Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.08.2002, Az.: 21 WF 188/02
Ausbildungsunterhaltsbedarf für einen auswärts untergebrachten volljährigen Studenten im Oberlandesgerichtsbezirk Celle; Umfang der Anrechung von Kindergeld auf den Barunterhaltsanspruch eines Unterhaltsberechtigten; Inanspruchnahme des einen Unterhaltspflichtigen bei aufgrund lediglich fiktiver Vollzeiterwerbstätigkeit geminderter Leistungsfähigkeit des anderen Unterhaltspflichtigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.08.2002
- Aktenzeichen
- 21 WF 188/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 30462
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2002:0820.21WF188.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 27.06.2002 - AZ: 602 F 2906/01
Rechtsgrundlagen
- § 1610 Abs. 2 BGB
- § 1612b Abs. 1 BGB
- § 1612b Abs. 2 BGB
Fundstelle
- FamRZ 2003, 1408-1409 (Volltext mit red. LS)
In der Familiensache
...
hat der 21. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ....... als Einzelrichter
am 20. August 2002
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 27. Juni 2002 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. in H. ratenlose Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie für die Zeit von März 2001 bis April 2002 noch insgesamt 2.413,96 Euro und ab Mai 2002 monatlich über freiwillig gezahlte 274,56 Euro hinaus monatlich weitere
171,44 Euro Ausbildungsunterhalt verlangt. Ihr weiteres Gesuch um Prozesskostenhilfe wird gerichtsgebührenfrei zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin in Höhe einer halben Gebühr.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese weiter Prozesskostenhilfe gemäß ihrem Antrag im Schriftsatz vom 22. April 2002 zu erlangen sucht, hat überwiegend Erfolg. Der Höhe nach bietet die beabsichtigte Klage in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Der Anspruch der Antragstellerin auf Ausbildungsunterhalt folgt dem Grunde nach aus § 1610 Abs. 2 BGB. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Antragstellerin ihr Medizinstudium nicht mit dem nötigen Nachdruck und Erfolg betreibt.
Der Höhe nach errechnet sich der Anspruch der Antragstellerin gegen den Beklagten, ihren Vater, wie folgt:
Der Bedarf der Antragstellerin, einer auswärts untergebrachten volljährigen Studentin, beträgt nach den sog. Celler Leitlinien in der jeweils geltenden Fassung, denen der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt, monatlich von März bis Juni 2001 1.100 DM, von Juli bis Dezember 2001 1.175 DM und ab Januar 2002 600 Euro. Darauf zahlt der Beklagte monatlich laufend 274,56 Euro. Das Kindergeld, das die Mutter der Antragstellerin für diese bezieht, beträgt bis 31. Dezember 2001 monatlich 270 DM und ab Januar 2002 monatlich 154 Euro. Dieses ist, weil beide Elternteile ihrer volljährigen Tochter barunterhaltspflichtig sind, gemäß § 1612 b Abs. 1 BGB zur Hälfte auf den Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner und nach § 1612 b Abs. 2 BGB zur Hälfte auf den Anspruch der Antragstellerin gegen ihre Mutter anzurechnen.
Zwar hat die Antragstellerin über das halbe Kindergeld hinaus gegen ihre Mutter allenfalls aufgrund einer fiktiven Vollzeiterwerbstätigkeit einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt. Denn die Mutter, die Kinder aus ihrer neuen Ehe betreut, hat tatsächlich nur Einkünfte in Höhe einer geringfügigen Nebentätigkeit von monatlich 630 DM bzw. 325 Euro. Da die Antragstellerin volljährig ist, finden insoweit die Grundsätze der sog. Hausmannrechtsprechung keine Anwendung. Mithin kann nach § 1607 Abs. 2 BGB, weil die Rechtsverfolgung und -durchsetzung infolge allenfalls zurechenbarer fiktiver Einkünfte der Mutter gegen diese im Sinne der genannten Vorschrift erheblich erschwert ist, die Antragstellerin anstelle ihrer Mutter ihren leistungsfähigen Vater in Anspruch nehmen. Das gilt allerdings nur insoweit, als die Mutter nicht durch die Anrechnung (= Weitergabe) des tatsächlich an sie gezahlten Kindergeldes ihrer Tochter Unterhalt zu zahlen hat. Mithin schuldet der Antragsgegner seiner Tochter monatlich für die Zeit März bis Juni 2001 monatlich (1.100 DM - 135 DM anteiliges der Mutter gezahltes Kindergeld - 135 DM auf ihn entfallendes Kindergeld = 830 DM =) 424,37 Euro, Juli bis Dezember 2001 monatlich (1.175 DM - 135 DM - 135 DM = 905 DM =) 462,72 Euro, und ab Januar 2002 (600 Euro - 154 Euro =) 446 Euro. Entsprechend errechnen sich Rückstände für die Zeit von März 2001 bis April 2002 (vgl. Schriftsatz der Antragstellerin vom 22. April 2002, Bl. 32 ff d.A.) von insgesamt:
4 x 424,37 Euro + 6 x 462,72 Euro + 4 x 446 Euro - 14 x 274,56 Euro Zahlungen des Antragsgegners = 2.413,96 Euro und für die Zeit ab Mai 2002 an laufendem Unterhalt monatlich über freiwillig gezahlte 274,56 Euro monatlich weitere (446 Euro - 274,56 Euro =) 171,44 Euro.
Anders als der Antragsgegner meint, ist er jedenfalls nach dem bisherigen Sachstand in Höhe dieser Beträge auch leistungsfähig. Das gilt selbst dann, wenn man ihm neben seinem laufenden Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit kein zusätzliches Einkommen aus Steuererstattung und selbständiger Tätigkeit zurechnen würde. Dies hat die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 5. Juni 2002 (Bl. 66 ff d.A.) zutreffend ausgeführt. Denn auf Abträge für die angebliche Schuld gegenüber Frau Ch. S. (vgl. Schuldurkunde vom 2. April 1997, Bl. 52 f d.A.) kann sich der Antragsgegner - wie das Amtsgericht zu Recht zugrunde gelegt hat - gegenüber dem Bestreiten der Antragstellerin mangels schlüssiger Darlegung bzw. Beweisantrittes bezüglich der Herkunft der Schuld aus der Ehe mit der Mutter der Antragstellerin ebenso nicht berufen wie auf die Verbindlichkeiten wegen der Eigentumswohnung. Mithin verbleibt dem Antragsgegner in jedem Fall ein Einkommen, von dem er den Unterhalt für die Antragstellerin und gegebenenfalls auch für den weiteren angeblich studierenden Sohn des Antragsgegners aufzubringen vermag, ohne seinen Selbstbehalt von monatlich 1.800 DM (bis 30.06.01), 1.960 DM (01.07. - 31.12.01) bzw. 1.000 Euro (ab 01.01.02) zu beeinträchtigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.