Amtsgericht Bad Iburg
Urt. v. 06.03.2007, Az.: 4 C 61/07
Widerruf eines Fitnessstudiovertrages infolge eines nur am Tag der offenen Tür einlösbaren Gutscheins
Bibliographie
- Gericht
- AG Bad Iburg
- Datum
- 06.03.2007
- Aktenzeichen
- 4 C 61/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 56068
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGBADIB:2007:0306.4C61.07.0A
Rechtsgrundlagen
- § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB
- § 346 Abs. 1 BGB
- § 355 BGB
- § 357 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 2007, 1353-1354 (Volltext mit amtl. LS) "Fitnessstudiogutschein"
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Bad Iburg
im schriftlichen Verfahren gem. § 495 a ZPO
mit einer Erklärungsfrist bis zum 26. Februar 2007
durch
den Richter ...
am 06. März 2007
fürRecht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 4.)
Der Streitwert wird auf bis zu 600,- € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a ZPO abgesehen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht trotz des abgeschlossenen Vertrages kein Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Die Beklagte hat den am 12.03.2006 unterschriebenen Vertrag zur Nutzung der Einrichtung des ...-Fit-Studio, vgl. Bl. 4 der Akte, spätestens durch das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.03.2006. vgl. Bl. 16 der Akte, wirksam widerrufen. Gemäß §§ 355, 357, 346 Abs. 1, 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB steht der Beklagten ein gesetzliches Widerrufsrecht zu, weil die Beklagte zum Vertragsabschluss anlässlich eines Haustürgeschäfts i.S.d.§ 312 BGB bestimmt worden ist.
Die Beklagte suchte das Fitness-Studio des Klägers am 12.03.2006 deshalb auf, weil dieser kurz zuvor mit einem Flyer nebst Gutschein bei der Beklagten geworben hatte, vgl. Bl. 15 der Akte. Ausweislich dieses Flyers sollte am 12.03.2006 beim Kläger ein Tag der offenen Tür zur Vorstellung des ...-Fit-Konzepts stattfinden. Oben rechts auf diesem Flyer befindet sich ein Gutschein für drei Monate Gratistraining inklusive Erfrischungsgetränke, Sauna, Solarium und Kurse. Dieser Gutschein ist nur am Tage der offenen Tür einlösbar gewesen. Er enthält keinerlei Einschränkungen, nach denen etwa der Gutschein nur dann einlösbar sein sollte, wenn es tatsächlich zum Abschluss eines weiteren Vertrages mit dem ...-Fit-Studio kommen sollte. Auch ein Zusatz etwa in Form eines Sternchens nebst weiteren Hinweisen ist nicht vorhanden. Am 12.3.2006 wollte die Beklagte beim Kläger den Gutschein einlösen, wo ihr dann dessen Fitnessstudio gezeigt wurde. Sodann kam es zu der Unterzeichnung des Vertrages zur Nutzung der Einrichtung des ...-Fit-Studio, vgl. Bl. 4 der Akte, wonach die Beklagte 2 Jahre lang 14-tägig 9,90 € als Grundtarif zu entrichten hat und lediglich in den ersten 3 Monaten die zusätzlichen Ergänzungsleistungen des Fitness-Treffs beanspruchen kann. Auch für die ersten drei Monate hat die Beklagte jedoch - entgegen dem Gutschein - die 14-tätige Grundgebühr von 9,90 € zu zahlen. Die weiteren Umstände dieses Vertragsabschlusses sind streitig, aber nicht erheblich.
Die Beklagte widerrief (spätestens) durch ihre Prozessbevollmächtigten am 23.03.2006 gegenüber dem Kläger den Nutzungsvertrag wirksam. Das diesbezügliche Bestreiten des Klägervertreters ist nicht zulässig, selbst wenn dem Klägervertreter die Anlagen der Klageerwiderung nicht vorgelegen haben sollten. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagtenvertreterin den Inhalt dieser Anlagen detailliert in ihrer Klageerwiderung ausgeführt hat und es sich auch um eigenes Verhalten des Klägers und dessen Bevollmächtigten handelt. Ausweislich der Anlage K 3 hat der Klägervertreter selbst auf das Widerrufsschreiben vom 23.03.2006 der Prozessbevollmächtigten der Beklagten Bezug genommen, Bl. 18 der Akte, was verdeutlicht, dass dem Kläger sehr wohl das Widerrufsschreiben der Beklagtenvertreterin vom 23.03.2006 zugegangen ist und der Klägervertreter hierauf reagiert hat. Der Klägervertreter widerspricht sich.
Aufgrund dieses zur Überzeugung des Gerichts feststehenden Sachverhaltes steht der Beklagten gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ein Widerrufsrecht zu. Vorliegend wurde ein Vertrag zwischen dem Kläger als Unternehmer und der Beklagten als Verbraucherin über eine entgeltliche Leistung, nämlich die Nutzung des ...-Fit-Studios, abgeschlossen. Dieser Tag der offenen Tür am 12.03.2006 stellt eine vom Kläger selbst durchgeführte Freizeitveranstaltung i.S.d. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB dar.
Grundsätzlich ist von einer "Freizeitveranstaltung" i.S.d.§ 312 BGB auszugehen, wenn das Freizeit- und das Verkaufsangebot derart miteinander verwoben sind, dass der Kunde in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem auf den Vertragsschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann, vgl. BGH NJW 2002, S. 3100, 3100 [BGH 10.07.2002 - VIII ZR 199/01]. Umfasst sind jedoch auch Veranstaltungen, die in den Geschäftsräumen des Unternehmers stattfinden, vgl. BGH NJW-RR 1991, S. 1524, 1524 [BGH 12.06.1991 - VIII ZR 178/90]. Maßgebend ist der tatsächliche Ablauf. Auch bei sogenannten "verdeckten Freizeitveranstaltungen" greift wegen des Umgehungsverbotes nach § 312 f BGB die Vorschrift des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ein. Typische Beispiele für Freizeitveranstaltungen sind die Gewinnabholungsveranstaltungen, in denen Verbraucher unter dem Vorwand zu einem Gespräch bestellt werden, um Gewinne abzuholen und auf denen Verbrauchern Gegenstände zum Kauf bzw. Leistungen angeboten werden, vgl. [...] PK-BGB, 3. Auflage 2006,§ 312 Rn. 44; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1997, S. 433, 434 [OLG Karlsruhe 24.01.1997 - 3 U 28/96]. Der vorliegende Sachverhalt ist mit dem der Gewinnabholungsveranstaltungen vergleichbar. Schließlich ist Ursache des Aufsuchens des klägerischen Fitness-Studios der vom Kläger verteilte Gutschein gewesen, weil Voraussetzung für das dreimonatige Gratistraining nebst Zusatzleistungen lediglich die Gutscheinseinlösung am Tag der offenen Tür gewesen ist, was ausweislich des handschriftlichen Vertragszusatzes auch erfolgte.
Die Einordnung des Tages der offenen Tür als Freizeitveranstaltung erscheint sachgerecht, weil die enumerative Aufzählung in § 312 BGB eine erweiternde Auslegung und sogar eine Analogie gerade nicht ausschließt, vgl. Palandt, 66. Auflage, 2007, § 312, Rn 11 und 15. Dies gilt um so mehr, als dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Anwendung der Vorschrift nicht restriktiv am Wortlaut orientiert sein soll, sondern gerade auch solche Sachverhalte erfassen soll, für die der Normzweck der Regelung ebenso zutrifft wie für sie ausdrücklich geregelte Fälle. Auf eine Umgehungsabsicht des Unternehmers bei Ausgestaltung der jeweiligen Verhandlungssituation kommt es dabei nicht an. Soweit man von einem Spannungsverhältnis zwischen Enumerationsprinzip und Umgehungsverbot sprechen kann, ist dieses mit anderen Worten in der Weise aufzulösen, dass Verhandlungssituationen, die aus Sicht der Überrumpelungsgefahr für den Verbraucher objektiv vergleichbar, jedoch nicht vom Wortlaut der Nr. 1 bis 3 erfasst sind, in den Anwendungsbereich derjenigen gesetzlich geregelten Situation von der Nr. 1 bis 3 einbezogen werden, der sie nach jeweiliger Lage des Falles am nächsten stehen, vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2003,§ 312 BGB, Rn. 48. Der Begriff "Freizeitveranstaltung" ist weniger im eigentlichen Wortsinn als vielmehr im Hinblick auf die Zielsetzung des Haustürwiderrufsgesetz zu verstehen, BGH NJW 1990, S. 181, 181 [BGH 25.10.1989 - VIII ZR 345/88]. Dieses Gesetz will den Verbraucher vor der Gefahr schützen, in bestimmten Situationen bei der Anbahnung und dem Abschluss von Verträgen unter Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheitüberrumpelt oder sonst auf unzulässige Weise zu unüberlegten Geschäftabschlüssen gedrängt zu werden, OLG Karlsruhe, NJW-RR 1997, S. 433, 434 [OLG Karlsruhe 24.01.1997 - 3 U 28/96].
Die Beklagte wurde anlässlich des Tag der offenen Tür als Freizeitveranstaltung bei Unterzeichnung des Vertrages überrumpelt. Erst aufgrund des Flyers und des darauf befindlichen Gutscheins wurde die Beklagte in das Studio des Klägers "gelockt", was dem werbemäßigen Ansprechen des Verbrauchers gemäß § 312 Abs. 1 BGB entspricht. Dort wollte sie diesen Gutschein auch einlösen. Der Überrumpelungseffekt der Beklagten und die damit verbundenen Eröffnung des Schutzbereichs des§ 312 BGB ist darin zu sehen, dass die Beklagte entgegen ihrer Erwartung und entgegen ihres Besuchszwecks die Leistung des Gutscheins nur teilweise erhalten hat. Wie bereits oben ausgeführt, stünde ihr nach dem Gutschein ein dreimonatiges Gratistraining mit Zusatzleistungen zu, welches sie mit dem abgeschlossenen Vertrag aber nicht erhalten hat. Sie muss durchgehend die Grundgebühr entrichten. Grund des Widerrufsrecht ist es aber gerade, dass der Vertrag möglicherweise infolge der besonderen Verhandlungssituation durch situative Überrumpelung zustande gekommen ist, Palandt, § 312 BGB, Rn. 3. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte zuvor durch das Studio geführt wurde. Selbst wenn der Beklagten die - wie vom Kläger behauptet - genauen Einzelheiten des Vertrages vor Unterzeichnung mitgeteilt worden sein sollten, ist trotzdem § 312 BGB einschlägig. Die handschriftliche Ergänzung des Vertrages führt nicht dazu, dass der Vertrag den Leistungen des Gutscheins entspricht. Nach dem Gutschein hätte die Beklagte nämlich komplett drei Monate Anspruch auf Gratistraining nebst obigen Zusatzleitungen gehabt. Jetzt erhält die Beklagte nur die weiteren Leistungen des Fitness-Treffs, die in einigen Bereichen über die des ...-Fit-Vertrages hinausgehen, kostenlos dazu. Bei Einbeziehung des Gutscheins hätte der Vertrag aber so ausgestaltet werden müssen, dass der Vertrag am 01.04.2006 beginnen würde und die ersten drei Monate April, Mai und Juni alle Leistungen kostenlos wären. Dies erfolgte nicht.
Die Ausnahmefälle des § 312 Abs. 3 BGB sind nicht einschlägig.
Dass die Beklagte durch den Vertrag einen Gebrauchsvorteil erlangt hat, ist nicht vorgetragen worden, so dass gem. § 346 Abs. 2 BGB ein klägerischer Anspruch auf Wertersatz ausscheidet.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.