Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.05.2024, Az.: 9 U 79/24
Wirksamkeit der Einreichung eines einfach signierten Schriftsatzes eines Rechtsanwalts über ein fremdes besonderes elektronisches Anwaltsfach (beA) hinsichtlich Fristwahrung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 03.05.2024
- Aktenzeichen
- 9 U 79/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 23232
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2024:0503.9U79.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 19.01.2024 - AZ: 4 O 31/22
Rechtsgrundlage
- § 130d S. 1, 2 ZPO
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Es stellt keine wirksame fristwahrende Einreichung eines einfach signierten Schriftsatzes dar, den ein Rechtsanwalt nicht über sein eigenes, sondern über das besondere elektronische Anwaltsfach (beA) eines anderen Rechtsanwalts dem Gericht übermittelt.
- 2.
Das gilt auch dann, wenn zu diesem Zeitpunkt die Übermittlung über das eigene beA technisch gestört ist; das Senden über ein fremdes besonderes elektronisches Anwaltsfach ist kein vom Gesetz eröffneter Weg der Ersatzeinereichung.
- 3.
Die Wirksamkeit der Einreichung eines bestimmenden Schriftsatzes kann im Einzelfall zwar dadurch erreicht werden, dass der Schriftsatz eine Übernahme der inhaltlichen (Mit-) Verantwortung (auch) durch den übersendenden Rechtsanwalt erkennen lässt. Allein die Versendung eines fremden Schriftsatzes über das eigene beA als solche enthält nach dem objektiven Empfängerhorizont jedoch nicht die - konkludente - Erklärung des übermittelnden Rechtsanwalts, den Schriftsatz inhaltlich mitverantworten zu wollen.
- 4.
Mangels unverzüglicher Glaubhaftmachung einer vorübergehenden technischen Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 1 ZPO ist schon allein deshalb selbst eine nach § 130d Satz 2 ZPO statthafte Ersatzeinreichung unwirksam.
In dem Rechtsstreit
der Frau O.,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt St.
gegen
1. Herrn D., ,
2. die B. AG Versicherung, ,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1:
B. Rechtsanwalts GmbH
Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte A. RAeStB,
hat das Oberlandesgericht Braunschweig - 9. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht Brand, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer-Altmann und die Richterin am Amtsgericht Eixner am 3. Mai 2024 beschlossen:
Tenor:
Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin vom 23.4.2024 wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 19.1.2024 - 4 O 31/22 - wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wird auf 5.123,22 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus einem behaupteten Verkehrsunfall, der sich im Jahr 2019 auf dem Parkplatz A.ring 8 in D. unter Beteiligung des Pkw Audi der Klägerin, FIN-Nr. #, und des Pkw Hyundai des Beklagten zu 1, der bei der Beklagten zu 2 versichert war, ereignet haben soll.
Wegen des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Einspruch der Klägerin und deren persönlichen Anhörung das die Klage abweisende Versäumnisurteil vom 23.9.2023 - 4 O 31/22 - aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, es lasse sich bereits kein Unfall im Sinne des § 7 StVG feststellen. Es handele sich allenfalls um ein fingiertes bzw. manipuliertes Unfallgeschehen, bei dem die Einwilligung in den Schadenseintritt einem Ersatz des Schadens entgegenstehe.
Die Klägerin hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Auf ihren rechtzeitigen Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich zum 10.4.2024 verlängert worden. Die am 10.4.2024 elektronisch übermittelte Berufungsbegründungsschrift vom 10.4.2024 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin einfach signiert. Übermittelt worden ist sie aber durch Herrn Rechtsanwalt P. über dessen besonderes elektronisches Anwaltsfach (beA).
Durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.4.2024 ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf diesen Umstand hingewiesen worden sowie darauf, dass es deshalb an einer rechtzeitigen wirksamen Berufungsbegründung fehle und beabsichtigt sei, die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schriftsatz vom 23.4.2024, einfach signiert und per besonderem elektronischen Anwaltsfach durch bzw. ihres Prozessbevollmächtigten, Herrn Rechtsanwalt St., beantragt die Klägerin,
ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Hierzu lässt sie im Wesentlichen vortragen, der vorgenannte Hinweis sei ihrem Prozessbevollmächtigten am 16.4.2024 zugegangen. Die Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift vom 10.4.2024 über das beA eines anderen Rechtsanwalts sei als Ersatzübermittlung nötig gewesen, weil die Übermittlung über das Kanzlei-EDV-Programm "R." ihres Prozessbevollmächtigten technisch gestört gewesen sei. Entsprechendes gelte für dessen Versuch, sich über die Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK-Seite) anzumelden. Auch die "verantwortliche Firma" für das EDV-Programm "R." sei nicht zu erreichen gewesen. Ein "Faxen" sei "nicht möglich" gewesen, "da der Termin mit dem Techniker, der sich um die Behebung des kaputten Kabels kümmern sollte, erst für Montag, den 22.4.2024, vereinbart" gewesen sei. Deshalb habe ihr Prozessbevollmächtigter, Herr Rechtsanwalt St., Herrn Rechtsanwalt P. gefragt, ob dieser die Berufungsbegründung über dessen Postfach versenden könne, "um einen fristgerechten Eingang der Berufungsbegründungsschrift zu gewährleisten".
Die Klägerin meint, ihr Prozessbevollmächtigter habe nichts anderes tun können, als den ihm "seit Jahren vertrauten" Rechtsanwalt um die Versendung aus dessen beA zu bitten. Die vom Senatsvorsitzenden zitierte Rechtsprechung, wonach eine solche Übermittlung, selbst wenn Rechtsanwalt P. bestellter Vertreter des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gewesen wäre, nicht ausreiche, sei "nicht zu verstehen". Nicht jeder bestellte Vertreter befinde sich am selben Ort. Die Klägerin meint ferner, der Bundesgerichtshof bewerte vorübergehende Unmöglichkeiten infolge rein technischer Störungen "entspannt" zugunsten des Rechtsanwalts, der Wiedereinsetzung beantrage. Insoweit verweist die Klägerin auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2023 - XI ZB 1/23.
In ihrer, dem Wiedereinsetzungsantrag auch erneut beigefügten Berufungsbegründung vom 10.4.2024 kündigt die Klägerin an zu beantragen,
das Versäumnisurteil des Landgerichts Göttingen vom 23.09.2022 aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 5.123,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 6.11.2019 aus 5.123,22 € sowie an die Klägerin zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten 557,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten kündigen an zu beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 23.4.2024 sowie der Berufungsbegründung vom 10.4.2024 verwiesen.
II.
Die Einreichung der Berufungsbegründung am 10.4.2024 ist unwirksam (1.). Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet (2.). Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist (3.).
1.
Die Berufungsbegründungsschrift ist am 10.4.2024 zwar fristgerecht am letzten Tag der verlängerten Begründungsfrist beim Oberlandesgericht Braunschweig eingegangen (10.4.2024), jedoch nicht wirksam.
a)
Eine wirksame Einreichung bestimmender Schriftsätze aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach ist ohne qualifizierte elektronische Signatur nur möglich, wenn der Aussteller das Dokument eigenhändig aus seinem Postfach versendet (OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.4.2019 - 11 U 146/18, Ls. 3 = NJW 2019, 2176 [BGH 11.04.2019 - I ZR 205/18]; BAG, Beschl. v. 5.6.2020 - 10 AZN 53/20, Rn. 13 = NJW 2020, 2351, 2352; BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2021 - 8 C 4/21, Rn. 4, juris; BGH, Beschluss vom 30. März 2022 - XII ZB 311/21, Rn. 8 und 10f.). Das ist hier ausweislich der beigefügten Anlage nicht geschehen:
Die elektronisch übermittelte Berufungsbegründungsschrift vom 10.4.2024 ist - im Gegensatz zur Berufungsschrift vom 21.2.2024 (vgl. Prüfvermerk v. 22.2.2024, Bl. 11 d.HA) - nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, sondern mit einer einfachen, und zwar mit der von Herrn Rechtsanwalt St. (Bl. 51 d.HA.), dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Übermittelt worden ist die Berufungsbegründungsschrift indes nicht aus dessen besonderem elektronischen Anwaltspostfach (DE.BRAK-Kennung mit der Endung ...ef1d), sondern aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach von Herrn Rechtsanwalt Stefan P. (DE.BRAK-Kennung mit der Endung ...4cb6, vgl. Prüfvermerk vom 10.4.2024, Bl. 52 d.HA.).
Die Einreichung der Berufungsbegründungsschrift ist damit formunwirksam. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob es sich bei Rechtsanwalt P. um einen wirksam bestellten Vertreter von Rechtsanwalt St. handelt oder nicht, auch nicht darauf, in welcher Entfernung ein anderer Rechtsanwalt als etwaig bestellter Vertreter von Rechtsanwalt St. seinen Kanzleisitz hat, und des Weiteren nicht, ob Rechtsanwalt St. seit Jahren Rechtsanwalt P. vertraut und auch vertrauen konnte. Die Wirksamkeit der Einreichung durch Rechtsanwalt P. scheitert bereits aus den vorgenannten Gründen, die sich aus der gefestigten und höchstrichterlich - in dieser Weise - geklärten Rechtslage ergibt. Danach kann ein bestimmender Schriftsatz dem einfach signierenden Verfasser nicht als von ihm verantwortet zugerechnet werden, wenn er diesen Schriftsatz nicht selbst über sein eigenes besonderes persönliches Anwaltsfach (beA) versendet. Die Wirksamkeit der Einreichung eines bestimmenden Schriftsatzes kann im Einzelfall zwar dadurch erreicht werden, dass der Schriftsatz eine Übernahme der inhaltlichen (Mit-) Verantwortung (auch) durch den übersendenden Rechtsanwalt erkennen lässt (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 BRAO; BGH, Beschluss vom 6. Juni 2023 - 5 StR 164/23, Rn. 4, juris). Daran fehlt es hier aber, worauf die Klägerin auch schon mit Verfügung vom 12.4.2024 hingewiesen worden ist. Die Versendung eines fremden Schriftsatzes über das eigene beA als solche enthält nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht die - konkludente - Erklärung des übermittelnden Rechtsanwalts, den Schriftsatz inhaltlich mitverantworten zu wollen. Das weitere Vorbringen der Klägerin, wonach Rechtsanwalt P. (lediglich) um die Übermittlung ersucht wurde (S.s. v. 23.4.2024, S. 3 Mitte = Bl.65 d.HA), spricht unabhängig davon zusätzlich gegen dessen inhaltliche (Mit-) Verantwortungsübernahme.
b)
Eine wirksame Ersatzeinreichung liegt nicht vor.
aa)
Der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin gewählte Weg der elektronischen Übermittlung über das beA eines anderen Rechtsanwalts ist kein gesetzlich zugelassener Weg der Ersatzeinreichung. Das Gesetz ordnet in Fällen, in denen aus technischen Gründen eine wirksame elektronische Einreichung nach § 130d Satz 1 ZPO nicht möglich ist, eine Ersatzeinreichung durch Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften an (§ 130d Satz 2 ZPO). Das hätte eine Übermittlung per Schriftsatz oder Telefax erfordert (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 130d Rn. 7). Die Klägerin hat am 10.4.2024 ihre Berufungsbegründung durch ihren Prozessbevollmächtigten indes weder durch Einreichung eines Schriftsatzes noch durch Übermittlung eines solchen per Telefax eingereicht. Ob auch eine E-Mail mit einem vom Rechtsanwalt unterschriebenen eingescannten und als pdf-Datei angehängten Schriftsatz als Ersatzeinreichung gemäß § 130d Satz 2 BGB ausreichen kann (vgl. so für den Zeitpunkt des Ausdrucks der pdf-Datei: BGH, Beschluss vom 8. Mai 2019 - XII ZB 8/19, Rn. 12-17, juris; a. A. Zöller/Greger, a.a.O.; BSG, Urteil vom 12. Oktober 2016 - B 4 AS 1/16R, Ls. und Rn. 24, juris), kann dahinstehen. Eine solche E-Mail mit entsprechendem pdf-Anhang gab es vorliegend nicht. Auch die von Herrn Rechtsanwalt P. am 10.4.2024 über sein beA übermittelte Berufungsbegründung enthält kein eingescanntes, vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterschriebenes Schriftstück, geschweige denn, dass ein solches noch am 10.4.2024 durch das Oberlandesgericht ausgedruckt worden wäre.
bb)
Die im klägerischen Schriftsatz vom 23.4.2024 (Seite 4) angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In dem Fall der zitierten Entscheidung hatte das Berufungsgericht eine lediglich per Screenshot-Vorlage vorgenommene Glaubhaftmachung der Störung für nicht ausreichend erachtet. Das hat der Bundesgerichtshof anders beurteilt, weil der Inhalt mit der Störungsdokumentation auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer übereinstimmte (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2023 - XI ZB 1/23, Rn. 17f., juris). Anders als hier hatte aber der dortige Prozessbevollmächtigte des Berufungsführers noch am Tag der Störung seines beA eine nach dem Gesetz zulässige Ersatzeinreichung per Telefax vorgenommen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 3).
cc)
Einer wirksamen Ersatzeinreichung steht - abgesehen von den vorstehenden Gründen - selbständig tragend auch entgegen, dass die Klägerin deren Umstände entgegen § 130d Satz 3, 1. Halbsatz ZPO nicht unverzüglich glaubhaft gemacht hat.
Unverzüglich - und somit ohne schuldhaftes Zögern - ist die Glaubhaftmachung einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments nur, wenn der Einreichende sie zeitlich unmittelbar danach vornimmt. Anders als etwa bei § 121 BGB und auch anders als nach Zurückweisung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe, ist keine gesonderte Prüfungs- und Überlegungszeit zu gewähren, sondern der Rechtsanwalt hat die Glaubhaftmachung gegenüber dem Gericht abzugeben, sobald er Kenntnis davon erlangt, dass die Einreichung an einer technischen Störung gescheitert ist und er zu einer geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände in der Lage ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2022 - XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Rn. 17; BAG, NZA 2023, 58 Rn. 38 zu § 46g Satz 4 ArbGG). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Glaubhaftmachung möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen und die Nachholung der Glaubhaftmachung auf diejenigen Fälle beschränkt sein, bei denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2023 - V ZB 15/22, Rn. 21; BT-Drucks. 17/12634 S. 28; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2022 - III ZB 18/22, WM 2023, 189 Rn. 10). Glaubhaft zu machen ist lediglich die technische Unmöglichkeit einschließlich ihrer vorübergehenden Natur, ohne dass es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung über deren Ursache bedarf (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2023 - V ZB 15/22, Rn. 21). Der Zeitraum des unverschuldeten Zögerns im Sinne von § 130d Satz 3 ZPO ist demnach eng zu fassen (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2023 - V ZB 15/22, Rn. 22; vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Januar 2023 - V ZB 11/22, BeckRS 2023, 10045 Rn. 16; vom 15. Dezember 2022 - III ZB 18/22, WM 2023, 189 Rn. 10; vom 21. September 2022 - XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647 Rn. 17). Hierbei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, innerhalb welcher Zeitspanne die Glaubhaftmachung vorliegen muss (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2023 - V ZB 15/22, Rn. 22; vgl. BAG, NZA 2023, 58 [BAG 25.08.2022 - 6 AZR 499/21] Rn. 35 zu § 46g Satz 4 ArbGG; OLG Braunschweig NJOZ 2022, 1497 Rn. 49).
Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin die Gründe der Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift durch ihren Prozessbevollmächtigten (§ 130d Satz 1 ZPO) für eine (hier ohnehin nicht gegebene, s. o.) wirksame Ersatzeinreichung zu spät glaubhaft gemacht. Das hätte am Folgetag, den 11.4.2024 ersichtlich geschehen können und müssen. Gänzlich unverständlich ist das weitere Zuwarten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin bis zum 23.4.2024, obwohl ihm nach eigenem Vorbringen die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 12.4.2024 bereits am 16.4.2024 zur Kenntnis gelangt ist. Mangels unverzüglicher Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit ist die Ersatzeinreichung auch allein deshalb unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2023 - V ZB 15/22, Rn. 26, juris; BGH, Beschl. v. 21. September 2022 - XII ZB 264/22, Rn. 18, juris).
2.
Wiedereinsetzungsgründe liegen nicht vor.
Nach §§ 233 Satz 1, 236 Abs. 2 ZPO hätte eine Wiedereinsetzung erfordert, dass die Klägerin darlegt und glaubhaft macht, ohne ihr Verschulden und auch ohne Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) daran gehindert gewesen zu sein, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
Daran fehlt es ( a). Eines vorherigen Hinweises dazu bedurfte es nicht ( b):
a)
Soweit die Klägerin auf angebliche technische Störungen bei der Übermittlung über das eigene beA ihres Prozessbevollmächtigten verweist, können diese als wahr unterstellt werden. Diese Störungen konnten ihren Prozessbevollmächtigten indes nicht ohne dessen Verschulden davon abhalten, eine nach § 130d Satz 2 ZPO wirksame Ersatzeinreichung vorzunehmen. Die rechtlichen Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzeinreichung (s. o. zu Ziff. 1 lit. b ) haben zur Vermeidung eigenen Verschuldens jedem Rechtsanwalt geläufig zu sein.
aa)
Ausweislich des Prüfprotokolls vom 10.4.2024 hat Rechtsanwalt P. die (unwirksame) Übermittlung an diesem Tag um 17:07 Uhr vorgenommen. Er muss also zu diesem Zeitpunkt vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits darum gebeten worden sein. Das bedeutet denknotwendig, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin etwaige technische Hindernisse, die der Übermittlung über sein eigenes beA entgegenstanden, spätestens zu diesem Zeitpunkt bekannt waren.
Hätte er zum selben Zeitpunkt (17:07 Uhr) die Berufungsschrift ausgedruckt und unterschrieben, hätte er sie selbst oder durch Boten noch rechtzeitig vor 24:00 Uhr beim Berufungsgericht einwerfen können bzw. einwerfen lassen können. Die Fahrtzeit für die 144 km lange Wegstrecke vom Kanzleisitz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Gebäude des Oberlandesgerichts Braunschweig beträgt 1 Stunde 42 Minuten (https://maps.adac.de/route [...] , Abruf vom 24.4.2024, 17:19 Uhr). Gerechnet ab 17:07 Uhr standen für das Ausdrucken, Unterschreiben, Verbringen und das rechtzeitige Einwerfen in den Briefkasten des Berufungsgerichts mehr als auskömmliche 6 Stunden und 53 Minuten zur Verfügung.
bb)
Unabhängig davon ist das Vorbringen "Ein Faxen war nicht möglich, da der Termin mit dem Techniker, der sich um die Behebung des kaputten Kabels kümmern sollte, erst für Montag, den 22.04.2024, vereinbart war" (S. 4 des Wiedereinsetzungsantrages) kein schlüssiger Wiedereinsetzungsgrund. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, was den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ohne Verschulden daran hinderte, für die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit seines Faxgerätes diesen oder einen anderen Techniker gleichwohl sogleich zu kontaktieren und eine rechtzeitige Reparatur bzw. einen Austausch "des kaputten Kabels" herbeizuführen.
cc)
Wiederum unabhängig davon hat die Klägerin nichts dafür vorgetragen, was ihren Prozessbevollmächtigten ohne Verschulden daran hinderte, die Berufungsbegründung ausgedruckt und von ihm unterschrieben unabhängig von seinem eigenen Faxgerät/Faxanschluss über jeden anderen beliebigen Faxanschluss oder per Internet-Faxdienstleister (z. B. PDF24 Fax, https://fax.pdf24.org/, Abruf vom 10.4.2024, 17:38 Uhr) dem Oberlandesgericht Braunschweig noch am 10.4.2024 zu übersenden.
b)
Der Wiedereinsetzungsantrag ist zurückweisungsreif.
Zwar darf die Partei erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Ablauf der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO erläutern und vervollständigen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sie einen - in sich geschlossenen und aus sich heraus verständlichen - Sachvortrag hinsichtlich der zur Fristversäumnis führenden Umständen gehalten hat (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020 - VIII ZA 15/20, Rn. 22; vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2002 - IX ZA 10/01, NJW 2002, 2180 unter 2 b bb; vom 10. Januar 2013 - I ZB 76/11, AnwBl. 2013, 233 Rn. 7 f.; vom 14. Oktober 2014 - XI ZB 13/13, NJW-RR 2015, 624 Rn. 20; vom 22. September 2015 - XI ZB 8/15, NJW-RR 2016, 635 Rn. 15; vom 15. Dezember 2022 - I ZB 35/22, Rn. 8). Hieran fehlt es vorliegend, da entsprechender Vortrag der Klägerin nicht etwa (lediglich) unvollständig oder unklar war, sondern - wie vorstehend unter lit. a ausgeführt - schlichtweg nicht gehalten worden ist. Die Klägerin musste vor der Zurückweisung ihres Wiedereinsetzungsantrages deshalb auch nicht darauf hingewiesen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020 - VIII ZA 15/20, Rn. 22).
3.
Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23.4.2024 diesmal selbst über sein beA eingereichte Berufungsbegründung ist verfristet, weil die gem. § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO verlängerte Berufungsbegründungsfrist seit dem 11.4.2024 bereits verstrichen ist.
Die Berufung war demzufolge gem. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Einer eigenen Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Berufungsentscheidung bedarf es nicht. Die Vollstreckbarkeit folgt unmittelbar aus dem Gesetz, § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Die Regelung des § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO, wonach in Zurückweisungsbeschlüssen nach § 522 Abs. 2 ZPO die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils ohne Sicherheitsleistung auszusprechen ist, gilt nicht für Verwerfungsbeschlüsse nach § 522 Abs. 1 ZPO (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. Februar 2020 - 10 U 19/19, Rn. 32, juris; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. August 1993 - IV ZB 14/93, Rn. 3, juris).
Der festgesetzte Streitwert folgt aus §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG.