Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 13.05.1994, Az.: 7 Ca 64/94 E
Eingruppierung einer Diplom-Sozialarbeiterin bzw. Sozialpädagogin, die im Bereich der Familienhilfe tätig ist
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 13.05.1994
- Aktenzeichen
- 7 Ca 64/94 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 16777
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:1994:0513.7CA64.94E.0A
Verfahrensgegenstand
Feststellung
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 1994
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Der Streitwert beträgt 18.000,00 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Eingruppierung der Klägerin.
Die am 18.09.1941 geborene Klägerin ist Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin. Sie ist seit dem 15.10.1977 als Bezirkssozialarbeiterin bei der Beklagten tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung.
Für ihre Tätigkeit erhält die Klägerin Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT nebst Zulage, die Beklagte hat sie in die Fallgruppe 16 der Anlage 1 a zum BAT Teil II Abschnitt G eingruppiert.
Die Klägerin ist im Bereich der Familienhilfe tätig. Die Stellen der Familienhilfe sind gemeinsame Außenstellen des Sozialamtes und des Jugendamtes der Beklagten. Die Klägerin arbeitete in der ... ihr Bezirk ist geprägt durch Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, die vorrangig von sozialschwachen Menschen bewohnt werden, der Ausländeranteil ist sehr hoch.
Über die Tätigkeit der Klägerin als Bezirkssozialarbeiterin gibt es eine Tätigkeitsbeschreibung vom 18.01.1993, wegen Einzelheiten wird auf Blatt 10 ff. der Akte verwiesen.
Im Sozialamt gibt es einen Innendienst, die Entscheidungen über die Freigabe von Geldern trifft der Sachbearbeiter des Sozialamtes, der jedoch bei der Einschätzung der Sozialsituation auf die Tätigkeit der Bezirkssozialarbeiter angewiesen ist. Dieser Sachbearbeiter ist Verwaltungsangestellter. Im Jugendamt wird der Innendienst ebenfalls von Sozialarbeitern wahrgenommen. Der Bezirkssozialarbeiter hat insoweit eine Mittlerfunktion zwischen Klientel und den zentralen Ämtern, sie häufig eine Vertrauensperson für die Betroffenen. Die Klägerin ist als eine derartige Vertrauensperson die erste, die häufig auf Problemfälle aufmerksam wird. Fälle, die nicht nur für das Jugend- und Sozialamt, für die Klägerin tätig wird, sollen die auch zum Teil für die psychosoziale Beratungsstelle im Gesundheitsamt, das Amt für Wohnungswesen, den Jugendschutz sowie die Drogenberatungsstelle bedeutsam sind, werden von der Klägerin nicht bearbeitet, da sie von ihr an das zuständige Amt abgegeben werden.
Die im Außendienst tätigen Bezirkssozialarbeiter bekommen auch vom Jugend- und Sozialamt Aufträge, die sie für die jeweiligen Ämter ausführen.
Bei der Beklagten ist die Familienhilfe in der unteren Ebene in Bezirke gegliedert, in denen die Bezirkssozialarbeiter tätig sind. Je sechs bis acht Bezirke bilden einen Kreis unter Leitung eines Kreissozialarbeiters (Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT).
Die Klägerin behauptet:
Im Bereich des Jugendamtes setze sich die Beklagte im Widerspruch zu ihrer eigenen Arbeitsplatzbeschreibung. In dieser würde immer wieder aufgeführt, daß die Klägerin in vielen Bereichen letztverantwortlich tätig sei.
Zwar sei in anderen Bereichen der Innenbereich des Jugendamtes formell letzte Instanz, tatsächlich seien es jedoch die Bezirkssozialarbeiter, so sei es inzwischen so, daß bei Sorgerechtsentscheidungen der Bezirkssozialarbeiter unmittelbar Berichte für die Familiengerichte erstelle. Ähnlich verhalte es sich bei anderen richtungsweisenden Stellungnahmen.
Die Kreissozialarbeiter seien angewiesen, einen ganzzeitlichen Arbeitseinsatz zu folgen, der sich aus der umfassenden Zuständigkeit für alle Problemlagen, Störungen und Konflikte ergebe. In der Regel gebe es keine nur sozialhilferechtlichen oder nur jugendamtlichen Konflikt, sondern nur einen sozialen Konflikt, der sozialhilferechtlich und familienrechtliche Konsequenzen habe.
Die Klägerin stellt den Antrag,
es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.01.1991 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT, hilfsweise nach der Vergütungsgruppe IVa BAT, einschließlich anteiliger Zuwendung nach dieser Vergütungsgruppe zu gewähren, nebst 4 % Zinsen auf die jeweils anfallenden Nettodifferenzbeträge ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit, frühestens jedoch ab Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet:
Die Tätigkeit der Bezirkssozialarbeiter für das Jugendamt und das Verwaltungsamt bestehe in der Abgabe von Stellungnahmen und, wenn von den Ämtern Entscheidungen über Bewilligungen getroffen worden seien, in der Betreuung der Klientel bei der Verwendung der bewilligten Mittel.
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die erhobene Feststellungsklage ist nach § 256 ZPO zulässig. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß in diesem sogenannte Eingruppierungsstreit im öffentlichen Dienst statt einer Zahlungsklage auch eine Feststellungsklage erhoben werden kann.
II.
Die Klage ist jedoch nicht begründet, da die Klägerin nicht zur Überzeugung der Kammer hat darlegen können, daß sie die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV a des Teils II VKA Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1 a zum BAT erfüllt. Aus diesen Gründen ist auch die begehrte Eingruppierung in die Vergütungsgruppe III des Teils II VKA Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1 a zum BAT nicht zu gewähren.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung, der hier in der Fassung VKA anzuwenden ist.
Ansprüche der Klägerin auf die Vergütungsgruppe IVa BAT (und dann über den Bewährungsaufstieg nach der Vergütungsgruppe III BAT) hätte die Klägerin für die Zeit ab 01.01.1991 nur, wenn sie als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit Tätigkeiten verrichten würde, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 herausheben (Fallgruppe 15 der Vergütungsgruppe IVa Sozial- und Erziehungsdienst Teil II der Anlage 1 a zum BAT, im folgenden Fallgruppe 15 IVa Sozial- und Erziehungsdienst). Wenn sie diese Tätigkeiten zumindest zu einem Drittel verrichten würde, wäre die Klägerin in die Fallgruppe 16 der Vergütungsgruppe IVa Sozial- und Erziehungsdienst einzugruppieren.
Auch aufgrund des Vorbringens der Klägerin kann die Kammer nicht davon ausgehen, daß die Klägerin zumindest zu einem Drittel Tätigkeiten verrichtet, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 16 herausheben.
Zu Gunsten der Klägerin kann unterstellt werden, daß die in der Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 10 ff. d.A.) unter der Nr. 4.111 und Nr. 4.112 geschilderten Tätigkeiten (insgesamt 65 %) ein Arbeitsvorgang im Sinne der §§ 22, 23 BAT sind, woran durchaus Zweifel bestehen können.
Auch wenn man diese Tätigkeiten einheitlich als einen Arbeitsvorgang sieht, ergeben sich keine Aufgaben, die das Heraushebungsmerkmal der Fallgruppe 15 der Vergütungsgruppe IVa Sozial- und Erziehungsdienst erfüllen, da für die Kammer nicht deutlich ist, daß diese Aufgaben sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung herausheben.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin mit entsprechenden Aufgaben Menschen betreut, bei denen wirtschaftliche oder persönliche Probleme aufgetreten sind, Umgang, Beratung und Hilfe bei derartigen Konflikten gehört also bereits zur Normaltätigkeit des Sozialarbeiters.
Nun ist die Klägerin bereits in die Vergütungsgruppe IVb BAT Fallgruppe 16 Sozial- und Erziehungsdienst eingruppiert, sie verrichtet also bereits Tätigkeiten eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen mit schwierigen Tätigkeiten. In der Protokollnotiz Nr. 12 sind diese schwierigen Tätigkeiten beispielhaft aufgezeigt. Außer bei der Fallgruppe e, bei der Koordinationsaufgaben wahrzunehmen sind, handelt es sich ausnahmslos um Tätigkeiten eines Sozialarbeiters, bei denen die Betroffenen entweder an besonders gravierenden Erkrankungen oder Abhängigkeiten leiden (Fallgruppe a und b) oder aber besonders problematische Lebensumstände bei den Betroffenen vorhanden sind (Fallgruppe c und d), die der jeweilige Sozialarbeiter betreut. Bei jedem dieser Gruppe von Betroffenen wird im Regelfall davon auszugehen sein, daß eine Vielzahl von betreuenden Aufgaben notwendig ist, Probleme aus dem familiären Umkreis anfallen und insbesondere auch finanzielle Probleme regelmäßig gegeben sind, die möglicherweise zu Sozialhilfeansprüchen führen können.
Gewiß charakteristisch ist also bei diesen in der Protokollnotiz Nr. 12 genannten zu betreuenden Personen, daß über den Normalbetreuungsbereich von Menschen in Konfliktsituationen hinaus noch erhebliche zusätzliche Probleme auftauchen, nur dann kann nach Auffassung der Kammer überhaupt von einer besonderen Schwierigkeit im Verhältnis zu der Tätigkeit der Fallgruppe 16 der Vergütungsgruppe IVb Sozial- und Erziehungsdienst gesprochen werden.
Für die Kammer ist nun aus dem Vorbringen der Klägerin nicht erkennbar, daß eine derartige besondere Schwierigkeit bei ihren Aufgaben vorliegt.
Unter Berücksichtigung der Tätigkeitsbeispiele in der Protokollnotiz Nr. 12 würde für die Kammer eine erhebliche Steigerung der Schwierigkeiten im Sinne des Heraushebungsmerkmals der Fallgruppe 15 oder 16 Vergütungsgruppe IVa BAT vorliegen, wenn die Tätigkeit des Bezirkssozialarbeiters dadurch gekennzeichnet ist, daß er bei seiner täglichen Arbeit sowohl eine umfassende Beratung von Suchtmittelabhängigen, eine umfassende Beratung von HIV-Infizierten, eine begleitende Fürsorge für Heimbewohner und eine begleitende Fürsorge für Strafgefangene zu erbringen hätte. Denn wenn all diese Gruppen von der Klägerin umfassend zu betreuen wären, würde die Kammer in der sich daraus ergebenden Steigerung der schwierigen Tätigkeit schon eine besondere Schwierigkeit im Sinne der Regelung der Fallgruppe 15 und 16 der Vergütungsgruppe IVa BAT sehen.
Derartiges wird von der Klägerin nun zwar behauptet, weder aus der Arbeitsplatzbeschreibung noch aus der Aufzeichnung für einen Arbeitstag (regelmäßig ist ein Arbeitstag für die Tätigkeit auch nicht annähernd aussagekräftig) ergibt sich, daß die Klägerin bei ihrer täglichen Arbeit ständig und laufend mit allen vier Gruppen der in der Protokollnotiz Nr. 12 genannten Personengruppen in Form einer umfassenden Betreuung zu tun hat. Unstreitig gibt es insoweit auch Spezialdienste für Suchtmittelabhängige und HIV-Infizierte, so daß es eher unwahrscheinlich ist, daß die Klägerin wirklich umfassend und in erheblichem Umfang die Betreuung aller dieser Gruppen vornimmt.
Wenn die Klägerin gelegentlich auch mit der Betreuung eines HIV-Infizierten oder eines Suchtmittelabhängigen in Beführung kommt, so würde dies nach Auffassung der Kammer keinesfalls dazu führen, bereits von besonderer Schwierigkeit auszugehen.
Somit kann die Kammer nicht davon ausgehen, daß bei der Tätigkeit der Klägerin eine besondere Schwierigkeit im Sinne der Fallgruppe 15 oder 16 der Vergütungsgruppe IVa Sozial- und Erziehungsdienst vorliegt.
Ebensowenig ist im übrigen darauf hinzuweisen, daß von einer besonderen Bedeutung im Sinne der Fallgruppe 15 oder 16 der Vergütungsgruppe IVa Sozial- und Erziehungsdienst nach dem Vortrag der Klägerin ausgegangen werden kann.
Denn wenn die Protokollnotiz Nr. 12 nur als schwierige Tätigkeit bezeichnet wird, obwohl diese schon erhebliche Auswirkungen für die Lebensumstände der Betroffenen haben, so muß bei einer besonderen Bedeutung im Sinne der Fallgruppe 15 oder 16 der Vergütungsgruppe IVa Sozial- und Erziehungsdienst darüber hinaus noch weitere erhebliche Auswirkungen auf den Kreis der Betroffenen gegeben sein, damit dieses Merkmal erfüllt ist. Davon kann jedoch nach der Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin bei den ersten dort unter den Ziffern 4.111 und 4.112 geschilderten Aufgaben nicht ausgegangen werden.
Da die Tätigkeiten unter Ziffern 4.114 und 4.115 (zusammen 20 %) die Heraushebungsmerkmale der Fallgruppe 15 oder 16 der Vergütungsgruppe IVa Sozial- und Erziehungsdienst ebenfalls nicht erfüllen, es erscheint sogar zweifelhaft, ob es sich dabei um schwierige Tätigkeit handelt, erfüllt die Klägerin nicht einmal zu einem Drittel Aufgaben von besonderer Schwierigkeit und Bedeutung, so daß ein Anspruch auf die Vergütungsgruppe IVa BAT und damit über den Bewährungsaufstieg nach der Vergütungsgruppe III BAT nicht gegeben ist.
Die Klage muß abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Streitwert ist nach § 61 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 7 ArbGG mit dem 36-fachen der Differenz zwischen der begehrten Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT und der gezahlten Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT von 500,00 DM pro Monat angesetzt worden.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert beträgt 18.000,00 DM.
Der Streitwert ist nach § 61 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 7 ArbGG mit dem 36-fachen der Differenz zwischen der begehrten Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT und der gezahlten Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT von 500,00 DM pro Monat angesetzt worden.