Landgericht Hildesheim
Urt. v. 24.06.1992, Az.: 7 S 71/92
Dachgeschosswohnung als "Wohnung" im Zusammenhang mit Eröffnung der erleichterten Kündigungsmöglichkeit des § 564b Abs. 4 BGB
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 24.06.1992
- Aktenzeichen
- 7 S 71/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 22386
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:1992:0624.7S71.92.0A
Rechtsgrundlage
- § 564b Abs. 4 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 1993, 585-586 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Räumung
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 1992
durch
den Richter am Landgericht Heenes und Dr. Klöhn
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 4.2.1992 verkündete Urteil des Amtsgerichts Gifhorn wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kostender Berufung.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat die Räumungsklage des Klägers zutreffend abgewiesen.
1.
Die auf § 564 b Abs. 4 BGB gestützte Kündigung des Klägers vom 25. 2. 1991 hat das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet, denn die Mietwohnung der Beklagten befindet sich nicht in einem Zwei- , sondern in einem Dreifamilienhaus Der Kläger übersieht, daß es sich bei der von ihm bewohnten Dachgeschoßwohnung um eine weitere Wohnung handelt, denn die Dachgeschoßwohnung, die der Kläger selbst bewohnt, erfüllt sämtliche Kriterien, die an den Begriff einer Wohnung zu stellen sind. Als Wohnung ist eine ständige räumlich und wirtschaftlich geordnete Wohneinheit zu bezeichnen. Die ausgebaute Dachgeschoßwohnung des Klägers besteht aus einem Duschbad mit Toilette, einer Wohnküche, einem Kinderzimmer, einem Schlaf- und Wohnzimmer, so daß es sich bei dieser Dachgeschoßwohnung um eine eigene völlig abgeschlossene Wohneinheit handelt.
Es mag zwar zutreffen, daß der Begriff "Wohnung" mit dem auch im steuerrechtlichen Sinne verwendeten Begriff der Wohnung identisch und gleichzusetzen ist. Der Kläger kann sich allerdings nicht darauf berufen, daß das Finanzamt sein Wohnhaus steuerrechtlich als Zweifamilienhaus behandelt, denn faktisch befinden sich in dem Haus nicht nur zwei, sondern drei Wohnungen. Damit ist für den Kläger die erleichterte Kündigungsmöglichkeit aus § 564 b Abs. 4 BGB ausgeschlossen.
2.
Der Kläger kann auch nicht geltend machen, daß bei Abschluß des Mietvertrages mit der Beklagten ein auf 5 Jahre befristetes Mietverhältnis gewollt gewesen sei, denn diesem Prozeßvortrag des Klägers steht die Urkunde des von ihm selbst vorgelegten Mietvertrages entgegen. § 20 Ziffer 2 des Mietvertrages bestimmt ausdrücklich, daß außer den schriftlich festgelegten Vertragsbestimmungen keine weiteren Vereinbarungen getroffen worden seien. Um diese Regelung mit Erfolg angreifen zu können, hätte der Kläger darlegen müssen, warum die von ihm behauptete mündliche Nebenabrede nicht Eingang in den schriftlichen Vertrag gefunden hat.
Die Vorfälle, die der Kläger zum Gegenstand der fristlosen Kündigung vom 10. 9.1991 gemacht hat, stellen, soweit sie bewiesen sind, keinen wichtigen Grund i. S. des § 554 a BGB dar. Das Amtsgericht, das über die einzelnen Vorfälle eingehend Beweis erhoben hat, hat die Beweisaufnahme widerspruchsfrei und auch frei von Denkfehlern gewürdigt. Die rechtliche Einordnung der Vorfälle und deren Auswirkungen auf das Mietverhältnis, welche das Amtsgericht vorgenommen hat, ist zutreffend. Die Kammer schließt sich im Ausgangspunkt dieser rechtlichen Einordnung des Amtsgerichts an. Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß dem Kläger das außerordentliche Kündigungsrecht nicht bereits deshalb versagt ist, weil er nicht persönlich angegriffen worden ist, denn unzumutbare Belästigungen rechtfertigten auch dann eine Kündigung, wenn sie von Erfüllungsgehilfen, Angehörigen oder Ehegatten und guten Freunden des Mieters gegenüber Repräsentanten oder Erfüllungsgehilfen des Vermieters begangen werden. Der Kläger muß auch als Vermieter gegenüber unzumutbaren Verhaltensweisen, die sich gegen seine Familie richteten, geschützt werden.
Ein schuldhaftes, die Unzumutbarkeit begründendes Verhalten seitens der Beklagten, ihres Ehemannes oder ihres Sohnes hat die Beweisaufnahme jedoch nicht ergeben. Der Kläger hat die Tatbestandsvoraussetzungen der Kündigungsvorschrift des § 554 a BGB, insbesondere den wichtigen Grund, nicht hinreichend bewiesen:
Die Kammer schließt sich der Würdigung des Beweisergebnisses durch das Amtsgericht nach nochmaliger Überprüfung an. Es bestand keine Veranlassung, die Beweisaufnahme zu wiederholen. Die Beweisaufnahme des Amtsgerichts ist ausgiebig und detailliert, so daß die Kammer imstande war, aus dem Beweisaufnahmeprotokoll zu entnehmen, ob die Tatsachen, die die Beweisaufnahme erbracht hat, einen wichtigen Grund i. S. des § 554 a BGB darstellen. Dies muß auch die Kammer - in gleicher Weise wie das Amtsgericht - verneinen.
Zweifellos hat es zwischen den Angehörigen des Klägers und denen der Beklagten erhebliche Auseinandersetzungen und Verbalbeleidigungen gegeben.
Angesichts der in den entscheidenden Punkten sich unvereinbar gegenüberstehenden Aussagen der Zeugen, hinsichtlich deren Unrichtigkeit eine objektiver Nachprüfung standhaltende Überzeugung nicht zu erlangen ist, können die Behauptungen des Klägers zu dem Ablauf der Auseinandersetzungen nicht als bewiesen angesehen werden. Das Amtsgericht hat die Umstände, die für und gegen die Glaubhaftigkeit der einzelnen Aussagen sprechen, im einzelnen aufgeführt und eingehend gewürdigt. Auch die Kammer kann aus der Gesamtschau des Beweisergebnisses nicht die Überzeugung gewinnen, daß die Darstellung des Klägers zu den behaupteten Vorfällen richtig ist.
Soweit - wohl als unstreitig - festgestellt werden kann, daß zwischen den Parteien sowie den ... und ... erhebliche Differenzen und eine tiefgreifende Antipathie bestehen, die sich in verbalen Unfreundlichkeiten und mangelnder Höflichkeit niederschlagen, rechtfertigt dies - und auch darin ist dem Amtsgericht beizutreten - nicht die fristlose Kündigung.
Das Amtsgericht hat deshalb den vom Kläger geltend gemachten Räumungsanspruch rechtlich zutreffend verneint.
Die Berufung des Klägers war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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