Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 14.06.2002, Az.: 3 B 48/02
Aufenthaltsverbot; Drogenhandel; Drogenszene
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 14.06.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 48/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43482
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs 2 S 1 GefAbwG ND
Gründe
Die Antragsgegnerin ist als die für ihr Gemeindegebiet gemäß § 96 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes - NGefAG - für die Gefahrenabwehr zuständige Verwaltungsbehörde befugt, nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 Satz 1 NGefAG einer Person für eine bestimmte Zeit zu untersagen, einen bestimmten örtlichen Bereich zu betreten und sich dort aufzuhalten. Dazu müssen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das die betreffende Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird. Örtlicher Bereich in diesem Sinne ist ein Ort oder ein Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder auch ein gesamtes Gemeindegebiet (§ 17 Abs. 2 Satz 2 NGefAG). Es spricht ganz Überwiegendes dafür, dass die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot in der Person des Antragstellers vorliegen. Aus den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ergibt sich, dass der Antragsteller bereits seit dem Frühjahr 2000 jeweils in Abständen von einigen Wochen oder Monaten bei vollzugspolizeilichen Observationen mit einem Verhalten aufgefallen ist, das von den ermittelnden Beamten als Kontaktsuche zu Verkäufern oder Konsumenten von Betäubungsmitteln beschrieben worden ist. Dies führte im Vorfeld zu der angefochtenen Verfügung zu folgenden Maßnahmen:
24.03.00 Platzverweis
22.06.00 Aufenthaltsverbot
02.08.00 Zwangsgeldfestsetzung und Durchsetzungsgewahrsam
13.09.00 Einziehung eines Geldbetrages und Durchsetzungsgewahrsam
20.10.00 Strafanzeige
16.11.00 Durchsetzungsgewahrsam
14.08.01 Platzverweis
11.09.01 Platzverweis
15.09.01 Aufenthaltsverbot
22.04.02 Platzverweis
Am 25.04.02 wurde der Antragsteller um 19.45 Uhr erneut in der Umgebung des .... bahnhofes bei der Kontaktsuche zu Verkäufern oder Konsumenten von Betäubungsmitteln angetroffen. Dieses Verhalten rechtfertigt auf der Grundlage der gegenwärtigen Erkenntnismöglichkeiten jedenfalls vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in der Vergangenheit häufig in gleicher Weise aufgefallen ist, die Annahme, er werde sich auch zukünftig an Drogengeschäften beteiligen oder zu beteiligen versuchen und damit gegen Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen. Der Vortrag des Antragstellers zum Zweck seines Aufenthalts in der Nähe des .... bahnhofes erscheint unglaubhaft. Eine vernünftig wirtschaftende Person begibt sich nicht allein zu dem Zweck, einen Fahrpreis der Bahn oder die Transportmöglichkeit von Hausrat durch die Bahn in Erfahrung zu bringen, von ihrem Wohnsitz zu einem ca. 30 Km entfernten Bahnhof, sondern nimmt die finanziell und im Hinblick auf den Zeitaufwand um Vieles günstigere Möglichkeit eines Ferngesprächs wahr. Davon abgesehen legen die häufigen Aufenthalte des bisher im Landkreis H. wohnenden Antragsteller in Y. in den vergangenen zwei Jahren die Annahme nahe, dass ihm der Fahrpreis von Y. zu seinem bisherigen Wohnort im Wesentlichen vertraut ist. Vor allem erklärt der Vortrag des Antragstellers nicht die Kontaktaufnahme zu Personen der Drogenszene in der Umgebung des .... bahnhofes . Zwar bestreitet er eine solche Kontaktaufnahme. Die Kammer sieht jedoch mit Rücksicht darauf, dass der Antragsteller in der Vergangenheit wiederholt in vergleichbarer Weise in Erscheinung getreten ist und darauf gestützten behördlichen Sanktionen ausgesetzt war, keinen Anlass, die - wenn auch nur formularartig dokumentierten - Feststellung der Vollzugspolizei ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
Das gegen den Antragsteller gerichtete Aufenthaltsverbot ist weder hinsichtlich seines zeitlichen Umfanges von 6 Monaten (vgl. dazu OVG Münster, B. v. 06.09.2000 - 5 B 1201/00 -, NVwZ 2001, 459) noch wegen seiner räumlichen Ausdehnung auf das gesamte Gemeindegebiet (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 15.10.1998 - 13 M 4144/98 -, NVwZ 2000, 454) unverhältnismäßig. Das in den Akten vermerkte Verhalten des Antragstellers (wiederholte Kontaktaufnahme zu Personen der Drogenszene) ist typisch für das Entstehen oder Verfestigen einer offenen Drogenszene. Der schriftlichen Begründung des Aufenthaltsverbotes ist zu entnehmen, dass das Verbot gegenüber dem Antragsteller nicht als Einzelmaßnahme isoliert betrachtet werden kann, sondern als Bestandteil eines Gesamtkonzeptes gesehen werden muss, das der Bekämpfung der "Drogenszene" im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin insgesamt dient. Die Antragsgegnerin hat, dies ist aus zwei anderen Verfahren gerichtsbekannt, Platzverweise nicht nur gegen den Antragsteller ausgesprochen, sondern auch gegen weitere Personen, die im selben örtlichen Bereich als des Drogenhandels Verdächtige aufgegriffen worden sind. Wird eine örtliche Drogenszene polizeilich und durch Erteilung von Platzverweisen bekämpft, so leuchtet ein und erscheint aus der Sicht der "Szene" auch durchaus zwingend, wenn die Antragsgegnerin davon ausgeht, die "Szene" werde auf andere Bereiche des Stadtgebietes ausweichen, die sich dann durchaus im gesamten Stadtgebiet befinden können. Soweit das rechtlich zulässig ist, erfordert danach die Wirksamkeit der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Bekämpfung der "Drogenszene" eine umfassende Platzverweisung. Anders als bei im Gebiet der Antragsgegnerin wohnenden Personen, auf deren Wohnbereiche sich nach § 17 Abs. 2 Satz 1 NGefAG eine Platzverweisung nicht beziehen darf, besteht eine solche Einschränkung bei dem auswärts wohnhaften Antragsteller nicht. Weil aber ein Ausweichen der "Drogenszene" auf bisher nicht frequentierte Stadtbereiche anzunehmen ist, diese im voraus jedoch nicht bekannt sind, konnte dem Antragsteller zur wirksamen Gefahrenabwehr ein das ganze Stadtgebiet umfassendes Betretens- und Aufenthaltsverbot erteilt werden. Gewichtige Gründe für einen Aufenthalt des Antragstellers im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin, die eine Aufhebung oder räumliche Beschränkung des Aufenthaltsverbotes unumgänglich erscheinen ließen, sind nicht erkennbar. Die ärztliche Versorgung der Einwohner der Stadt M. ist durch am Ort oder der näheren Umgebung ansässige Personen der Heil- und Heilhilfsberufe gewährleistet. Einen besonderen Behandlungsbedarf, der ausschließlich in der Stadt Y., nicht jedoch in anderen von M. aus leicht zu erreichenden Städten wie B., H. etc. oder durch die medizinischen Einrichtungen im Landkreis X. befriedigt werden könnte, hat der Antragsteller nicht im Ansatz sichtbar gemacht. Es fehlt auch an einem konkreten Vortrag zur Notwendigkeit einer persönlichen Anwesenheit des Antragstellers beim Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) Y.. Die Kammer hält es für ohne Weiteres zumutbar, dass der Antragsteller, sollte von dem Gericht sein persönliches Erscheinen angeordnet werden, gegebenenfalls bei der Antragsgegnerin einen für diesen Zweck bestimmte Erlaubnis einholt. Einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bedarf es dafür nicht. Schließlich steht auch dass Mandatsverhältnis des Antragstellers zu seinem Bevollmächtigten der Vollziehung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Sofern ein persönlicher Kontakt zwischen dem Antragsteller und seinem Bevollmächtigten unerlässlich sein sollte, lässt sich dieser Kontakt -in umgekehrter Richtung-, nämlich durch einen Besuch des Bevollmächtigten beim Antragsteller herstellen, wie es etwa bei einem nicht reisefähigen Mandanten unvermeidbar ist.