Landgericht Hildesheim
Urt. v. 27.05.1992, Az.: 7 S 25/92

Zulässigkeit einer Fortgeltungsklausel in einem Heimvertrag nach dem Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB); Fortbestehen des Vertrags über den Tod des Heimbewohners hinaus; Berücksichtigung der Aufwendungsersparnis des Heimträgers

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
27.05.1992
Aktenzeichen
7 S 25/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 22387
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:1992:0527.7S25.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Peine - AZ: 5 C 523/31

Fundstellen

  • MDR 1992, 938 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1992, 1276-1277 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit
hat die 7. Zivilkämmer des Landgerichts Hildesheim
auf die mündliche Verhandlung vom 13.05.1992
durch
den Richter am Landgericht als Vorsitzenden,
den Richter am Landgericht - und
den Richter
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.12.1991 verkündete Urteil des Amtsgerichts Peine abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Entscheidungsgründe

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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

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Die Berufung der Beklagten ist statthaft und in zulässiger Weise eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des von der verstorbenen ... geleisteten Pflegekostenvorschusses aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit §§ 1922, 2032, 2039 BGB.

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Die dem Kläger von der Beklagten unter dem 21.03.1991 erteilte Abrechnung über die Heim- und Unterbringungskosten für die verstorbene ... ist zutreffend. Der zwischen

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und der Beklagten geschlossene Vertrag endete nicht mit dem Tode von

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, sondern dauerte noch bis zum 15.03.1991 fort. Dies ergibt sich aus § 9 Ziffer 6 des zwischen der Beklagten und der Verstorbenen geschlossenen Heimvertrages. Danach endet das Vertragsverhältnis grundsätzlich erst einen Monat nach dem Tode des Heiminsassen. Die Beklagte war mithin nach dem Tode von

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am 23.02.1991 für den Zeitraum, bis zum 15.03.1991 in jedem Fall zur Abrechnung der Heimkosten berechtigt.

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Gegen die Gültigkeit der Fortgeltungsklausel in § 9 Ziffer 6 des Vertrages bestehen auch im Hinblick auf das Benachteiligungsverbot des § 9 AGB-Gesetz keine Bedenken.

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Die Kammer sieht in dieser Klausel keine unangemessene Benachteiligung des Heiminsassen bzw. seiner Rechtsnachfolger. Dies folgt bereits daraus, daß § 4 b Abs. 8 des Heimgesetzes eine Fortgeltungsklausel grundsätzlich für zulässig erklärt, soweit dabei ein Zeitraum bis zum Ende des Monats, der auf den Sterbemonat folgt, nicht überschritten wird. Die Tatsache, daß der Gesetzgeber für Heimverträge eine Klausel, die nicht von einem Vertragsende mit dem Tode des Heiminsassen ausgeht, sondern - bis zu einem gewissen Zeitpunkt - eine Fortgeltung des Vertrages festlegt, für zulässig erachtet, läßt nur den Schluß zu, daß eine Benachteiligung i.S. von § 9 AGB-Gesetz in einer entsprechenden Klausel nicht zu sehen ist.

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Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob eine Vertragsklausel, nach der sich der Vertrag automatisch bis maximal 2 Monate nach dem Todestag verlängert, und in der keine Regelung hinsichtlich der ersparten Aufwendungen des Heimträgers getroffen wird, zulässig ist (vgl. dazu LG Düsseldorf NJW-RR 1991, S. 184, 185 [LG Düsseldorf 07.09.1990 - 22 S 329/89]).

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Der zwischen der verstorbenen

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und der Beklagten geschlossene Heimvertrag enthält in § 9 Ziffer 6 eine Regelung, nach der von einer Fortgeltung des Vertrages nur für einen Monat nach dem Sterbetag des Heiminsassen ausgegangen wird. Dieser Zeitraum übersteigt nicht den in § 4 b Abs. 8 des Heimgesetzes für zulässig erklärten Weitergeltungszeitraum; vielmehr wird der hier vertraglich vereinbarte Zeitraum in der Regel noch kürzer sein als der im Gesetz angegebene, da in § 4 b Abs. 8 HeimG nicht vom Todestag des Heiminsassen, sondern vom Ende des Sterbemonats an gerechnet wird.

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Auch im Hinblick auf die von § 4 b Abs. 8 Heimgesetz geforderte Regelung über eine mögliche Aufwendungsersparnis des Heimträgers ergibt sich keine unangemessene Benachteiligung durch die Fortgeltungsklausel in dem hier zu beurteilenden Vertrag. § 9 Ziffer 6 des Vertrages bestimmt, daß bei einer Neubelegung des Heimplatzes der Vertrag auch noch vor Ablauf der Fortgeltungsfrist endet. Desweiteren wird von dem auf den Todestag folgenden Tag bis zur Beendigung des Vertrages eine Abwesenheitsvergütung gewährt. Die vertragliche Regelung enthält somit in zweifacher Weise eine Regelung über die Anrechnung ersparter Aufwendungen des Heimträgers, so daß auch diesbezüglich den Vorschriften in § 4 b Abs. 8 des Heimgesetzes genüge getan wird.

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Mithin ist von einem Fortbestehen des zwischen der verstorbenen

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und der Beklagten geschlossenen Vertrages auch über den Todestag von

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hinaus auszugehen. Eine vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses ist auch nicht dadurch erfolgt, daß die Beklagte den Heimplatz von

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bereits vor dem 15.03.1991 wieder belegt hat oder es schuldhaft unterlassen hat, den durch den Tod der Heiminsassin freigewordenen Heimplatz wieder zu belegen, obwohl dafür eine Nachfrage bestand. Eine Neubelegung des Heimplatzes vor dem 15.03.1991 ist nicht erfolgt.

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Dies steht nach der von der Kammer durchgeführten Beweisaufnahme fest. Der Zeuge

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, der Verwaltungsleiter der Beklagten, hat bekundet, nach dem Tode von ... sei eine unmittelbare Neubelegung des Zimmers nicht möglich gewesen. Das von der Beklagten geführte Heim verfüge über keine hundertprozentige Belegung; ein Teil der Heimplätze sei stets unterbelegt, da eine gewisse Kapazität zur kurzfristigen Aufnahme von Schwerstpflegefällen zur Verfügung stehen müsse. Die von ihm selbst durchgeführte Belegung der Heimplätze erfolge in der zeitlichen Folge des Ablebens der Heiminsassen. Zunächst würden immer die Zimmer belegt, die bereits geraume Zeit leergestanden hätten. Entsprechend habe das Zimmer von

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erst am 15.03.1991 wieder belegt werden können.

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Umstände, die dazu Anlaß geben könnten , die Richtigkeit der Aussage des Zeugen in Zweifel zu ziehen, sind nicht ersichtlich. Der Zeuge hat seine Vorgehensweise bei der Neubelegung von Zimmern in dem von der Beklagten geführten Heim schlüssig dargelegt und anhand selbst gefertigter Belegungspläne seine Vorgehensweise bei der Neubelegung von Heimplätzen nachvollziehbar erläutert. Da die Beklagte mithin den Heimplatz von ... erst am 15.03. 1991 wieder belegt hat und zuvor auch nicht hätte wiederbelegen können, ist von einer Fortgeltung des Vertrages bis zu diesem Zeitpunkt auszugehen, so daß der Kläger keine Rückzahlung des für diesen Zeitraum geleisteten Pflegekostenvorschusses verlangen kann.

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Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug folgt aus § 91 ZPO.

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Die Kosten des Berufungsverfahrens hat jedoch die Beklagte nach § 97 Abs. 2 ZPO zu tragen, weil sie aufgrund eines Vorbringens obsiegt hat, daß sie bereits im ersten Rechtszug geltend zu machen imstande war, denn die Beklagte hat erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen, daß ihr eine Neubelegung des Heimplatzes der verstorbenen

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vor dem 15.3.1991 nicht möglich war.

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