Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 26.06.2002, Az.: 3 A 113/99
Dienstgang; Dienstort; Dienstreise; Fahrtkostenerstattung; Reisekostenvergütung; Wegstreckenentschädigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 26.06.2002
- Aktenzeichen
- 3 A 113/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43487
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 BRKG
- § 3 BRKG
- § 5 BRKG
- § 98 BG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein beamteter Großbetriebsprüfer eines Finanzamts hat keinen Anspruch auf Reisekostenerstattung in Form der Wegestreckenentschädigung für Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Betriebsstätte eines zu prüfenden Betriebs, wenn nur diese Betriebsstätte, nicht aber die Wohnung des Beamten am Ort der Dienststelle liegt, sofern ihm keine schriftliche Dienstreisegenehmigung i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 BRKG erteilt wurde. Bei Fahrten zwischen einer außerhalb des Dienstorts gelegenen Wohnung und dem Dienstort handelt es sich nicht um Dienstgänge i.S.d. § 2 Abs. 3 BRKG.
Tatbestand:
Der Kläger ist Großbetriebsprüfer bei einem Finanzamt für Großbetriebsprüfung. Er begehrt Wegestreckenentschädigung für Fahrten mit seinem gemäß § 6 Abs. 2 Bundesreisekostengesetz (BRKG) anerkannten privateigenen Pkw für Fahrten zwischen seiner außerhalb des Dienstortes gelegenen Wohnung und einem innerhalb des Dienstortes gelegenen, von ihm in den Jahren 1996 und 1997 geprüften Großbetrieb. Insoweit ist ihm Wegestreckenentschädigung unter Zugrundelegung der Entfernung zwischen Dienststelle und Großbetrieb gewährt worden. Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf die Sachverhaltsdarstellung des Widerspruchsbescheids vom 09.06.1999 Bezug genommen.
Der Kläger hat am 14.07.1999 Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend macht, sein Anspruch ergebe sich aus §§ 6 Abs. 2, 15 BRKG. Die Berufung auf die Ausschlussfrist des § 3 Abs. 5 BRKG seitens der Beklagten sei wider Treu und Glauben. Ein Aufsuchen der Dienststelle vor Beginn der Prüftätigkeit im Großbetrieb sei ihm nicht zuzumuten gewesen. Die Erstattungsfähigkeit der Wegstrecke von der Privatwohnung zur Betriebsstätte ergebe sich aus den vorliegenden Erlassen. Die Praxis der Beklagten verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil Beamten, die am Dienstort wohnen, Wegestreckenentschädigung für die Fahrt von deren Wohnung zur Betriebsstätte gewährt werde und es vom Zufall abhänge, ob ein Beamter gerade noch innerhalb der politischen Gemeinde des Dienstorts wohne oder nicht. Das Abstellen auf die Ortsgrenzen sei willkürlich.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm für weitere 9.856 Kilometer Wegestreckenentschädigung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertieft die Begründungen der ablehnenden Bescheide.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Wegestreckenentschädigung.
Beamte des Landes Niedersachsen erhalten gemäß den Regelungen des § 98 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) Reisekostenvergütung in entsprechender Anwendung der für die Bundesbeamten geltenden Rechtsvorschriften des Bundesreisekostengesetzes. Zu den nach diesen Bestimmungen zu erstattenden Auslagen für Dienstreisen und Dienstgänge - Reisekostenvergütung - (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 3 BRKG) gehört die in § 6 BRKG näher geregelte Wegstreckenentschädigung (§§ 4 Nr. 2, 15 BRKG). Anspruchsberechtigter ist der Kläger als Dienstreisender, denn er war derjenige Beamte, der eine Dienstreise oder einen Dienstgang ausführte (§ 2 Abs. 1 BRKG).
Der in vorgenannten Bestimmungen begründete Anspruch des Klägers auf Reisekostenvergütung umfasst jedoch nicht die seitens des Klägers geltend gemachten Fahrtstrecken zwischen seiner außerhalb des Dienstorts gelegenen Wohnung und dem am Dienstort gelegenen Betriebssitz des geprüften Großbetriebs.
Der Anspruch des Dienstreisenden ist begrenzt auf die Abgeltung der dienstlich veranlassten Mehraufwendungen (§ 3 Abs. 1 S. 1 BRKG), die zur Erledigung des Dienstgeschäftes notwendig waren (§ 3 Abs. 2 BRKG). Anknüpfungspunkt für die Beurteilung, welche Mehraufwendungen dienstlich veranlasst und zur Erledigung des Dienstgeschäfts notwendig waren, ist die dienstlich angeordnete oder genehmigte Dienstreise bzw. Dienstgang im Sinn des § 2 BRKG. Insoweit hat die Beklagte zu recht ausgeführt, dass es sich bei Fahrten des Klägers zu einem am Dienstort gelegenen Großbetrieb nur um Dienstgänge, nicht aber um Dienstreisen handeln kann. Dienstgang (§ 2 Abs. 3 BRKG) im Sinn des BRKG sind Gänge oder Fahrten am Dienstort oder Wohnort zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststätte, Dienstreise (§ 2 Abs. 2 BRKG) sind demgegenüber Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes. Wortlaut und Systematik dieser Legaldefinitionen differenzieren somit unter Anknüpfung an die kommunalen Grenzen des Dienstortes bzw. des Wohnortes: eine Dienstreise liegt vor, wenn die Ortsgrenzen überschritten werden, weil Ausgangs- und Zielort der Reise in verschiedenen Orten liegen - ein Dienstgang ist hingegen gegeben, wenn der zur Erledigung des Dienstgeschäfts aufzusuchende Zielort am Dienst- oder Wohnort liegt. Zutreffend hat daher die Beklagte darauf abgehoben, dass gemäß den reisekostenrechtlichen Bestimmungen bei den dienstlich veranlassten und zur Durchführung der Großbetriebsprüfung notwendigen Fahrten nur um Dienstgänge am Ort der Dienststätte und deshalb zwischen Dienststätte und Betriebsstätte des Großbetriebs handeln kann (ebenso Meyer/Fricke, Reisekosten, § 15 BRKG Rn. 19; Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, Band I, § 15 BRKG Rn. 10). Unter Zugrundelegung dieser Wegestrecke von 3,7 km ist dem Kläger Wegestreckenentschädigung gewährt worden. Ob die Gewährung von Wegestreckenentschädigung für tatsächlich nicht durchgeführte Fahrten auf fiktiver Basis nach den Bestimmungen des BRKG statthaft war (ebenfalls fiktiv, aber auf die Gemeindegrenzen abstellend insoweit Meyer/Fricke, Reisekosten, § 15 BRKG Rn. 19; anders wohl Kopicki/Irlenbusch, Reisekostenrecht des Bundes, Band I, § 15 BRKG Rn. 10 unter Wiedergabe einschlägiger Erlasse), ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; jedenfalls für eine Berücksichtigung der seitens des Klägers tatsächlich gefahrenen Wegstrecken von seiner Wohnung zur Betriebsstätte des Großbetriebs ist kein Raum. Eine diesbezügliche schriftliche Anordnung oder Dienstreisegenehmigung für diese Fahrten beginnend an seinem Wohnort bis zum Ort der Betriebsprüfung im Sinn des § 2 Abs. 2 Satz 1 BRKG ist dem Kläger seitens der Beklagten nicht erteilt worden, so dass es bei der rechtlichen Einordnung des Aufsuchens des zu prüfenden Großbetriebs als Dienstgang verbleibt. Da diese am Ort der Dienststätte, nicht aber am Wohnort des Klägers liegt, ist notwendiger Dienstgang im Sinn des § 3 Abs. 2 BRKG nur der von der Dienststätte zum Ort der Betriebsstätte des Großbetriebs; nur durch solche Dienstgänge können Mehraufwendungen im Sinn des § 3 Abs. 1 S. 1 BRKG veranlaßt worden sein, auf deren Erstattung der Kläger Anspruch haben könnte.
Die seitens des Klägers angeführten Erlasse des Bundesministeriums des Innern bzw. der Beklagten begründen kein anderes Ergebnis. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 BRKG bestimmen ausschließlich die Bestimmungen des BRKG über Art und Umfang des in § 3 Abs. 1 S. 1 BRKG normierten Anspruchs des Dienstreisenden. Für eine Erweiterung dieses Anspruchs im Wege eines Erlasses bzw. im Wege von Richtlinien ist daher von Gesetzes wegen kein Raum. Im Übrigen weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die seitens des Klägers angeführten Erlasse ausschließlich Dienstreisen, nicht aber Dienstgänge betreffen. Diese einschränkende Verständnis der Erlasse knüpft nicht lediglich an den die gesetzliche Differenzierung in § 3 BRKG übernehmenden Wortlaut an, sondern ist auch in Sinn und Zweck dieser Differenzierung begründet. Bei Dienstreisen, die am Wohnort angetreten wurden, wurde aufgrund früherer Verwaltungspraxis die Notwendigkeit aufwendiger Vergleichsberechnungen zur Ermittlung der durch die Dienstreise veranlassten notwendigen Mehraufwendungen unter Zugrundelegung tatsächlicher und hypothetischer Reisekosten bezüglich des Reiseantritts an der Wohnung bzw. der Dienststätte gesehen. Insoweit wurde die Verwaltungspraxis in Abwägung des nunmehr als unverhältnismäßig bewerteten Verwaltungsmehraufwands mit den erzielbaren Einsparungen geändert. Derartige Vergleichsberechnungen kämen bei Dienstgängen nur in Betracht, sofern der Beamte seine Wohnung am Ort der Dienststätte hat, dieser aber in anderer Erreichbarkeit zum Ort des Dienstgeschäfts läge, als die Dienststätte; insoweit dürfte jedoch kaum eine praktische Notwendigkeit zur Vornahme von Vergleichsberechnungen gesehen worden sein. Liegt der Wohnort jedoch - wie hier - außerhalb des Orts der Betriebsstätte des zu prüfenden Großbetriebs liegt bereits eine Dienstreise vor, die der Anordnung bzw. Genehmigung bedarf, nach deren Maßgabe der reisekostenrechtliche Aufwendungsersatz erfolgt. Für Dienstgänge zwischen Dienststätte und Betriebsstätte dürfte dem Kläger eine solche Dienstreisegenehmigung für eine Fahrt vom Wohnort zur Betriebsstätte allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen erteilt werden können.
Gegen vorstehende Auslegung der Bestimmungen des BRKG bestehen auch keine verfassungsrechtlich begründeten Bedenken. Insbesondere liegt die seitens des Klägers gerügte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht vor. Vielmehr hat der Gesetzgeber von seiner Kompetenz, eine Vielzahl von Lebenssachverhalte teils übereinstimmender, teils unterschiedlicher Ausgestaltung in generalisierender und pauschalisierender Betrachtung einer einheitlichen gesetzlichen Regelung zuzuführen, in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht. Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen innerörtlichen und über die Ortsgrenzen hinausführenden Wegen knüpft zutreffend an die allgemeine Lebenserfahrung an, dass mit dem Verlassen örtlicher Verkehrsstrukturen infolge der Entfernung wie auch der Wahl des Beförderungsmittels regelmäßig der für die Mobilität zu leistende wirtschaftliche Aufwand steigt. Jeder in einem besonders gelagerten Einzelfall denkbaren Besonderheit braucht der Gesetzgeber nicht aus Gründen der Gleichbehandlung der Bediensteten untereinander Rechnung tragen. Der Kläger wird im Übrigen nicht anders behandelt, als wenn er gehalten gewesen wäre, täglich zu Dienstbeginn zunächst die Dienststelle aufzusuchen. Dass ihm der Dienstherr wegen Vereinbarkeit mit dienstlichen Belangen den Dienstantritt durch direkte Anfahrt vom Wohnort zur Betriebsstätte erlaubt, begründet keine dienstlich veranlaßte Mehraufwendung; dem Kläger sind dadurch jedenfalls keine höheren Fahrtkosten entstanden, als er für die Fahrten zur Dienststätte ohnehin hätte aufwenden müssen. Dass der Wohnort des Beamten - wie der Kläger geltend macht - vom Zufall abhinge, lässt sich ebenfalls nicht im Sinn des Klägers fruchtbar machen. Vielmehr sind für die Wahl des Wohnorts ausschließlich der privaten Sphäre des Beamten zuzurechnende Umstände maßgeblich, auf die der Dienstherr nach Aufgabe des Residenzprinzips keinen Einfluss nimmt. Wieso dies geeignet sein sollte, eine weitergehende reisekostenrechtliche Erstattungspflicht des Dienstherrn zu begründen, ist auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht erkennbar. Dass die differenzierenden Bestimmungen des BRKG bei Dienstgängen wie bei Dienstreisen nicht sicherstellen würden, dass trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 BRKG Mehraufwendungen im Einzelfall nicht erstattet würden, die Erstattungsregelungen mithin in der Sache zu kurz greifen würden, ist im übrigen ebenfalls nicht ersichtlich.
Aus vorstehenden Gründen kann dahingestellt bleiben, inwieweit dem Anspruch des Klägers die Ausschlussfrist des § 3 Abs. 5 BRKG entgegen stünde.