Arbeitsgericht Hannover
Beschl. v. 02.12.1994, Az.: 1 BV 16/94 a
Ersetzung der Zustimmung, dass eine Maßnahme zwingend geboten ist gem.§ 100 BetrVG; Versetzung eines Bundesbahnbeamten; Beamtenrechtlicher Status der der Deutsche Bahn AG zugewiesenen Beamten; Unterbliebene Anhörung des Betriebsrates
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 02.12.1994
- Aktenzeichen
- 1 BV 16/94 a
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 16776
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:1994:1202.1BV16.94A.0A
Rechtsgrundlagen
- § 99 BetrVG
- § 99 Abs. 1 BetrVG
- § 100 BetrVG
- § 12 Abs. 2 DBGrG
- § 17 Abs. 2 DBGrG
- § 19 Abs. 1 DBGrG
- § 76 Abs. 1 BPersVG
- § 77 Abs. 2 Ziffer 2 BPersVG
- Art. 33 Abs. 5 GG
Verfahrensgegenstand
Ersetzung der Zustimmung gem. § 100 BetrVG
In dem Beschlußverfahren
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Anhörung der Beteiligten vom 02. Dezember 1994
durch
die Richterin ... als Vorsitzende und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung/Versetzung der Mitarbeit ... und ... sowie die Feststellung, daß die vorläufig durchgeführte Maßnahme dringend erforderlich war.
Der Antragsgegner ist der bei der Antragstellerin gebildete Betriebsrat.
Die im Antrag genannten Mitarbeiter sind Beamte, die gemäß § 12 Abs. 2 DBGrG der Antragstellerin zugewiesen sind. Diese waren zunächst in der zentralen Personalabteilung ZPB 6 des Bereiches "Beauftragter der Konzernleitung" Zentralbereich der Geschäftsführung tätig. Ab dem 01.07.1994 wurden sie von der Antragstellerin dem Betrieb Geschäftsbereich Nahverkehr/Regionalbereich Niedersachsen zugewiesen, wobei räumlich keine Veränderung eintrat.
Mit Schreiben vom 08.06.1994 bat die Antragstellerin die besondere beim Bundeseisenbahnvermögen Dienststelle Hannover gebildete Personalvertretung um Zustimmung zu der geplanten Maßnahme, welche mit Schreiben vom 23.06.1994 erteilt wurde.
Nachdem der Antragsgegner Mitbestimmungsrechte gemäß § 99 BetrVG in Anspruch genommen hatte, bat die Antragstellerin den Antragsgegner mit Schreiben vom 12.07.1994 "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG um Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme. Dieser leitete mit Schriftsatz vom 19.07.1994 ein Beschlußverfahren ein, in dem die Aufhebung der Einstellung und Beschäftigung der im Antrag genannten Mitarbeiter beantragt wird (Az.: 1 BV 12/94 Arbeitsgericht Hannover).
Unter dem 12.08.1994 bat die Antragstellerin den Antragsgegner gemäß § 100 BetrVG, der vorläufigen Personalmaßnahme zuzustimmen. Mit Schreiben vom 29.08.1994, zugegangen am 31.08.1994, verweigerte der Antragsgegner die erbetene Zustimmung.
Daraufhin leitete die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 02.09.1994, eingegangen am selben Tag, das vorliegende Beschlußverfahren ein.
Sie vertritt die Auffassung, grundsätzlich obliege die beabsichtigte Maßnahme nicht den Mitbestimmungsrechten des Antragsgegners gemäß §§ 99 ff. BetrVG. Vielmehr sei gemäß § 17 Abs. 2 DBGrG in Verbindung mit § 76 Abs. 1 BPersVG ausschließlich die besondere Personalvertretung beim Bundeseisenbahnvermögen anzuhören gewesen. Die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG sei ordnungsgemäß, jedoch nur vorsorglich erfolgt. Darüber hinaus sei bereits zweifelhaft, ob es sich bei der vorgenommenen "Umklappung" der im Antrag benannten Mitarbeiter überhaupt um eine Versetzungsmaßnahme handele.
Die Antragstellerin beantragt,
die von dem Antragsgegner mit Schreiben vom 29.08.1994 verweigerte Zustimmung des Betriebsrates zur Einstellung/Versetzung des Beamten ..., BAmtm'in ... sowie BOS'in ... zu ersten
und festzustellen, daß die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er meint, die Zuweisung der im Antrag benannten Mitarbeiter sei eine Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG, welche seinem Mitbestimmungsrecht unterliege. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, daß es sich hierbei um eine Maßnahme der Antragstellerin und nicht des Bundeseisenbahnvermögens handele. Darüber hinaus folge die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes bereits aus § 19 Abs. 1 DBGrG.
Die Verweigerung der Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme sei auch zu Recht erfolgt, da die Antragstellerin die für eine Durchführung der Mitbestimmung erforderlichen Informationen nicht erteilt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Anträge sind zulässig, jedoch nicht begründet.
1.
Die Antragstellerin hat gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG den Antrag auf Ersetzung der verweigerten Zustimmung und Feststellung, daß die vorläufige Maßnahme dringend geboten war, zulässig innerhalb von drei Tagen nach der mit Schriftsatz vom 29.08.1994 erklärten Zustimmungsverweigerung des Antragsgegners beim Arbeitsgericht gestellt. Das Ablehnungsschreiben ist der Antragstellerin am 31.08.1994 zugegangen. Der Antrag auf Einleitung des Beschlußverfahrens ist vor Ablauf des dritten Kalendertages am 02.09.1994 beim Arbeitsgericht anhängig geworden.
2.
Die Anträge sind jedoch nicht begründet.
Denn dem Antragsgegner steht hinsichtlich der durchgeführten personellen Einzelmaßnahmen kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG zu.
a)
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin handelt es sich bei der durchgeführten Zuweisung und Beschäftigung der betroffenen Mitarbeiter zwar um eine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Nach der gesetzlichen Definition des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist Versetzung jede Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die voraussichtlich einen Monat überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist. Eine solche Maßnahme liegt bei der Zuweisung der Mitarbeiter ... vor. Es handelt sich nicht um eine, den Mitbestimmungsrechten entzogene, gesetzliche Zuweisung. Diese ist vielmehr gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 DBGrG bereits mit der Eintragung ... in das Handelsregister erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt wurden die betroffenen Mitarbeiter zunächst in einem anderen Betrieb der Antragsgegnerin in der zentralen Personalabteilung ZPB 6 beschäftigt. Mit der Übertragung einer dauerhaften Tätigkeit im Betrieb des Antragstellers liegt daher eine arbeitgeberseitige Maßnahme vor, die grundsätzlich dem Versetzungsbegriff des Betriebsverfassungsrechtes unterfällt.
b)
Das Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung dieser Maßnahme steht jedoch nicht dem Antragsgegner, sondern der beim Bundeseisenbahnvermögen gemäß § 17 Abs. 1 DBGrG gebildeten besonderen Personalvertretung zu.
aa)
Zu den Rechtsverhältnissen jener Beamter, die der Deutsche Bahn AG zugewiesen wurden, sind folgende maßgebliche gesetzliche Regelungen in Artikel 2 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens -ENeuOG- (DBGrG) getroffen:
"§ 12
Abs. 1.
Beamte des Bundeseisenbahnvermögens, die nicht aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden oder nicht beurlaubt werden, sind ab dem Zeitpunkt er Eintragung der Deutsche Bahn AG in das Handelsregister dieser Gesellschaft zugewiesen, soweit sie nicht aufgrund einer Entscheidung im Einzelfall beim Bundeseisenbahnvermögen oder anderweitig verwendet werden. Ein Beamter des Bundeseisenbahnvermögens kann der Deutsche Bahn AG auf Dauer zugewiesen werden, wenn er es beantragt und ein dienstliches Bedürfnis besteht. (...)Abs. 4.
Die Rechtsstellung der nach den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten sowie die Gesamtverantwortung des Dienstherrn bleiben gewahrt. Die Deutsche Bahn AG ist zur Ausübung des Weisungsrechtes befugt, soweit die Dienstausübung im Betrieb der Deutsche Bahn AG es erfordert. (...)Abs. 6.
Die Deutsche Bahn AG kann den ihr gemäß den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten im Einvernehmen mit dem Bundeseisenbahnvermögen eine höher zu bewertende Tätigkeit übertragen. Im übrigen wird das Bundesministerium für Verkehr ermächtigt, durch Rechtsverordnungen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren in bezug auf die gemäß den Absätzen 2 und 3 zugewiesenen Beamten zu bestimmen, welche weiteren beamtenrechtlichen Entscheidungen sowie sonstigen Entscheidungen und Maßnahmen, die mit der Dienstausübung des Beamten im Betrieb der Deutsche Bahn AG in unmittelbarem Zusammenhang stehen, der Deutsche Bahn AG zur Ausübung übertragen werden. (...)"
Das Bundeseisenbahnvermögen ist das aus den Sondervermögen Deutsche Bundesbahn und Reichsbahn gemäß Artikel 1 § 1 ENeuOG zusammengeführte nicht rechtsfähige Sondervermögen des Bundes, dem gemäß Artikel 1 § 3 Abs. 2 Ziffer 3 ENeuOG u. a. die Verwaltung des gemäß § 12 Abs. 2 und 3 DBGrG zugewiesenen Personals obliegt. Die Beamten des Bundeseisenbahnvermögens sind gemäß Artikel 1 § 7 Abs. 1 ENeuOG unmittelbare Bundesbeamte.
Aus diesen gesetzlichen Regelungen folgt zunächst, daß der beamtenrechtliche Status der der Deutsche Bahn AG zugewiesenen Beamten grundsätzlich bestehen bleibt. Öffentlicher Dienstherr ist das Bundeseisenbahnvermögen als nicht rechtliches Sondervermögen des Bundes. Aufgrund der Zuordnung der Beamten zur Deutsche Bahn AG und der damit verbundenen Eingliederung in die Arbeitsorganisation eines privatrechtlichen Betriebes sind der Deutsche Bahn AG gemäß § 12 Abs. 6 und § 23 DBGrG in Verbindung mit der Verordnung über die Zuständigkeit der Deutsche Bahn AG für Entscheidungen in Angelegenheiten der zugewiesenen Beamten des Bundeseisenbahnvermögens (DB AG-Zuständigkeitsverordnung) zahlreiche Entscheidungen und Direktionsmaßnahmen zur Ausübung übertragen worden. Hierzu gehören u. a. die Umsetzung innerhalb eines Betriebes der Deutsche Bahn AG, wenn sie mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden ist (§ 1 Ziffer 1 DB AG-Zuständigkeitsverordnung), sowie die Zuweisung einer Tätigkeit auf Dauer in einem anderen Betrieb der Deutsche Bahn AG - Versetzung - (§ 1 Ziffer 2 DB AG-Zuständigkeitsverordnung).
bb)
Zur Wahrung der Interessen der zugewiesenen Beamten sind gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 DBGrG beim Bundeseisenbahnvermögen besondere Personalvertretungen gebildet, die ausschließlich von den der Deutsche Bahn AG zugewiesenen Beamten gewählt werden. Diesen obliegt grundsätzlich die Interessenwahrung gegenüber den die Beamten betreffenden Entscheidungen und Maßnahmen des Bundeseisenbahnvermögens. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 DBGrG obliegt ihnen darüber hinaus ein Mitbestimmungsrecht in den der Deutsche Bahn AG übertragenen, in § 76 Abs. 1 BPersVG genannten Personalangelegenheiten der Beamten. Nach Auffassung der Kammer ist in diesen besonderen Fällen ein daneben bestehendes Beteiligungsrecht des Betriebsrates gemäß §§ 99 ff. BetrVG ausgeschlossen. Dies folgt aus einer Auslegung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften des DBGrG.
§ 17 Abs. 1 und 2 DBGrG regelt u. a. folgendes:
"Abs. 1
Zur Wahrung der Interessen der Beamten, die gemäß § 12 Abs. 2 und 3 der Deutsche Bahn AG zugewiesen sind, gegenüber den sie betreffenden Entscheidungen und Maßnahmen des Bundeseisenbahnvermögens werden beim Bundeseisenbahnvermögen besondere Personalvertretungen gebildet, die ausschließlich von den der Deutsche Bahn AG zugewiesenen Beamten gewählt werden. (...) Im übrigen finden die Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes sinngemäß Anwendung.Abs. 2
In den der Deutsche Bahn AG übertragenen, in § 76 Abs. 1 des BPersVG genannten Personalangelegenheiten der Beamten hat die auf unterste Ebene gebildete besondere Personalvertretung ein Mitbestimmungsrecht. Auf dieses Mitbestimmungsrecht finden die Vorschriften des § 77 des BPersVG entsprechende Anwendung. (...)"
§ 19 Abs. 1 DBGrG trifft folgende Regelung:
"Abs. 1
Die Beamten des Bundeseisenbahnvermögens, die nach § 12 Abs. 2 und 3 der Deutsche Bahn AG zugewiesen sind, gelten (...) für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes (...) als Arbeitnehmer der Deutsche Bahn AG. (...)"
Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers (vgl. BVerfG E, 1 312). Dabei ist nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern auf den Sinn der Norm abzustellen und davon auszugehen, daß das Gesetz eine zweckmäßige, vernünftige und gerechte Regelung treffen will (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, 52. Aufl., Einleitung Rn. 34 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Auslegungskriterien ist zunächst festzustellen, daß der Gesetzgeber im DBGrG keine ausdrückliche Regelung über das Verhältnis der Beteiligungsrechte des Betriebsrates und der besonderen Personalvertretungen in Angelegenheiten der zugewiesenen Beamten getroffen hat. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 1 DBGrG, daß den besonderen Personalvertretungen in besonderen, der Deutsche Bahn AG übertragenen Personalangelegenheiten der Beamten "ein Mitbestimmungsrecht" zusteht. Gleichzeitig ist jedoch in § 19 Abs. 1 Satz 1 DBGrG geregelt, daß die zugewiesenen Beamten "für die Anwendung" des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmer der Deutsche Bahn AG "gelten". Aus dem Wortlaut dieser Normen läßt sich daher nicht ohne weiteres entnehmen, wie der Gesetzgeber die Kollisionen zwischen der Zuweisung des Mitbestimmungsrechtes an die besondere Personalvertretung und der Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes regeln wollte.
Bei der Auslegung muß daher auf den Bedeutungszusammenhang, d. h. die Einbindung der Normen in die Rechtsordnung und die Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung des Sinn und Zweckes der gesetzlichen Regelungen, zurückgegriffen werden, um den objektivierten Willen des Gesetzgebers feststellen zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß einzelne Rechtssätze grundsätzlich im Zusammenhang der Rechtsordnung zu verstehen und insbesondere verfassungskonform auszulegen sind. Die Kammer hat sich hierbei nicht an ihren subjektiven Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitsvorstellungen zu orientieren, sondern muß auf die in der Rechtsordnung und der Verfassung verwirklichten Wertentscheidungen abstellen.
Bereits die systematische, verfassungskonforme Betrachtung der Normen des DBGrG bietet maßgebliche Anhaltspunkte für die von der Kammer vertretene Auslegung.
Bei den von der streitgegenständlichen personellen Einzelmaßnahme betroffenen Mitarbeitern handelt es sich um Beamte der früheren Bundesbahn, die gemäß § 12 Abs. 2 DBGrG der Deutsche Bahn AG - als privatrechtlicher Gesellschaft - zugewiesen sind. Die Umwandlung der in öffentlich-rechtlicher Rechtsform geführten Bundesbahn in die privatrechtliche Deutsche Bahn AG stelle gleichermaßen politisches, wirtschaftliches und gesetzgeberisches Neuland dar. Der Gesetzgeber stieß hierbei u. a. auf das Problem, wie die bei der Deutsche Bundesbahn beschäftigten Bundesbeamten in die Arbeitsorganisation der neuen Deutsche Bahn AG eingegliedert werden und dabei gleichzeitig ihre verfassungsmäßig gesicherten besonderen Rechte gewahrt werden konnten. Insbesondere Artikel 33 Abs. 5 GG schützt den Status der Beamten und zwingt den Staat zur Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Hiernach können grundsätzlich weder natürliche noch juristische Personen des Privatrechts Dienstherren von Beamten sein (§ 121 Beamtenrechtsrahmengesetz). Zwar besteht die Möglichkeit, daß Beamte aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden oder sich beurlauben lassen, um ein normales Arbeitsverhältnis zur Deutsche Bahn AG aufzunehmen. Für die Rechtsverhältnisse der überwiegenden Zahl der nach § 12 Abs. 2 DBGrG zugewiesenen Beamten ist hingegen in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Besonderheit eine gesetzliche Lösung gewählt worden, die zwar die Statusrechte der Beamten gewährleistet, sie in arbeitsrechtlichen Fragen jedoch den übrigen Arbeitnehmern gleichsetzt.
Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 4 Satz 1 DBGrG, wonach die Rechtsstellung der zugewiesenen Beamten sowie die Gesamtverantwortung des Dienstherrn gewahrt bleibt. Konsequenterweise sind gemäß § 12 Abs. 6 DBGrG einige beamtenrechtliche Entscheidungen sowie allgemeine Direktionsmaßnahmen der Deutsche Bahn AG auch lediglich per DB AG-Zuständigkeitsverordnung "zur Ausübung übertragen" worden.
Diese Regelungen stehen im Zusammenhang mit Artikel 143 a GG, welcher im Zuge der Privatisierung der Bundesbahn in das Grundgesetz eingefügt wurde. Gemäß Artikel 143 a Abs. 1 Satz 3 GG können Beamte der Bundeseisenbahnen durch Gesetz "unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und Verantwortung des Dienstherrn" einer privatrechtlich organisierten Eisenbahn des Bundes zur Dienstleistung zugewiesen werden. Auch diese Verfassungsnorm gebietet also dem einfach rechtlichen Gesetzgeber, die besondere Rechtsstellung, d. h. den besonderen beamtenrechtlichen Status, der zugewiesenen Beamten bei der Ausgestaltung der Bahnreform besonders zu berücksichtigen.
Im Blickwinkel dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist die vom Gesetzgeber in §§ 17 und 19 DBGrG gefundene Lösung dahingehend auszulegen, daß die den Status der zugewiesenen Beamten im Kernbereich betreffenden - also im engeren Sinne beamtenrechtlichen - Personalangelegenheiten unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums dem Mitbestimmungsrecht der besonderen Personalvertretung zugewiesen sind. Es handelt sich hierbei ausschließlich um die in § 76 Abs. 1 BPersVG geregelten Entscheidungen, zu denen Einstellung, Anstellung, Beförderung, Versetzung und Abordnung gehören. Ausgeklammert bleiben die in § 76 Abs. 2 BPersVG geregelten Mitbestimmungsrechte, wie beispielsweise die Aufstellung von Beurteilungsrichtlinien, allgemeine Fragen der Fortbildung und die Einführung neuer Arbeitsmethoden, die nicht den Kernbereich des Beamtenstatus berühren. In Anlehnung an das Personalvertretungsgesetz ist in § 17 Abs. 2 ff. DBGrG für die Durchführung dieser Mitbestimmungsrechte eine Stufenvertretungsregelung getroffen, für welche in Streitigkeiten der Verwaltungsgerichtsweg mit letztinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgesetzes gegeben ist. Die Stelle des Dienstherrn nimmt im Rahmen dieser Stufenvertretung die Deutsche Bahn AG ein.
In allen übrigen Fragen, die beamtenrechtliche Angelegenheiten im engeren Sinne nicht betreffen, wie Arbeitszeitfragen, Urlaubsregelungen etc., ist hingegen über § 19 Abs. 1 Satz 1 DBGrG der Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz zu beteiligen. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, daß die zugewiesenen Beamten im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Deutsche Bahn AG in die Arbeitsorganisation eingegliedert sind. Sie können - da hoheitliche Aufgaben im wesentlichen nicht mehr anfallen - arbeitsrechtlich wie Arbeitnehmer behandelt werden, soweit ihr besonderer beamtenrechtlicher Status nicht betroffen ist.
Für diese Auslegung sprechen auch die gesetzgeberischen Motive, die in den Erläuterungen zur Einbringung des Gesetzentwurfes in den Deutschen Bundestag zum Ausdruck kommen (Drucksache 12/4609 (neu)). Hierin findet sich zu § 17 Abs. 2 DBGrG folgende Erläuterung:
"Die Beteiligungskompetenz in den in § 76 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes genannten beamtenrechtlichen Beteiligungsangelegenheiten, die der Deutsche Bahn AG übertragen sind, obliegt ebenfalls den besonderen nach Absatz 1 gebildeten Personalvertretungen, weil dem Betriebsverfassungsgesetz beamtenrechtliche Beteiligungsvorschriften notwendigerweise fehlen und in den Betriebsräten der Deutsche Bahn AG die zugewiesenen Beamten nicht als eigenständige und zu selbständigen Entscheidungen befugte Gruppe vertreten sind. (...)"
Zu § 19 Abs. 1 DBGrG ist ausgeführt:
"Die faktische Eingliederung der der Deutsche Bahn AG zugewiesenen Beamten in deren Betrieb gebietet es, diese Mitarbeiter in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. aktives und passives Wahlrecht zum Betriebsrat der Aktiengesellschaft, aktives und passives Wahlrecht für die Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der AG) den eigenen Arbeitnehmern der Aktiengesellschaft gleichzustellen."
Die maßgeblichen Vorschriften des DBGrG, auf welche sich diese Hinweise des Einbringungsantrages beziehen, sind im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr geändert worden. Auch diese Materialien lassen daher den Schluß zu, daß der Gesetzgeber bewußt und ausdrücklich zwischen arbeitsrechtlichen und beamtenrechtlichen Angelegenheiten unterschieden hat, und zwar gerade in den Personalangelegenheiten, die der Deutsche Bahn AG übertragen worden sind.
Auch die teleologische Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung ihrer Einfügung in die Rechtsordnung führt nach Auffassung der Kammer zu demselben Ergebnis (anders ArbG Karlsruhe, 6 BV 10/94, Beschluß vom 17.10.1994 - nicht veröffentlicht -).
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners erfordert der Umstand, daß der Betriebsrat der Deutsche Bahn AG im Rahmen der §§ 99 ff. BetrVG nicht nur die Rechte der betroffenen Beamten zu berücksichtigen hätte, sondern auch die Auswirkungen für die übrigen von ihm vertretenen Arbeitnehmer, nicht zwingend dessen Mitbestimmung gemäß §§ 99 ff. BetrVG. Denkbar - und hier vom Gesetzgeber gewählt - ist ebenfalls die Lösung, das Mitbestimmungsrecht der besonderen Personalvertretung zu überlassen. Diese ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 DBGrG zwar beim Bundeseisenbahnvermögen gebildet, wird jedoch ausschließlich von denen der Deutsche Bahn AG zugewiesenen Beamten - also aus den Betrieben der Deutsche Bahn AG heraus - gewählt. Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 DBGrG in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Ziffer 2 BPersVG hat auch die besondere Personalvertretung nicht nur die Interessen der betroffenen Beamten zu wahren, sondern auch die Benachteiligung anderer Beschäftigter zu berücksichtigen.
Für die gesetzmäßige Erfüllung ihrer Aufgaben wäre es zwar erforderlich, daß sich die besonderen Personalvertretungen die notwendigen Informationen über die nicht unmittelbar von ihnen vertretenen Arbeitnehmer von anderer Seite - gegebenenfalls vom Betriebsrat - verschaffen (vgl. hierzu auch Engels, Müller, Mauß: Ausgewählte arbeitsrechtliche Probleme der Privatisierung - aufgezeigt am Beispiel der Bahnstrukturreform - DB 1994, 473 (478)). Die Frage, wie diese Einbeziehung des Betriebsrates in der Praxis und im Einzelfall durchzuführen ist, stand jedoch nicht zur Entscheidung der Kammer.
Das hier vertretene Ergebnis, wonach der Betriebsrat von der zwingenden Mitbestimmungsentscheidung bei den in § 76 Abs. 1 BPersVG geregelten personalen Einzelmaßnahmen ausgeschlossen ist, stellt sich durchaus als systemkonform dar. Auch die Mitbestimmungsregelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes sehen vor, daß die Personalratsmitglieder, die der Angestellten- und Arbeitergruppe angehören, in Angelegenheiten der Beamtengruppe nicht zur Beschlußfassung berufen sind (§ 38 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). In diesen Fällen ist zuvor lediglich eine gemeinsame Beratung im Personalrat erforderlich. Es ist folglich in der Mitbestimmungsgesetzgebung nicht neu, daß andere Arbeitnehmergruppen von den ausschließlich Beamte betreffenden Mitbestimmungsangelegenheiten - jedenfalls was die zwingende Beschlußfassung angeht - ausgeschlossen sein können.
Im Zuge der Bahnreform wäre es daher ebenfalls denkbar gewesen, die zugewiesenen Beamten als besondere Gruppe in die Betriebsräte aufzunehmen und ihnen ein eigenes Vertretungs- und Beschlußfassungsrecht entsprechend den Regelungen des § 38 BPersVG zuzubilligen. Diese Lösung ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert jedoch letztendlich nicht gewählt worden (vgl. Engels, Müller, Mauß, a.a.O., S. 477). Auch dieser Umstand spricht dafür, daß lediglich die in § 17 Abs. 2 Satz 1 genannten Personalmaßnahmen der zugewiesenen Beamten der - aus dem Betriebsrat nunmehr ausgegliederten - besonderen Personalvertretung zur alleinigen Beschlußfassung zugewiesen sind und dem Betriebsrat im übrigen die umfassenden Beteiligungsrechte auch hinsichtlich der zugewiesenen Beamten uneingeschränkt zustehen.
Die Anträge waren daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.