Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 22.09.1982, Az.: 1 UF 60/82

Unterhaltsvereinbarung als Grundlage für ein Unterhaltsbegehren; Konkludente inhaltliche Begrenzung der Unterhaltsvereinbarung; Rahmenbedingungen der Unterhaltszusage als Vertragsbestandteil

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
22.09.1982
Aktenzeichen
1 UF 60/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 14633
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1982:0922.1UF60.82.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG ... - 08.04.1982 - AZ: 13 F 30/82

In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 1982
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts ... vom 8. April 1982 und die einstweilige Verfügung vom 18. Februar 1982 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien sind miteinander verheiratet. Am 1. August 1981 zog die Klägerin aus der ehelichen Wohnung aus, nachdem es in der Ehe zu einer Krise gekommen war. Der Beklagte wußte, daß die Klägerin Beziehungen zu einem anderen Mann (...) aufgenommen hatte und daß sie mit diesem Mann zusammensein wollte. Gleichwohl sagte er ihr zu, monatlich 700,- DM Unterhalt zu zahlen. Dieser Verpflichtung kam er auch nach, bis die Klägerin ihre zunächst in ... gemietete Wohnung aufgab und zu Herrn ... zog, mit dem sie seitdem zusammenlebt. Im Hinblick darauf hält sich der Beklagte nicht mehr an die Unterhaltungsvereinbarung gebunden und hat die Zahlung ab Februar 1982 eingestellt.

2

Das Amtsgericht hat dem Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung entsprochen und dem Verfügungsbeklagten aufgegeben, ab 18. Februar 1982 für die Dauer von sechs Monaten an die Antragstellerin einen monatlichen Unterhalt von 700,- DM zu zahlen. Durch Urteil vom 13. April 1982 hat es diese einstweilige Verfügung bestätigt.

3

Gegen dieses am 15. April 1982 zugestellte Urteil hat der Verfügungsbeklagte am 13. Mai 1982 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel gleichzeitig begründet.

4

Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, er sei an die Unterhaltszusage nicht mehr gebunden, seitdem die Verfügungsklägerin zu Herrn ... gezogen sei.

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Er beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts ... vom 18. Februar 1982 aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.

6

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

7

Die Verfügungsklägerin trägt vor, sie sei mit monatlich 37[xxxxx]- DM Einkommen außerstande, sich selbst zu unterhalten.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Amtsgericht hat den Beklagten aufgrund seiner Unterhaltszusage verurteilt. Es hat grobe Unbilligkeit für den Unterhaltsanspruch verneint, ebenso einen Anfechtungsgrund nach § 119 BGB, und hat eine Änderung oder Anpassung der Vereinbarung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgründe abgelehnt. Bei alledem läßt es gegen den Beklagten durchschlagen, daß diesem die Beziehungen der Klägerin zu Herrn ... bei Abschluß der Unterhaltsvereinbarung bekannt gewesen seien. Dieser rechtlichen Beurteilung kann sich der Senat nicht anschließen.

10

Allerdings kann dem Beklagten seine erst in der Berufungsinstanz vorgetragene Behauptung nicht abgenommen werden, er habe bei Abgabe des Unterhaltsversprechens hinzugefügt, daß er nicht weiterzahlen würde, wenn die Klägerin das Verhältnis zu Herrn ... wieder aufnähme und zu ihm ziehe. Diese Erklärung ist deshalb unglaubhaft, weil in der ersten eidesstattlichen Versicherung des Beklagten vom 23. März 1982 davon nicht die Rede war. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Beklagte eine so wichtige Information nicht alsbald in dem Rechtsstreit eingeführt hat. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die Unterhaltszusage jedenfalls nicht mit ausdrücklichen Bedingungen oder Einschränkungen versehen war.

11

Gleichwohl bietet die zwischen den Parteien getroffene Unterhaltsvereinbarung keine ausreichende Grundlage für das Unterhaltsbegehren der Klägerin. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat mit der Erwägung, daß die Rahmenbedingungen der Unterhaltszusage als Vertragsbestandteil anzusehen sind. Zumindest aus diesen Rahmenbedingungen mit Hilfe des § 242 BGB Geltung verschafft werden.

12

In diesem Zusammenhang erscheint die Darstellung des Beklagten nachvollziehbar, daß er der Klägerin eine Art Besinnungspause zubilligen wollte, dabei aber die Hoffnung hatte, sie werde doch zu ihm zurückkehren. Bei dieser Ausgangssituation war es unangebracht, die Unterhaltsvereinbarung von vornherein unter ausdrücklichen Bedingungen oder Beschränkungen abzugeben. Diese Bedingungen lagen aber gewissermaßen auf der Hand. Die Klägerin konnte nicht erwarten, mit dem Unterhaltsversprechen des Beklagten eine Zusage für alle Zeit und unter allen Bedingungen, auch unter der, daß sie sich endgültig Herrn ... zuwenden würde, zu erhalten. Daß sie das nicht anders verstanden hat, wird aus ihrer nach dem Auszug abgegebenen Erklärung deutlich, sie werde nicht so [xxxxx]sein, Unterhalt zu verlangen, wenn sie bei ... wohnen werde. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie eine solche Erklärung eingeräumt. Die Klägerin hat damit keinen Unterhaltsverzicht zum Ausdruck gebracht, wohl aber die erhaltene Unterhaltszusage in dem Sinne interpretiert, wie sie vernünftigerweise verstanden werden konnte. Die Unterhaltsvereinbarung enthielt damit von vornherein eine inhaltliche Begrenzung. Wenn der Beklagte der Klägerin eine Überlegungsfrist einräumen wollte und dabei wußte, daß die Klägerin sich zu Herrn ... hingezogen fühlte, wurde das Verhältnis wischen den Eheleuten jedenfalls in dem Zeitpunkt auf eine neue Grundlage gestellt, in den endgültig klar wurde, daß mit einer Rückkehr der Klägerin nicht mehr zu rechnen war. Diese Situation trat in dem Augenblick ein, als die Klägerin zu Herrn ... zog. Zu diesem Zeitpunkt waren sechs Monate seit ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung vergangen. Mit einem halben Jahr hatte die Klägerin einen hinreichenden Überlegungszeitraum in Anspruch genommen, während dessen sie den Beklagten aus der Unterhaltsvereinbarung in Anspruch nehmen konnte. Mit dem 1. Februar 1982 und der endgültigen Zuwendung zu Herrn ... kam die Unterhaltszusage des Klägers inhaltlich zum Erlöschen.

13

Ob der Klägerin eine gesetzlicher Unterhaltsanspruch zusteht, bedurfte keiner Entscheidung, da beide Parteien im Berufungsrechtszug ihr Vorbringen auf den vom Amtsgericht zugesprochenen vertraglichen Unterhaltsanspruch beschränkt haben.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.