Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 06.11.2014, Az.: 8 U 62/14

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
06.11.2014
Aktenzeichen
8 U 62/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42471
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 09.05.2014 - AZ: 1 O 2416/13

Tenor:

I. Auf die Berufungen der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.05.2014 in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 05.06.2014 - Az.: 1 O 2416/13 (315) - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1.) ein wirksam auf bestimmte Zeit, nämlich bis zum 14.02.2020 geschlossenes Mietverhältnis über die in den Anlagen B 1 und B 2 gekennzeichnete Ladenfläche von 97,5 qm nebst Nebenraum von 2 qm und Kellerraum von ca. 30 qm in dem Objekt F.straße 4 in G. besteht, welches auch nicht durch die Kündigungen vom 16.09.2013 und vom 02.10.2013 zum 31.03.2014 sowie durch die Kündigung vom 06.01.2014 beendet wurde.

2. Die Beklagte zu 1.) wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung der Th.-B. Rechtsanwaltsaktiengesellschaft in Höhe von 1.642,40 Euro netto freizustellen.

3. Die Widerklage der Beklagten zu 1.) wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 1.) 60% und der Beklagte zu 2.) 40%.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 1.)  91% und der Beklagte zu 2.) 9%.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder auch Hinterlegung in Höhe von 125 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 125 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Die Streitwertfestsetzung im landgerichtlichen Urteil vom 27.03.2014 - Az.: 1 O 2416/13 (315) - wird dahingehend abgeändert, dass der Streitwert im Verhältnis zur Beklagten zu 1.) insgesamt und bis zum 28.03.2014 auch im Verhältnis zum Beklagten zu 2.) auf die Wertstufe bis 65.000,00 Euro und für die Zeit danach auf die Wertstufe bis 7.000,00 Euro festgesetzt wird.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird in Abänderung des Beschlusses des Senats vom 30.09.2014 im Verhältnis zur Beklagten zu 1.) auf die Wertstufe bis 65.000,00 Euro und im Verhältnis zum Beklagten zu 2.) auf die Wertstufe bis 7.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

A.

Die Parteien streiten im Kern um die Wirksamkeit dreier ordentlicher Kündigungen von Geschäftsräumen, die am 16.09.2013 (Anlage K 13), am 02.10.2013 (Anlage K 15) sowie am 06.01.2014 (Bl. 67 d.A.) - insoweit hilfsweise auch außerordentlich -  ausgesprochenen worden sind. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 09.05.2014 (Bl. 112 - 114 d.A. - Bl.3 bis 5 LGU) sowie den Berichtigungsbeschluss vom 05.06.2014 (Bl. 124 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Mietverhältnisses abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage hin verurteilt, die gemieteten Räumlichkeiten herauszugeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aufgrund unzureichender Bezugnahme zwischen dem Ausgangsmietvertrag und den Nachträgen zwischen den Parteien nicht ein Mietvertrag auf eine bestimmte, sondern auf eine unbestimmte Zeit geschlossen worden sei, so dass dieser durch die ordentliche Kündigung zum 31.03.2014 beendet worden sei. Obgleich der Nachtrag Nr. 4 (Anlage K 8) auf die Nachträge 1 - 4 des Ursprungsmietvertrages verweise, sei diese Bezugnahme fehlerhaft, weil es unstreitig fünf Nachträge gegeben habe. Eine zweifelsfreie Zuordnung sei aus der Urkundenlage nicht zu entnehmen. Die hier vorliegende fehlende Bezugnahme auf einzelne Anlagen sei den Fällen gleichzustellen, in denen überhaupt nicht auf Anlagen Bezug genommen worden sei. Jedenfalls fehle es an der notwendigen zweifelsfreien Zuordnung, so dass ein potentieller Grundstückserwerber nicht wisse, welche vertraglichen Regelungen dem Mietverhältnis zu Grunde lägen. Die Berufung der Beklagten auf den Formmangel sei auch nicht treuewidrig. So sei die Klägerin nicht von der Einhaltung der Schriftform abgehalten worden. Da das Mietverhältnis mithin nur auf unbestimmte Zeit geschlossen worden sei, unterliege es der gesetzlichen Kündigungsfrist, die durch die Kündigungen zum 31.03.2014 gewahrt sei. Damit sei zugleich die Widerklage begründet.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit bezüglich des Beklagten zu 2.) übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, habe insoweit die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie entsprechend den vorangegangenen Ausführungen in der Sache unterlegen gewesen wäre.

Mit Beschluss vom 05.06.2014 ist der Tatbestand des landgerichtlichen Urteils teilweise berichtigt worden (Bl. 124 d. A.).

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 15. Mai 2014 zugestellte (Bl. 119 d. A.) Urteil mit Schriftsatz vom 20. Mai 2014, eingegangen beim Oberlandesgericht Braunschweig am 23. Mai 2014 (Bl. 227 d. A.), Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10. Juli 2014, eingegangen am selben Tage (Bl. 132 d. A.), begründet.

Die Klägerin greift das Urteil in vollem Umfang an und verfolgt ihr Feststellungsbegehren entsprechend dem erstinstanzlichen Hilfsantrag und den geltend gemachten Freistellungsanspruch bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Abweisung der Widerklage der Beklagten zu 1.) weiter. Ferner rügt sie die landgerichtliche Kostenentscheidung. Zur Begründung führt sie aus, dass das Landgericht die Anforderungen an die Erfüllung der Schriftform gemäß § 550 BGB überspannt habe. In dem Nachtrag Nr. 4 (Anlage K 8) sei ausgeführt, dass mit Ausnahme dessen, was in diesem Nachtrag neu vereinbart worden sei, alle bereits früher getroffenen Regelungen weiter gelten sollten. Dies sei zur Wahrung der Schriftform ausreichend. Zusätzlich werde im Nachtrag Nr. 4 noch erläutert, dass diese früheren Regelungen vier Nachträge umfassen würden. Diese bereits bestehenden vier Nachträge könnten schon begrifflich nicht in dem neu abgeschlossenen Nachtrag Nr. 4 nicht enthalten sein. Ein potentieller Erwerber könne bei verständiger Würdigung nur davon ausgehen, dass die Vertragsparteien  vier dem Nachtrag vom 03./23.09.2009 vorangegangene Nachtragsvereinbarungen getroffen hätten. Abzustellen sei nicht auf die vorgelegten, sondern auf die Gesamtheit aller vorhandenen Vertragsurkunden. Das Landgericht verkenne im Übrigen den Schutzzweck des § 550 BGB, indem es davon ausgegangen sei, dass diese Vorschrift einen potentiellen Erwerber vor einem Irrtum über die Anzahl der vereinbarten Nachträge schützen wolle. Jeder Erwerber sei der Gefahr ausgesetzt, einem unredlichen Veräußerer gegenüberzustehen, der ihm einen oder mehrere Nachträge vorenthalte. Es sei nicht Schutzzweck der Norm, den Erwerber vor der Unkenntnis einzelner Nachträge zu schützen. Es sei daher unerheblich, ob die Nachträge, was im vorliegenden Fall allerdings sehr wohl der Fall sei, aufeinander verweisen würden. Wichtig sei lediglich, dass sie alle zweifelsfrei auf den ursprünglichen Vertrag verweisen würden und eine chronologische Reihenfolge erkennen ließen, so dass deutlich werde, welche Regelungen weiter gelten sollten und welche durch neue Regelungen ersetzt worden seien. Eine Verweisung der einzelnen Nachträge aufeinander sei nicht erforderlich. Im Übrigen wäre eine Täuschung eines die Vertragsurkunden mit der gebotenen Sorgfalt prüfenden potentiellen Erwerbers mittels eines eventuell durch den Nachtrag vom 03./23.09.2008  (Anlage K 8) hervorgerufenen Irrtums über die Gesamtanzahl der Nachträge nicht möglich, weil bereits aus dem Nachtrag Nr. 3 (Anlage K 6) ersichtlich sei, welche weiteren Nachträge vereinbart worden seien. Dieser Nachtrag verweise auch auf die beiden Nachträge vom 18./26.11.1993 (Anlage K 2) und 07.01.1998 (Anlage K 3). Es sei auch nicht erforderlich, dass jeder einzelne Nachtrag auf alle anderen Nachträge Bezug nehme. Vielmehr sei es ausreichend, dass jeder einzelne Nachtrag auf den Grundvertrag verweise. Ein Verweis auf alle Nachträge sei auch vielfach sinnlos, weil einige Nachträge nur die Vertragslaufzeit beträfen, so dass sich diese bereits durch Zeitablauf erledigt hätten. Im Übrigen sei es der Beklagten zu 1.) nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Formunwirksamkeit des Mietvertrages zu berufen, weil sie den Nachtrag Nr. 4 (Anlage K 8) selbst vorformuliert und damit den etwaigen Formverstoß herbeigeführt habe. Zudem verfolge die Beklagte zu 1.) mit der Kündigung nur das unredliche Ziel, sich dem vereinbarten Ausgleich von Umsatzeinbußen zu entziehen, die allein auf einem in ihrem Interesse durchgeführten Tausch der Mietflächen beruhten. Soweit der Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2.) übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei, müsse dieser auch die insoweit entstandenen Verfahrenskosten tragen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.05.2014 - Az.: 1 O 2416/13 (315) wie folgt abzuändern:

1.) Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1.) ein wirksam auf bestimmte Zeit, nämlich bis zum 14.02.2020 geschlossenes Mietverhältnis über die in den Anlagen B 1 und B 2 gekennzeichnete Ladenfläche von 97,5 qm nebst Nebenraum von 2 qm und Kellerraum von ca. 30 qm in dem Objekt F. straße 4 in G. besteht, welches auch nicht durch die Kündigungen vom 16.09.2013 und vom 02.10.2013 zum 31.03.2014 sowie durch die Kündigung vom 06.01.2014 beendet wurde.

2.) Die Beklagte zu 1.) wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung der Th.-B. Rechtsanwaltsaktiengesellschaft in Höhe von 1.642,40 Euro netto freizustellen.

3.) Die Widerklage der Beklagten zu 1.) wird abgewiesen.

4.) Die Beklagten tragen die  Kosten des Rechtstreits.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils führen sie aus, dass die Vorschrift des § 550 BGB sehr wohl dem Schutz eines potentiellen Erwerbers und nicht den Interessen der Vertragsparteien diene. Dessen Informationsinteresse sei bei einem Nachtrag zum Mietvertrag nur dann gewahrt, wenn diese Ergänzung eine vollständige und zweifelsfreie Bezugnahme enthalte. Genau diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Die Bezugnahme auf die Nachträge 1 bis 4 ließe die Möglichkeit offen, dass zum Beispiel der Nachtrag Nr. 1 vom 07.01.1998 (Anlage K 3) nicht einbezogen werden sollte, weil insgesamt nur auf vier Nachträge verwiesen worden sei, und der Nachtrag 1 vom 18./26.11.1993 dann Teil dieser vier Nachträge wäre.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 29.10.2014 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.

B.

Die Berufungen der Klägerin sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung betreffend den Beklagten zu 2.) ist auch statthaft, obwohl sich die Klägerin insoweit nach übereinstimmender Erledigung des Rechtsstreits in erster Instanz nur gegen die ausgesprochene Verurteilung zur Tragung der in diesem Verhältnis entstandenen Kosten wendet. Gegen eine - wie hier - vorliegende Kostenmischentscheidung, die teils gemäß § 91a ZPO, teils nach den sonstigen Kostenregelungen ergangen ist, ist das einheitliche Rechtsmittel der Berufung statthaft (OLG Rostock OLGR Rostock 2003, 388; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 91a Rn. 56).

Die Berufungen haben auch Erfolg.

I.

Entgegen den Ausführungen im landgerichtlichen Urteil ist festzustellen, dass das zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) bestehende Mietverhältnis trotz der Kündigungen der Vermieterin bis zum 14.02.2020 weiter besteht.

1. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis beruht auf einer vertraglichen Vereinbarung und nicht auf einem unmittelbaren Rechtserwerb der Beklagten zu 1.) kraft Gesetzes.

Die Vereinbarung vom 03.09./23.09.2008 (Nachtrag Nr. 4 - Anlage K 8) stellt eine Vertragsübernahme dar. Eine solche Vertragsübernahme kann durch eine dreiseitige Vereinbarung zwischen der ausscheidenden, der übernehmenden und der verbleibenden Partei vereinbart werden (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.1985, Tz. 53 - IX ZR 173/84 - NJW 1995, 2528; Lützenkirchen, Mietrecht, § 566, Rn. 21). Dies ist hier der Fall, weil in der Abrede vom 03./23.09.2008 die T. GmbH & Co.KG, die Beklagten und die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die B. GmbH und Co.KG, gemeinschaftlich die entsprechende Vereinbarung unterzeichnet haben. Diese Abrede hat auch nicht nur einen „deklaratorischen“ Charakter, weil - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - die T. GmbH & Co.KG als Rechtsnachfolgerin der Ausgangsvermieterin, der Wohnpark G. GmbH & Co.KG, nicht Eigentümerin des vermieteten Objektes war, so dass die Beklagten nicht durch einen Rechtserwerb nach §§ 566, 578 Abs.1 Satz 1 BGB in ein zwischen dem Eigentümer und dem Mieter vereinbartes Mietverhältnis eingetreten sind. Darüber hinaus führt die Vorschrift des §§ 566 Abs. 2, 578 Abs.1 Satz 1  BGB dazu, dass der ursprüngliche Vermieter für den von dem Erwerber ggf. zu ersetzenden Schaden wie ein Bürge haftet. Bei einer Vertragsübernahme scheidet eine derartige Haftung dagegen aus.

2. Der Mietvertrag wahrt auch nach der Vertragsübernahme durch die Beklagten die für die Wirksamkeit der vereinbarten Laufzeit von mehr als einem Jahr erforderliche Schriftform. Er gilt deshalb nicht gemäß §§ 550 Satz 1, 578 Abs. 1 BGB als auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte von der Beklagten zu 1.) daher nicht ordentlich gekündigt werden.

a) Die hier vorliegenden Auswechslung des Vermieters muss zur Wahrung der Schriftform dergestalt beurkundet sein, dass sich die vertragliche Stellung des neuen Vermieters im Zusammenhang mit dem zwischen dem vorherigen Vermieter und dem Mieter geschlossenen Mietvertrag ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.2013, Tz. 23 - XII ZR 38/12 -  NJW 2013, 1083). Die Schriftform des § 550 BGB ist nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere den Mietgegenstand, den Mietzins sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses - aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 22; BGH, Urt. v. 30.04.2014, Tz. 23 - XII  ZR 146712 - NJW 2014, 2102). Der Mietgegenstand muss zur Wahrung der Schriftform so hinreichend bestimmbar bezeichnet sein, dass es einem Erwerber, dessen Schutz die Schriftform in erster Linie bezweckt, im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglich ist, den Mietgegenstand zu identifizieren und seinen Umfang festzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2014, Tz. 23 - XII  ZR 146712 - NJW 2014, 2102). Dabei brauchen selbst die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Rechtsgeschäfts nicht bestimmt angegeben zu werden, sofern nur die Einigung über sie beurkundet ist und ihr Inhalt bestimmbar bleibt (vgl. BGH, Urt. v.30.06.1999, Tz. 38 - XII 55/97 - NJW 1999/2591). Insoweit darf auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände zurückgegriffen werden. Werden wesentliche vertragliche Vereinbarungen nicht im Mietvertrag selbst schriftlich niedergelegt, sondern in Anlagen ausgelagert, so dass sich der Gesamtinhalt der mietvertraglichen Vereinbarung erst aus dem Zusammenspiel dieser "verstreuten" Bedingungen ergibt, müssen die Parteien zur Wahrung der Urkundeneinheit die Zusammengehörigkeit dieser Schriftstücke in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich machen (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.2013, Tz. 22 - XII ZR 38/12 -  NJW 2013, 1083 [BGH 30.01.2013 - XII ZR 38/12]). Dazu bedarf es keiner körperlichen Verbindung dieser Schriftstücke. Vielmehr genügt für die Einheit der Urkunde die bloße gedankliche Verbindung, die in einer zweifelsfreien Bezugnahme zum Ausdruck kommen muss (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 22). Ergibt sich der Zusammenhang mehrerer Schriftstücke aus einer Bezugnahme, ist es erforderlich, dass vom aktuellen Vertrag auf den Ausgangsvertrag und auf alle ergänzenden Urkunden verwiesen ist, mit denen die der Schriftform unterliegenden vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfasst sind (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 22). Treffen die Mietvertragsparteien nachträglich eine Vereinbarung, mit der wesentliche Vertragsbestandteile geändert werden sollen, muss diese zur Erhaltung der Schriftform des § 550 Satz 1 BGB hinreichend deutlich auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nehmen, die geänderten Regelungen aufführen und erkennen lassen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 22).

b) Diesen Anforderungen genügt die hier vorliegende über den Vermieterwechsel erstellte Urkunde (Anlage K 8) nebst den in Bezug genommenen vertraglichen Vereinbarungen.

Aus dem Nachtrag Nr. 4 sind zunächst die Mietvertragsparteien zu entnehmen. Ferner verweist diese Abrede darauf, dass alle übrigen Regelungen des Mietvertrages vom 19.04.1989 einschließlich der „Nachträge 1 - 4“ unverändert bestehen bleiben. Dieser Verweis ist auszulegen. Er nimmt nicht nur Bezug auf den Ausgangsmietvertrag, sondern auch auf 4 Nachträge. Durch die Formulierung, dass die „Nachträge 1 - 4“ bestehen bleiben, wird deutlich, dass es neben der neuen Abrede noch vier weitere Nachtragsregelungen gibt. Ansonsten wäre diese Regelung schon in sich unstimmig. Unstreitig haben zu diesem Zeitpunkt auch insgesamt nur 4 Nachträge vorgelegen. Der Nachtrag Nr. 4 verweist auch nicht auf bestimmte Nachträge mit einer entsprechenden Nummerierung ( z.B. „Nr. 1“), sondern auf 4 Nachträge, die als „Nachtrag 1-4“ bezeichnet werden. Damit wird nur auf die Anzahl der Nachträge Bezug genommen, nicht aber auf bestimmte nummerierte Nachträge verwiesen.

Selbst wenn man dies anders sehen würde, so läge doch auch in dem Verweis auf die Nachträge 1 bis 4 eine Bezugnahme auf die beiden Nachträge, die als „Nachtrag 1“ (Anlage K 2) und „Nachtrag Nr. 1“ (Anlage K 3) überschrieben sind.

Schließlich verweist der Nachtrag Nr. 4 jedenfalls zweifelsfrei auf den Nachtrag Nr. 3 (Anlage K 3). Dies stellt auch die Beklagte zu 1.) nicht in Abrede. Dieser Nachtrag enthält aber hinreichend bestimmt alle für die wesentlichen Vertragsbedingungen erforderlichen Angaben. So ergibt sich aus Ziff. 2 der Abrede vom 21.12.2007/14.01.2008 nebst der dazugehörigen Anlage das Mietobjekt in der F.straße 4. Ziff. 6 dieses Nachtrages bestimmt die Laufzeit und das Optionsrecht, wobei diese Bestimmung auf den Nachtrag Nr. 1 (Anlage K 3) verweist, der die Ausübung der Optionsklausel regelt. Weiter bestimmt Ziff. 7 des Nachtrages Nr. 3 die Höhe des Mietzinses. Damit liegen alle wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich vor. Die Beklagten haben auch nicht dargetan, welcher wesentliche Vertragsinhalt fehlt bzw. nicht schriftlich vorliegt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht der Fall vorliegen, dass die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung vom 03./23.09.2008 bewusst auf die Einbeziehung eines von mehreren Nachträgen verzichten wollten, weil eine einmal getroffene Änderung des Vertrages nicht durch eine bloße Nichterwähnung in einer nachfolgenden Vereinbarung nicht wieder aufgehoben wird. Vielmehr bedürfte es einer ausdrücklichen Erklärung mit dem Inhalt, dass jene Änderung nicht mehr Vertragsbestandteil ist. Daher ist es ausreichend, wenn in dem Nachtrag Nr. 4 zumindest auf den Nachtrag Nr. 3 verwiesen wird. Im Übrigen bedarf es keiner lückenlosen Kette von Bezugnahmen auf alle Vertragsergänzungen, weil es nur erforderlich ist, dass vom aktuellen Vertrag auf den Ausgangsvertrag und auf alle die ergänzenden Urkunden verwiesen wird, mit denen die der Schriftform unterliegenden vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfasst sind (vgl. BGH, Urt. v. 30.01.2013, Tz. 22 - a.a.O.). Auf weitere unerhebliche Vertragsergänzungen muss nicht Bezug genommen werden.

3. Ob der Beklagten zu 1.) nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die mangelnde Schriftform zu berufen, bedarf keiner Entscheidung.

4. Ist das Mietverhältnis aber auf bestimmte Zeit abgeschlossen, so scheidet nach § 542 Abs. 2 BGB eine ordentliche Kündigung aus. Das Mietverhältnis besteht daher bis zum 14.02.2020 (Ziff. 6 des Nachtrages Nr. 4) weiter. Für die mit Schriftsatz vom 06.01.2014 (Bl. 67 d.A.) hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung fehlt es bereits an der erforderlichen Darlegung eines wichtigen Grundes für die Beendigung des Mietverhältnisses.

II.

Der Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.642,40 € (1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale) folgt aus § 280 Abs. 1 BGB. Eine unberechtigte Kündigung stellt eine Pflichtverletzung des Mietvertrages dar (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2001, Tz. 11 - XII ZR 197/99 - NJW-RR 2002,730 [BGH 28.11.2001 - XII ZR 197/99]), die einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der außergerichtlichen Kosten zur Abwehr der Kündigung rechtfertigt.

III.

Die Widerklage ist unbegründet. Der Beklagten zu 1.) steht kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietsache zu, weil das Mietverhältnis - wie sich aus den obigen Ausführungen zu I. ergibt - weiter fortbesteht und die Kündigungen unwirksam sind.

C.

I.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a, 100 Abs. 1 ZPO.

1. Die landgerichtliche Kostenentscheidung war im Hinblick auf die Kosten der teilweisen Erledigung der Hauptsache in Bezug auf die Feststellungklage gegenüber dem Beklagten zu 2.) abzuändern. Dieser hat unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, § 91 a ZPO, insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

a. Für die Frage, wem nach übereinstimmender Erledigungserklärung die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, kommt es nicht allein darauf an, wie ohne die Erledigungserklärungen nach dem bisherigen Sach- und Streitstand in der Hauptsache voraussichtlich zu entscheiden gewesen wäre. Im Rahmen des nach § 91a Abs. 1 ZPO auszuübenden billigen Ermessens ist, selbst wenn die Klage keinen Erfolg gehabt hätte, auch zu berücksichtigen, ob der Beklagte zu 2.) Veranlassung zu der Klage gegeben hat (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 91a Rn. 25 m.w.N.). Dies entspricht auch dem in der Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, dass bei sofortiger Erledigungserklärung eine reziproke Anwendung des Rechtsgedankens des § 93 ZPO bei der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO angezeigt ist (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1454 [OLG Karlsruhe 28.07.1998 - 3 W 40/98]).

b. Der Beklagte zu 2.) hat die gegen ihn gerichtete zulässige Feststellungsklage veranlasst.

Die Klägerin hat die Klage auf Feststellung des Bestehens des Mietverhältnisses gegenüber dem Beklagten zu 2.) deshalb erhoben, weil - wie bereits ausgeführt - die Kündigungen der Beklagten zu 1.) unwirksam gewesen sind. Von einer Unwirksamkeit der Kündigung hat die Klägerin aus zwei Gründen ausgehen können. Zum einen hat kein materielles Recht für eine ordentliche Kündigung zum 31.03.2014 bestanden, zum anderen hat die Klägerin davon ausgehen können, dass die Kündigungen formell unwirksam gewesen sind, weil diese nur von der Beklagten zu 1.), nicht aber von dem Beklagten zu 2.) ausgesprochen worden sind.  Die Kündigung vom 16.09.2013 (Anlage K 13) ist im Namen der Beklagten zu 1.) erklärt worden. Der Kündigungserklärung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist unstreitig nur eine Vollmacht der Beklagten zu 1.) beigefügt gewesen. Die weitere Kündigung vom 02.10.2013 (Anlage K 15) hat der bevollmächtigte Rechtsanwalt ebenso nur im Namen seiner Mandantin und damit nicht im Namen des Beklagten zu 2.) erklärt. Da der Beklagte zu 2.) aber ausweislich des Nachtrages Nr. 4 (Anlage K 8) als „Vermieter neu“ bezeichnet worden ist, ist dieser auch Mietvertragspartei gewesen. In diesem Falle wäre aber die Kündigung allein durch die Beklagte zu 1.) formell unwirksam. Sind - wie hier - auf Seiten der kündigenden Vertragspartei mehrere Personen an dem Mietvertragsverhältnis beteiligt, müssen zur Wahrung der Schriftform, § 568 Abs. 1 BGB, grundsätzlich alle von ihnen die Kündigungserklärung unterschreiben (vgl. Mössner in jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 568 Rn. 29).

Soweit nun die Beklagte zu 1.) nach Abschluss des Nachtrages Nr. 4 das streitgegenständliche Mietobjekt zu Alleineigentum erhalten hat, wobei dahinstehen kann, aufgrund welcher Art von Veräußerungsgeschäft dies geschehen ist, und daher der Beklagte zu 2.) nach §§ 566 Abs. 1, 578 Abs. 1 BGB aus dem Mietverhältnis ausgeschieden ist, hat die Klägerin hiervon vor Erhebung ihrer Klage keine Kenntnis erlangt. Sie hat berechtigter Weise davon ausgehen dürfen, dass der Beklagte zu 2.) noch neben der Beklagten zu 1.) ihr Vermieter geblieben ist, solange ihr nicht der Eigentumserwerb entsprechend § 409 BGB angezeigt worden ist. Von einer solchen Informationspflicht geht die Rechtsprechung im Falle der Kündigung des Mieters gegenüber seinem bisherigen Eigentümer aus. So kann sich im Falle der Unkenntnis des Mieters vom Eigentumsübergang der neue Eigentümer nicht darauf berufen, dass die Kündigung des Mieters ihm gegenüber hätte erklärt werden müssen (vgl. Urt. v. 23.02.2012, Tz. 16 - IX ZR 29/11 - NJW 2012, 1881 [BGH 23.02.2012 - IX ZR 29/11]). In entsprechender Anwendung der §§ 412, 407 Abs. 1 BGB muss sich der neue Eigentümer Rechtshandlungen gegenüber dem bisherigen Eigentümer zurechnen lassen. Wird dem Mieter aber nicht angezeigt, dass ein Eigentumsübergang stattgefunden hat, so ist er noch berechtigt, davon auszugehen, dass der bisherige Miteigentümer sein Vermieter und daher die alleinige Kündigung des anderen Miteigentümers unwirksam ist. Eine Nachforschungspflicht der Klägerin, vor Erhebung der Klage festzustellen, ob der ursprüngliche (Mit-)Vermieter noch als (Mit-) Eigentümer oder ein neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen war, hat nicht bestanden. Der Klägerin würde nur die Kenntnis des Eigentumsübergangs schaden, die Kenntnis von Umständen, dass es zu einem solchen Übergang gekommen sei, ist unerheblich (vgl. BGH, a.a.O.,Tz. 20). Die Beklagten haben die Mieterin vor Erhebung der Feststellungklage gerade nicht auf den Eigentumswechsel hingewiesen, so dass die Klägerin Anlass hatte, auch den Beklagten zu 2.) auf die begehrte Feststellung in Anspruch zu nehmen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren zwischen beiden unterlegenen Beklagten entsprechend ihrer Beteiligung am Rechtsmittelverfahren zu verteilen.

II.

Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision, § 543 ZPO, sind weder dargetan worden noch ersichtlich.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens war - wie geschehen - in Abänderung des Beschlusses des Senats vom 30.09.2014 im Verhältnis zum Beklagten zu 2.) neu festzusetzen. Hinsichtlich des Beklagten zu 2.) streiten die Parteien im Berufungsverfahren nur um die erstinstanzlich angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Parteien. Die Widerklage führt zu keiner Erhöhung des Streitwertes, weil sie denselben Gegenstand wie die Klage betrifft, § 41 Abs. 1 Satz 3 GKG.

Der Streitwert erster Instanz war von Amts wegen, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG, im Hinblick auf die übereinstimmende Teilerledigung des Rechtstreits gegenüber dem Beklagten zu 2.) abzuändern. Abzustellen war insoweit auf die bis dahin angefallenen Kosten des Rechtsstreits (vgl. Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn. 2182).