Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.01.2023, Az.: L 3 KA 32/21
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.01.2023
- Aktenzeichen
- L 3 KA 32/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 45178
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2023:0125.3KA32.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 10.03.2021 - AZ: S 20 KA 28/17
Rechtsgrundlagen
- BGB § 677
- BGB § 683
- SGB V § 69 Abs. 1 Satz 3
Amtlicher Leitsatz
Zu den Voraussetzungen der Besorgung eines fremden Geschäfts nach den Vorschriften zur Geschäftsführung ohne Auftrag beim Direktbezug von Blutgerinnungsfaktoren.
In dem Rechtsstreit
B.
- Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
C.
gegen
D.
- Beklagte, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
E.
hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2023 in Celle durch die Richter F. - Vorsitzender -, Dr. G. und H. sowie den ehrenamtlichen Richter I. und die ehrenamtliche Richterin J. für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 2021 geändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 233.726,61 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus abgetretenem Recht geltend.
Die vormals unter der Firma K. GmbH geführte Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Facharzt für Transfusionsmedizin PD Dr. L. ist. Der Arzt war bis September 2022 zugleich Einzelunternehmer des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) M., das als hämostaseologische Facharztpraxis an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in N. teilnimmt. Trägerin des MVZ ist inzwischen die M. MVZ GmbH; PD O. ist dort seit Oktober 2022 als angestellter Arzt tätig.
Für die Versorgung des bei der Beklagten versicherten Daniel A. mit Blutgerinnungsfaktoren im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern lieferte die Bayer Vital GmbH (Herstellerin) am 26. Mai 2015 30 Packungen Kogenate Bayer 2000 Fertigset an die Klägerin. Hierfür stellte sie der Klägerin 51.000,00 Euro netto zzgl Umsatzsteuer (19 % = 9.690,00 Euro), mithin 60.690,00 Euro brutto in Rechnung (Rechnung vom 26. Mai 2015). Die Klägerin zahlte darauf unter Abzug des ihr eingeräumten Skontos (iHv 1,5 %) 59.779,65 Euro durch Überweisung von ihrem Geschäftskonto.
Anschließend stellte sie ihrerseits der Beklagten 62.728,40 Euro (abzüglich einer Zuzahlung iHv 10 Euro) in Rechnung. Dabei gab sie in ihrer Rechnung vom 8. Juni 2015 (Rechnungs-Nr 15097) Namen, Geburtsdatum und Versichertennummer des Versicherten sowie die Artikelbezeichnung "Kogenate 2000 I. E." und den Faktor 30 an. Die Rechnung enthält außerdem die Anmerkung "Aufwendungsersatz gemäß Arzneimittelversorgungsvertrag zwischen den Ersatzkassen und dem DAV Berlin vom 01.08.2013, Anlage 2 Teil 1: (P. -Einkaufspreis zzgl. 3% + 6,38 Euro pro Packung)".
Die Beklagte lehnte eine Begleichung der Forderung auch nach einem Gespräch zwischen den Beteiligten und wiederholten Mahnungen ab. Dazu vertrat sie ua in einem Schreiben vom 22. Dezember 2015 die Auffassung, dass der Klägerin kein Anspruch in der geforderten Höhe zustehe. Ihr stünden weder Verzugszinsen und Mahngebühren noch Verwaltungsgebühren zu. Die eingereichten Rechnungen könnten nicht akzeptiert werden und seien zu korrigieren. In einem weiteren Schreiben (vom 13. Oktober 2016) erklärte die Beklagte, dass der Rechnungsbetrag, über den Einigung bestehe, nach Eingang einer korrigierten Rechnung über diese (unstreitigen) Beträge selbstverständlich gezahlt werde.
Am 10. November 2016 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage erhoben, mit der sie nunmehr einen Anspruch auf Aufwendungsersatz iHv 61.788,91 Euro nach §§ 670, 683 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus abgetretenem Recht nebst Zinsen (iHv 4 % ab dem 4. September 2015 <gesetzliche Zinsen> sowie iHv 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2015 <Verzugszinsen>) geltend gemacht hat. Dazu hat sie vorgetragen, dass das MVZ M. den Versicherten im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern versorgt habe, indem es die Faktorpräparate "über die Klägerin direkt beim Hersteller" bezogen und an den Versicherten abgegeben habe. Sie sei vom MVZ M. als Rechenzentrum gemäß § 300 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beauftragt worden, die diesbezügliche Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen vorzunehmen. Das MVZ M. habe die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Aufwendungsersatz an sie abgetreten. Mit ihrer Rechnung habe sie den Ersatz der entstandenen Aufwendungen in Höhe der verauslagten Kosten für die Arzneimittel sowie der "weiteren Aufwendungen, die für die Beschaffung und Abgabe angefallen sind (3 % des Nettopreises pauschal zzgl. 6,38 € pro Packung zzgl. Umst.)" unter Anwendung des zwischen den Ersatzkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (DAV) geschlossenen Arzneiversorgungsvertrages bzw des Arzneiliefervertrages zwischen dem Niedersächsischen Landesapothekerverband und der AOK Niedersachsen gefordert.
Der Anspruch auf Ersatz der für die Versorgung der Versicherten mit Gerinnungsfaktorzubereitungen aufgewendeten Kosten folge aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Die diesbezüglichen Vorschriften des BGB seien im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden. Das MVZ M. habe im Rahmen der Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags den bei der Beklagten gesetzlich versicherten Patienten versorgt. Hierdurch seien dem MVZ Kosten entstanden, die anderweitig nicht erstattet würden. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der hämostaseologisch verantwortliche Arzt aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot heraus grundsätzlich verpflichtet, Gerinnungsfaktorzubereitungen im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern direkt an seine Patienten abzugeben. Damit sei das MVZ im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verpflichtet, Tätigkeiten als Geschäftsbesorgung für die Beklagte zu übernehmen, die ansonsten eine Apotheke übernehme. Das MVZ habe folglich die Aufgabe der Beklagten nach § 2 Abs 1 SGB V wahrgenommen, ohne über Vorschriften des SGB V hierzu verpflichtet zu sein. Die Geschäftsführung entspreche dem Willen der Beklagten. Indem es die Kosten getragen habe, die durch den Bezug und die Abgabe an die Versicherten angefallen seien, habe das MVZ ein fremdes Geschäft geführt. Der Geschäftsführer habe einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Dazu zählten vor allem diejenigen freiwilligen Vermögensopfer, die der Geschäftsführer zum Zweck der Ausführung des Geschäfts erbracht hat, wie Auslagen für Reisen, Telefonate, Porto, Prozesskosten oder die Tilgung von Schulden des Geschäftsherrn; ferner könne er Ersatz für die Kosten des eingesetzten Personals und für die Maschinen verlangen. Ihm werde die übliche Vergütung und damit ein Verdienst zugebilligt, wenn die Geschäftsbesorgung in seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit fällt. Die übliche Vergütung einer Apotheke ergebe sich unter Anwendung der Vorschriften des genannten Arzneiversorgungsvertrages.
Die Beschaffung und insbesondere die Abgabe von Arzneimitteln werde nicht durch das nach den Vorschriften des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) zu leistende vertragsärztliche Honorar vergütet. Da die Abgabe von Arzneimitteln grundsätzlich den Apotheken vorbehalten sei und ein Arzt nur in eng definierten Ausnahmefällen Arzneimittel an seine Patienten abgeben dürfe, sei eine Abgeltung der mit der Beschaffung, Lagerung und Abgabe der Faktorpräparate verbundenen erheblichen Kosten über den EBM ausgeschlossen. Die Klägerin wende Personalkosten und weitere Kosten auf, die zwingend mit der Beschaffung und Abgabe der Faktorpräparate einhergingen (wird im Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 näher ausgeführt).
Abweichend vom Inhalt ihrer Rechnung hat die Klägerin in der Klageschrift den vorgenommen Skontoabzug iHv 1,5 % der Arzneimittelkosten berücksichtigt.
Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 hat sie die Klage auf Zahlung weiterer 171.937,70 Euro nebst Zinsen erweitert. Auch insoweit macht sie Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus abgetretenem Recht geltend, denen die Versorgung der bei der Beklagten versicherten Anton W. und Nico M. mit Faktorpräparaten zugrunde liegt. Die Lieferung der Arzneimittel erfolgte wiederum direkt durch die Hersteller, in diesen Fällen allerdings nicht an die Klägerin, sondern an Hausarztpraxen am jeweiligen Wohnort der Versicherten. Die Kosten der Gerinnungsfaktoren wurden der Klägerin wie folgt in Rechnung gestellt:
Hersteller/Lieferant Rechnungsdatum Rechnungsbetrag (brutto) XXX 03.07.2015 20.230,00 Euro XXX 23.07.2015 39.984,00 Euro XXX 02.07.2015 29.988,00 Euro XXX 06.08.2015 30.345,00 Euro XXX 27.08.2015 44.982,00 Euro
Die Klägerin beglich die Rechnungen wiederum unter Abzug der eingeräumten Skonti (1,5 % bzw 3 %) durch Überweisung von ihrem Geschäftskonto. Anschließend stellte sie der Beklagten diesbezüglich Aufwendungsersatz iHv 93.667,40 Euro (Rechnung vom 12. August 2015, Rechnungs-Nr 15140) bzw 78.270,30 Euro (Rechnung vom 14. September 2015, Rechnungs-Nr 15164) in Rechnung. Die Beklagte leistete auch auf diese Rechnungen keine Zahlungen.
Zur Begründung der Klageerweiterung hat die Klägerin im Wesentlichen auf die Klagebegründung vom 10. November 2016 und die weiteren Schriftsätze Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat insbesondere die Auffassung vertreten, dass eine ordnungsgemäße Rechnung nur den nachgewiesenen Einkaufspreis abzüglich gewährter Rabatte und Skonti enthalten dürfe. Eine als Aufwandsentschädigung geltend gemachte Vergütung stehe der Klägerin nicht zu; die Erstattung der reinen Arzneimittelkosten habe sie der Klägerin für den Fall einer korrekten Rechnungslegung bereits zugesichert. Nach der Klageerweiterung hat die Beklagte außerdem eingewandt, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei. Sie mache Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend, habe aber keine entsprechende Abtretungserklärung vorgelegt.
Die Klägerin hat im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung beim SG am 23. Oktober 2019 eine Abtretungsvereinbarung vorgelegt, nach deren Inhalt das MVZ M. die "Forderungen gegen die Barmer GEK
RG-Nr. 15-097 über 61.788,91 Euro
RG-Nr. 15-140 über 78.270,30 Euro
RG-Nr. 15-164 über 93.667,40 Euro
an die M. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer PD Dr. Q., R. 23, 30159 N." unter dem 28. September 2015 abgetreten und die "M. GmbH" die Abtretung angenommen hat.
Mit Urteil vom 10. März 2021 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 221.121,40 Euro nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 59.779,65 Euro ab dem 10. November 2016 und auf einen Betrag von 221.121,40 Euro ab dem 21. Oktober 2019 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig und hinsichtlich der aufgewendeten Kosten für die verordneten Präparate begründet. Hinsichtlich des Aufwendungsersatzes in Höhe einer Apothekenvergütung bleibe die Klage aber ohne Erfolg.
Es sei kein Raum für die Anwendung der Grundsätze über den Aufwendungsersatz im Rahmen der GoA. Soweit die Klägerin ihren Anspruch mit einem zusätzlichen Aufwand an ärztlichen Tätigkeiten begründe, müsse dies wegen des abschließenden Charakters des EBM unbeachtlich bleiben. Nichts anderes könne für die von der Klägerin aufgeführten nichtärztlichen Leistungen gelten. Diese Verwaltungsaufwendungen gehörten zu den allgemeinen Praxiskosten, die nach den Vorgaben des EBM grundsätzlich über die Gebührenordnungspositionen (GOP) abgedeckt seien. Im Übrigen werde in den Abschnitten 7.3 und 7.4 des Allgemeinen Teils des EBM hinsichtlich von Kosten für Arzneimittel, die der Kranke zur weiteren Verwendung behalte, auf die Regelungsbefugnis der Gesamtvertragspartner verwiesen. Schließlich habe sich auch das BSG bereits mit der Frage eines besonderen Aufwands im Zusammenhang mit der Direktabgabe von Gerinnungsfaktoren beschäftigt und einen solchen besonderen Aufwand nicht gesehen.
Die besondere Spezialisierung des MVZ und die dadurch bedingte Kostenstruktur mache keine andere Bewertung notwendig. Die Kammer sehe zwar, dass dadurch in einem anderen Umfang Aufwendungen entstünden als in dem vom BSG zu beurteilenden Fall, wenn in nicht unerheblichem Umfang Aufgaben übernommen würden, die im Regelfall von einer Apotheke erbracht würden. Insoweit habe die Klägerseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch auf die vorliegende Großhandelserlaubnis und eine Trennung zwischen dem ärztlichen Bereich und der Beschaffung hingewiesen. Die damit verbundenen Folgen dieser Ausrichtung im Allgemeinen und die Ausgestaltung des Direktbezuges im Besonderen seien aber Auswirkungen einer unternehmerischen Entscheidung. Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass sich die Klägerin zu einer derartigen Ausweitung ihres Pflichtenkreises hätte veranlasst sehen müssen, stehe der Geltendmachung eines Aufwendungsersatzes im Umfang der Apothekervergütung jedenfalls § 129 SGB V entgegen. Denn dort seien zwingend vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten vorgesehen, sodass daneben kein Raum für einen außervertraglichen Aufwendungsersatzanspruch mehr sein könne.
Unabhängig hiervon lägen die Voraussetzungen einer GoA nicht vor. Die Abgabe der streitigen Präparate stelle für das MVZ kein fremdes Geschäft dar, sondern sei eine Verpflichtung des Leistungserbringers und leite sich unmittelbar aus dem Wirtschaftlichkeitsprinzip ab. Insoweit könne nicht auf den Sachleistungsanspruch der betroffenen Versicherten abgestellt werden, weil sich der in diesem Verfahren geltend gemachte Aufwand gerade aus der Wahl des Bezugsweges ergebe. Schließlich habe die Klägerin konkrete tatsächliche Aufwendungen im Verfahren nicht nachgewiesen. Diese seien lediglich in allgemeiner Form behauptet worden. Die Kammer gehe zudem davon aus, dass ein besonderer Aufwand der Klägerin für einen Teil der streitigen Verordnungen auch nicht nachweisbar sein werde. So ergebe sich aus den mit der Klageerweiterung eingereichten Rechnungen der Arzneimittelhersteller, dass die bestellten Präparate unmittelbar an andere (Hausarzt-)Praxen geliefert worden seien.
Hinsichtlich der Aufwendungen für die Beschaffung der Arzneimittel sei die Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Zwar sei die Klägerin grundsätzlich für die Verordnung von Bluterpräparaten bei ärztlich kontrollierter Selbstbehandlung verpflichtet. Dies bedeute indes nicht, dass sie die dafür anfallenden Arzneimittelkosten selbst zu tragen hat. Die Versorgung mit Arzneimitteln falle allein in den Aufgabenbereich der Beklagten. Die Beschaffung der Arzneimittel stelle für den hämostaseologisch qualifizierten Arzt ein fremdes Geschäft dar, da die Beschaffung auf eigene Rechnung selbst nicht zu dessen Pflichten gehöre. Diese Geschäftsbesorgung entspreche auch dem Willen der Beklagten. Das MVZ habe auch mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt. Die grundsätzliche Verpflichtung zum Ausgleich der Arzneimittelkosten werde von der Beklagten auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Soweit sie geltend mache, sie sei zum Ausgleich der tatsächlichen Aufwendungen nur bei ordnungsgemäßer Rechnungslegung verpflichtet, stehe dies dem geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht entgegen. Denn die Klägerin habe ihre Aufwendungen im Verfahren gegenüber der Beklagten durch Vorlage entsprechender Rechnungen und Nachweise über die Begleichung der Rechnungen gegenüber dem Arzneimittelhersteller konkret nachgewiesen. Einwände gegen diese Rechnungen seien von der Beklagten nicht erhoben worden und Fehler seien auch nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte fehlende Angaben zu gewährten Rabatten und Skonti rüge, führe dies zu keiner anderen Bewertung. Das Gericht habe auch keinerlei Zweifel daran, dass die verordneten Präparate an die Versicherten der Beklagten ausgegeben wurden.
Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Abwicklung der Arzneimittelbestellungen über die Klägerin berufen. Normative Vorgaben für die "korrekte" Abwicklung des Direktbezuges habe sie im Verfahren nicht dargelegt, und solche hätten auch nicht bestanden. Sie habe auch nicht nachgewiesen, dass sie dem MVZ im Vorfeld der streitigen Verordnungen sachdienliche Hinweise für die Umsetzung des Direktbezuges gegeben hat. Sie verhalte sich treuwidrig, wenn sie einerseits vom MVZ einen Direktbezug verlange und nachträglich die Erstattung von in der Sache berechtigten Arzneimittelkosten verweigere.
Die geltend gemachten Verzugszinsen stünden der Klägerin nicht zu. Allerdings stehe ihr grundsätzlich ein Anspruch auf Prozesszinsen zu. Da Ansprüche auf Aufwendungsersatz aus GoA keine Entgeltforderung iSd § 288 Abs 2 BGB seien, seien lediglich Zinsen iHv 5 (statt 9) Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Gegen das der Klägerin am 17. März 2021 und der Beklagten am 25. März 2021 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 26. April 2021 (Montag) Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Die Klägerin hat am 9. September 2021 Anschlussberufung eingelegt.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für fehlerhaft, soweit sie zur Erstattung der Arzneimittelkosten und zur Zahlung von Verzugszinsen verurteilt worden ist. Insoweit habe das SG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt und seiner Entscheidung unrichtige Tatsachenfeststellungen zugrunde gelegt. Insbesondere habe es die vorgetragenen Tatsachen zu den jeweiligen Tätigkeitsbereichen des von PD Dr. O. geleiteten MVZ und der ebenfalls von ihm geführten Klägerin sowie der tatsächlichen Gestaltung der streitgegenständlichen Geschäftsprozesse im Rahmen der Beschaffung und Abgabe von Arzneimitteln unrichtig festgestellt und gewürdigt. PD Dr. O. habe es bei der Gestaltung seiner Firmenkonstruktion und der einzelnen Geschäftsprozesse augenscheinlich geradezu darauf angelegt, die Grenzen zwischen dem Auftreten der Klägerin und des MVZ sowie der Funktion, die er jeweils wahrnehme, verschwimmen zu lassen. Dabei vermische er offenbar gezielt Unternehmensbezeichnungen, Funktionsbezeichnungen und Unternehmenssitze. Versicherten und Kostenträgern sei es so unmöglich, ohne weiteres zu erkennen, für wen und in welcher Funktion der Arzt gerade auftritt, mithin ob er als Vertragsarzt die Interessen seiner Patienten und der Kostenträger vertritt oder ob er seine Pflichten als Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin und somit deren rein gewerbliche Interessen wahrt.
Das MVZ M. habe in Bezug auf die Kosten für die beschafften Arzneimittel keine Erstattungsansprüche gegen die Beklagte erworben. Die Beschaffung der Gerinnungsfaktoren durch einen Leistungserbringer zur Abgabe an seine Patientin stelle weder objektiv noch subjektiv ein (auch) fremdes Geschäft dar, da sie nicht in den Rechts- oder Interessenkreis der Krankenkasse eingreife. Die Krankenkassen seien im Rahmen der Sachleistungspflicht allein zur Verschaffung der Sachleistungen an die Versicherten (Versorgung) und nicht unmittelbar zur Beschaffung verpflichtet. Auch aus der Abgabe der Gerinnungsfaktoren an die Versicherten folgten keine Ansprüche des MVZ gegen die Beklagte. Aufwendungsersatzansprüche könnten von vornherein nur bei dem abgebenden Leistungserbringer entstehen. Soweit die Arzneimittel von den Ärzten Dr. S. und Dipl.-Med. T. abgegeben worden seien, sei das MVZ weder Geschäftsführer iSd §§ 677 ff BGB noch Leistungserbringer iSd SGB V gewesen. Insoweit lägen zudem Rechtsverstöße (gegen das Dispensierverbot in § 43 Abs 1 S 1 Arzneimittelgesetz <AMG> und das Gebot der persönlichen Leistungserbringung) vor, die einen Aufwendungsersatzanspruch ausschlössen. Soweit die Arzneimittel überhaupt durch das MVZ M. abgegeben worden seien, lägen ebenfalls Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Vorgaben vor, die einen Aufwendungsersatzanspruch des MVZ ausschlössen. Aus dem Vortrag der Klägerin und den vorgelegten Belegen ergebe sich jedoch, dass das MVZ nie physischen Besitz an den Arzneimitteln gehabt habe, weil diese entweder vom Hersteller direkt an den Hausarzt geliefert und von diesem an den Patienten abgegeben worden seien oder die Abgabe durch die Klägerin erfolgt sei.
Überdies lägen die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch aus einer GoA nicht vor. Insbesondere hätten schon keine ersatzfähigen Aufwendungen des MVZ vorgelegen.
Einem denkbaren Vergütungsanspruch des MVZ oder der Klägerin stehe zudem ein kollusives Zusammenwirken der Klägerin mit dem MVZ und PD Dr. O. entgegen. Dies folge aus Verstößen gegen das Verbot unzulässiger Vorteilsgewährung nach § 128 SGB V sowie gegen berufs- und zulassungsrechtliche Normen.
Die behauptete Abtretung sei zweifelhaft, da bereits der vermeintliche Abtretungsvorgang in hohem Maße unglaubhaft sei und daher bestritten werde. Ohnehin sei die Abtretung unwirksam; eine solche Einbeziehung der Klägerin als Rechenzentrum des MVZ sei nicht von § 300 Abs 2 S 1 SGB V gedeckt.
Die geltend gemachten Ansprüche wären mangels ordnungsgemäßer Rechnungsstellung auch nicht fällig. Aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots könne von der Beklagten nicht verlangt werden, erkennbar fehlerhafte Rechnungen zu begleichen. Es trete daher bis zum Vorliegen ordnungsgemäßer Rechnungen keine Fälligkeit ein.
Es bestehe auch kein Zinsanspruch, da schon die geltend gemachten Aufwendungsersatzansprüche nicht bestünden. Überdies sei das SG nicht befugt gewesen, der Klägerin Prozesszinsen zuzusprechen, weil diese ausdrücklich nur Verzugszinsen beantragt gehabt habe und die Forderung von Prozesszinsen nicht als Minus gegenüber den beantragten Verzugszinsen anzusehen sei, sondern als Aliud.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 2021 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
- 2.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. März 2021 im Wege der Anschlussberufung zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 12.605,21 Euro nebst Zinsen
- a)
in Höhe von 4 % für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis 4. November 2015 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2015 auf einen Betrag von 61.788,91 Euro,
- b)
in Höhe von 4 % für den Zeitraum vom 17. August 2015 bis 31. Oktober 2015 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2015 auf einen Betrag von 93.667,40 Euro und
- c)
in Höhe von 4 % für den Zeitraum vom 30. September 2015 bis 31. Oktober 2015 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2015 auf einen Betrag von 78.270,30 Euro
zu zahlen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die dagegen gerichteten Angriffe der Beklagten griffen nicht durch. Die Beklagte habe bereits gegenüber der Klägerin erklärt, dass sie die streitgegenständlichen Forderungen im Hinblick auf die entstandenen Kosten der Arzneimittel für berechtigt halte und diese an sie zahlen werde. Mit ihrer Berufungsschrift setzte sie sich in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag und Handeln; insoweit verstoße ihr Verhalten gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, sodass sie mit den nunmehr vorgebrachten Einwendungen ausgeschlossen sei.
Soweit die Beklagte behauptet, PD Dr. O. habe bewusst eine Konstruktion aus MVZ und Klägerin geschaffen, um hierüber Außenstehende täuschen und unberechtigt Leistungen der Krankenkassen in Anspruch nehmen zu können, lägen ihre Ausführungen neben der Sache. Die Konstruktion bzw Zusammensetzung und Arbeitsweise des Hämophiliezentrums (MVZ M. und Klägerin) sei der Beklagten aus langjährigen Verhandlungen bestens bekannt. Nach Verordnung der Gerinnungsfaktorzubereitungen durch das MVZ sei die Beschaffung der benötigten Gerinnungsfaktorzubereitungen durch die Klägerin erfolgt. Sie habe unter Darlehensgewährung in entsprechender Höhe an das MVZ M. die Vorfinanzierung der Arzneimittelkosten übernommen. Das MVZ habe seinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Krankenkasse an die Klägerin abgetreten und mit ihr vereinbart, dass Erfüllung des Anspruchs der Klägerin gegen das MVZ auf Darlehensrückgewähr dann eintrete, wenn die Krankenkasse auf die abgetretene Forderung an die Klägerin geleistet habe. Die Klägerin gebe ausnahmslos den von ihr selbst gezahlten Herstellerabgabepreis an die Krankenkassen weiter; durch den Bezug der Gerinnungsfaktorzubereitungen erziele sie hingegen keinerlei Gewinn.
Die Beklagte habe mit Schriftsatz vom 3. März 2021 bereits ein Grundanerkenntnis hinsichtlich der Übernahme der Aufwendungserstattungsansprüche der Klägerin für die verauslagten Kosten der Gerinnungsfaktorzubereitungen abgegeben, das die Klägerin angenommen habe. Überdies lägen die Voraussetzungen eines Anspruchs aus GoA vor. Die Pflicht zur Versorgung der Versicherten liege allein bei den Krankenkassen und stelle für das MVZ M. ein ausschließlich fremdes Geschäft dar. Die Geschäftsbesorgung habe auch dem ausdrücklich erklärten Willen der Beklagten entsprochen (Bezugnahme auf Schreiben vom 22. Dezember 2015). Dem MVZ seien für die Beschaffung der Gerinnungsfaktorzubereitungen Aufwendungen in Gestalt der Darlehensschulden bei der Klägerin entstanden. Die Forderungen des MVZ seien zudem wirksam an die Klägerin abgetreten worden, und die Einrede einer nicht ordnungsgemäßen Rechnungslegung treffe nicht zu. Auch die übrigen Einwendungen der Beklagten seien unbeachtlich; insbesondere lägen die behaupteten Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben nicht vor.
Hinsichtlich der mit der Anschlussberufung verfolgten Ansprüche nimmt die Klägerin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug und ergänzt diesen. Die Klägerin mache ausdrücklich eine Aufwendungserstattungsentschädigung für ihre Tätigkeit als Apotheke geltend, nämlich für solche Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bezug, der Lagerung, der Verwaltung und der Abgabe von Blutgerinnungsfaktoren an heimselbstbehandelnde Patienten gestanden hätten. Bei den von ihr aufgeführten Leistungs-/Kostenpositionen handele es sich nicht um den allgemeinen Praxiskosten nach Nr 7.1 des Allgemeinen Teils des EBM unterfallende Aufwendungen. Der Direktbezug und die Abgabe beruhten entgegen der Auffassung des SG auch nicht auf einer unternehmerischen Entscheidung; vielmehr habe das MVZ die Rechtsprechung des BSG umsetzen müssen, um den wirtschaftlichsten Bezugsweg zu wählen. Die Geltendmachung der konkreten, tatsächlich mit dem Direktbezug, der Lagerung und Abgabe verbundenen Kosten sei als übliche Vergütung einer Apotheke möglich.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Anschlussberufung überwiegend unzulässig sei, weil die Ansprüche auf Ersatz der Aufwendungen für die Präparate (Gegenstand der Berufung) und für den damit zusammenhängenden sonstigen Aufwand der Klägerin (Gegenstand der Anschlussberufung) unterschiedliche prozessuale Ansprüche seien. Hinsichtlich des geltend gemachten weitergehenden Zinsanspruchs auf die erstinstanzlich zugesprochenen Aufwendungsersatzansprüche sei die Anschlussberufung unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG sie zur Erstattung der Kosten der Blutgerinnungsfaktoren nebst Zinsen verurteilt.
Die Anschlussberufung der Klägerin ist im Wesentlichen bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.
A. Die Entscheidungszuständigkeit des erkennenden Senats liegt sowohl in Bezug auf den Rechtsweg als auch hinsichtlich der Spruchkörperzuständigkeit vor.
I. Die auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogene Eröffnung des Rechtswegs zu den Sozialgerichten folgt bereits daraus, dass das SG ihn (stillschweigend) als gegeben erachtet hat, woran der Senat gemäß § 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gebunden ist (vgl dazu Mayer in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl 2021, § 17 Rn 38, 53; BSG, Urteil vom 23. März 2011 - B 6 KA 11/10 R -, SozR 4-2500 § 115b Nr 3, Rn 14 ff mwN).
Die Entscheidung über den Rechtsweg trifft aber auch in der Sache zu. Gemäß § 51 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten ua in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Dies gilt nach § 51 Abs 2 S 1 SGG auch für privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Damit ist der Sozialrechtsweg für sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Rechts- und Pflichtenkreis der Krankenkassen, der unmittelbar ihre öffentlichen Aufgaben betrifft, gegeben (vgl BSG, Beschluss vom 28. September 2010 - B 1 SF 1/10 R -, SozR 4-1500 § 51 Nr 9, Rn 15 mwN).
Hier handelt es sich um einen solchen Rechtsstreit. Maßgebend ist insoweit der Streitgegenstand, mithin der prozessuale Anspruch, wie er sich aus Klageantrag und Klagegrund ergibt (vgl BSG, Beschluss vom 25. März 2021 - B 1 SF 1/20 R, juris Rn 10 mwN; Urteil vom 9. August 2018 - B 14 AS 38/17 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 97, Rn 11 mwN; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 95 Rn 5 f). Klagegrund ist der tatsächliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl BSG aaO; Bundesgerichtshof <BGH> Urteil vom 24. Februar 2022 - VII ZR 13/20, juris Rn 44). Vorliegend macht die Klägerin Aufwendungsersatzansprüche gegenüber der beklagten gesetzlichen Krankenkasse geltend, die aus der Verpflichtung des MVZ M., Gerinnungsfaktoren direkt beim Hersteller zu beziehen und ohne Zwischenschaltung einer Apotheke unmittelbar an den Versicherten abzugeben (vgl dazu BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 - B 6 KA 18/14 R -, SozR 4-2500 § 106 Nr 51, Rn 25 ff), entstanden sein sollen. Klagegrund ist dabei einerseits die Verauslagung von Arzneimittelkosten (Anspruch auf Erstattung der Arzneimittelkosten) und andererseits die von der Klägerin behauptete Aufwendung weiterer Kosten, die mit dem Bezug und der Abgabe der Gerinnungsfaktoren einhergehen sollen (Anspruch auf pauschalen Aufwendungsersatz). Dass die genannte Verpflichtung des MVZ M. ihrerseits öffentlich-rechtlicher Natur ist, bedarf keiner näheren Ausführungen. Für mögliche aus der Wahl dieses Bezugswegs resultierende Aufwendungsersatzansprüche des MVZ kann nichts anderes gelten. Derartige Ansprüche hätten ihre Grundlage im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung und verlören ihren öffentlich-rechtlichen Charakter auch nicht durch eine Abtretung (vgl dazu auch BSG, Beschluss vom 30. September 2014 - B 8 SF 1/14 R -, SozR 4-3500 § 75 Nr 5, Rn 8 mwN).
II. Gemäß §§ 33 Abs 1 S 2, 12 Abs 3 S 1 SGG entscheidet der Senat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte. Dabei folgt die Zuordnung zu den Angelegenheiten des Vertragsarztrechts aus § 10 Abs 2 S 1 SGG, weil die Klägerin einen Anspruch aufgrund der Beziehung zwischen der beklagten Krankenkasse und dem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen MVZ M. geltend macht.
B. An der Zulässigkeit der Berufung der Beklagten bestehen keinerlei Bedenken.
Mit ihrem Rechtsmittel hat die Beklagte das Urteil des SG insoweit der berufungsgerichtlichen Überprüfung unterstellt, als sie zur Erstattung der Arzneimittelkosten nebst Prozesszinsen verurteilt worden ist. Nur insoweit ist sie durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert, und folgerichtig hat sie ihre Berufung in der Berufungsbegründung vom 19. November 2021 ausdrücklich auf den der Klage stattgebenden Teil der Entscheidung beschränkt, was grundsätzlich und so auch im vorliegenden Rechtsstreit keinen rechtlichen Bedenken begegnet (vgl auch BSG, Urteil vom 30. Juni 2021 - B 4 AS 70/20 R -, SozR 4-1500 § 144 Nr 11, Rn 15 mwN für den Fall der Beschränkung eines Rechtsmittels auf einen von mehreren selbstständigen prozessualen Ansprüchen).
C. Demgegenüber ist die Anschlussberufung der Klägerin lediglich insoweit zulässig, als eine weitergehende Verzinsung der vom SG zugesprochenen Ansprüche auf Erstattung der Arzneimittelkosten geltend gemacht wird. Soweit sie darüber hinaus einen Anspruch auf pauschalen Aufwendungsersatz nebst Zinsen geltend macht, ist die Anschlussberufung unzulässig.
I. Die Klägerin hat keine eigenständige Berufung gegen das ihr am 17. März 2021 zugestellte Urteil des SG vom 10. März 2021 eingelegt. Die erst mit Schriftsatz vom 9. September 2021 gestellten, über eine Zurückweisung der Berufung der Beklagten hinausgehenden Anträge hat sie selbst ausdrücklich im Wege einer Anschlussberufung gestellt und damit dem Umstand Rechnung getragen, dass zu diesem Zeitpunkt die Berufungsfrist des § 151 Abs 1 SGG bereits abgelaufen war. Mithin wäre ein von ihr eingelegtes Rechtsmittel - also eine eigenständige Berufung - unzulässig gewesen.
II. Für die auch im sozialgerichtlichen Verfahren statthafte Anschlussberufung (vgl dazu näher BSG, Urteil vom 5. Mai 2010 - B 6 KA 6/09 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 27, Rn 18 mwN) gilt zwar die Berufungsfrist des § 151 Abs 1 SGG nicht. Die Anschlussberufung ist jedoch nur zulässig, soweit sie den gleichen prozessualen Anspruch wie die Berufung des Prozessgegners betrifft. Demgegenüber kann mit ihr kein neuer Streitgegenstand in das Berufungsverfahren eingeführt werden (vgl BSG aaO).
Die Anschlussberufung ist kein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers an dessen Rechtsmittel anschließt (vgl BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 8 SO 12/16 R -, SozR 4-1750 § 524 Nr 1, Rn 14). Sie bietet die Möglichkeit, die vom Berufungskläger angefochtene Entscheidung des SG auch zu seinen, des sich Anschließenden, Gunsten ändern zu lassen, ohne dass insoweit eine Beschwer vorliegen müsste. Mit ihr können aber nicht Ansprüche zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt werden, die von der Berufung gar nicht erfasst werden; anderenfalls liegt kein Fall einer "Anschließung" an das eingelegte Rechtsmittel vor. Für die Zulässigkeit der Anschlussberufung ist deshalb erforderlich, dass sie den gleichen prozessualen Anspruch wie die Hauptberufung betrifft (vgl BSG aaO mwN).
Dies ist hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf pauschalen Aufwendungsersatz, der nicht die vom SG zuerkannten Kosten der Arzneimittel betrifft, aber nicht der Fall. Dabei erfolgt die Prüfung, ob der gleiche Streitgegenstand betroffen ist, in Anwendung von § 99 Abs 3 SGG(vgl BSG aaO, Rn 5 und 15; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt aaO, § 143 Rn 5d mwN). Betrifft der mit der Anschlussberufung verfolgte Anspruch denselben Klagegrund wie die Berufung und liegt außerdem eine der in § 99 Abs 3 Nr 1 bis 3 SGG genannten Voraussetzungen vor, so führt die Anschlussberufung im genannten Sinne keinen neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein (BSO aaO).
Vorliegend betrifft die Anschlussberufung der Klägerin aber insoweit einen anderen Klagegrund, als ein Anspruch auf pauschalen Aufwendungsersatz geltend gemacht wird. Denn hierdurch wird der Lebenssachverhalt, der dem mit der Berufung begegneten prozessualen Anspruch zugrunde liegt, verlassen. Zum Klagegrund rechnen dabei alle Tatsachen, die bei natürlicher, vom Standpunkt der Beteiligten ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (vgl BSG aaO).
Gegenstand der Berufung der Beklagten ist - wie vorstehend ausgeführt - allein der Anspruch auf Erstattung der reinen Arzneimittelkosten nebst Prozesszinsen. Dieser Anspruch setzt neben einer Abgabe der Arzneimittel an die Versicherten und damit deren Versorgung (vgl dazu nachfolgend unter E. II. 3.) eine Verauslagung dieser Kosten als maßgebenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) voraus.
Hiermit ist der Lebenssachverhalt, der dem mit der Anschlussberufung geltend gemachten Anspruch zugrunde liegt, nicht identisch. Die Klägerin macht insoweit pauschalen Aufwendungsersatz iHv 3 % der Verordnungskosten zuzüglich eines Betrages iHv 6,38 Euro pro Packung geltend, mit dem die aus ihrer Sicht im Rahmen der Abgabe von Gerinnungsfaktoren zusätzlich zum Einkaufspreis anfallenden Kosten (vgl Schreiben der Klägerin vom 10. August 2015) bzw die Kosten für die im Schriftsatz vom 9. Oktober 2017 im Einzelnen aufgelisteten "Aufgaben bzw. Verpflichtungen..., die zwingend mit der Beschaffung und Abgabe der Faktorpräparate einhergehen", abgegolten werden sollen. Im Schriftsatz vom 24. Februar 2021 hat sie ihre Argumentation modifiziert und unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung (Urteil vom 10. Juni 2020 - L 3 KA 27/18 -, juris) ausgeführt, dass die beanspruchte Pauschale die im Zusammenhang mit dem Einkauf - ohne die verauslagten Kosten der Arzneimittel - und der Abrechnung der Gerinnungsfaktoren entstandenen Verwaltungskosten beinhalte. Insofern liegt auf der Hand, dass dafür (ein) andere(r) Lebenssachverhalt(e) als die Verauslagung von Arzneimittelkosten maßgebend ist bzw sind. Allenfalls überschneiden sich beide Ansprüche insoweit, als die geltend gemachten Kosten (Arzneimittelkosten einerseits sowie Personal- und sonstige Sachkosten andererseits) jeweils im Zusammenhang mit der Versorgung der Versicherten mit den Gerinnungsfaktoren aufgewendet worden sein sollen. Das rechtfertigt für sich genommen aber nicht die Annahme, dass die Anschlussberufung der Klägerin denselben prozessualen Anspruch betrifft wie die Berufung der Beklagten. Dieser Annahme steht schon entgegen, dass für die Entscheidung über die Anschlussberufung Feststellungen zu treffen wären, auf die es für die Entscheidung über die Berufung der Beklagten von vornherein nicht ankommt. Insbesondere müsste auch im Hinblick auf das wechselnde und teils widersprüchliche Vorbringen der Klägerin aufgeklärt werden, wer die mit dem Einkauf und der Abrechnung der Gerinnungsfaktoren sowie ggf auch mit den weiteren von der Klägerin angeführten Aufgaben verbundenen Tätigkeiten tatsächlich durchgeführt und insoweit anfallende Personal- und weitere Kosten getragen hat; die Höhe dieser Kosten müsste (ggf unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen) ermittelt und ggf im Wege einer Schätzung festgestellt werden. Auf all dies kommt es für die Frage, ob verauslagte Arzneimittelkosten zu erstatten sind, nicht an.
Dem mit der Anschlussberufung geltend gemachten Anspruch auf pauschalen Aufwendungsersatz liegt somit ein anderer Klagegrund zugrunde. Daran ändert es auch nichts, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren einen Gesamtbetrag eingeklagt hat, der die Ansprüche auf Erstattung der Arzneimittelkosten und die Ansprüche auf pauschalen Aufwendungsersatz umfasste. Denn dies war lediglich die Folge der in der Klageschrift dargestellten Addition des Einkaufspreises mit den geltend gemachten Pauschalbeträgen. Insoweit lag eine von Anfang an teilbare Klageforderung vor, die sich aus den vorstehenden Gründen aus zwei selbstständigen prozessualen Ansprüchen zusammensetzte.
Demzufolge bezieht sich die Anschlussberufung der Klägerin auf einen anderen prozessualen Anspruch als die Berufung, soweit damit ein Anspruch auf pauschalen Aufwendungsersatz nebst Zinsen geltend gemacht wird. Da dies nicht zulässig ist, ist die Entscheidung des SG im Umfang der Klagabweisung in Rechtskraft erwachsen und für die Beteiligten und den Senat bindend. Lediglich in Bezug auf den mit der Anschlussberufung verfolgten weitergehenden Anspruch auf Verzinsung der erstinstanzlich zugesprochenen Ersatzansprüche ist die Anschlussberufung zulässig. Denn der Zinsanspruch ist als Nebenforderung zum Anspruch auf Erstattung der Kosten der Arzneimittel noch demselben Lebenssachverhalt zuzurechnen, der Klagegrund des von der Berufung erfassten prozessualen Anspruchs ist; dies sieht im Übrigen auch die Beklagte so.
D. Soweit danach eine Entscheidung in der Sache zu ergehen hat, ist die Klage zulässig.
Insbesondere ist sie als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG statthaft, weil die Klägerin einen Rechtsanspruch auf eine Leistung geltend macht und sowohl sie als auch das MVZ M., dessen Ansprüche im Wege der Abtretung auf sie übergegangen sein sollen, zur Beklagten in einem Verhältnis der Gleichordnung stehen, in dem ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat.
E. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der Arzneimittelkosten aus abgetretenem Recht zu.
I. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht bereits aus einem Anerkenntnis der Beklagten, das die Klägerin angenommen hätte und an das die Beteiligten und der Senat gebunden wären. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Beklagte den im Berufungsverfahren noch streitbefangenen prozessualen Anspruch nicht iSd § 101 Abs 2 SGG anerkannt.
Anerkenntnis ist das im Wege einseitiger Erklärung gegebene uneingeschränkte Zugeständnis, dass der mit der Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch besteht (vgl B. Schmidt aaO, § 101 Rn 20 mwN). Ein Anerkenntnis einzelner Anspruchsvoraussetzungen reicht hierfür nicht aus; das Anerkenntnis muss sich vielmehr auf den prozessualen Anspruch insgesamt beziehen (B. Schmidt aaO).
In dem von der Klägerin angeführten Schriftsatz vom 3. März 2021 hat die Beklagte ihr gegenüber nicht vorbehaltlos zugestanden, dass der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kosten der Arzneimittel bestehe. Dagegen spricht schon der Umstand, dass sich in dem Schriftsatz keine Erklärung findet, in welcher Höhe etwaige Erstattungsansprüche als berechtigt angesehen würden. Selbst wenn man jedoch den Umfang möglicher Ansprüche als aufgrund der Umstände bestimmbar ansehen wollte, weil die Rechnungen der Hersteller und damit auch der Einkaufspreis der Faktorpräparate bekannt waren, kann jedenfalls kein uneingeschränktes Zugeständnis erkannt werden. Denn die Beklagte hat zum einen den Einwand der fehlenden Fälligkeit einer etwaigen Forderung erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass sie keine prüfbare und keine korrekte Rechnung erhalten habe. Ob dieser Einwand zutrifft, ist hier nicht von Bedeutung; er steht aber schon für sich genommen der Annahme eines Anerkenntnisses iSd § 101 Abs 2 SGG entgegen. Zum anderen hat die Beklagte in demselben Schriftsatz zutreffend ausgeführt, dass einerseits alle Rechnungen die Klägerin als Empfängerin oder Ausstellerin ausweisen, die Klägerin andererseits aber Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend mache. Wenn die Beklagte gleichzeitig zum Ausdruck gebracht hat, dass ihr unklar sei, welche Rechte an die Klägerin abgetreten worden sein sollen und aus welchem Recht sie, die Beklagte, in Anspruch genommen werden soll, lässt das nur den Schluss zu, dass die Anspruchsberechtigung der Klägerin nach Auffassung der Beklagten insgesamt noch ungeklärt war. Derartige Ausführungen eines Prozessbeteiligten können erkennbar nicht als uneingeschränktes Zugeständnis in Bezug auf den geltend gemachten prozessualen Anspruch verstanden werden.
Auch außerhalb des Schriftsatzes vom 3. März 2021 ist kein solches Zugeständnis feststellbar, sodass der Senat in der Sache über den geltend gemachten Anspruch zu befinden hat.
II. Es besteht auch in der Sache kein Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht. Das MVZ M. hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Faktorpräparate erlangt. Jedenfalls aber wäre ein solcher Anspruch nicht auf die Klägerin übergegangen, weil eine wirksame Abtretung nicht festgestellt werden kann.
1. Als Anspruchsgrundlage kommt allein das Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen GoA in Betracht.
Für Aufwendungsersatzansprüche aus öffentlich-rechtlicher GoA gelten die §§ 677 ff BGB (hier über § 69 Abs 1 S 3 SGB V) entsprechend (vgl dazu BSG, Urteil vom 27. Juni 2017 - B 2 U 13/15 R -, SozR 4-7610 § 677 Nr 1, Rn 17; Urteil vom 17. November 1999 - B 6 KA 14/99 R -, SozR 3-2500 § 75 Nr 11, Rn 35 ff). Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch ist mangels spezialgesetzlicher Vorschriften die Regelung in § 683 S 1 i.V.m. § 670 BGB, die auch für den Bereich der Sozialversicherung jedenfalls dann entsprechend anzuwenden ist, wenn der Geschäftsführer kein Leistungsträger iSd §§ 102 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen ausscheidet und der Geschäftsführer mit der Geschäftsführung eine Aufgabe eines sozialrechtlichen Leistungsträgers (Geschäftsherr) übernommen hat. Ferner muss es an besonderen, das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regelnden Bestimmungen fehlen, die den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichten oder die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die GOA nicht erlauben (vgl BSG aaO mwN).
2. Einer Anwendung der öffentlich-rechtlichen GoA stehen hier keine Bestimmungen entgegen, die die Tragung bzw Erstattung der Kosten von direkt vom Hersteller bezogenen und an die Versicherten abgegebenen Arzneimittel im Verhältnis zwischen dem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen MVZ (als möglichem Geschäftsführer) und der Beklagten (als Geschäftsherrn) abweichend regeln.
a) Ansprüche aus §§ 102 ff SGB X kommen offenkundig nicht in Betracht, weil das MVZ M. kein Leistungsträger iS dieser Bestimmungen (vgl dazu auch § 12 S 1 i.V.m. § 21 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch <SGB I>), sondern Leistungserbringer ist.
b) In den Quartalen II und III/2015 bestand zwischen dem MVZ und der Beklagten auch keine vertragliche Grundlage für den Ersatz von Aufwendungen für im Wege des Direktbezugs beschaffte Arzneimittel.
Die von der Klägerin vorgelegte "Vereinbarung über die Abgabe von Blutprodukten nach § 47 Abs. 1 Nr. 2a AMG" von 27. September 2018 sieht zwar in § 8 Abs 1 S 6 eine "Zahlung des Rechnungsbetrages durch die Ersatzkassen... mit schuldbefreiender Wirkung" vor, womit gemeint sein könnte, dass die Kasse den Rechnungsbetrag nach Erhalt der Rechnung von dem mit der Abrechnung beauftragten Apothekenrechenzentrum (§ 8 Abs 1 S 2 und 5 der Vereinbarung) direkt an den Hersteller zu zahlen hat. Das kann hier aber ebenso dahinstehen wie mögliche Unklarheiten in Bezug auf die Person des in der Vereinbarung als "Zentrum" bezeichneten Vertragspartners ("M. GmbH"; das MVZ M. ist damit offensichtlich nicht gemeint), weil die auch im Namen der Beklagten getroffene Vereinbarung erst zum 1. Oktober 2018 in Kraft getreten ist (§ 12 Abs 1 S 1 der Vereinbarung) und deshalb für den hier betroffenen Zeitraum keine Anwendung finden könnte.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einem Anspruch aus öffentlich-rechtlicher GoA auch nicht entgegen, dass das MVZ eine Erstattung der Kosten der Faktorpräparate als Sachkosten gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Niedersachsen gemäß § 44 Abs 6 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) i.V.m. Nr 7.3 Allgemeine Bestimmungen EBM hätte geltend machen können.
Im dazu von der Beklagten vorgelegten Gesamtvertrag (Anl BK 8) ist zu den Arzneimittelkosten keine ausdrückliche Regelung getroffen worden. Soweit nach Nr 7.3 Allgemeine Bestimmungen EBM die Kosten für Arzneimittel, die der Kranke zur weiteren Verwendung behält, nicht in den GOP enthalten und deshalb (gemäß Nr 7.4 Allgemeine Bestimmungen EBM i.V.m. § 2 Abs 2 des Gesamtvertrags <i.V.m. § 44 Abs 6 BMV-Ä>) gesondert abrechenbar sind, ergibt sich daraus kein Anspruch des MVZ gegenüber der KÄV auf Erstattung der Kosten der Faktorpräparate. Denn die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln ist gemäß §§ 2 Abs 1, 31 SGB V und damit kraft Bundesrechts Aufgabe der Krankenkassen, was mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung impliziert, dass diese (und nicht die KÄV) die Kosten der Arzneimittel zu tragen haben. Für eine Abweichung von dieser bundesrechtlichen Rechtslage durch die Gesamtvertragspartner des EBM ist eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht ersichtlich. Wären die hier streitigen Arzneimittelkosten - wie die Beklagte annimmt - vom Anwendungsbereich der Regelung in Nr 7.3 Allgemeine Bestimmungen EBM umfasst, dann wäre die Vorschrift deshalb insoweit mit höherrangigem Recht unvereinbar und nichtig. An der grundsätzlichen Verpflichtung der Krankenkasse zur Tragung dieser Kosten könnte sie mithin nichts ändern, sodass sie auch einer Anwendung der öffentlich-rechtlichen GoA nicht entgegensteht.
3. Schon die tatbestandlichen Voraussetzungen der öffentlich-rechtlichen GOA sind jedoch zumindest für den überwiegenden Teil der Klageforderung, nämlich die mit der Klageerweiterung vom 21. Oktober 2019 geltend gemachten Ansprüche, nicht erfüllt.
a) Das MVZ M. hat jedenfalls in den von der Klageerweiterung betroffenen Fällen keine der Beklagten als Krankenversicherungsträger obliegende Aufgabe übernommen, mithin kein fremdes Geschäft besorgt. Allenfalls hinsichtlich der Versorgung des Versicherten, die der ursprünglichen Klageforderung zugrunde liegt, kommt eine Geschäftsbesorgung für die Beklagte durch das MVZ analog § 677 BGB in Betracht.
aa) Dabei geht der Senat mit der Beklagten davon aus, dass als "fremdes Geschäft" nur die Versorgung der Versicherten mit den Gerinnungsfaktoren als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommt (so BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 28/08 R, SozR 4-2700 § 33 Nr 1, Rn 24 für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung; vgl auch BGH, Urteil vom 26. November 1998 - III ZR 223/97, BGHZ 140, 102).
(1) Die Beschaffung der Gerinnungsfaktoren im Wege des Direktbezugs vom Hersteller oder einem Großhändler war für sich genommen dagegen eine unmittelbar aus dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot resultierende eigene Aufgabe des MVZ (vgl BSG, Urteil vom 13. Mai 2015 aaO, Rn 35 ff). Sofern das MVZ M. überhaupt Arzneimittel direkt bezogen hat, hätte es also ein eigenes Geschäft geführt. Dass es sich hierbei nicht zugleich um eine der Beklagten obliegende Aufgabe (und damit um ein "auch fremdes Geschäft") handeln kann, folgt schon aus dem Umstand, dass die Beklagte keine der gemäß § 47 Abs 1 AMG zum Bezug von Arzneimitteln berechtigten Personen und Institutionen ist. An sie hätten die Gerinnungsfaktoren daher gar nicht abgegeben werden dürfen. Auch ansonsten ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die eine Berechtigung und Verpflichtung der Beklagten zur Beschaffung der Gerinnungsfaktoren begründen könnte.
Mit dem Direktbezug von Arzneimitteln durch einen Vertragsarzt oder sonstigen vertragsärztlich zugelassenen Leistungserbringer ist im Übrigen der Versorgungsanspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse erkennbar noch nicht erfüllt. Werden Arzneimittel durch den zugelassenen Leistungserbringer ohne diesbezügliche vertragliche Vereinbarung im Wege des Direktbezugs beschafft, letztlich aber gar nicht an den Versicherten abgegeben (etwa weil dieser zwischenzeitlich verzogen oder verstorben ist oder die Arzneimittel in der Praxis des Leistungserbringers abhandenkommen), ließe sich eine Verpflichtung der Krankenkasse zur Erstattung der Arzneimittelkosten deshalb kaum begründen. Auch dies spricht dagegen, bereits die Beschaffung der Faktorpräparate bzw den Direktbezug als fremdes Geschäft anzusehen.
(2) Demgegenüber stellt die Versorgung der Versicherten mit den zur Behandlung notwendigen Arzneimitteln gemäß §§ 2 Abs 1, 31 SGB V eindeutig eine Aufgabe der Beklagten dar. Den insoweit bestehenden Sachleistungsanspruch des Versicherten erfüllt sie aber erst durch die Abgabe der vom Vertragsarzt verordneten Arzneimittel an den Versicherten. Das entspricht für den Fall einer Abgabe des Arzneimittels durch eine Apotheke der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 13/08 R -, SozR 4-2500 § 129 Nr 5, Rn 17) und kann für eine im streitbefangenen Zeitraum zulässige und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sogar gebotene direkte Abgabe durch ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes MVZ bzw einen dort tätigen Arzt nach Direktbezug vom Hersteller ersichtlich nicht anders beurteilt werden. Der zugelassene Leistungserbringer handelt insofern auch erkennbar zur Erfüllung der Leistungspflicht der Krankenkasse und erbringt somit ein fremdes Geschäft.
bb) Das MVZ M. hat die Versicherten der Beklagten aber jedenfalls in den der Klageerweiterung vom 21. Oktober 2019 zugrundeliegenden Fällen tatsächlich nicht versorgt. Allenfalls in dem die ursprüngliche Klageforderung betreffenden Fall kann eine Abgabe der Faktorpräparate durch das MVZ erfolgt sein.
(1) In den der Klageerweiterung zugrunde liegenden Fällen haben die Hersteller die Gerinnungsfaktoren jeweils direkt an die Hausärzte der Versicherten geliefert, und diese haben die Präparate sodann direkt an die Versicherten abgegeben. Das hat die Klägerin in der Berufungserwiderung vom 16. Mai 2022 (dort S 15) ausdrücklich eingeräumt, und dieser Ablauf wird zur vollen Überzeugung des Senats auch durch die von ihr vorgelegten Rechnungen der A. GmbH vom 3. Juli 2015 und 6. August 2015 sowie der Biotest AG vom 2. Juli 2015, 23. Juli 2015 und 27. August 2015 belegt. Diese weisen als Liefer- bzw Versandanschrift jeweils entweder die Praxisadresse von Dipl.-Med. T. in U. oder Dr. V. in W. aus, und hierfür ist von vornherein kein anderer Grund als die beabsichtigte Abgabe der Arzneimittel durch diese Ärzte ersichtlich.
Die Abgabe der Arzneimittel und damit die tatsächliche Versorgung der Versicherten durch die selbstständig (und damit außerhalb der Zulassung des MVZ) an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Hausärzte kann aber nicht als Geschäftsbesorgung durch das MVZ M. angesehen werden. Eine Rechtsgrundlage dafür, das Handeln der Hausärzte dem MVZ zuzurechnen, wird von der Klägerin selbst nicht dargelegt und ist auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Insbesondere ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass die Hausärzte in Bezug auf die streitgegenständliche Versorgung den Weisungen des MVZ unterworfen war oder das MVZ M. anderweitige Einwirkungsmöglichkeiten auf die Tätigkeit der Hausärzte gehabt hätte, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass die Hausärzte lediglich als Geschäftsführungsgehilfen des MVZ M. (und nicht als selbstständige Geschäftsführer) tätig geworden sind (vgl zu dieser Abgrenzung näher Staudinger/Bergmann, BGB, Neubearbeitung 2020, Stand: 31. Juli 2021, Vorbemerkung vor § 677, Rn 181 f mwN). Dagegen spricht schon, dass zwischen diesen Ärzten und dem MVZ keine vertragsarztrechtlich zugelassene Kooperation bestand und das in § 32 Abs 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) normierte Gebot der Tätigkeit in freier Praxis (vgl dazu näher Scholz in: BeckOK Sozialrecht, 67. Ed, Stand: 1. Dezember 2022, § 32 Ärzte-ZV Rn 5 f) verletzt wäre, wenn die Hausärzte hinsichtlich ihrer ärztlichen Tätigkeit einer wesentlichen Einflussnahme oder gar Weisungsgebundenheit gegenüber dem MVZ M. unterlegen gewesen wären.
Die Auffassung der Klägerin, die "Abgabe der Gerinnungsfaktorzubereitungen durch das MVZ X." habe nicht zwingend in den Praxisräumlichkeiten erfolgen müssen, sondern auch durch Übermittlung der Arzneimittel an die Hausärzte durchgeführt werden können (Schriftsatz vom 11. Januar 2023, S 4), ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Das schließt nicht aus, dass dieser Lieferweg zwischen dem MVZ und der Beklagten bei Wahrung aller rechtlichen Vorgaben insbesondere des Arzneimittel- und Leistungserbringungsrechts zulässig hätte vereinbart werden können. Eine entsprechende Vereinbarung ist aber nicht getroffen worden.
Schon aus diesen Gründen scheidet ein Anspruch auf Erstattung der Arzneimittelkosten für die Fälle der Klageerweiterung aus.
(2) Hinsichtlich der ursprünglichen Klageforderung bestehen jedenfalls gewichtige Zweifel, ob die Direktabgabe der Gerinnungsfaktoren an den Versicherten Daniel A. durch das MVZ M. erfolgt ist.
Insofern ist zunächst von grundlegender Bedeutung, dass die Faktorpräparate ebenfalls nicht an das MVZ, sondern an die Klägerin selbst geliefert worden sind. Dies ergibt sich wiederum aus dem Inhalt der Rechnung des Herstellers (Bayer Vital GmbH) vom 26. Mai 2015, in der als Lieferanschrift die Firma der Klägerin unter der Adresse der von ihr benannten Zweigniederlassung in N. (vgl dazu auch Berufungserwiderung vom 16. Mai 2022, S 2) angegeben ist.
Dieser von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Direktbezug der Gerinnungsfaktoren durch sie selbst entspricht dem Umstand, dass die Bestellung der Präparate beim Hersteller und damit die Beschaffung in ihrem eigenen Namen, also nicht im Namen des MVZ M., erfolgt ist. Das ergibt sich an sich schon aus der genannten Rechnung des Herstellers, welche die Klägerin auch als Auftraggeberin ausweist, während das MVZ M. dort überhaupt nicht erwähnt wird. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass die Rechnung unzutreffende Angaben über die Person des Vertragspartners auf Seiten des Auftraggebers enthielte, und dafür ist auch sonst nichts ersichtlich. Damit steht ferner im Einklang, dass die Klägerin die Kosten der Arzneimittel ausweislich ihres eigenen Vorbringens und der von ihr vorgelegten Kontoauszüge selbst getragen hat, indem sie die ihr in Rechnung gestellten Beträge durch Überweisung von ihrem Geschäftskonto beglichen hat.
Unterlagen, die eine Weitergabe der Gerinnungsfaktoren durch die Klägerin an das MVZ belegen könnten, sind ebenso wenig vorgelegt worden wie eine (ärztliche) Dokumentation über die tatsächliche Abgabe. Gegen eine Abgabe durch das MVZ spricht vielmehr der Umstand, dass das von der Klägerin vorgelegte Verordnungsblatt (Verordnung vom 26. Mai 2015) eine Abgabe "in der Apotheke" am 28. Mai 2015 ausweist und insoweit das Institutskennzeichen der Klägerin (590322189) als "Apotheken-Nummer / IK" angegeben ist (vgl dazu auch das von der Klägerin als Anl K15 vorgelegte Schreiben der Sammel- und Verteilungsstelle IK <SVI> der Arbeitsgemeinschaft Institutskennzeichen im Hause der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung vom 20. September 2010). Überdies hat die zwischen der "M. GmbH" und den Ersatzkassen geschlossene Vereinbarung vom 27. September 2018 die Versorgung der Versicherten mit Gerinnungspräparaten/Faktorkonzentraten durch die in der Vereinbarung als "Zentrum" bezeichnete GmbH zum Gegenstand. Die Abgabe der Präparate an die Patienten war danach eine vom Zentrum - und nicht vom MVZ - sicherzustellende Leistung (§ 4 Abs 1 lit i der Vereinbarung). Das spricht ebenfalls gegen eine Abgabe von Arzneimitteln durch das MVZ im Geltungszeitraum der Vereinbarung, die zwar für den hier maßgebenden Zeitraum noch nicht galt. Angesichts des ebenfalls von der Klägerin vorgelegten Entwurfs einer Vereinbarung für die Zeit ab dem 1. September 2005, in dem eine Abgabe der Arzneimittel an die Versicherten durch PD Dr. O. als Leistung der (im Entwurf als "Institut" bezeichneten) Klägerin - und wiederum nicht des MVZ - vorgesehen war, spricht aber einiges dafür, dass die Abgabe im hier betroffenen Zeitraum tatsächlich genauso gehandhabt worden sein könnte. Dann hätte - wie die Beklagte annimmt - nicht das MVZ, sondern die Klägerin selbst die Versicherten versorgt.
Weitere Ermittlungen von Amts wegen sind wegen der in den vorstehenden Ausführungen zum Ausdruck gebrachten Zweifel des Senats hinsichtlich des genauen Ablaufs der Versorgung der Versicherten im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht veranlasst. Denn auch wenn zugunsten der Klägerin eine Abgabe seitens des MVZ an den Versicherten unterstellt wird, scheidet ein Anspruch auf Erstattung der Arzneimittelkosten aus den nachfolgenden Gründen aus.
4. Unabhängig von den tatbestandlichen Voraussetzungen der öffentlich-rechtlichen GoA ist ein Anspruch auf Erstattung der Arzneimittelkosten jedenfalls aus dem Grunde ausgeschlossen, dass das MVZ diese Kosten überhaupt nicht aufgewendet hat.
Gemäß § 683 S 1 BGB kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, soweit die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Macht ein Beauftragter zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber gemäß § 670 BGB zum Ersatz verpflichtet.
Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass das MVZ die Aufwendung der Arzneimittelkosten für erforderlich halten durfte, denn aus den dargelegten Gründen war es zum Direktbezug und zur Direktabgabe der Faktorpräparate an die Versicherten verpflichtet.
Ausweislich der von ihr vorgelegten Kontoauszüge hat die Klägerin die Kosten der Arzneimittel aber selbst getragen, indem sie die ihr von den Herstellern in Rechnung gestellten Beträge durch Überweisung von ihrem Geschäftskonto beglichen hat. Diese eigenen Aufwendungen sind ihr auch nicht vom MVZ M. erstattet worden. Letzteres folgt schon aus ihrem Vorbringen, sie habe "unter Darlehensgewährung in entsprechender Höhe an das MVZ M. die Vorfinanzierung der Arzneimittelkosten" übernommen und mit dem MVZ vereinbart, dass die Erfüllung ihres Anspruchs gegen das MVZ auf Darlehensrückgewähr dann eintrete, wenn die Krankenkasse auf die abgetretene Forderung an die Klägerin geleistet hat (Berufungserwiderung vom 16. Mai 2022, S 5 f).
Unabhängig von der Richtigkeit dieses Vorbringens steht damit fest, dass das MVZ M. überhaupt keine eigenen Aufwendungen in Form von Zahlungen getätigt hat. Damit kann sie auch nicht Inhaberin eines Aufwendungsersatzanspruchs der hier geltend gemachten Art eines Zahlungsanspruchs gegen die Beklagte sein. Die behauptete Darlehensgewährung der Klägerin an das MVZ M. könnte allenfalls einen Anspruch auf Freistellung von einer Verbindlichkeit begründen (vgl dazu die Regelung in § 257 BGB), der jedoch nicht Gegenstand der behaupteten Abtretung und somit auch nicht Gegenstand der Klageforderung ist.
Dass dem MVZ ein Zahlungsanspruch im Hinblick auf die Kosten der Arzneimittel zustehen könnte, wenn es die Kosten selbst verauslagt hätte (vgl dazu auch Senatsurteile vom 10. Juni 2020 - L 3 KA 27/18, juris Rn 48 und L 3 KA 54/16, juris Rn 58), führt zu keinem anderen Ergebnis, weil ein solcher Sachverhalt hier nicht vorliegt. Auf die Frage, ob die Abgabe der Faktorpräparate durch einen Arzt des MVZ erfolgt ist und hierbei auch die übrigen Vorgaben des Arzneimittel- und Leistungserbringungsrechts gewahrt worden sind, kommt es daher nicht mehr entscheidend an. Ebenso kann offenbleiben, wie das Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und MVZ rechtlich einzuordnen ist. Nach dem Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Ergänzung zum Kooperationsvertrag kommt insoweit insbesondere ein Auftragsverhältnis (§ 662 BGB) in Betracht, aus dem Ansprüche der Klägerin gegen das MVZ auf Ersatz der ihr für die Beschaffung der Arzneimittel entstandenen Aufwendungen entstanden sein können (§ 670 BGB). Derartige Ansprüche beträfen jedoch - ebenso wie der behauptete Anspruch auf Darlehensrückgewähr - allein das Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und MVZ, an dem die Beklagte nicht beteiligt ist und zu deren Lasten sich daraus deshalb grundsätzlich auch keine Erstattungsansprüche ergeben können.
5. Bestand somit schon ursprünglich kein Anspruch des MVZ M. gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten der Arzneimittel, so kann ein derartiger Anspruch von vornherein nicht auf die Klägerin übergegangen sein.
Selbst wenn man jedoch einen Anspruch des MVZ auf Erstattung der Arzneimittelkosten gegen die Beklagte unterstellt, wäre die Klägerin nicht aktivlegitimiert, weil nicht festgestellt werden kann, dass ein solcher Anspruch wirksam an sie abgetreten worden ist.
Die Klägerin behauptet in diesem Zusammenhang, dass "die Kostenerstattungsansprüche des MVZ M. stets an die Klägerin abgetreten" worden seien, wenn die Klägerin mit dem Bezug der Arzneimittel beauftragt wurde und die Vorfinanzierung der Arzneimittel für das MVZ übernommen habe (Berufungserwiderung vom 16. Mai 2022, S 8). Sie trägt allerdings schon nicht vor, auf welche Weise - insbesondere in welcher Form - diese Abtretungen erfolgt sein sollen. Soweit sie ausführt, die Abtretung der Forderungen sei lediglich zu Beweiszwecken durch die vorgelegte Abtretungsvereinbarung vom 28. September 2015 bestätigt worden, könnte danach allenfalls der Inhalt dieser schriftlichen Vereinbarung oder "Bestätigung" als Inhalt einer möglichen Abtretung zugrunde gelegt werden. Insofern bestehen allerdings schon Zweifel an der Person der Zessionarin, die in der Abtretungsvereinbarung vom 28. September 2015 mit "M. GmbH" bezeichnet worden ist. Denn insofern liegt keine Identität mit der damaligen Firma der Klägerin vor.
Selbst wenn jedoch anzunehmen wäre, dass mit der genannten Bezeichnung die Klägerin gemeint war, ginge die Abtretung inhaltlich ins Leere. Denn es ist weder dargelegt worden noch ersichtlich, dass dem MVZ M. aus den in der Abtretungsvereinbarung bezeichneten Rechnungen irgendwelche Ansprüche zustanden, die aufgrund der Abtretung auf die Klägerin übergegangen sein könnten. Tatsächlich sind die Rechnungen von der Klägerin im eigenen Namen gegenüber der Beklagten gestellt worden. Andere Ansprüche - insbesondere solche auf Aufwendungsersatz aus öffentlich-rechtlicher GoA - sind nicht Gegenstand der Abtretung.
Unabhängig hiervon ist aber auch jegliche Abtretung etwaiger Forderungen des MVZ an die Klägerin nicht glaubhaft. Dagegen spricht bereits das vorprozessuale Verhalten der Klägerin, die im eigenen Namen gegenüber der Beklagten Rechnungen gestellt hat, ohne auch nur ansatzweise auf eine Abtretung hinzuweisen. Hinzu kommt, dass die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Abtretungsvereinbarung vom 28. September 2015 offenkundig zurückdatiert worden ist. Für diese Annahme ist von Bedeutung, dass zu den drei in der Vereinbarung genannten Rechnungen jeweils Rechnungsbeträge angegeben worden sind, die von den tatsächlichen Rechnungsbeträgen dieser Rechnungen abweichen. Bei diesen Rechnungen hatte die Klägerin ursprünglich die Skontoabzüge nicht berücksichtigt. Die unveränderten ursprünglichen Rechnungsbeträge hat sie nochmals in dem Mahnschreiben vom 1. Oktober 2015 und im Schreiben vom 31. August 2016 aufgeführt, mithin noch (deutlich) nach der behaupteten Abtretungsvereinbarung vom 28. September 2015. Die Beträge, die in der Abtretungsvereinbarung aufgeführt sind, sind demgegenüber niedriger, weil darin der Skontoabzug berücksichtigt ist. Dieselben Beträge finden sich erstmals in der Klagebegründung vom 10. November 2016.
Danach steht fest, dass die Klägerin vorprozessual - anwaltlich noch nicht vertreten - einen eigenen Anspruch geltend gemacht hat und erst im Klageverfahren einen Anspruch aus abgetretenem Recht verfolgt. Die dargelegten zeitlichen Abläufe lassen keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die Abtretungsvereinbarung erst nachträglich, nämlich aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung der Klägerin zur Begründung ihres geltend gemachten Anspruchs erstellt worden ist. Dementsprechend vermag sich der Senat nicht die volle Überzeugung zu bilden, dass zwischen MVZ und Klägerin überhaupt ein Übergang möglicher Ansprüche des MVZ im Wege der Abtretung mit Rechtsbindungswillen vereinbart worden ist. Die sich aus dem Vorgehen der Klägerin ergebenden Widersprüche sprechen eher für ein am Klageziel orientiertes Vorbringen, dem in Wirklichkeit keine Abtretung zugrunde liegt. Jedenfalls aber begründen diese Umstände erhebliche Zweifel an einer Abtretung und schließen damit den Vollbeweis des behaupteten Rechtsgeschäfts aus.
III. Ansprüche der Klägerin auf Aufwendungsersatz aus eigenem Recht hat der Senat nicht zu prüfen, weil die Klägerin solche nicht zum Gegenstand ihrer Klage gemacht hat.
Die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht stellt auch bei einheitlichem Klageziel einen anderen Streitgegenstand dar als die Geltendmachung aus eigenem Recht, weil der der Klage zugrunde gelegte Lebenssachverhalt im Kern geändert wird, wenn die Klage statt auf fremdes auf eigenes Recht gestützt wird (vgl dazu BGH, Urteil vom, 24. Mai 2022 - VI ZR 1215/20 -, juris Rn 16 mwN). Vorliegend ist der Klageschrift vom 10. November 2016 eindeutig und ausschließlich die Geltendmachung eines Anspruchs aus abgetretenem Recht zu entnehmen. Eine Klageänderung, aus der sich nunmehr auch die (ggf hilfsweise) Geltendmachung von Ansprüchen aus eigenem Recht ergeben würde, ist nicht erfolgt. An den von der Klägerin bestimmten Streitgegenstand ist der Senat gebunden.
IV. An diesem Ergebnis ändert auch die Argumentation der Klägerin, dass das Verhalten der Beklagten gegen Treu und Glauben verstoße, nichts.
Zwar trifft es zu, dass die Beklagte ursprünglich dem Grunde nach nicht infrage gestellt hat, dass sie die reinen Kosten der Arzneimittelversorgung ihrer Versicherten würde tragen müssen. Darin liegt aber zunächst einmal nur die Äußerung einer Rechtsauffassung, an der die Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr festhält und die aus den vorstehenden Gründen jedenfalls insoweit nicht zutraf, als es den hier streitgegenständlichen prozessualen Anspruch betrifft. Ein eigenständiger Verpflichtungsgrund in Form eines (abstrakten) Schuldanerkenntnisses ist darin schon deshalb nicht zu erblicken, weil ein solches als öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß § 56 SGB X der Schriftform und damit grundsätzlich der Unterschrift aller Vertragsparteien bedürfte (vgl BSG, Urteil vom 24. März 2022 - B 10 ÜG 2/20 R -, juris Rn 28 mwN). Ein solcher formwirksamer Vertrag wird von der Klägerin nicht behauptet und liegt auch nicht vor.
Diese Sach- und Rechtslage mag von der Klägerin als ungerecht empfunden werden. Wenn sie jedoch ohne Einbeziehung der Beklagten Absprachen zum Direktbezug mit dem MVZ M. trifft, begründet das für sich genommen keine Verpflichtungen der Beklagten. Insoweit wäre es Aufgabe des MVZ gewesen, mit der Beklagten (und nicht mit der Klägerin) eine Vereinbarung über den Bezugsweg und die Begleichung der Kosten der Arzneimittel zu treffen, und zwar unabhängig vom Begehren einer zusätzlichen Vergütung oder eines Aufwendungsersatzes wegen behaupteter Kosten, die aus den mit dem Direktbezug zusammenhängenden Aufgaben und Verpflichtungen resultieren. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass ein Vertrauen der Klägerin darauf, dass die Beklagte die Arzneimittelkosten letztendlich erstatten würde, durch ein Verhalten der Beklagten begründet worden wäre. Bei dieser Sachlage trägt die Klägerin das Risiko, auf den Kosten des Arzneimittelbezuges aufgrund des von ihr und dem MVZ M. gewählten Beschaffungsweges sitzen zu bleiben. Dass die Beklagte im Laufe eines Rechtsstreits ihre Rechtsauffassung ändert und nunmehr - im Ergebnis zutreffend - eine Erstattung der Kosten schon dem Grunde nach ablehnt, gehört zum allgemeinen Prozessrisiko und rechtfertigt deshalb keine andere Beurteilung.
F. Da die Klage hinsichtlich der Hauptforderung unbegründet ist, besteht auch kein Anspruch auf Verzinsung der Hauptforderung, sodass die Anschlussberufung - soweit sie wie oben dargelegt zulässig ist - ohne Erfolg bleibt.
G. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG i.V.m. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Die Festsetzung des Streitwerts im Berufungsverfahren folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 3 S 1, 43 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).