Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.01.2023, Az.: L 13 AS 137/22 ZVW
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II); Unzulässigkeit des Widerspruchs des Bevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.01.2023
- Aktenzeichen
- L 13 AS 137/22 ZVW
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 51111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2023:0125.13AS137.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 15.12.2020 - AZ: S 44 AS 1760/19
Rechtsgrundlagen
- § 83 SGG
- § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X
In dem Rechtsstreit
B.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt C.
gegen
Jobcenter D.
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
hat der 13. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung am 25. Januar 2023 in Bremen durch den Richter E. - Vorsitzender - und die Richterinnen F. und Dr. G. sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. H. und I. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von März bis Dezember 2019.
Die 1989 geborene Klägerin ist J. Staatsangehörige. Sie stellte im März 2019 für sich und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Lebensgefährten sowie ihre 2014 und 2011 geborenen Kinder einen Antrag auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Dieser lehnte mit Bescheid vom 16. Mai 2019 den Leistungsantrag ab und führte zur Begründung aus, dass der Lebensgefährte aufgrund fehlenden Arbeitnehmerstatus nicht berücksichtigt werden könne und im Übrigen ein Leistungsanspruch nach dem SGB II für die Bedarfsgemeinschaft aufgrund der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Leistungen in Form von Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) nicht bestehe. Gegen den Bescheid erhob Rechtsanwalt K. am 18. Juni 2019 für die Klägerin und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Widerspruch. Mit Eingangsbestätigung vom 20. Juni 2019 forderte der Beklagte Rechtsanwalt K. auf, bis zum 11. Juli 2019 eine Vertretungsvollmacht vorzulegen. Sollte bis zu diesem Termin eine solche nicht vorliegen, werde der Widerspruch als unzulässig verworfen. Zu dem Schreiben erging eine elektronische Verfügung des Sachbearbeiters mit dem Vermerk: "Ab am 21.06.2019 699.E". Rechtsanwalt K. reagierte auf das Schreiben nicht. Auch fragte er nicht wegen einer ausstehenden Eingangsbestätigung nach. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unzulässig zurück mit der Begründung, dass der Widerspruchsführer (Rechtsanwalt L.) durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert sei. Eine Bevollmächtigung durch den Betroffenen sei trotz Aufforderung vom 20. Juni 2019 unter Fristsetzung bis zum 11. Juli 2019 nicht nachgewiesen worden, daher habe keine Entscheidung in der Sache getroffen werden können.
Am 19. September 2019 hat Rechtsanwalt K. im Namen der Klägerin Klage erhoben. Wegen der Sachverhaltsdarstellung hat er auf die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid Bezug genommen und wegen der Klagebegründung auf seine "vorgerichtlichen Schriftsätze". Der Beklagte hat in seiner Klageerwiderung nochmals darauf hingewiesen, dass Rechtsanwalt K. im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 20. Juni 2019 vergeblich zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert worden sei. Auf Aufforderung des Sozialgerichts (SG) Bremen hat Rechtsanwalt K. nunmehr die Kopie einer Vollmacht vom 12. März 2019 vorgelegt, ohne allerdings die vom SG erbetene Stellungnahme zu der Klageerwiderung abzugeben. Der Beklagte hat schriftsätzlich mitgeteilt, dass er an seiner Entscheidung festhalte, da zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides eine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen gewesen sei. Auch hierzu hat Rechtsanwalt K. trotz Aufforderung des SG keine Stellungnahme abgegeben.
Erst auf den rechtlichen Hinweis des SG, dass die im Klageverfahren vorgelegte Vollmacht der Klägerin keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2019 habe, hat Rechtsanwalt K. mit Schriftsatz vom 19. Mai 2020 vorgetragen, es fehle an einer Aufforderung zur Vorlage der Vollmacht im Widerspruchsverfahren, ein Schreiben des Beklagten vom 20. Juni 2019 sei ihm nicht bekannt.
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte der Klägerin und ihren Kindern auf einen im Januar 2020 gestellten Neuantrag ab diesem Monat Leistungen nach dem SGB II bewilligt.
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Dezember 2020 hat das SG Bremen die Klage abgewiesen. Das Schreiben vom 20. Juni 2019 sei postalisch an den Rechtsanwalt versandt worden. Dies sei durch den "Abgabevermerk" vom 20. Juni 2019 ordnungsgemäß dokumentiert worden. Der Prozessbevollmächtigte hätte den Zugang des Schreibens substantiiert bestreiten müssen. Einen abweichenden Geschehensablauf habe er nicht schlüssig vorgetragen, daher sei der Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen worden.
Gegen den ihm am 17. Dezember 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat Rechtsanwalt K. am 11. Januar 2021 für die Klägerin Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass der Beklagte für den Zugang des Anforderungsschreibens die volle Darlegungs- und Beweislast trage und die tatsächliche Aufgabe zur Post, soweit sie überhaupt dokumentiert sei, den Zugang des Schriftstückes beim Empfänger nicht beweise. Auch sei die Ablehnung von Leistungen rechtswidrig erfolgt, da der Beklagte die Klägerin zunächst unter Setzung einer Frist zur Stellung eines Antrags auf Kinderzuschlag hätte auffordern müssen. Im Übrigen habe die Familienkasse mit Bescheid vom 21. Oktober 2019 die Gewährung eines Kinderzuschlags abgelehnt.
Mit Urteil vom 4. Mai 2021 hat der Senat die Berufung als unzulässig verworfen, nachdem Rechtsanwalt K. trotz Aufforderung eine aktuelle Vollmacht für das Berufungsverfahren nicht übersandt hatte. Diese Entscheidung ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin mit Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Mai 2022 aufgehoben worden und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen worden, da der Senat in Ermangelung von Zweifeln an der Bevollmächtigung nicht berechtigt gewesen sei, von Rechtsanwalt K. die Vorlage einer weiteren, auf das Berufungsverfahren bezogenen Vollmacht zu verlangen.
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat Rechtsanwalt K. im Verhandlungstermin seine Vernehmung als Zeuge zu der Behauptung beantragt, das Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 20. Juni 2019 sei ihm nicht zugegangen.
In der Sache beantragt er,
den Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 15. Dezember 2020 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2019 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II von März bis Dezember 2019 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest und hat mit einem am Verhandlungstag eingegangenen Schriftsatz eine Vollmachtsrüge erhoben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Berufung ist trotz fehlenden Nachweises einer Bevollmächtigung als zulässig anzusehen, da der Senat insoweit in Anwendung des § 170 Abs. 5 SGG (vgl. hierzu: Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl. 2020, § 160a Rn. 19d) an die Rechtsauffassung des BSG gebunden ist. Die erst am Verhandlungstag erhobene Vollmachtsrüge des Beklagten ist verspätet, so dass ihr nicht nachzugehen war.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da das SG die statthafte kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, § 56 SGG) zu Recht abgewiesen hat. Zutreffend hat das SG festgestellt, dass der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 19. August 2019 rechtmäßig ist und der von Rechtsanwalt K. eingelegte Widerspruch als unzulässig zu verwerfen war.
Gemäß § 83 SGG beginnt das Vorverfahren mit der Erhebung des Widerspruchs. Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG). Dabei kann sich ein Beteiligter gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anders ergibt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Die Regelungen des § 13 SGB X gelten gemäß § 62 Halbsatz 2 SGB X auch für das Vorverfahren, da das SGG insofern keine Regelung trifft, weil § 73 SGG zwar nicht nach seiner systematischen Stellung, aber nach seinem Wortlaut nur das gerichtliche Verfahren betrifft.
Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X hat der Bevollmächtigte auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Geschieht dies nicht, ist der durch ihn erhobene Widerspruch unzulässig (vgl. etwa Landessozialgericht [LSG] Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2008 - L 4 KA 3/07 - juris Rn. 23; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 - L 3 AS 98/13 - juris Rn. 16). So lag der Fall auch hier, da Rechtsanwalt K. auf das berechtigte Verlangen des Beklagten keine Vollmacht der Klägerin vorgelegt hatte.
§ 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X bindet die Behörde bei ihrem Nachweisverlangen nicht an bestimmte Voraussetzungen. Das insoweit auszuübende Verfahrensermessen bedarf keiner Begründung und ist gerichtlich nur dahingehend nachprüfbar, ob ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorliegt (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2008 - L 4 KA 3/07 - juris Rn. 23; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 - L 3 AS 98/13 - juris Rn. 17; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juni 2015 - L 4 R 3235/14 - juris Rn. 26; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juni 2020 - L 2 AS 401/19 - juris Rn. 37; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2021 - L 19 AS 2551/17 - juris Rn. 33; Roller in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 13 Rn. 6a; Mutschler in: Kasseler Kommentar, Stand: 1. August 2022, § 13 SGB X Rn. 15; a. A. hinsichtlich des Begründungserfordernisses: Sächsisches LSG, Beschluss vom 5. Juni 2015 - L 3 AL 150/13 B PKH - juris Rn. 23). Die Vorlage einer Vollmacht im Widerspruchsverfahren kann von einem Rechtsanwalt insbesondere dann verlangt werden, wenn - wie hier - in der Vergangenheit wiederholt Anhaltspunkte für Bevollmächtigungsmängel vorlagen (vgl. Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 13 Rn. 9; LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O. Rn. 37).
Nach diesen Maßstäben ist das Nachweisverlangen des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Der hier auftretende Rechtsanwalt hatte in der Vergangenheit wiederholt Widerspruchs- und Klageverfahren ohne ordnungsgemäße Bevollmächtigung geführt. Das Verlangen des Beklagten war mit einer angemessenen Frist sowie mit dem Hinweis verbunden, dass der Widerspruch bei fehlendem Nachweis der Vollmacht als unzulässig verworfen werde.
Zur vollen Überzeugung des Senats hat Rechtsanwalt K. das entsprechende Schreiben des Beklagten vom 20. Juni 2019 auch erhalten. Dieses war ordnungsgemäß an Rechtsanwalt K. adressiert und ein Postrücklauf war nicht zu verzeichnen. Für den Zugang des Schreibens spricht auch, dass Rechtsanwalt K. bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 19. August 2019 nicht wegen einer ausstehenden Eingangsbestätigung hinsichtlich seines Widerspruchs vom 18. Juni 2019 nachfragte. In seiner Klagebegründung hat er sodann hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung ausdrücklich auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Damit hat er die darin getroffene Tatsachenfeststellung, dass er mit Schreiben vom 20. Juni 2019 zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert worden war, unstreitig gestellt. Dementsprechend ist er auch den Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung, dass er - Rechtsanwalt K. - mit Schreiben vom 20. Juni 2019 zur Vorlage einer Vollmacht unter Fristsetzung bis zum 11. Juli 2019 aufgefordert worden sei, nicht entgegengetreten. Erst auf den Hinweis des SG, dass der Beklagte den Widerspruch zu Recht als unzulässig verworfen haben dürfte und die Klage daher keine Aussicht auf Erfolg habe, hat Rechtsanwalt K. mit Schriftsatz vom 19. Mai 2020 vorgetragen, ein Schreiben des Beklagten vom 20. Juni 2019 sei ihm nicht bekannt. Im Verhandlungstermin vor dem erkennenden Senat am 25. Januar 2023 hat er seinen Sachvortrag nochmals geändert und nunmehr behauptet, dass betreffende Schreiben sei ihm nicht zugegangen. Diesen mehrfach geänderten Sachvortrag als Reaktion auf rechtliche Hinweise des Gerichts wertet der Senat als reine Schutzbehauptungen, zumal es an einer plausiblen Erklärung für diesen angepassten Sachvortrag fehlt. Wenn Rechtsanwalt K. das fragliche Schreiben bei Lektüre des Widerspruchsbescheides tatsächlich nicht bekannt gewesen wäre und es ihm auch nicht zugegangen wäre, wäre zu erwarten gewesen, dass er bereits bei Klageerhebung auf diesen Umstand mit der gebotenen Deutlichkeit hingewiesen hätte, um der erfolgten Verwerfung des Widerspruchs die Grundlage zu entziehen und eine Sachprüfung durch das Gericht zu eröffnen. Stattdessen hat er wegen der Sachverhaltsdarstellung auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und die dortige Darstellung damit zum Gegenstand seines eigenen Sachvortrags im Klageverfahren gemacht. Der Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat, bei der Bezugnahme auf die Sachverhaltsdarstellung im Widerspruchsbescheid handele sich um einen Baustein, welcher immer verwendet werde, wirft die Frage auf, inwieweit Gericht und Gegenseite den Sachvortrag des Rechtsanwalts überhaupt noch ernst nehmen können. Im Übrigen wäre aber auch bei einer sonst üblichen Verwendung von Bausteinen bei einer anwaltlich verfassten Klagebegründung die Richtigstellung einer offenkundig unrichtigen Sachverhaltsdarstellung des Beklagten im Widerspruchsbescheid zu erwarten.
Dem Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung war nicht nachzukommen. Zwar kann der Prozessbevollmächtigte einer Partei (bzw. im sozialgerichtlichen Verfahren eines Beteiligten) auch bei Fortdauer seiner Funktion als Zeuge vernommen werden (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 8. Mai 2007 - VI ZB 80/06 - juris Rn.16). Abgesehen davon, dass sich Rechtsanwalt K. während der Beratung über seinen Beweisantrag schon entfernt hatte und damit als Zeuge nicht mehr zur Verfügung stand, war die beantragte Zeugenvernehmung ohnehin abzulehnen. Nicht nachzukommen ist einem Beweisantritt, wenn eine Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sacherhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Oktober 2007 - 2 BvR 1268/03 - juris Rn. 19 und BGH, Urteil vom 25. April 1995 - VI ZR 178/94 - juris Rn. 13, jeweils m. w. N.). So liegt der Fall auch hier. Für den zuletzt behaupteten Sachverhalt des fehlenden Zugangs des fraglichen Schreibens des Beklagten liegen - wie ausgeführt - keine greifbaren Anhaltspunkte vor und unter den dargestellten Umständen handelt es sich um eine willkürliche Behauptung "ins Blaue hinein".
Soweit Rechtsanwalt K. im Klageverfahren eine Vollmacht der Klägerin vorgelegt hat, wird der Mangel der Vollmacht im Widerspruchsverfahren nach nahezu einhelliger Auffassung in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur, der der Senat folgt, nicht durch Vorlage der Vollmacht im gerichtlichen Verfahren geheilt, denn anderenfalls könnte der Kläger einer verfahrensrechtlich rechtmäßig ergangenen Widerspruchsentscheidung nachträglich die Grundlage entziehen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 4. November 2008 - L 4 KA 3/07 - juris Rn. 24 f.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 - L 3 AS 98/13 - juris Rn. 21 ff.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Juni 2015 - L 4 R 3235/14 - juris Rn. 34 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juni 2020 - L 2 AS 401/19 - juris Rn. 40; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2021 - L 19 AS 2551/17 - juris Rn. 33; Roller a. a. O. Rn. 12; Mutschler a. a. O. Rn. 18; Prehn in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Aufl. 2019, § 13 Rn. 8; a. A. - ohne nähere Begründung - Fichte in: Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl. 2013, §§ 13 - 15 SGB X Rn. 12).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).