuchenden, sondern auch alleinstehenden Hilfesuchenden zugute kommen soll (ebenso: Gottschick/Giese, a.a.O., § 37 b, Rdziff. 6; Schulte/Trenk-Hinterberger, Komment. z. BSHG, 1984, § 37 b, Anm. 3; Schellhorn/Jirasek/Seipp, a.a.O., § 37 b, Rdziff. 3). Eine weitere Einengung des Begriffes "Familienplanung" in dem Sinne, daß vom Hilfesuchenden eine partnerschaftliche Festlegung auf eine bestimmte andere Person verlangt werden müsse, läßt sich aus einer historischen Auslegung des Begriffs nicht ableiten.

21

Der Interpretation des Begriffs "Familienplanung" durch den Beklagten steht auch eine teleologische Betrachtungsweise entgegen. In der Durcksache des Deutschen Bundestages VII/1753 zu § 200 e RVO heißt es:

"Die Versicherten haben Anspruch auf ärztliche Beratung über alle Fragen der Empfängnisregelung, und zwar sowohl zur Erfüllung des Wunsches auf Schwangerschaft als auch zur Verhütung von unerwünschter Empfängnis ...

Mit diesem Leistungsangebot soll auf eine verantwortungsvolle Familienplanung hingewirkt und geholfen werden, den Wunsch nach einem Kinde zu erfüllen oder aber unerwünschte Schwangerschaft zu vermeiden. Personen, die die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfen in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz erfüllen, erhalten darüber hinaus ärztlich verordnete empfängnisregelnde Mittel".

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Abgesehen davon, daß die Bundestagsdrucksache an dieser Stelle noch einmal das Nachrangverhältnis zu § 200 e RVO nur auf § 37 b Satz 2 Ziff. 1 BSHG bezieht, ergibt sich aus dem zitierten Text, daß es das Ziel des Gesetzgebers war, Hilfen bei der Erfüllung des Wunsches nach einem Kinde oder aber Hilfen zur Vermeidung einer unerwünschten Schwangerschaft zu leisten. Das bedeutet, daß der Begriff der "verantwortungsvollen Familienplanung" in einer teleologischen Betrachtungsweise nicht partnerbezogen, sondern nachwuchsbezogen zu verstehen ist. Für eine derartige nachwuchsbezogene Auslegung des Begriffes "Familienplanung" spricht auch, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Vorschriften des § 200 e RVO und des § 37 b BSHG sich ergänzen sollten und daß an die Voraussetzungen einer Hilfegewährung nach § 37 b Satz 2 Ziff. 2 BSHG keine höheren Anforderungen gestellt werden sollten, als an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 200 e RVO, der neutral lediglich von dem "Versicherten" spricht.

23

Der Interpretation des Beklagten steht schließlich eine systematische Betrachtungsweise entgegen. § 37 b BSHG ist im Kontext zu § 37 a BSHG und zu § 38 BSHG zu sehen. Weder § 37 a BSHG noch § 38 BSHG knüpfen nach Inhalt und Zweck an eine spezifische Partnerschaftsbeziehung zwischen der Schwangeren bzw. der Wöchnerin und einem Dritten an. Auch hier sind die sozialhilferechtlichen Leistungen lediglich unter dem Gesichtspunkt des Schutzzweckes für Mutter und Kind zu sehen. Eine unter diesem Aspekt einschränkende Interpretation des Begriffes "Familienplanung" in § 37 b Satz 1 BSHG erscheint nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt.

24

Schließlich weist die Kammer darauf hin, daß rechtstatsächliche Schwierigkeiten entstehen würden, wenn man den Begriff "Familienplanung" im Sinne des Beklagten restriktiv auslegen würde. Denn in diesem Falle müßte man für eine Familienplanung im Sinne des Beklagten verlangen, daß der Hilfesuchende nicht nur konkret zu verstehen gegeben hat, daß er die Ehe oder eine dauerhafte Beziehung mit einem bestimmten Partner beabsichtige, sondern daß er darüber hinaus auch gewisse nach außen erkennbare Zurüstungen getroffen hätte, die objektiv die Gründung einer Familie im Sinne des Familienbegriffs des Beklagten indizieren. Die Kammer hält es für außerordentlich schwierig, in der sozialhilferechtlichen Praxis der örtlichen Sozialhilfeträger im vorgenannten Sinne konkrete subjektive und objektive Kriterien für eine Familienplanung mit einem bestimmten Partner zu prüfen und festzustellen sowie eindeutige Abgrenzungen in den Tatbestandsvoraussetzungen zu treffen.

25

Da die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin unter Berücksichtigung des § 79 BSHG einer Hilfegewährung nicht entgegenstehen, war der Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO stattzugeben.

26

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Ziff. 11 ZPO.

27

Die Berufung bedurfte der Zulassung, da der mögliche Beschwerdewert den Betrag von DM 500,- nicht übersteigt (Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 - BGBl. I Seite 446 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1985 - BGBl. I Seite 1274 -). Die Berufung war zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt, denn zu § 37 b BSHG sind - soweit ersichtlich - bisher ober- und höchstrichterliche Entscheidungen nicht ergangen. Da ferner im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten zahlreiche vergleichbare Fälle zur Entscheidung anstehen, vertritt die Kammer die Auffassung, daß es einer ober- und ggf. höchstrichterlichen Klärung dieser Rechtsfrage bedarf.