PräVARdErl,NI - Präventive Vermögensabschöpfung-Runderlass

Präventive Vermögensabschöpfung;
Hinweise zum Verfahren der Sicherstellung nach § 26 NPOG vor strafprozessualer Herausgabe offensichtlich nicht rechtmäßig erlangter Sachen

Bibliographie

Titel
Präventive Vermögensabschöpfung; Hinweise zum Verfahren der Sicherstellung nach § 26 NPOG vor strafprozessualer Herausgabe offensichtlich nicht rechtmäßig erlangter Sachen
Redaktionelle Abkürzung
PräVARdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011

Gem. RdErl. d. MI u. d. MJ v. 21.7.2021 - P 22.2-1201-26 -

Vom 21. Juli 2021 (Nds. MBl. S. 1190) (1)

- VORIS 21011 -

Bezug: RdErl. v. 16.7.1998 (Nds. MBl. S. 1078)
- VORIS 21011 10 00 00 060 -

Redaktionelle InhaltsübersichtAbschnitt
Inhalt1
Zuständigkeiten2
Allgemeine Hinweise3
Hinweise für Staatsanwaltschaft und Polizei im Rahmen des Ermittlungsverfahrens4
Hinweise für die Durchführung der Sicherstellung gemäß § 26 NPOG5
Hinweise zur Verwahrung6
Hinweise zur Verwertung7
Hinweise zu Verwertungserlös/Kosten8
Übergangs- und Schlussbestimmungen9

Nds. Rpfl. S. 307

Abschnitt 1 PräVARdErl - Inhalt

Bibliographie

Titel
Präventive Vermögensabschöpfung; Hinweise zum Verfahren der Sicherstellung nach § 26 NPOG vor strafprozessualer Herausgabe offensichtlich nicht rechtmäßig erlangter Sachen
Redaktionelle Abkürzung
PräVARdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011

Können die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens sichergestellten oder beschlagnahmten Sachen keiner konkreten rechtswidrigen Tat zugeordnet werden und liegen somit nicht die Voraussetzungen einer Einziehung gemäß § 73 StGB vor und sind auch nicht die Voraussetzungen der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB oder einer selbständigen Einziehung gemäß § 76a Abs. 4 StGB gegeben, sind die Sachen prinzipiell an die letzte Gewahrsamsinhaberin oder den letzten Gewahrsamsinhaber herauszugeben, sofern nicht auf die Herausgabe verzichtet wird oder wurde.

Sind die sichergestellten oder beschlagnahmten Sachen aber von der beschuldigten Person oder der letzten Gewahrsamsinhaberin oder dem letzten Gewahrsamsinhaber offensichtlich nicht rechtmäßig erlangt worden, besteht unter bestimmten (im Folgenden dargelegten) Voraussetzungen die Möglichkeit einer Sicherstellung nach § 26 NPOG, um die Herausgabe an die o. g. Personen zu vermeiden.

Um zu erreichen, dass von dieser Möglichkeit weitgehend und effektiv Gebrauch gemacht wird, ist ein abgestimmtes Zusammenwirken der Staatsanwaltschaft mit den zuständigen Verwaltungsbehörden und der Polizei erforderlich.

Vor diesem Hintergrund werden die nachfolgenden Hinweise gegeben:

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 9 Absatz 2 des Runderlasses vom 21. Juli 2021 (Nds. MBl. S. 1190, Nds. Rpfl. Nr. 9/2021 S. 307)

Abschnitt 2 PräVARdErl - Zuständigkeiten

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Präventive Vermögensabschöpfung; Hinweise zum Verfahren der Sicherstellung nach § 26 NPOG vor strafprozessualer Herausgabe offensichtlich nicht rechtmäßig erlangter Sachen
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Gliederungs-Nr.
21011

2.1 Sachliche Zuständigkeit

Sachlich zuständig für die Durchführung der Sicherstellung gemäß § 26 NPOG, die anschließende Verwahrung gemäß § 27 NPOG sowie eine ggf. durchzuführende Verwertung gemäß den §§ 28 und 29 NPOG sind gemäß § 97 Abs. 1 NPOG grundsätzlich die Gemeinden.

Eine Eilzuständigkeit der Polizei (i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 1 NPOG) für die Durchführung der Sicherstellung besteht in der Regel nicht, da es der Staatsanwaltschaft - auch bei einer Entscheidung durch die Richterin oder den Richter - regelmäßig möglich sein wird, die zuständige Verwaltungsbehörde so rechtzeitig zu informieren, dass eine Sicherstellung der Sache(n) vor der Herausgabe angeordnet werden kann.

Es ist insoweit auch keine originäre Zuständigkeit der Polizei im Hinblick auf die Verhütung von Straftaten gegeben. Die Polizei wird nach § 1 Abs. 1 Satz 3 NPOG nur dann vorrangig tätig, wenn ihr bestimmte Befugnisse zur Erkenntnisgewinnung vorbehalten sind und nur sie aus ihrer strafverfolgenden Tätigkeit über spezifisches Erfahrungswissen verfügt, um kriminellen Gefahren entgegenwirken zu können. Diese besonderen Voraussetzungen liegen hinsichtlich einer präventiven Sicherstellung regelmäßig nicht vor. Die Sicherstellung von bereits in behördlicher Verwahrung befindlichen Sachen ist unproblematisch durch einfaches ordnungsbehördliches Eingreifen möglich. Insoweit greift die Ausnahme von der (Regel-)Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden regelmäßig nicht (vgl. Nummer 1.2 des Bezugserlasses).

Die Verwahrung (§ 27 NPOG) präventiv sichergestellter Sachen und eine ggf. durchzuführende Verwertung (§§ 28 und 29 NPOG) fällt wegen der Subsidiarität der polizeilichen Tätigkeit prinzipiell in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden, selbst dann, wenn die Polizei aufgrund besonderer - vom Regelfall abweichender - Sachumstände eine Sicherstellung gemäß § 26 NPOG durchgeführt hat.

2.2 Örtliche Zuständigkeit

Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 100 Abs. 1 Satz 2 NPOG. Aufgrund der bevorstehenden Herausgabeentscheidung der Staatsanwaltschaft wird die nach § 26 Nr. 1 NPOG erforderliche gegenwärtige Gefahr begründet oder werden die Interessen des in § 26 Nr. 2 NPOG genannten Personenkreises gefährdet. Unabhängig vom tatsächlichen Aufbewahrungsort ist die Verwaltungsbehörde am Sitz der Staatsanwaltschaft örtlich zuständig.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 9 Absatz 2 des Runderlasses vom 21. Juli 2021 (Nds. MBl. S. 1190, Nds. Rpfl. Nr. 9/2021 S. 307)

Abschnitt 3 PräVARdErl - Allgemeine Hinweise

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Präventive Vermögensabschöpfung; Hinweise zum Verfahren der Sicherstellung nach § 26 NPOG vor strafprozessualer Herausgabe offensichtlich nicht rechtmäßig erlangter Sachen
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Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011

3.1 Sicherstellungsobjekte

§ 26 NPOG erlaubt anders als § 111b StPO (unter den Begriff Gegenstand i. S. dieser Vorschrift fallen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie alle Rechte) nur die Sicherstellung von Sachen i. S. des § 90 BGB. Darunter fällt z. B. Bargeld, aber kein Buchgeld.

Sofern sichergestelltes Bargeld durch die Strafverfolgungsbehörden zwecks Verwahrung auf ein Verwahrkonto eingezahlt wird, gilt dieses nach analoger Anwendung des § 26 NPOG für eine sich anschließende Sicherstellung weiterhin als Bargeld (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 7.3.2013, 11 LB 438/10, Randnummer 31). Eine darüber hinausgehende analoge Anwendung auf Fälle, in denen die Strafverfolgungsbehörde originär Buchgeld sichergestellt hat, ist ausgeschlossen.

3.2 Rechtsgrundlagen

Die Sicherstellung von Sachen nach strafprozessualer Herausgabe ist grundsätzlich sowohl auf der Grundlage des § 26 Nr. 1 NPOG als auch des § 26 Nr. 2 NPOG möglich. § 26 Nr. 1 NPOG erfordert allerdings das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr (vgl. § 2 Nrn. 1 und 2 NPOG) und ist insoweit enger als § 26 Nr. 2 NPOG.

3.3 Besonderheiten bei der Sicherstellung von Bargeld

Bargeld, das im Rahmen von Straftaten erlangt wird - sofern es nicht gestohlen wurde - gilt sachenrechtlich als Eigentum der oder des Beschuldigten, da die Rechtswidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht zwangsläufig auf die Wirksamkeit der sachenrechtlichen Eigentumsübertragung durchschlägt. Eine Sicherstellung von Bargeld ist, wenn möglich, auf § 26 Nr. 1 NPOG zu stützen.

3.4 Widerlegung der Eigentumsvermutung

Die Eigentümerstellung einer Sache wird nach § 1006 BGB zugunsten der (letzten) Besitzerin oder des (letzten) Besitzers vermutet. Unabhängig davon, ob die wahre Eigentümerin oder der wahre Eigentümer noch ermittelt werden kann, ist die Sicherstellung nach § 26 Nr. 2 NPOG nur anzuordnen, wenn die vorgenannte Vermutung der Eigentümerstellung widerlegt werden kann. Dies ist auch mithilfe von Indiztatsachen und Erfahrungssätzen möglich. In diesen Fällen tritt eine Umkehr der Beweislast ein, sodass die letzte Gewahrsamsinhaberin oder der letzte Gewahrsamsinhaber oder die beschuldigte Person den Nachweis des Eigentums an den Gegenständen zu führen hat.

Indiztatsachen und Erfahrungssätze sind etwa:

  • Sachen sind noch original verpackt;

  • an den Sachen sind noch Spuren deliktischer Herkunft zu finden (Autoradios oder Elektrogeräte mit durchtrennten Kabeln, Fahrräder mit aufgebrochenen Schlössern);

  • bei der letzten Gewahrsamsinhaberin oder dem letzten Gewahrsamsinhaber befand sich eine Anzahl/Vielzahl von (gleichartigen) Sachen, für die evtl. nicht einmal Verwendung besteht (z. B. Beschuldigte oder Beschuldigter hat Autoradios, aber kein Auto);

  • Sachen sind noch mit Sicherungsetiketten und/oder Preisschildern versehen;

  • die finanzielle Situation oder das Einkommen der letzten Gewahrsamsinhaberin oder des letzten Gewahrsamsinhabers lässt redlichen Erwerb der Sachen (auch Bargeld) nicht erklären;

  • Rechnungen, Quittungen, Belege über den redlichen Erwerb der Sachen können nicht vorgelegt werden;

  • die letzte Gewahrsamsinhaberin oder der letzte Gewahrsamsinhaber ist bereits einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten;

  • Identifikationsmerkmale von Sachen wurden entfernt (z. B. Seriennummern unkenntlich gemacht);

  • gegen die letzte Gewahrsamsinhaberin oder den letzten Gewahrsamsinhaber sind aktuelle Ermittlungsverfahren wegen gleicher Delikte anhängig.

Zum Zwecke der Beurteilung der unter Spiegelstrich 7 und 9 genannten Indiztatsachen teilt die Staatsanwaltschaft der Verwaltungsbehörde ihr vorliegende Erkenntnisse über einschlägige rechtskräftige Verurteilungen und noch anhängige Ermittlungsverfahren wegen einschlägiger Delikte mit. Bezüglich letzterer erfolgt eine Mitteilung nur im Hinblick auf Verfahren, denen nach Bewertung durch die Staatsanwaltschaft tatsächlich eine Indizwirkung zukommt (beispielsweise bei eingestellten Verfahren die Art der Einstellung) und die keiner besonderen Geheimhaltung (beispielsweise verdeckte Ermittlungen) bedürfen.

3.5 Wert der sicherzustellenden Sachen (Bagatellgrenze)

Liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die letzte Gewahrsamsinhaberin oder der letzte Gewahrsamsinhaber die Sachen unrechtmäßig erlangt hat, soll eine präventive Sicherstellung angeordnet werden. Sie sollte nur dann unterbleiben, wenn der administrative Aufwand und/oder die (Lagerungs-/Verwertungs-)Kosten unter Berücksichtigung der Art der Sache und auch der Persönlichkeit der letzten Gewahrsamsinhaberin oder des letzten Gewahrsamsinhabers oder der beschuldigten Person eine Sicherstellung unverhältnismäßig erscheinen lassen. Insoweit bedarf es regelmäßig nur dann einer sorgfältigen Prüfung, ob eine Herausgabe untunlich ist oder nicht, wenn der Wert der Gegenstände im konkreten Fall in der Summe unter 250 EUR liegt.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 9 Absatz 2 des Runderlasses vom 21. Juli 2021 (Nds. MBl. S. 1190, Nds. Rpfl. Nr. 9/2021 S. 307)

Abschnitt 4 PräVARdErl - Hinweise für Staatsanwaltschaft und Polizei im Rahmen des Ermittlungsverfahrens

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Titel
Präventive Vermögensabschöpfung; Hinweise zum Verfahren der Sicherstellung nach § 26 NPOG vor strafprozessualer Herausgabe offensichtlich nicht rechtmäßig erlangter Sachen
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Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21011

4.1 Herausgabeverzicht

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ist so früh wie möglich zu versuchen, von der beschuldigten Person oder der letzten Gewahrsamsinhaberin oder des letzten Gewahrsamsinhabers den ausdrücklichen Verzicht auf die Herausgabe zu erlangen. Dabei sollte der Hinweis gegeben werden, dass bei fehlender Verzichtserklärung das verwaltungsrechtliche Verfahren nach § 26 NPOG durchgeführt werden kann.

4.2 Prüfung der Sicherstellung nach § 26 NPOG

Weigert sich die beschuldigte Person oder die letzte Gewahrsamsinhaberin oder der letzte Gewahrsamsinhaber auch nach vorstehendem Hinweis, auf die Herausgabe zu verzichten, entscheidet die Staatsanwaltschaft unter Beachtung der in Nummer 3 dargelegten Grundsätze, ob eine Sicherstellung nach § 26 Nr. 1 oder 2 NPOG in Betracht kommt. Dies setzt die Feststellung voraus, dass im Ermittlungsverfahren die Voraussetzungen einer Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung oder Unbrauchbarmachung nach den §§ 111b ff. StPO oder Sicherstellung und Beschlagnahme zu Beweiszwecken gemäß § 94 StPO nicht (mehr) vorliegen und auch bei weiteren Ermittlungen keine Sicherstellung/Beschlagnahme oder Einziehung (§§ 73 ff. StGB) in Betracht kommt und auch die Voraussetzungen der erweiterten Einziehung sowie der selbständigen Einziehung nicht gegeben sind.

4.3 Abgabe an die Verwaltungsbehörde

Sind die Voraussetzungen gemäß Nummer 3.2 erfüllt, ist der zuständigen Behörde Gelegenheit zur Sicherstellung nach § 26 NPOG zu geben. Die Akten oder - sofern die Akten noch benötigt werden - ein anzulegender Sonderband sind unmittelbar der zuständigen Behörde zu übersenden. Der Vorgang wird mit dem deutlich sichtbaren Hinweis "Sicherstellung nach § 26 NPOG" übersandt. In dringenden Fällen ist die zuständige Behörde vorab telefonisch oder per Fax oder elektronisch über das "Besondere Elektronische Behördenpostfach" über den Sachverhalt zu informieren. Die jeweiligen datenschutzrechtlichen Bestimmungen für die Übermittlung personenbezogener Daten sind zu beachten.

4.4 Freigabeentscheidung

Die zuständige Behörde muss so rechtzeitig vor der Freigabeentscheidung über den Sachverhalt informiert werden, dass sie einen Bescheid gegenüber der letzten Gewahrsamsinhaberin oder dem letzten Gewahrsamsinhaber erlassen kann, mit dem sie die Sachen zum Zweck der Gefahrenabwehr sicherstellt. Erst wenn dieser Bescheid vorliegt, kann die Freigabeentscheidung (durch die Staatsanwaltschaft) der letzten Gewahrsamsinhaberin oder dem letzten Gewahrsamsinhaber bekannt gegeben werden. Mit Bekanntgabe der Freigabeentscheidung gegenüber der Verwahrstelle ist auf die Sicherstellung durch die Verwaltungsbehörde hinzuweisen.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 9 Absatz 2 des Runderlasses vom 21. Juli 2021 (Nds. MBl. S. 1190, Nds. Rpfl. Nr. 9/2021 S. 307)