Amtsgericht Wolfenbüttel
Beschl. v. 29.12.2014, Az.: 23 M 6509/14
Bibliographie
- Gericht
- AG Wolfenbüttel
- Datum
- 29.12.2014
- Aktenzeichen
- 23 M 6509/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 42495
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 850k ZPO
Tenor:
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 15.12.2014 wird aufgehoben.
Gründe
In den o. g. Verfahren wurde jeweils per Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel das auf dem P-Konto des Schuldners bestehende Guthaben bei der Drittschuldnerin gepfändet und den Gläubigern zur Einziehung überwiesen.
Der Schuldner kann gemäß § 850 k ZPO über den gesetzlichen Sockelfreibetrag - unter Berücksichtigung einer unterhaltsberechtigten Person - in Höhe von 1.438,34 EUR monatlich verfügen ( Nachweis: Bescheinigung gemäß § 850 k Abs. 5 ZPO ).
Der Schuldner begehrt mit seinem Antrag die Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrages in Höhe von 1.810,00 EUR gemäß § 850 k Abs. 4 i. V. m. § 850 f ZPO durch das Vollstreckungsgericht.
Das Gericht hat folgende Berechnung vorgenommen:
Dem Schuldner ist zu belassen ein Selbstbehalt in Höhe von 391,00 EUR in Anlehnung an den Sozialhilfebedarf nach dem Sozialgesetzbuch (Zöller, 27. Auflage, Rn 7 zu § 850 d; LG Münster, Beschluss vom 29.05.2009, 5 T 18/09 in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH).
Ferner ist dem Schuldner ein Besserungszuschlag in Höhe von 25 % (= 97,75 EUR) als Ausgleich für die Erwerbstätigkeit zu belassen (Zöller, ebenda und LG Münster ebenda). Es ist zu berücksichtigen, dass derjenige, der arbeitet, mehr Geld zur Verfügung haben sollte, als derjenige, der trotz Erwerbsfähigkeit nicht arbeitet (LG Aschaffenburg, Beschluss vom 16.04.2007, 4 T 191/06). Mit dem Zuschlag werden jedoch auch etwaige berufsbedingte Mehraufwendungen pauschal abgegolten (LG Münster, Beschluss vom 29.05.2009, 5 T 18/09).
Dem Schuldner ist zu belassen ein Betrag von 272,00 EUR für Unterhaltszahlungen an seinen Sohn (Nachweis: Kontoauszug).
Dem Schuldner ist ein angemessener Betrag für Wohnkosten zu belassen. Die vom Schuldner nachgewiesenen Wohnkosten in Höhe von 275,00 EUR sind angemessen und in voller Höhe zu berücksichtigen. Zusätzlich ist noch ein Betrag von 52,00 EUR für Heizkosten (Gas) zu berücksichtigen, den der Schuldner zusätzlich aufwendet (erstattungsfähig gemäß LG Koblenz, Beschluss vom 21.02.2011, 13 T 4/11).
Fahrtkosten können nur dann berücksichtigt werden, wenn sie eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn die einfache Entfernung über 30 Kilometer liegt. Eine Entfernung bis zu 30 km stellt eine außergewöhnliche Belastung nicht dar. Denn es ist zu beachten, dass bereits in dem sozialhilferechtlichen Regelsatz ein gewisser Fahrtkostenanteil enthalten ist und etwaige zusätzliche Aufwendungen durch die Erhöhung des Regelsatzes um 25 % abgegolten werden (LG Münster ebenda).
Die einfache, kürzeste Entfernung vom Wohnort des Schuldners in Wolfenbüttel nach Tappenbeck beträgt 46,7 km. Es können daher Fahrtkosten für 16,7 Kilometer zusätzlich als besondere Belastung berücksichtigt werden. Für Fahrtkosten ist eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 0,20 EUR täglich pro Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung zum Arbeitsplatz anzusetzen (LG Darmstadt, Beschluss vom 26.04.2007, 5 T 53/07). Es ist ein Betrag von 66,80 EUR (16,7 x 0,20 x 20 Arbeitstage) zu berücksichtigen.
Die geltend gemachten Kosten für Steuern und Versicherung können nicht berücksichtigt werden, da der Schuldner nicht geltend gemacht hat, dass das Fahrzeug ausschließlich beruflich genutzt wird. Die private Nutzung ist durch den Eckregelsatz bzw. den Selbstbehalt bereits abgegolten (LG Darmstadt, Beschluss vom 26.04.2007, 5 T 53/07). Hierunter fallen auch die Instandhaltungskosten. Die Kosten für die Unterhaltung des Pkw würden zu großen Teilen auch bei einer rein privaten Nutzung des Pkw oder der Nutzung des Pkw für eine Fahrtstrecke zur Arbeit von bis zu 30 Kilometern entstehen und sind deshalb als üblich anzusehen (LG Braunschweig, Beschluss vom 16.05.2011, 6 T 247/11).
Die vom Schuldner weiter geltend gemachten Belastungen von 161,00 EUR (VKH-Rate), 50,00 EUR (Ratenzahlung an LVM) und 50,00 EUR (Rücklagenbildung) können nicht berücksichtigt werden.
Diejenigen Gläubiger, die einen Vollstreckungstitel erwirken und auf dieser Grundlage die Zwangsvollstreckung betreiben, würden dann schlechter stehen, als sonstige Gläubiger, die regelmäßig Tilgungszahlungen des Schuldners erhalten. Auf diese Weise würde die vom Gesetzgeber im Zwangsvollstreckungsrecht vorgesehene Vollstreckungsreihenfolge - nämlich den Vorrang des zuerst Vollstreckenden - ausgehebelt (Landgericht Braunschweig, Beschluss vom 15.12.2011, 5 T 787/11). Auch die Berücksichtigung von Ansparungen für die Rückzahlung des Bildungskredits und des Meister-BAFöGs würden diese Vollstreckungsreihenfolge aushebeln und das Pfandrecht der bereits vollstreckenden Gläubiger schmälern.
Die geltend gemachten Fahrtkosten für das Abholen und Wegbringen des Sohnes können nicht berücksichtigt werden. Es handelt sich hierbei nicht um besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen. Das sind solche, die nicht bereits nach §§ 850a – d, 850 e Nr. 1 berücksichtigt wurden, die außergewöhnlich in dem Sinne sind, dass sie bei den meisten Menschen in vergleichbarer Lage nicht auftreten (Musielak, ZPO, 11. Auflage 2014, § 850f, Rn 5). Die Organisation des Umgangs mit dem Kind trifft jedoch viele Menschen, die nicht mehr mit dem anderen Elternteil liiert sind und nur ein geringes Einkommen haben oder von Sozialleistungen leben. Das Sozialhilferecht sieht hierfür in § 21 SGB II keinen Mehrbedarf vor, so dass davon auszugehen ist, dass solche Kosten vom Eckregelsatz abgegolten sind. Demnach kann auch bei einer Berechnung des monatlichen Bedarfs nach § 850 f ZPO hierfür kein Betrag berücksichtigt werden.
Insgesamt ergibt sich damit ein monatlicher Bedarf von 1.154,55 EUR. Dieser Bedarf liegt unter dem pfandfreien Sockelbetrag gemäß § 850 k ZPO in Höhe von 1.438,34 EUR. Eine Erhöhung des pfandfreien Betrages nach § 850 k Abs. 4 ZPO kommt daher nicht in Betracht.