Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.08.2013, Az.: 1 A 274/12

abstrakt-funktionelles Amt; Beschäftigungsbehörde; Dienstunfähigkeit; Organisationsermessen

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
12.08.2013
Aktenzeichen
1 A 274/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64366
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Prüfungsmaßstab für die Dienstunfähigkeit eines Beamten ist grundsätzlich das innegehabte abstrakt-funktionelle Amt.

Tatbestand:

Der Kläger wehrt sich mit seiner Klage gegen seine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit.

Er ist am XX.XX.XXXX geboren und trat am 01.11.1982 zunächst im Angestelltenverhältnis in den niedersächsischen Schuldienst ein. Am 01.02.1983 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat ernannt, zum 10.01.1985 zum Beamten auf Lebenszeit, zum 15.06.1988 zum N., zum 17.07.1990 zum A.. Mit Verfügung vom 23.05.1990 wurde ihm vom O. P. das Amt eines A. zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben an der Q. R. in S. (T. S.) übertragen. Mit Verfügung der Bezirksregierung K. vom 30.09.1990 wurde sein Aufgabenbereich als schulfachlicher Koordinator näher bestimmt und ihm wurden elf im Einzelnen genannte Aufgaben übertragen, die insbesondere den Fachbereich Agrarwirtschaft der T. S. betrafen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 30.09.1990 Bezug genommen. Der Kläger war seit dem Schuljahr 1990/91 an der T. S. als schulfachlicher Koordinator für den Fachbereich Agrarwirtschaft tätig. Am 15.12.2010 beschloss der Kreisausschuss des Landkreises S., zum Schuljahr 2011/2012 (Beginn 01.08.2011) die gesamte Abteilung Agrarwirtschaft der T. S. an die Q. U. V. (T. V.) zu verlegen. Mit Bescheid vom 08.03.2011 versetzte die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 01.08.2011 aus dienstlichen Gründen als Koordinator der Agrarabteilung an die Q. U. V., da es seit der Verlagerung der Abteilung Agrarwirtschaft von der T. S. an die T. V. für den Kläger an der T. S. keine weitere Verwendungsmöglichkeit als Koordinator gebe. Hiergegen erhob der Kläger Klage und stellte einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim erkennenden Gericht. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Gericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.06.2011 (3 B 131/11) ab. Die Klage (1 A 26/12) nahm der Kläger am 29.04.2013 zurück.

Der Kläger ist seit dem 16.06.2011 durchgehend dienstunfähig erkrankt und hat seinen Dienst bei der T. V. nie angetreten. Am 10.11.2011 wurde er amtsärztlich auf seine Dienstfähigkeit untersucht. Die Amtsärzte Dr. W. und Dr. X. gelangten in ihrem Gutachten vom 19.01.2012 unter Berücksichtigung des psychiatrischen Zusatzgutachtens von Frau Dr. Y. vom 09.01.2012 zu der Feststellung, dass der Kläger an einer somatoformen, autonomen Funktionsstörung mit Konzentrations- und Schlafstörungen, Vergesslichkeit und Unruhezuständen leide. Diese Störung habe Krankheitswert. Die Symptomatik sei durch seine Versetzung an die T. V. ausgelöst worden. Die Versetzung habe zu einer erheblichen psychosozialen Belastungssituation geführt. Der Kläger befinde sich seit August 2011 in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung. Bei einer Fortsetzung der Behandlung sei von einer guten Prognose auszugehen, sodass die amtserfüllende Dienstfähigkeit des Klägers in vier Monaten wiederhergestellt sein sollte. Eine Intensivierung der aktuellen Therapie werde für sinnvoll erachtet. Nach telefonischer Rückfrage erklärte Frau Dr. X. gegenüber der Beklagten, sie könne nicht ausschließen, dass beim Kläger im Falle seines Dienstantritts an der T. V. die Funktionsstörungen, die durch die Versetzungsentscheidung ausgelöst worden seien, erneut auftreten würden. Mit Schreiben vom 02.02.2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, alles zu unternehmen, um seine Dienstfähigkeit wieder herzustellen, insbesondere seine Therapie zu intensivieren. Am 05.06.2012 wurde der Kläger erneut amtsärztlich untersucht; am 10.07.2012 erfolgte eine ergänzende fachpsychiatrische Begutachtung durch Frau Dr. Y.. Laut Gutachten der Amtsärzte Dr. W. und Dr. X. vom 18.07.2012 hat der Kläger diesen gegenüber angegeben, er habe seine Psychotherapie zunächst nicht intensivieren können, weil sein Therapeut nicht bereit gewesen sei, ein hierfür notwendiges Gutachten für die Beihilfestelle zu erstellen. Er habe schließlich zwei- bis dreimal wöchentlich Gespräche mit seinem Hausarzt im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung geführt. Außerdem habe er vermehrt physiotherapeutische Maßnahmen sowie Entspannungsübungen durchgeführt, die dazu geführt hätten, dass sich seine Anspannung etwas gelöst und der Blutdruck gebessert habe. Ergänzend habe er noch gelegentlich Termine bei seinem Therapeuten Dr. Z. gehabt. Seine bisherige Symptomatik bestehe unverändert fort. Die Amtsärzte kamen unter Berücksichtigung des fachpsychiatrischen Zusatzgutachtens von Dr. Y. vom 16.07.2012 zu dem Ergebnis, dass der Kläger seine Behandlungsmöglichkeiten bisher nicht ausgeschöpft habe und wegen der unveränderten Symptomatik deshalb weiterhin als dienstunfähig anzusehen sei. Es werde erneut eine Intensivierung der psychotherapeutischen Behandlung, ggf. eine stationäre psychotherapeutische Behandlung empfohlen.

Mit Schreiben vom 02.08.2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, seine ambulante psychotherapeutische Behandlung durch eine stationäre psychotherapeutische Behandlung, z.B. in der Abteilung Psychokardiologie der Universitätsmedizin S. zu intensivieren. Sollte der Kläger dieser Aufforderung nicht bis zum 15.08.2012 nachkommen, müsste eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erfolgen. Mit Schreiben vom 10.08.2012 teilte der Kläger mit, dass er selbstverständlich bereit sei, seine psychotherapeutische Behandlung zu intensivieren. Er habe dies auch bereits mit seinen behandelnden Therapeuten/Ärzten erörtert und sich wegen der Frage der Beihilfefähigkeit an seine Beihilfestelle gewandt. Die Beihilfestelle sei jedoch nicht bereit, die Kosten insoweit zu übernehmen. Auf Bitte der Beklagten, einen entsprechenden Ablehnungsbescheid der Beihilfestelle vorzulegen, übersandte der Kläger ein Schreiben der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 02.04.2012, das allgemeine Informationen zur Beihilfefähigkeit von stationären psychotherapeutischen Therapien und den Hinweis enthielt, dass eine Kostenübernahme der vorherigen Anerkennung durch die Beihilfestelle bedürfe. Dem Schreiben waren die erforderlichen Antragsvordrucke beigefügt. Mit Schreiben vom 22.08.2012 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass er bisher keinen Ablehnungsbescheid für eine beantragte psychotherapeutische Behandlung vorgelegt habe, ebenso wenig einen Nachweis, dass er einen entsprechenden Antrag gestellt und somit alles zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit getan habe. Dem Kläger wurde nochmals eine Frist bis zum 05.09.2012 gesetzt, innerhalb derer er nachweisen sollte, dass er eine stationäre psychotherapeutische Behandlung beginnen werde. Daraufhin übersandte der Kläger ein Attest seines Hausarztes AA. AB. vom 03.09.2012, wonach der Kläger seit Juni 2011 bei seinem Hausarzt regelmäßig eine psychosomatische Therapie durchführt. Herr AB. gab an, die Fachkunde psychosomatische Grundversorgung zu besitzen.

Mit Schreiben vom 10.09.2012 hörte die Beklagte den Kläger zu seiner beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit an. Hierauf reagierte der Kläger mit Schreiben vom 25.09.2012. Weder die ihn behandelnden Ärzte noch die Amtsärzte des Gesundheitsamtes seien zu der Aussage gelangt, dass in den kommenden sechs Monaten nicht mit einer Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu rechnen sei. Alle Ärzte hätten ausdrücklich den Zusammenhang zwischen der ausstehenden Entscheidung in dem Gerichtsverfahren 1 A 26/12 über die Rechtmäßigkeit seiner Versetzung an die Q. U. V. und seiner dienstlichen Beeinträchtigung festgestellt. Es sei davon auszugehen, dass nach Klärung der rechtlichen Situation eine Besserung seines psychischen und physischen Zustandes eintreten werde. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger seine psychotherapeutische Therapie auch intensiviert.

Mit Bescheid vom 23.10.2012 versetzte die Beklagte den Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Zur Begründung bezog sie sich auf die vorliegenden amtsärztlichen Gutachten und führte weiter aus: Der Kläger sei seit dem 15.06.2011 und damit seit 16 Monaten dienstunfähig erkrankt und habe während dieser Zeit keine der empfohlenen, intensiven psychotherapeutischen Maßnahmen durchgeführt, um wieder dienstfähig zu werden. Seine Versorgung durch einen Allgemein- und Sportmediziner mit einem Fachkundenachweis in psychosomatischer Grundversorgung sei insoweit nicht ausreichend. Der Kläger werde seine amtserfüllende Dienstfähigkeit ohne sein Mitwirken nicht erreichen können. Was die noch ausstehende Entscheidung im Klageverfahren über die Rechtmäßigkeit seiner Versetzung an die T. V. betreffe, so sei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Versetzung für rechtmäßig befunden worden. Sollte im Hauptsacheverfahren die Entscheidung bestätigt werden, sei voraussichtlich weiterhin von einer Dienstunfähigkeit des Klägers auszugehen. So habe der Kläger gegenüber dem Amtsarzt bei der Untersuchung am 10.11.2011 angegeben, er könne eine Versetzung nach V. körperlich und psychisch nicht bewältigen.

Der Kläger hat am 19.11.2012 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne seine Dienstfähigkeit nicht allein durch eine stationäre psychotherapeutische Behandlung wieder hergestellt werden. Die Beklagte sei nach § 29 Abs. 4 Beamtenstatusgesetz verpflichtet gewesen, vor seiner Versetzung in den Ruhestand ihm konkret aufzugeben, welchen Maßnahmen er sich zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu unterziehen habe. Die Beklagte habe ihn nie konkret angewiesen, eine stationäre psychotherapeutische Behandlung durchzuführen, sondern dies lediglich als eine Möglichkeit zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit gesehen. Seine Versetzung in den Ruhestand sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte nicht entsprechend ihrer Verpflichtung nach § 26 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz ausreichend nach einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit für ihn gesucht habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid. Eine anderweitige Verwendung des Klägers sei nicht in Betracht gekommen, denn dies setze voraus, dass der Beamte dienstfähig sei. Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 16.07.2012 sehe der Kläger sich nicht in der Lage, sich innerhalb des ihm verbleibenden Zeitraums bis zum Beginn seines regulären Ruhestands am 31.01.2014 in komplexe neue Aufgabenbereiche einzuarbeiten. Im Rahmen einer anderweitigen Verwendung wäre aber genau dies von ihm zu leisten. Hieraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass er in keinem Fall die gesundheitlichen Anforderungen an eine anderweitige Verwendung erfüllen werde, solange er nicht bereit sei, die entsprechenden – erfolgversprechenden – therapeutischen Maßnahmen durchzuführen. Zudem seien für den Kläger in Betracht kommende Stellen in S. nicht verfügbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Zurruhesetzungsverfügung vom 23.10.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie war deshalb aufzuheben.

Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) sind Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass die Dienstfähigkeit innerhalb einer Frist von sechs Monaten wieder voll hergestellt ist (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i. V. m. § 43 Abs. 2 des Nds. Beamtengesetzes - NBG -). Die Dienstunfähigkeit ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 NBG aufgrund einer ärztlichen Untersuchung (§ 45 Abs. 1 NBG) festzustellen. Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG soll von der Versetzung in den Ruhestand abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist; dies ist der Fall, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG). Nach § 26 Abs. 3 BeamtStG kann zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nichts möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. § 27 Abs. 1 BeamtStG regelt, dass von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abgesehen werden soll, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit).

§ 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begrenzt den Kreis der möglichen Ursachen der Unfähigkeit zur Erfüllung der Dienstpflichten auf den körperlichen Zustand des Beamten sowie auf gesundheitliche Gründe. Diese Tatbestandsmerkmale überschneiden sich und sind daher nicht isoliert, sondern als Einheit zu prüfen. Sie erfassen Erkrankungen aller Art sowie Ausfälle von Körperfunktionen wie z. B. Erblindung oder den Verlust von Gliedmaßen. Zu den Erkrankungen zählen auch solche psychischer Natur, also Geisteskrankheiten im engeren Sinn sowie Geistesschwäche und jede psychische Verfassung, die die geistige Leistungsfähigkeit des Beamten beeinträchtigt. Hierzu gehören nervliche und seelische Beeinträchtigungen und damit jede psychische Erkrankung oder Fehlveranlagung, Gemütsverstimmungen oder sonstige seelischen Zustände, in deren Folge der Beamte zumindest in besonderen Lagen außerstande ist, seine Dienstpflichten zu erkennen oder einsichtsgemäß zu handeln (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 24.09.2002 - 5 LB 19/02 -; Kümmel, Beamtenrecht, Stand: Juni 2012, § 26 BeamtStG Rn. 6 ff.; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juni 2012, § 26 BeamtStG Rn. 25 ff.). Zur Erfüllung des Begriffs der Dienstunfähigkeit reicht es aus, wenn die geistig-seelische Verfassung des Beamten mit Blick auf die Erfüllung seiner amtsgemäßen Dienstgeschäfte bedeutende und dauernde Abweichungen vom Normalbild eines in dieser Hinsicht tauglichen Beamten aufweist. Dabei ist diese Abweichung nicht an dem Normalbild eines im medizinischen Sinn gesunden Menschen zu messen, sondern an der Verfassung eines vergleichbaren und durchschnittlichen, zur Erfüllung seiner amtsgemäßen Dienstgeschäfte tauglichen Amtsinhabers. Es ist daher maßgebend, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution und seines Verhaltens, ohne dass eine Erkrankung im engeren Sinne vorliegen muss, zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 06.09.2007 - 5 ME 236/07 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.02.2005 - 4 S 2398/04 -, NVwZ-RR 2006, 200).

Bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Urteil vom 27.02.1992 - 2 C 45/89 -, DVBl 1992, 912) nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern sind die Auswirkungen seiner körperlichen Beeinträchtigungen auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt nicht allein und ausschlaggebend auf Art und Ausmaß der einzelnen körperlichen Beeinträchtigungen, den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Aus diesem Grund stellt die ärztliche Begutachtung nicht das einzige und allein ausschlaggebende Beweismittel für die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit dar (BVerwG, Urteil vom 27.02.1992, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Dabei ist für die Feststellung der Dienstunfähigkeit nicht erforderlich, dass dem Beamten die Fähigkeit zur Dienstleistung vollständig verloren gegangen ist. Er ist auch dann dienstunfähig, wenn er seinen Dienstpflichten infolge der gesundheitlichen Mängel nur unter Umständen nachkommen kann, die mit den dienstlichen Anforderungen nicht vereinbar sind, und hierdurch der ordnungsgemäße Ablauf der Dienstgeschäfte unzumutbar erschwert wird (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.03.2009 - 6 A 2615/05 -, ZBR 2009, 347 m.w.N.). Eine zur Dienstunfähigkeit im jeweiligen Amt führende Beeinträchtigung kann deshalb beispielsweise bereits vorliegen, wenn der Beamte wegen seiner geistig-seelischen Konstitution schon unterhalb der Schwelle einer psychischen Erkrankung nicht mehr imstande ist, seine Pflicht zur harmonischen Zusammenarbeit mit den übrigen Bediensteten oder seinen Vorgesetzen zu erfüllen, und dadurch den Verwaltungsablauf erheblich beeinträchtigt.

Prüfungsmaßstab der vom Dienstherrn zu stellenden Prognose sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anforderungen des dem Beamten zuletzt übertragenen Amts im abstrakt-funktionellen Sinn. Nicht entscheidend sei, dass der Beamte die Aufgaben bewältigen könne, die ihm das konkret-funktionelle Amt, d. h. der Dienstposten, stelle (ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 23.09.2004 - 2 C 27/03 -, juris, m.w.N.). Mit der Übertragung des Statusamtes an den Beamten stehe im Allgemeinen zwar fest, welche Aufgaben der Beamte zu erfüllen habe, etwa – wie hier – die Aufgaben eines Beamten des höheren Dienstes, nicht entschieden sei aber, welches abstrakt-funktionelle Amt der Beamte inne haben solle. Das abstrakt-funktionelle Amt werde dem Beamten vielmehr durch einen weiteren Einzelakt des Dienstherrn übertragen. Die Übertragungsverfügung benenne das übertragene, einer bestimmten Behörde zugeordnete Amt. Die Zuordnung dieses Amtes zu dieser Behörde liege – unbeschadet gesetzlicher Regelungen – im Organisationsermessen des Dienstherrn und erfolge durch Organisationsentscheidung der hierfür zuständigen Stelle (BVerwG, Urteil vom 23.09.2004, a.a.O., Rn. 13).

Dem Kläger war zuletzt das abstrakt-funktionelle Amt eines A. zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben an der T. V. übertragen. Mit der Versetzungsverfügung vom 08.03.2011 wurde die Verfügung des O. P. vom 23.05.1990, mit welcher dem Kläger das abstrakt-funktionelle Amt eines schulfachlichen Koordinators an der T. S. übertragen worden war, aufgehoben und dem Kläger wurde das (neue) abstrakt-funktionelle Amt eines Koordinators an der T. V. übertragen. Dass dem Kläger ein abstrakt-funktionelles Amt bei der T. V. und nicht im landesweiten Geschäftsbereich der Beklagten übertragen wurde (vgl. zur Frage des abstrakt-funktionellen Amts im Fall der Beschäftigung bei einer landesweit tätigen Behörde BVerwG, Urteil vom 28.06.1990 - 2 C 18/89 -, ZBR 1990, 352), ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Versetzungsverfügung wo es heißt, „…aufgrund dessen werden Sie als Koordinator der Agrarabteilung an die T. V. versetzt, da keine weitere Verwendungsmöglichkeit als Koordinator an den T. AC. besteht“. Die Formulierung könnte sogar so verstanden werden, dass dem Kläger als abstrakt-funktionelles Amt nicht nur das Amt eines Koordinators an der T. V., sondern sogar ausschließlich das abstrakt-funktionelle Amt als Koordinator der Agrarabteilung an der T. V. übertragen wurde. Dagegen spricht allerdings der nachfolgende Satz „an den T. V. sollen Sie wieder als Koordinator der AD. eingesetzt werden“. Dieser Satz legt nahe, dass dem Kläger mit der Versetzungsverfügung vom 08.03.2011 nicht nur sein neues abstrakt-funktionelles Amt eines Koordinators an der T. V., sondern zugleich auch sein konkret-funktionelles Amt als Koordinator der Agrarabteilung übertragen werden sollte. Im Gegensatz zu der Ämterzuweisung im Jahr 1990, wo dem Kläger durch zwei Verfügungen zum einen sein abstrakt-funktionelles Amt als schulfachlicher Koordinator an der T. S. (Verfügung vom 23.05.1990) und zum anderen sein konkret-funktionelles Amt als schulfachlicher Koordinator der Abteilung Agrarwirtschaft (Verfügung vom 30.09.1990) übertragen worden waren, erfolgte eine solche getrennte Ämterzuweisung für den Kläger im Rahmen der Versetzungsentscheidung an die T. V. nicht.

In zeitlicher Hinsicht beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene dauernd dienstunfähig ist, sodass danach eingetretene Veränderungen nicht zu berücksichtigen sind (BVerwG, Urteil vom 16.10.1997 - 2 C 7.97 -, BVerwGE 105, 267, m. w. N. zum inhaltsgleichen § 42 Abs. 1 Satz 1 BBG in der bis zum 11.02.2009 geltenden Fassung). Dauernde Dienstunfähigkeit liegt vor, wenn die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten nach den Erkenntnissen der Behörde in absehbarer Zeit unwahrscheinlich ist. Hingegen ist nicht die Feststellung erforderlich, dass der Beamte für alle Zukunft oder etwa jedenfalls bis zum Erreichen der Altersgrenze dienstunfähig ist (Schütz/Maiwald, a.a.O., Rn. 36). Denn einer eventuell günstigen Entwicklung wird durch die Reaktivierungsmöglichkeit des § 29 BeamtStG Rechnung getragen. Zur Beantwortung, was als „dauernd“ im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG anzusehen ist, können § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i. V. m. § 43 Abs. 2 NBG herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1966 - VI C 56.63 -, ZBR 1967, 148 zu § 42 BBG a. F.), sodass das Tatbestandsmerkmal vorliegt, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in den nächsten sechs Monaten nicht zu rechnen ist (vgl. Kümmel, a.a.O., Rn. 14).

Nach diesen Vorgaben war der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zurruhesetzungsbescheids vom 23.10.2012 dauernd dienstunfähig.

Er war im Zeitpunkt des Erlasses der Zurruhesetzungsverfügung vom 23.10.2012 16 Monate, und damit innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten, mehr als 3 Monate (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) dienstunfähig erkrankt und es bestand keine Aussicht, dass innerhalb einer Frist von 6 Monaten seine Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt sein würde (§ 26 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz BeamtStG i.V.m. § 43 Abs. 2 NBG). Die Amtsärzte Dr. W. und Dr. X. kamen in ihrem zweiten Gutachten vom 18.07.2012 unter Berücksichtigung des fachpsychiatrischen Zusatzgutachtens von Frau Dr. Y. vom 16.07.2012 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger die bereits im Gutachten vom 19.01.2012 festgestellte, somatoforme autonome Funktionsstörung bei psychosozialer Belastungssituation fortbestehe. Die Symptomatik sei nach Angaben des Klägers in unveränderter Ausprägung vorhanden, sodass dieser weiterhin arbeitsunfähig krank und damit nicht dienstfähig sei. Da der Kläger die empfohlene Intensivierung seiner psychotherapeutischen Behandlung nicht umgesetzt habe, habe er seine Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit werde deshalb weiterhin eine Intensivierung der psychotherapeutischen Behandlung, ggfs. eine stationäre psychotherapeutische Behandlung, z.B. in der Abteilung für Psychokardiologie der Universitätsmedizin S., empfohlen. Demnach war der Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung dienstunfähig. Er war aber auch noch im Erlasszeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung dienstunfähig, denn er ist der Empfehlung der Gutachter, seine psychotherapeutische Behandlung zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu intensivieren, nicht gefolgt. Er ist der schriftlichen Aufforderung der Beklagten vom 02.08.2012, sich einer stationären psychotherapeutischen Behandlung, z. B. in der Abteilung Psychokardiologie der Universitätsmedizin S. zu unterziehen, nicht nachgekommen. Er hat noch nicht einmal einen Antrag auf Kostenübernahme für eine (stationäre) Therapie bei seiner Beihilfestelle gestellt. Er hat seine Gesunderhaltungspflicht auch nicht durch die Behandlung bei seinem Hausarzt erfüllt, denn die Behandlung durch einem Allgemein- und Sportmediziner mit einem Fachkundenachweis in psychosomatischer Grundversorgung genügt nicht den Anforderungen einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung. Die Beklagte musste auch unter Berücksichtigung des noch anhängigen Klageverfahrens 1 A 26/12 nicht davon ausgehen, dass die Dienstfähigkeit des Klägers in 6 Monaten wiederhergestellt sein könnte. So war im Entscheidungszeitpunkt der Beklagten zum einen nicht absehbar, wann die gerichtliche Entscheidung ergehen wird. Zum anderen war bei realistischer Einschätzung mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers nur im Fall einer für ihn positiven Entscheidung zu rechnen, wovon unter Berücksichtigung der für ihn negativen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren jedoch eher nicht auszugehen war.

Die Zurruhesetzungsverfügung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte im Zeitpunkt ihrer Entscheidung eine anderweitige Verwendung des Klägers nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG nicht geprüft hat. Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG). Die Weiterverwendung des in seinem bisherigen Amt dienstunfähigen Beamten setzt voraus, dass ihm ein anderes Amt übertragen werden kann. Dabei kommt grundsätzlich jedes andere dem Amt des Beamten im abstrakt-funktionellen Sinne entsprechende Amt in Betracht, für das der Beamte noch dienstfähig ist und die Befähigung im Sinne des Laufbahnrechts besitzt oder jedenfalls erwerben kann (Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 26 BeamtStG Rn. 87). Da der Kläger das abstrakt-funktionelle Amt eines Koordinators an der T. V. inne hat, kam als anderes Amt im Sinne des § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG nur eine andere Koordinatorenstelle an der T. V. in Betracht. Ungeachtet der Frage, ob es an der T. V. überhaupt eine freie Koordinatorenstelle gab, wäre der Kläger für eine solche Koordinatorenstelle ebenfalls dienstunfähig gewesen. Denn auch in diesem Fall hätte die psychosoziale Belastungssituation fortbestanden, die seine Dienstunfähigkeit ausgelöst hat. Er hätte unverändert eine längere Anfahrtszeit zu einem neuen Dienstort gehabt und er hätte sich zudem in einem weitaus größeren Maße in ein neues Tätigkeitsfeld einarbeiten müssen, als dies bei einer Tätigkeit als Koordinator des Bereichs Agrarwirtschaft der Fall gewesen wäre. So hat der Kläger gegenüber Frau Dr. Y. selbst angegeben, er sehe sich nicht in der Lage, sich innerhalb des ihm verbleibenden Jahres bis zum regulären Ruhestand in komplexe neue Aufgabenbereiche einzuarbeiten. Ferner traue er sich auch die erheblich weitere Fahrt nach V., z.B. im Winter mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht zu. Sollte er nach V. versetzt werden, werde er sich weiterhin von seinem Hausarzt krankschreiben lassen.

Die Zurruhesetzungsverfügung ist jedoch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte es versäumt hat, eine Ermessensentscheidung nach § 26 Abs. 3 BeamtStG zu treffen. Danach kann zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist. Nach dieser Vorschrift kann dem Beamten folglich eine Tätigkeit übertragen werden, die in ihrer Wertigkeit nicht seinem abstrakt-funktionellen Amt entspricht; wobei er sein abstrakt-funktionelles Amt trotzdem behält. Bei der Ermessensausübung ist einerseits das öffentliche Interesse daran, den Beamten nicht vorzeitig in den Ruhestand versetzen zu müssen und dadurch Versorgungsmittel einzusparen, zu berücksichtigen. Andererseits sind aus Gründen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und im Hinblick darauf, dass dem Beamten die geringerwertige Tätigkeit ohne seine Zustimmung übertragen werden kann, die schutzwürdigen Belange des Beamten, z.B. in gesundheitlicher Hinsicht, zu beachten (Schütz/Maiwald a.a.O., § 26 Rn.110). Demnach hätte die Beklagte z.B. prüfen können, ob der Kläger weiterhin als Lehrer an der T. S., jedoch ohne Koordinatorenfunktion, hätte beschäftigt werden können.