Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.08.2002, Az.: 3 U 7/02

5 Jahre; Anspruchsverjährungsfrist; Auftragsverhältnis; Beitrittsgebiet; DDR; Deutsche Demokratische Republik; Fristversäumung; Genossenschaftsvermögensverteilung; Geschäftsbesorgungsvertrag; landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft; Liquidation; Liquidator; LPG; Mandatsverhältnis; positive Vertragsverletzung; Rechtsanwaltshaftung; Rechtsanwaltsvertrag; Rückforderungsanspruch; Schadensersatzanspruch; Schuldtilgung; Wiedervereinigung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.08.2002
Aktenzeichen
3 U 7/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43936
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 28.11.2001 - AZ: 11 O 6192/00 - 229

Tenor:

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 28. November 2001 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise geändert und unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten sowie des weiter gehenden Rechtsmittel des Klägers insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 260.948,83 € (510.371,55 DM) zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Februar 2001 zu zahlen

Zug um Zug gegen Abtretung der Rückzahlungsansprüche der LPG ..., ..., ..., gegen die in der - dem Urteil beigehefteten - Einverständniserklärung vom 30. März 1992 aufgeführten Mitglieder.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/4, der Beklagte 3/4.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird gestattet, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Sicherheit ist auch die selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und schriftliche Bürgschaft einer Bank mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Spar- oder Darlehenskasse.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer der Parteien: jeweils über 20.000 €.

Gründe

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Der Kläger nimmt den Beklagten, mit dem er bis zum 31. Dezember 2000 in einer Anwaltssozietät beruflich verbunden war, auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung eines dem Beklagten übertragenen Mandats in Anspruch. Der Kläger war durch Beschluss des Amtsgerichts Halle vom 28. Juli 1994 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der LPG ... bestellt. Zuvor hatte die Vollversammlung der LPG im Juli 1991 gemäß § 41 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LwAnpG) die Auflösung der LPG zum 31. Juli 1991 beschlossen; Liquidatoren der Gesellschaften waren die Rechtsanwälte ..., ..., ... und ... Der Liquidator ... zahlte in den Jahren 1992 und 1993 Inventarbeiträge, Verzinsungen für Grund und Boden sowie Wertschöpfungsbeträge aus Arbeit in Höhe von 680.495,41 DM an die Genossen aus, obgleich die Genossenschaft Bankverbindlichkeiten hatte, die sich allein bei der DG-Bank auf ca. 3,5 Mio. DM beliefen und die die DG-Bank mit Schreiben vom 18. Februar 1994 fällig stellte. Aufgrund dieses Sachverhalts erteilte der Kläger Anfang 1995 in seiner Funktion als Insolvenzverwalter seinem Sozius, dem Beklagten, den Auftrag, Rückforderungsansprüche der Gemeinschuldnerin gegenüber den Liquidatoren, ggf. auch gegenüber den Mitgliedern der LPG geltend zu machen. Eine gerichtliche Durchsetzung dieser Ansprüche ist durch den Beklagten nicht erfolgt; das diesem erteilte Mandat ist am 2. Februar 2000 vom Kläger gekündigt worden, der den Beklagten nunmehr auf Schadensersatz im Umfang der durch die Liquidatoren an die Genossen ausgezahlten Beträge in Anspruch nimmt und die Auffassung vertritt, der Beklagte habe die ihm obliegenden Pflichten verletzt, da er es unterlassen habe, die zu Unrecht an die Mitglieder der LPG erfolgten Zahlungen gemäß § 10 der Gesamtvollstreckungsordnung anzufechten und Rückzahlung zu verlangen; darüber hinaus habe er es versäumt, gegenüber den Liquidatoren in nicht verjährter Zeit - seiner Auffassung nach bis zum 31. Dezember 1997 - Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend zu machen.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Beklagten zu verurteilten, an den Kläger als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen LPG ... 680.459,41 DM nebst 9,26 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

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hilfsweise

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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die eingetretene Verjährung seines Schadensersatzanspruchs gegenüber den ehemaligen Liquidatoren ab dem 1. Januar 1998 entstanden ist bzw. noch entstehen wird.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat seine Verantwortlichkeit für die Durchführung des Mandats bestritten und gemeint, dem Kläger sei kein Schaden entstanden, da wegen der hier maßgeblichen 10-jährigen Verjährungsfrist des § 3 a LwAnpG Ansprüche gegen die Liquidatoren noch geltend gemacht werden könnten.

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Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 408.297,24 DM entsprechend 60 % des geltend gemachten Anspruchs verurteilt und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe es auftragswidrig unterlassen, in unverjährter Zeit Zahlungsansprüche gegenüber den Liquidatoren der LPG geltend zu machen und gerichtlich durchzusetzen. Allerdings müsse sich der Kläger ein anspruchsminderndes Mitverschulden im Umfang von 40 % anrechnen lassen, da ihm selbst seit Frühjahr 1997 die Verjährungsproblematik bekannt gewesen sei.

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Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien, mit der der Kläger eine eigene Mitverantwortung an der unterlassenen Klagerhebung in Abrede nimmt und eine Verurteilung des Beklagten im Umfang der Anträge erster Instanz erstrebt.

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Der Beklagte begehrt mit seiner Berufung

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unter teilweiser Abänderung des am 28. November 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

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hilfsweise,

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eine Verurteilung des Beklagten nur auszusprechen Zug um Zug gegen Abtretung der Rückzahlungsansprüche der LPG ..., ..., ..., gegen die in der Einverständniserklärung vom 30. März 1992 als Anlage K 8 zur Berufung aufgeführten Mitglieder.

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Er behauptet, die Bearbeitung des ihm übertragenen Mandats sei im Herbst 1995 vereinbarungsgemäß in das Dezernat der in der Kanzlei tätigen Rechtsanwältin P. (verheiratete B.) übergegangen. Nach einem Gespräch mit dem Kläger sei die Akte im November 1996 endgültig und vereinbarungsgemäß ohne weitere Veranlassung abgeschlossen worden. Er, der Beklagte, sei erst durch Schreiben des Klägers im Jahr 1999 erneut in dieser Sache beauftragt worden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der in der Berufungsinstanz gestellten Anträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31. Juli 2002 verwiesen.

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Die zulässige Berufung des Beklagten hat (wirtschaftlich) keinen, die des Klägers hat teilweise Erfolg. Dem Kläger stehen gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 260.948,83 € (510.371,55 DM) zu; dies entspricht 3/4 des dem Kläger entstandenen Schadens. Der Beklagte hat die ihm gegenüber dem Kläger obliegenden Pflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag schuldhaft verletzt.

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Das mitwirkende Verschulden des Klägers ist gering und wird vom Senat mit lediglich 25 % bemessen.

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1. Wie sich aus den eigenen, an die Liquidatoren der LPG gerichteten Schreiben des Beklagten vom 28. April 1995 ergibt, im Übrigen zwischen den Parteien auch unstreitig ist, beauftragte der Kläger Anfang 1995 in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der LPG ... den Beklagten - seinen damaligen Sozius - mit der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen, die der Gemeinschuldnerin gegenüber den Liquidatoren der Gesellschaft zustand. Der Liquidator ... hatte in den Jahren 1992 und 1993 Auszahlungen an die Genossen der LGP in Höhe von insgesamt 680.495,41 DM vorgenommen. Diese Auszahlungen verstießen gegen § 90 GenG, da die Auszahlung vor Beendigung der Liquidation und ungeachtet bestehender Verbindlichkeiten in Höhe von rund 3,5 Mio. DM gegenüber der DG-Bank erfolgt war. Die Liquidatoren der LPG hafteten dieser - und damit der Insolvenzmasse - auf Schadensersatz gemäß §§ 90, 34 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 bis 3 GenG.

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2. Die Geltendmachung und gerichtliche Durchsetzung dieser Schadensersatzansprüche hat der Beklagte pflichtwidrig unterlassen.

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a) Unstreitig sind die Ansprüche, deren - notfalls gerichtliche - Geltendmachung der Beklagten mit Schreiben gegenüber den Liquidatoren vom 28. April 1994 angekündigt hatte, gegenüber den eine außergerichtliche Regulierung ablehnenden Liquidatoren nicht weiter verfolgt worden; insbesondere ist die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche unterblieben. Dass die Vollstreckung titulierter Ansprüche gegenüber den Liquidatoren erfolglos geblieben wäre, trägt der Beklagte nicht vor; hierfür sind wegen wohl bestehender Vermögensschadensversicherungen auch keine Anhaltspunkte erkennbar.

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b) Der Geltendmachung von Ersatzansprüchen steht nunmehr die Verjährung der Ansprüche entgegen. Gemäß § 42 LwAnpG gelten für den Fall der Liquidation der Gesellschaft die Vorschriften der §§ 83 ff GenG. Nach § 89 des GenG finden auch für Liquidatoren einer Gesellschaft die Vorschriften des § 34 GenG - und damit die 5-jährige Verjährungsregel des § 34 Abs. 6 GenG - Anwendung. Für eine Analogie zur 10-jährigen Verjährungsfrist zu § 3 b LwAnpG ist damit mangels gesetzlicher Regelungslücke kein Raum. Eine entsprechende Anwendung ist auch aus sachlichen Gründen nicht geboten. Vielmehr rechtfertigt sich die gegenüber den Vorstandsmitgliedern einer Genossenschaft kürzere Verjährungsfrist für Ansprüche gegen die Liquidatoren aus dem Gesichtspunkt, dass nach Beendigung der Gesellschaft nicht für einen langen Zeitraum noch Ersatzansprüche im Raum stehen sollen, was dem Ziel einer endgültigen Beendigung der Genossenschaft zuwider liefe.

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c) Das dem Beklagten erteilte Mandat ist auch nicht - was einer Haftung entgegenstehen würde - anlässlich einer Besprechung am 26. November 1996 zwischen der Rechtsanwältin P. und dem Kläger dadurch beendet worden, dass Einigkeit erzielt worden ist, die Sache solle nicht weiter verfolgt und der Vorgang abgeschlossen werden.

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Für die Richtigkeit des dies behauptenden Vortrags des Beklagten spricht zwar das Schreiben der Rechtsanwältin P. vom 27. November 1996 an den Kläger, in dem es heißt, es sei in einer Besprechung am 25. November 1996 festgelegt worden, dass in oben bezeichneter Angelegenheit (LPG ... gegen ...) diesseits keine weiteren Veranlassungen erforderlich seien. Richtig ist auch, dass die von der Zeugin P. mit jenem Schreiben überreichte Kostennote (bürointern) ausgeglichen worden ist.

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Diese innerhalb der Kanzleiräume in ... gewechselten "Schriftsätze" geben jedoch weder die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen noch die tatsächliche Handhabung zutreffend wieder. Aufgrund des Ergebnisses der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie des weiteren Inhalts der vorgelegten Unterlagen ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass entsprechend der Aussage der Zeugin B. (vormals P.) diese, nachdem ausweislich der vorliegenden Kopie des Handaktendeckblatts die Akte in der Kanzlei in ..., wo sich der Beklagte seinerzeit im Regelfall zwei Tage in der Woche aufhielt, für diesen am 7. November 1994 angelegt worden war, vorübergehend die Bearbeitung der Sache deshalb übernommen hatte, weil der Beklagte mit der Erledigung verschiedener Mandate - auch dem hier vorliegenden - in Rückstand gekommen war. Dabei blieb allerdings die Akte im Dezernat des Beklagten, was sich - so die Aussage der Zeugin B. - daran zeigte, dass die Akte das für den Beklagten verwendete und bestimmte farbliche Kennzeichen behielt. Die Zeugin wurde damit praktisch für den Beklagten als dessen Erfüllungsgehilfin tätig. Entgegen dem kanzleiinternen Schreiben der Zeugin vom 27. November 1996 ist die Akte hiernach allerdings nicht an den Kläger zurückgelangt und auch nicht geschlossen worden, wobei ohnehin der im Schreiben erwähnten "Überlassung der Akte" deshalb keine praktische Bedeutung zuzumessen ist, weil die Akte - gleich, von wem sie bearbeitet wurde - jedenfalls in der Kanzlei in ... blieb. Dass die Akte nicht geschlossen, also als endgültig bearbeitet weggelegt wurde, ergibt sich aus der Aussage der Zeugin, die nachvollziehbar und für den Senat glaubhaft bekundet hat, die Sache sei nur "für sie", und zwar deshalb beendet worden, weil sie von der betroffenen Materie wenig verstanden habe und mit der Sache überfordert gewesen sei. Diese Erklärung der Zeugin steht in Übereinstimmung mit dem Umstand, dass das Deckblatt der Handakte, auf dem u. a. "RA ... ab 01.04.97" vermerkt ist, noch für den Dezember 1996 und auch für 1997 mehrfach Wiedervorlagefristen enthält. Darüber hinaus hat die Zeugin dem Senat das Original des Handaktendeckblatts der Parallelangelegenheit "LPG ... ./. Mitglieder der LPG" vorgelegt; die vom Original gefertigte, als Anlage zum Verhandlungsprotokoll genommene Kopie enthält die Verfügung der Zeugin "Akte schließen" und einen Ablagestempel vom 28. November 1996. Dieser Vermerk auf der Handakte bestätigt damit in Übereinstimmung mit den Erklärungen der Zeugin B. den Sachvortrag des Klägers, seinerzeit sei lediglich die Sache "LPG ... ./. Mitglieder der LPG" abgeschlossen worden, weil man sich von einer Inanspruchnahme der einzelnen Genossen auf Rückzahlung der zu Unrecht ausgekehrte Gelder keinen Erfolg versprochen habe.

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In der Folgezeit ist die Akte, was sich aus den Bekundungen der Zeuginnen P. und T., insbesondere aber dem eigenen Vorbringen des Beklagten ergibt, diesem und nicht dem Kläger wieder vorgelegt worden. Hierfür spricht zunächst der Vermerk "RA ... ab 01.04.97" auf dem Handaktendeckblatt. Der Vortrag des Beklagten, diese Eintragung müsse nachträglich auf das Handblatt gesetzt worden sein, steht im Widerspruch zu den Bekundungen der Zeugin P., die zwar nicht hat sicher bekunden können, dass dem Beklagten die Akte vorgelegt wurde, die jedoch erläutert hat, dass nach dem kanzleiinternen Ablauf eine Vorlage jedenfalls bei Zahlungseingang erfolgt sein muss. Für ein Verbleiben der Akte im Dezernat des Beklagten spricht auch die Bekundung der Zeugin ..., die - ohne dies allerdings zeitlich exakt eingrenzen zu können - erklärt hat, die Akte habe bei dem Beklagten auf dessen Schreibtisch gelegen. Entscheidend gegen den Sachvortrag des Beklagten, mit dem dieser jetzt im Berufungsverfahren die einvernehmliche Beendigung und den Abschluss des Mandats vor sachlicher Erledigung geltend macht, spricht allerdings sein eigenes vorprozessuales Verhalten sowie sein eigener Sachvortrag erster Instanz. Die Aufforderungsschreiben des Klägers vom 29. März und 3. Juni 1999 sowie die Mandatskündigung vom 12. Oktober 1999 hat der Beklagte seinerzeit nicht etwa zum Anlass genommen, auf die (jetzt behauptete) Mandatsbeendigung sowie darauf hinzuweisen, ihm liege die Akte nicht mehr vor. Vielmehr hat er mit Schreiben vom 25. Mai 2000 dem Kläger inhaltlich geantwortet, die Verjährung der Ansprüche gegen den Liquidator ... eingeräumt und vorgeschlagen, nunmehr die LPG-Mitglieder einzeln als Empfänger ungerechtfertigter Zahlungen in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus hat er mit seiner eigenen Klageerwiderung vom 21. Februar 2001 ausdrücklich zugestanden, nach Beendigung der Bearbeitung der Angelegenheit durch die Zeugin P. die Sache selbst wieder übernommen zu haben. Nach dem Ausscheiden der Rechtsanwältin P. zum 30. Juni 1997 - so der Vortrag des Beklagten - wurde der Vorgang sodann wieder dem Dezernat des Beklagten zugeordnet. Auf den Vorwurf des Klägers, der Beklagte habe sich erst im Jahr 2000 wieder der Bearbeitung des Mandats gewidmet, hat dieser darüber hinaus mit Schriftsatz vom 9. Mai 2001 erwidert, dass die Aufteilung des Dezernats P. für ihn eine erhebliche arbeitsmäßige Belastung dargestellt habe; hieraus sei erklärbar, dass er sich der Akte nicht in verstärktem Umfang habe widmen können, wodurch "die Bearbeitungslücke nach dem Ausscheiden von Rechtsanwältin P. zwischen den Jahren 1997 und 1999 erklärbar" sei.

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3. Der Beklagte ist daher aufgrund eigener Pflichtverletzung dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den die in Insolvenz befindliche LPG dadurch erlitten hat, dass Haftungsansprüche gegen die Liquidatoren der Gesellschaft nicht durchgesetzt worden sind. Ob eine Inanspruchnahme einzelner Genossen (noch) möglich wäre, kann dahinstehen. Zu einer solchen Maßnahme, also der Erhebung einer Vielzahl von Klagen gegen ehemalige Mitglieder der LPG, ist der Kläger aus Gründen der Schadensminderung nicht verpflichtet; soweit der Beklagte der Auffassung ist, erfolgversprechend gegen die Mitglieder der LPG vorgehen zu können, wird er hierdurch durch die im Tenor ausgesprochene Abtretung solcher Ansprüche in die Lage versetzt.

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4. Den der LPG entstandenen Schaden muss allerdings auch der Kläger selbst zu 1/4 tragen, da er es entgegen § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB unterlassen hat, den drohenden Schaden dadurch abzuwenden, dass er seinerseits die gerichtliche Inanspruchnahme der Liquidatoren vor Ablauf der Verjährungsfrist sicherstellte. Zwar begründet in aller Regel der Umstand, dass der Auftraggeber eine Gefahrenlage, zu deren Vermeidung er einen Fachmann hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen können, kein Mitverschulden (BGH NJW 1992, 820, 821 [BGH 19.12.1991 - IX ZR 41/91]). Vielmehr kann es im Falle eines Beratungsvertrages im Regelfall dem Beratenen nicht als mitwirkendes Verschulden angelastet werden, dass er das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch selbst und ohne fremde Hilfe hätte erkennen können. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Die rechtliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Falles obliegt allein dem Anwalt. Auch wenn der Mandant selbst über eine juristische Vorbildung verfügt, kann und muss er darauf vertrauen, dass der beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine eigene Kontrolle durch den Mandanten notwendig ist. Daher kommt im Regelfall ein Mitverschulden des Mandanten nicht in Betracht, soweit es um die rechtliche Bearbeitung des Falles geht (BGH, a. a. O., m. w. N.). Insbesondere ist die Fristenkontrolle nicht Sache des Mandanten. Sie gehört zum ureigenen Aufgabenbereich des Rechtsanwalts, der dafür Sorge zu tragen hat, dass die Rechte des Mandanten gegen eine drohende Verjährung gesichert werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Mandant aufgrund eigener Kenntnisse in der Lage wäre, den Fall unter Kontrolle zu halten. Aus dem Abschluss eines uneingeschränkten Anwaltsvertrages will auch ein solcher Mandant die Sicherheit schöpfen, dass jedenfalls der Anwalt "aufpassen" wird.

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Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt (vgl. etwa BGHZ 115, 382 ff für die unterlassene Einreichung einer Steuererklärung durch den Steuerberater). So kann es an der Belehrungsbedürftigkeit eines rechtskundigen Mandanten fehlen, wenn dieser sich des Risikos der Verjährung bewusst ist und genau diese Frage zwischen Anwalt und Mandant erörtert worden ist. Für den Streitfall liegt die Besonderheit nicht nur in der Rechtskundigkeit des Klägers selbst, sondern auch darin, dass dieser eigene Kenntnis über die drohende Verjährung hatte. Der Kläger hat unter dem 29. Juli 1997 - in unverjährter Zeit - im Rahmen eines Zwischenberichts über den Stand des Insolvenzverfahrens dem AG Halle-Saalkreis mitgeteilt, dass nach dem Ergebnis eines von ihm eingeholten Gutachtens des Sachverständigen ... eine Inanspruchnahme der Liquidatoren möglich und erfolgversprechend sei und eine entsprechende Klage vorbereitet werde. In diesem ungeachtet der Beauftragung des Beklagten vom Kläger selbst eingeholten Gutachten des Sachverständigen ... heißt es bereits einleitend, der eigentümliche Stillstand in den Verhandlungen zwischen den Gesamtvollstreckungsverwalter (also dem Kläger) einerseits und den in Anspruch genommenen früheren Liquidatoren berge die Gefahr in sich, dass die Ansprüche gegen den Liquidatoren zu verjähren drohten. Daher bedürfe es bis zum Ablauf des Jahres 1997 verjährungsunterbrechender Maßnahmen, um die Rechtsverfolgung zu gewährleisten.

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Ob dieses Gutachten vom Kläger dem Beklagten zeitnah zur Verfügung gestellt worden ist, ist streitig und durch Beweisaufnahme nicht mehr zu klären, da der Kläger auf die zunächst von ihm benannte Zeugin, die schriftlich erklärt hatte, sie könne sich an keine Einzelheiten mehr erinnern, verzichtet hat. Der Senat vermag daher eine Übersendung des Gutachtens vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht festzustellen; das eigene Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 28. Februar 2001 hat insoweit lediglich Indizwirkung, lässt jedoch keinen zwingenden und sicheren Schluss auf die Übersendung des Gutachtens zu. Dies entlastet zwar nicht den Beklagten, denn es war dessen eigene Aufgabe, die Frage einer möglichen Verjährung von Schadensersatzansprüchen selbstständig und in eigener Verantwortlichkeit zu klären. Es begründet jedoch ein anspruchsminderndes Mitverschuldens des Klägers, dass dieser, nachdem er selbst durch die Einholung eines Gutachtens die Verjährungs- und Haftungsfrage hatte klären lassen, nicht tätig geworden: entweder in der Weise, dass er mit dem Liquidator ... eine Vereinbarung über den Verzicht auf die Einrede der Verjährung traf, oder dadurch, dass er durch ausdrücklichen, möglichst schriftlichen Hinweis gegenüber dem Beklagten im Interesse der Insolvenzmasse sicherstellte, dass innerhalb unverjährter Zeit eine gerichtliche Inanspruchnahme der Liquidatoren erfolgte, wobei ihm, da weder ein Gerichtskostenvorschuss angefordert noch eine Durchschrift der Klageschrift übersandt wurde, ersichtlich war, dass der Beklagte keine Maßnahmen ergriffen hatte, vielmehr die Erhebung einer Klage unterblieben war.

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Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge führt zu einer deutlich überwiegenden Haftung des Beklagten, der die ihm aufgrund der Mandatserteilung obliegende Pflichten verletzt hat. Gegenüber diesem Pflichtverstoß des Beklagten wiegt der unterbliebene Hinweis des Klägers auf eine drohende Verjährung von Ansprüchen wegen der grundsätzlichen Eigenverantwortlichkeit des Beklagten für das übernommene Mandat deutlich geringer; der Senat bewertet die überwiegende Haftungsquote des Beklagten mit 75 %.

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Senat folgt mit der Kostenentscheidung der Haftungsverteilung in der Hauptsache. Ein Teilunterliegen des Beklagten im Hinblick auf die im Tenor entsprechend dem Hilfsantrag des Beklagten ausgesprochene Abtretung von Ansprüchen gegen die Mitglieder der LPG liegt nicht vor, da eine Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche als rechtlich fraglich und wirtschaftlich wenig erfolgversprechend anzusehen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO n. F. sind nicht gegeben. Die Beschwer hat der Senat im Hinblick auf Art. 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt.

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6. Die nach der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Parteien sind nicht nachgelassen. Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, wie vom Beklagten mit Schriftsatz vom 5. August 2002 beantragt, besteht im Hinblick auf sein eigenes vorprozessuales sowie sein Vorbringen in erster Instanz nicht.