Amtsgericht Bad Iburg
Urt. v. 07.03.2007, Az.: 4 C 1098/06

Bezahlen; Einhängen; Fahrzeugschaden; Herausziehen; Kassencomputerdisplay; Kassierer; Kreditkartenzahlung; Mitverschulden; Nebenpflichtverletzung; Nichtzurückhängen; Schadenersatz; Sicherheitsvorkehrungen; Sperrsystem; Tankabrechnungssystem; Tankstelle; Tankstellenbetreiber; Vergessen; Verschulden; Zapfrüssel; Zapfsäule; Zurückhängen; Überprüfungspflicht

Bibliographie

Gericht
AG Bad Iburg
Datum
07.03.2007
Aktenzeichen
4 C 1098/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71684
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf bis zu 900,-- € festgesetzt.

Tatbestand:

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Die Beklagte betreibt im Bezirk des Amtsgerichts Bad Iburg eine Tankstelle. Im April 2006 betankte der Kläger hier sowohl sein Fahrzeug an der Zapfsäule 2 als auch zeitlich parallel an der Zapfsäule 4 vier Benzinkanister. Der Kläger verstaute die Kanister in seinem Kofferraum, vergaß jedoch, den Zapfrüssel aus seinem Auto wieder herauszuziehen und in die Zapfsäule zu hängen. Er fuhr mit seinem Pkw los und hörte sodann ein Geräusch. Er bemerkte dann, dass sein Fahrzeug hinten rechts beschädigt war; der Nettosachschaden beträgt 800,00 €. Vor Ort erfolgte eine Schadensanzeige gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Kassierer.

2

Unstreitig ist es dem jeweiligen Kassierer der Beklagten möglich, anhand des Kassencomputerdisplays zu erkennen, ob der Zapfrüssel wieder ordnungsgemäß in die Zapfsäule gehängt wurde oder nicht. Der Kassierer kann also vor dem Bezahlen des jeweiligen Tankvorgangs am Kassendisplay erkennen, ob der Kunde vergessen hat, den Zapfrüssel wieder in die Zapfsäule zu hängen.

3

Der Kläger behauptet, dass er vor dem ersten Verlassen des Tankstellengeländes den getankten Treibstoff in Höhe von 80,00 € vollständig bezahlt habe, ohne dass ihn der Kassierer auf sein Versehen hingewiesen habe. Es sei ihm möglich gewesen, den Treibstoff sowohl für die Zapfsäule 2 als auch für die Zapfsäule 4 zu bezahlen, obwohl der Zapfrüssel der Zapfsäule 2 sich noch in seinem Pkw befand. Trotz der entsprechenden Anzeige im Kassendisplay über das Nichtzurückhängen des Zapfrüssels sei der Kassierer in der Lage gewesen, den getankten Betrag an der Kasse abzurechen. Es gebe kein Sperrsystem bei der Beklagten, das bei Nichtzurückhängen des Zapfrüssels ein Abkassieren an der Kasse verhindere. Ein solcher, bei der Beklagten nicht vorhandener Kontrollmechanismus, wonach eine Bezahlung erst möglich ist, wenn der Zapfrüssel vernünftig zurückgehängt wurde, sei aufgrund der häufigen Vergesslichkeit der Kunden jedoch notwendig und müsse von einem Tankstellenbetreiber installiert werden.

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Der Kläger beantragt daher,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 800,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2006 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie behauptet, dass der Kläger sowohl den Treibstoff für sein Auto als auch für dessen Benzinkanister erst nach dem ersten Wegfahren vom Tankstellengelände bezahlt habe, also als der Kläger bereits wieder zurück auf das Tankstellengelände gefahren sei. Die Beklagte verfüge nämlich über das klägerseits geforderte Kontrollsperrsystem. Es sei dem Kassierer nicht möglich, den Tankvorgang anhand der Kasse abzurechnen, wenn der Zapfrüssel nicht ordnungsgemäß in die Zapfsäule zurückgehängt werde. Dann erhalte der Kassierer eine entsprechende Anzeige im Computerdisplay in rot, dass der Tankvorgang noch laufe. Eine Eingabe des Kassierers sei erst nach Zurückhängen in die Zapfsäule möglich. Daher sei die Bezahlung erst nach dem Vorfall erfolgt. Aufgrund der örtlichen Sichtverhältnisse sei es dem Kassierer auch optisch nicht möglich, ein Nichtzurückhängen des Zapfrüssels an der Zapfsäule 2 zu erkennen.

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Das Gericht hat Beweis erhoben über den Hergang des Tankvorgangs und über die Wirkungsweise des Abrechnungssystems durch Vernehmung der Tankstellenpächterin und des Kassierers. Zudem ist der Kläger persönlich angehört worden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28.02.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu.

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1. Es besteht gem. §§ 433, 280 Abs. 1 und 3, 241 Abs. 2, 276 BGB kein Schadensersatzanspruch des Klägers. Der Kläger ist beweisfällig für eine Nebenpflichtverletzung des Kassierers geblieben. Eine Nebenpflichtverletzung in Form der angeblich unterbliebenen Mitteilung des vergessenen Zurückhängens des Zapfrüssels steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.

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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht es das Gericht als erwiesen an, dass der Kläger mit seinem Auto zunächst losfuhr, ohne bezahlt zu haben. Er hat also nicht nur das Zurückhängen des Zapfrüssels, sondern auch das Bezahlen des Treibstoffs vergessen. Bezahlt hat der Kläger erst, als er nach dem Vorfall den Kassierer hiervon berichtete. Das Gericht ist aufgrund des Gesamteindrucks der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass die Beklagte über ein Tankabrechnungssystem verfügt, wonach eine Abrechnung des Tankvorganges an der Kasse nur möglich ist, wenn der Zapfrüssel ordnungsgemäß in die Zapfsäule zurückgehängt wurde. Die jeweiligen Kassierer der Beklagten können aufgrund des Kassensystems erst dann abrechnen, wenn der Zapfrüssel wieder in die Zapfsäule gehängt wurde. Da die vollumfängliche Bezahlung des Treibstoffes mittels Kreditkarte unstreitig ist, war es so, dass der Kläger erst nach dem streitgegenständlichen Vorfall den Treibstoff bezahlt hat und dies vorher vergessen hatte.

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Beide Zeugen haben unabhängig voneinander glaubhaft bestätigt, dass es dieses Kassenkontroll-Sicherungssystem gibt, welches zudem dem Gericht auch selbst bekannt ist. Beide Aussagen wirkten detailliert und individuell. Das Gericht hat keinerlei Anhaltspunkte, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu zweifeln. Den Kassierer trifft kein Verschulden an dem klägerseits entstandenen Schaden. Eine Abrechnung des jeweiligen Tankvorgangs ist aus technischen Gründen erst möglich, wenn der Kunde den Zapfrüssel wieder ordnungsgemäß in die Zapfsäule gehängt hat. Daher konnte der Kassierer vorliegend - anders als vom Kläger behauptet - nicht vor dem ordnungsgemäßen Zurückhängen des Zapfrüssels den Tankvorgang abrechnen, zumal der Kläger unstreitig nicht bar bezahlte. Zudem hat der Kassierer ausgeschlossen, dass jemals ein Kunde das Zurückhängen des Zapfrüssels vergaß, trotzdem bezahlte und erst dann mit dem Wagen wegfuhr und entsprechende Schäden am Pkw verursachte. Es sei immer so, dass bei etwaigen Beschädigungen der Kunde aus dem Bereich der Zapfsäule wegfahren wollte, noch nicht bezahlt hatte und das Zurückhängen des Zapfrüssels einfach vergessen hatte. Dies bestätigte auch die Tankstellenpächterin, die sich ihre Angaben vorher noch vom TÜV und von einer Wartungsfirma hat bestätigen lassen.

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Dass der Kassierer aus optischen Gründen hätte erkennen können und müssen, dass der Kläger den Zapfrüssel nicht zurückgehängt hatte, steht ebenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Hiergegen sprechen bereits die Örtlichkeiten der Tankstelle, vgl. die in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 17 und 18 und die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Betankungsvorgangs erheblicher Publikumsverkehr im Bereich der Tankstelle herrschte. Es kann nicht von einem Kassierer erwartet werden, dass er bei den jeweils tankenden Pkw, bevor diese wegfahren, überprüfen muss, ob die Zapfrüssel ordnungsgemäß zurückgehängt wurden. Dazu dient ja gerade das bei der Beklagten vorhandene Kontrollsystem.

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2. Aus denselben Gründen haben mangels rechtwidriger Handlung des Kassierers auch Ansprüche aus § 831 BGB als Haftung für den Kassierer als Verrichtungsgehilfe keine Aussicht auf Erfolg.

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3. Schadensersatzansprüche gem. § 823 BGB gegenüber der Beklagten wegen Organisationsverschulden scheiden aufgrund des vorhandenen Kassenkontrollsystems aus. Insofern kann es dahinstehen, ob die Beklagte überhaupt dazu verpflichtet gewesen wäre, einen solches Kontrollsystem einzubauen. Weitere Sicherheitsvorkehrungen können bei einer Tankstelle nicht erwartet werden. Für Kunden, die tanken ohne den Zapfrüssel zurückzuhängen und ohne zu bezahlen, hat nicht der Tankstellenbetreiber Sicherungssysteme bereit zu halten. Im Übrigen stellt das vorhandene Tankkontrollsystem, dass ein Kassieren erst nach ordnungsgemäßer Zurückhängung des Zapfrüssels ermöglicht, eine ausreichende Überwachung der jeweiligen Kassierer aus Sicht der Beklagten dar.

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4. Hilfsweise sei der Hinweis erlaubt, dass unabhängig von der Sperrfunktion des Kontrollsystems dem Gericht aufgrund des deutlich überwiegenden Verschuldens des Klägers, der die Hauptursache des Schadens setzte, ohnehin ein Mitverschulden des Klägers gem. § 254 BGB in Höhe von 100 % sachgerecht und angemessen erscheint.

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5. Die Nebenkostenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.