Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 07.05.2024, Az.: 1 UF 18/24

Entziehung der elterlichen Sorge wegen Kindeswohlgefährdung; Verursachung eines Schütteltraumas

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
07.05.2024
Aktenzeichen
1 UF 18/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 18174
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2024:0507.1UF18.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 04.01.2024 - AZ: 4 F 60/23

Fundstelle

  • NJW-RR 2024, 1001-1005

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Wurden einem Kind durch einen Elternteil mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere gesundheitliche Schäden (hier in Gestalt eines sog. Schütteltraumas) zugefügt, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob prognostisch erneut mit ähnlich schwerwiegenden Schäden zu rechnen ist. Selbst schwere Verletzungen müssen einer Rückführung nicht generell entgegenstehen, wenn eine hohe Prognosesicherheit dahingehend besteht, dass es nicht erneut zu derartigen Schäden kommt.

  2. 2.

    Wiegt der drohende Schaden für das Kindeswohl weniger schwer, so steigen für die Rechtfertigung einer Fortsetzung der Trennung des Kindes von seinen Eltern die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellenden Anforderungen.

  3. 3.

    Für die Prognoseentscheidung ist auch von Bedeutung, ob das verbleibende Gefährdungsrisiko durch die äußeren Lebensbedingungen von Eltern und Kind - etwa in einer geeigneten Einrichtung - weiter minimiert, wenn nicht gar beseitigt werden kann. Dabei spielt auch die Bereitschaft der Eltern zur eigenen psychotherapeutischen Behandlung sowie zur umfassenden Kooperation im Rahmen stationärer und ambulanter Jugendhilfemaßnahmen eine Rolle.

In der Familiensache
betreffend die elterliche Sorge für
A. K.,
weitere Beteiligte:
1. Frau M. K.,
- Kindesmutter und Beschwerdeführerin -
2. Herr I. K.,
- Kindesvater und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigter zu 1. u. 2.:
Rechtsanwalt D. L.,
Geschäftszeichen:,
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht M., die Richterin am Oberlandesgericht W. und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. E. am 7. Mai 2024 beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Beschwerde der Kindeseltern wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 04.01.2024 aufgehoben. Damit steht die elterliche Sorge für A. K., geb. am TT.MM.2022, wieder vollumfänglich beiden Kindeseltern zu.

  2. II.

    Den Kindeseltern wird aufgegeben, sich in Abstimmung mit dem Jugendamt mit A. K. in eine Eltern-Kind-Einrichtung zu begeben, dort für eine vom Jugendamt festgelegte Dauer zu verbleiben und im Anschluss daran in Abstimmung mit dem Jugendamt eine ambulante Anschlussmaßnahme in Anspruch zu nehmen.

  3. III.

    Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Die Beteiligten haben ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.

  4. IV.

    Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

  5. V.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die elterliche Sorge für die am TT.MM.2022 geborene A. K. Nach ihrer Geburt lebte A. zunächst in der damaligen Wohnung ihrer beiden Eltern. Die Eltern hatten keine Hebammenbetreuung, aber Unterstützung durch die beiden Großmütter.

[...]

Ausweislich der Krankhausunterlagen stellten die Eltern A. am 16.11.2022 in der Kinderklinik ./. vor, nachdem diese bereits am Vortag auffällig geschrien habe und dann erschlafft sei sowie am 16.11.2022 gegen 14 Uhr begonnen habe, mit einem Arm und einem Bein zu zucken. Im Rahmen eines durchgeführten MRT wurden ein Bluterguss unter der harten Hirnhaut (Subduralhämatom) sowie Flüssigkeitsansammlungen (Hygrome), Verletzungen des Hirngewebes (Hirnparenchymläsionen) und Blutgerinnsel in den kleinen Venen zwischen harter und weicher Hirnhaut (Brückenvenenthrombosen) festgestellt. Daraufhin wurde das Mädchen zur neurochirurgischen Behandlung in die ./. verlegt, wo am 17.11.2022 eine Hygromausräumung erfolgte. Die Eltern hatten keine Erklärung für die festgestellten Befunde. Gegenüber dem Jugendamt gaben sie an, am TT.11.2022 seien sie auf dem Weg zur U3-Untersuchung über eine Bodenwelle gefahren und dabei stark durchgerüttelt worden. A. habe danach in der Kinderarztpraxis heftig erbrochen. Nach dem stationären Aufenthalt in ./. zogen die Eltern gemeinsam mit A. in eine Eltern-Kind-Einrichtung in F., wo sie bis zum 06.03.2023 verblieben.

Mit Schreiben vom 19.01.2023 wandte sich das Jugendamt an das Familiengericht zur weiteren Perspektivklärung nach dem Auslaufen der Eltern-Kind-Maßnahme. In dem beigefügten Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der ./. vom 29.12.2022 ist festgehalten, die bei A. festgestellte Befundkonstellation weise auf ein Schütteltrauma hin. Das Fehlen von Augenhintergrundblutungen (Retinablutungen) stehe dem nicht entgegen, da solche nur in 75 bis 90 % der Fälle aufträten. Gerinnungsstörungen und Stoffwechselerkrankungen seien klinischerseits ausgeschlossen worden.

Der Verfahrensbeistand hat sich mit Bericht vom 31.01.2023 für eine Fremdunterbringung des Kindes ausgesprochen, da mit hoher Wahrscheinlichkeit nur die Eltern als Verursacher des Schütteltraumas in Frage kämen. Diese hätten ihm gegenüber angegeben, das Kind nie unbeaufsichtigt Dritten überlassen zu haben.

Mit Beschluss vom 07.02.2023 hat das Amtsgericht den Eltern in dem gesonderten Verfahren zum Az. 4 F 122/23 EASO durch einstweilige Anordnung ohne mündliche Verhandlung vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht zur Antragstellung nach SGB VIII und zur Regelung von Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten für das Kind A. K. entzogen und auf das Jugendamt als Pfleger übertragen.

Das Jugendamt berichtete mit Schreiben vom 17.02.2023 und 02.03.2023 über den positiven Verlauf der Eltern-Kind-Maßnahme und schlug als Anschlussmaßnahme eine weitere Eltern-Kind-Einrichtung mit 24stündiger Betreuung vor, durch deren Rahmenbedingungen eine etwaige Wiederholungsgefahr nachhaltig gesenkt werden könne. Hierzu äußerten sich sowohl der Verfahrensbeistand als auch die eingesetzte Amtspflegerin Frau O. kritisch und gaben an, ihres Erachtens könne das Kindeswohl nur durch eine sofortige Fremdunterbringung des Kindes gesichert werden.

Unmittelbar nach der ersten mündlichen Erörterung vor dem Amtsgericht am 06.03.2023 ist das Kind in Obhut genommen und in Bereitschaftspflege bei Familie S. verbracht worden, wo es bis zum 02.05.2024 gelebt hat. Das Amtsgericht hat sodann mit Beschluss vom 08.03.2023 die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Erziehungsfähigkeit der Eltern in Auftrag gegeben und den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie D. P. zum Sachverständigen bestellt. Zudem hat es in dem Verfahren zum Az. 4 F 122/23 EASO mit Beschluss vom 24.03.2023 die einstweilige Anordnung aufrechterhalten.

In seinem schriftlichen Gutachten vom 11.04.2023 ist der Sachverständige P. zu dem Ergebnis gelangt, die Erziehungsfähigkeit sei bei beiden Eltern eingeschränkt. Die Interaktionsbeobachtung zeige zwar keine Anzeichen einer psychischen Traumatisierung des Kindes im Kontakt mit einem Elternteil, eine solche sei aber dennoch nicht auszuschließen. Hinweise auf eine psychische Erkrankung der Eltern hätten sich nicht ergeben. Beim Kindesvater sei jedoch von einer narzisstischen Persönlichkeitsakzentuierung auszugehen, die mit erhöhter Kränkbarkeit, Schwierigkeiten in der Konfliktbewältigung u. ä. einhergehen könne. Er sei bemüht, aggressive Impulse zu kontrollieren, was mit der Gefahr einer Stauungsentladung verbunden sein könne. Aufgrund der Beurteilung des Instituts für Rechtsmedizin der ./. müsse davon ausgegangen werden, dass A. im November 2022 von einem oder beiden Elternteilen schwer misshandelt worden sei. Entsprechende Studien würden nahelegen, dass etwa ein Drittel der einmal misshandelten Kinder erneut Opfer körperlicher Gewalt würden. Die Prognose bleibe auch bei der Aufnahme in einer Eltern-Kind-Einrichtung unsicher. Zum einen werde dort kein durchgehender Schutz vor einer Kindesmisshandlung geboten, zum anderen nehme auch der potentiell nicht misshandelnde Elternteil eine Opferhaltung anstelle einer Schutzfunktion für das Kind ein.

In dem vom Jugendamt eingereichten Abschlussbericht der Eltern-Kind-Einrichtung in F. vom 28.03.2023 wird die Zusammenarbeit mit beiden Eltern während ihres dortigen Aufenthalts vom 06.12.2022 bis zum 06.03.2023 durchweg positiv beschrieben. A. habe sich in jeder Hinsicht altersgerecht entwickelt, ohne dass Verhaltensauffälligkeiten aufgetreten seien. Zwischen ihr und den Eltern sei eine enge, liebevolle Beziehung und bedürfnisgerechte Versorgung beobachtet worden; bei Unsicherheiten hätten die Eltern den Rat oder die Bestätigung der Fachkräfte eingeholt. Zu kindeswohlgefährdenden Situationen sei es nicht gekommen. Das Zusammenleben der Eltern mit A. werde aus fachlicher Sicht als notwendig angesehen.

Mit weiterem Beweisbeschluss vom 25.05.2023 hat das Amtsgericht ein rechtsmedizinisches Gutachten zur Ursache der bei A. festgestellten Verletzungen eingeholt. Der Sachverständige Dr. A. A., Facharzt für Rechtsmedizin an der ./. in ./., antwortete mit Schreiben vom 15.09.2023 wie folgt auf die an ihn gerichteten Fragen: Die bei A. aufgetretenen Symptome und festgestellten Befunde wie Subduralblutungen, Hygrome, Brückenvenenthrombosen und strukturellen Hirnschädigungen seien bei fehlenden äußeren Verletzungen und fehlender plausibler Erklärung der Eltern nur mit einem sog. Schütteltrauma zu vereinbaren. Mögliche Gerinnungsstörungen als Ursache seien ausgeschlossen worden, auch seien die festgestellten strukturellen Hirnschädigungen dadurch nicht erklärbar. Generell könne es zwar auch in Folge der Geburt oder während der Schwangerschaft zu subduralen Blutungen kommen, woraus sich dann später durch Lyse Hygrome entwickeln könnten. Die pathologische Untersuchung des bei der Operation entnommenen Blutes habe aber keinen Hinweis auf eine Blutung ergeben, die älter als eine Woche gewesen sei.

Die Kindeseltern haben daneben eine private Begutachtung durch Prof. Dr. med. A. P., Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten vom 20.07.2023 mehrere Umstände aufgeführt, die seines Erachtens gegen ein Schütteltrauma als Ursache für die bei A. festgestellten Befunde sprechen. Als mögliche Alternativursachen hat er eine fetale Hirnblutung mit der Folge subduraler Hygrome genannt, in die es in Folge von Krämpfen und heftigem Erbrechen eingeblutet haben könne. Insbesondere seien verschiedene Risikofaktoren nicht berücksichtigt worden, die fetale Hirnblutungen begünstigen könnten: die Covid-19-Infektion der Mutter während der Schwangerschaft, ihr Diabetes mellitus, ihr erhöhter BMI sowie der Zustand nach bariatrischer Operation (Magenverkleinerung) mit dem Risiko eines Vitamin-K-Mangels. Gegen ein Schütteltrauma würden fehlende Retinablutungen, fehlende Knochenfrakturen, fehlende Rückenmarksverletzungen, fehlende Läsionen im Bereich der Medulla oblongata, des Kleinhirns und des Corpus callosum, der fehlende Nachweis von Rupturen der Brückenvenen und des Plexus choroides, fehlende Diffusionsrestriktionen im MRT sowie der fehlende Nachweis einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie und eines Hirnödems bei fehlender Verlagerung der Mittellinie des Gehirns sprechen. Zudem weise der Nachweis des erst frühestens zwei Wochen nach einer Blutung entstehenden Abbauprodukts Hämosiderin im Gehirn des Kindes darauf hin, dass die Blutungen schon älter gewesen seien. Hierfür würde auch sprechen, dass sich zu den Brückenvenenthrombosen bereits Umgehungskreisläufe gebildet hätten. Auch sei die Stoffwechselerkrankung Glutarazidurie Typ I als mögliche Ursache des Subduralhämatoms nicht sicher ausgeschlossen worden.

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. in dessen Schreiben vom 15.09.2023 hat Prof. Dr. P. es gemäß seinem Schreiben vom 20.11.2023 weiterhin für nicht nachvollziehbar gehalten, dass die festgestellten Befunde nur mit einem Schütteltrauma vereinbar seien. Subduralhämatome und -hygrome seien unspezifische Symptome, denen kein positiver Vorhersagewert in Bezug auf das Vorliegen eines Schütteltraumas zukomme. Erneut hat er auf das durch die Covid-19-Infektion erhöhte Risiko fetaler Hirnblutungen hingewiesen. Aufgrund des nachgewiesenen Hämosiderins sei es zudem falsch, dass mit einer während der neurochirurgischen Operation entnommenen Blutprobe eine mehr als eine Woche alte Blutung ausgeschlossen werden könne.

Das Amtsgericht hat die Angelegenheit am 22.11.2023 mit den Beteiligten erneut mündlich erörtert und dabei auch den Sachverständigen Dr. A. befragt. Dieser hat angegeben, retinale Blutungen würden nur in 60 bis 80 % der Fälle auftreten und seien zu 97 % bereits nach 10 Tagen nicht mehr feststellbar. Deren Fehlen spreche daher nicht gegen ein Schütteltrauma. Die von Prof. Dr. P. genannten Artikel über Covid-19-Infektionen während der Schwangerschaft würden lediglich auf Hypothesen beruhen. Auch sei kein Zusammenhang zwischen einer Magenverkleinerung und einem Vitamin-K-Mangel feststellbar. Man habe zudem eine erweiterte Gerinnungsdiagnostik durchgeführt, deren Ergebnisse unauffällig gewesen seien. Etwaige Blutungen aufgrund von Gerinnungsstörungen würden zudem vom Gehirn ausgehen und nicht zwischen harter und weicher Hirnhaut entstehen. Zudem sei meist nicht nur ein Organ betroffen. Der bei der Operation aus dem Subduralraum entnommene Bluterguss sei nicht mehr als eine Woche alt gewesen. Diese Blutansammlung sowie die Thrombosen seien eine Folge der Ruptur von Brückenvenen. Eine Glutarazidurie Typ I sei durch die ./. ausgeschlossen worden. Zwar könnten auch fetale Hirnblutungen zu Hygromen führen, es sei aber wahrscheinlich, dass diese vorliegend auf eine subdurale Blutung zurückzuführen seien. Die Befunde sprächen dabei für eine Mehrzeitigkeit der Verletzungen.

Das Jugendamt hat mit Schreiben vom 18.12.2023 dahingehend Stellung genommen, dass keine dauerhafte Trennung zwischen Eltern und Kind gesehen und weiterhin eine Eltern-Kind-Maßnahme vorgeschlagen werde.

Der Pflegekinderdienst hat in seiner Stellungnahme vom 15.12.2023 ausgeführt, die Beziehung zwischen A. und ihren Eltern sei stabil. Diese hätten die vereinbarten engmaschigen Umgangskontakte (zwei bis dreimal pro Woche) durchweg zuverlässig wahrgenommen. Das Kind verbringe gern Zeit mit den Eltern, die sich bei den Umgängen sehr zugewandt gezeigt hätten, altersangemessen auf ihre Tochter eingegangen seien und für sie eine unterstützende, verlässliche Größe seien. Zwischen den Eltern und der Pflegestelle bestehe eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. A. könne jedoch nicht dauerhaft in der derzeitigen Pflegefamilie bleiben, da eine Umwandlung in eine Vollzeitpflege sowohl für diese als auch für die Kindeseltern eine zu große Belastung darstellen würde, da sich beide Familien dann deutlich voneinander abgrenzen müssten.

Die Kindeseltern haben sich mit Schriftsatz vom 28.12.2023 unter Verweis auf die Stellungnahme des Jugendamts für eine Rückführung ausgesprochen und zudem eine Stellungnahme des Prof. Dr. P. vom 15.12.2023 zu den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. überreicht. Danach sei die Möglichkeit einer fetalen Hirnblutung weiterhin nicht ausgeschlossen. Zudem gehe der Sachverständige unzutreffend davon aus, dass die Thrombosen der Brückenvenen auf eine Ruptur derselben hindeuten würden.

Am 02.01.2024 hat der Amtsrichter das Kind in der Bereitschaftspflegestellte besucht und sich einen eigenen Eindruck von ihm verschafft.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 04.01.2024 hat das Amtsgericht den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Antragstellung nach dem SGB VIII sowie die Gesundheitssorge für A. K. entzogen und vorläufig auf das Jugendamt als Pfleger übertragen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, aufgrund der Darlegungen des Sachverständigen Dr. A. sei festzustellen, dass A. durch zwei separate, bewusst gesteuerte Handlungen eines der Elternteile zwei potenziell lebensgefährliche Subduralhämatome erlitten habe. Die Ausführungen von Prof. Dr. P. seien ungeeignet, diese Feststellung in Zweifel zu ziehen. Der Sachverständige Dr. A. habe überzeugend ausgeführt, dass die Befunde nicht auf eine Gerinnungsstörung zurückzuführen seien und auch nicht mit dem von den Eltern geschilderten häufigen Erbrechen oder dem Überfahren einer Bodenwelle erklärbar seien. Es sei nicht erforderlich festzustellen, welcher der Elternteile A. geschüttelt habe. Allein der Umstand, dass es in der Obhut der Eltern zu zwei potenziell lebensgefährdenden Verletzungen durch Schütteln gekommen sei, begründe eine gegenwärtige Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Falle einer Rückkehr zu den Eltern, ohne dass insoweit eine Verwertung des psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen P. erforderlich sei. Hinzu komme, dass sich die Familiensituation nicht geändert habe und auf Seiten der Eltern eine Verantwortungsübernahme sowie ein Problembewusstsein fehle. Auch das inzwischen höhere Alter des Kindes stehe einer Wiederholungsgefahr nicht entgegen, da es gerade während der Trotzphase zu Überforderungssituationen für die Eltern mit der Folge einer Misshandlung kommen könne. Dass der Körper eines Kleinkindes weniger vulnerabel sei als der eines Säuglings, könne nicht angenommen werden. Auch der Aufenthalt in einer Eltern-Kind-Einrichtung sei nicht geeignet, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden, da Eltern und Kind auch dort über längere Zeit unbeaufsichtigt seien.

Gegen den ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 04.01.2024 zugestellten Beschluss wenden sich die Kindeseltern mit der am Montag, dem 05.02.2024, beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Mit dieser monieren sie, das Amtsgericht habe sich nicht ausreichend mit den Einwendungen von Prof. Dr. P. gegen die Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen Dr. A. auseinandergesetzt. Letzterer habe die Voraussetzungen der zu stellenden Ausschlussdiagnose nur lückenhaft berücksichtigt, die zudem die Hinzuziehung von Kinderärzten erfordere. In diesem Zusammenhang beantragen die Eltern die Ladung des Sachverständigen Prof. Dr. P. zur Erläuterung seiner Ausführungen. Ferner zitieren sie die Teile einer Stellungnahme von Prof. Dr. P. zu dem angefochtenen Beschluss, wonach dieser erneut die seines Erachtens vorhandenen Lücken der Diagnostik sowie die gegen das Vorliegen eines Schütteltraumas sprechenden Umstände erläutert. Zudem meinen die Eltern unter Verweis auf die positiven Berichte des Jugendamts, die Fremdunterbringung des Kindes sei nicht verhältnismäßig, da mögliche Alternativen nicht in Betracht gezogen worden seien. Mit weiterem Schriftsatz vom 15.04.2024 haben die Eltern erneut die ihres Erachtens gegen ein Schütteltrauma sprechenden Umstände zusammengefasst, auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwiesen und die Schlussfolgerungen des Sachverständigen P. kritisiert.

Auch haben sie eine weitere Stellungnahme von Prof. P. vom 09.04.2024 eingereicht. Dieser geht weiterhin davon aus, die bei A. festgestellten Befunde könnten auf der Covid-19-Infektion der Mutter während der Schwangerschaft und dadurch bedingte fetale subdurale Blutungen zurückzuführen sein. Weder eine Thrombozytenfunktionsstörung noch eine Glutarazidurie seien sicher ausgeschlossen worden. Ferner sei die Indikation zur neurochirurgischen Operation nicht begründet und dokumentiert worden. Mangels Hirndruckzeichen und Mittellinienverlagerung sei die OP-Indikation nicht nachvollziehbar. Da während der Operation kein frisches Blut entleert worden sei, habe auch kein Hinweis auf eine neuere Blutung bestanden. Zur Inzidenz von Schütteltraumata hat Prof. P. ausgeführt, diese träten am häufigsten im Zusammenhang mit heftigem und wiederholtem Schreien von Säuglingen im Alter von 4-8 Monaten auf. Nach einer Studie aus Japan zu Kindern im Alter von bis zu 36 Monaten hätten die Altersgipfel bei 2 und 8 Monaten gelegen, nach dem 11. Lebensmonat habe es keine Häufigkeitszunahme mehr gegeben.

Die Amtspflegerin hat mit Schreiben vom 13.03.2024 berichtet, A. befinde sich weiterhin in der Bereitschaftspflegestelle. Die Besuchskontakte würden durch die Eltern weiterhin gewissenhaft wahrgenommen. A. entwickele sich unauffällig und fange im Alter von 1,5 Jahren auch an zu sprechen. Sie habe einen sehr starken Willen; wenn sie etwas nicht bekomme, fange sie an zu schreiben und werfe sich auf den Boden. Zu der Beschwerde hat die Pflegerin dahingehend Stellung genommen, dass in deren Begründung keine neuen Hinweise enthalten seien, die nicht auch bereits erstinstanzlich vorgebracht worden seien. Der Sachverständige A. habe deutlich und überzeugend erklärt, dass die festgestellten Verletzungen auf einem mehrfachen Schütteln beruhen würden. Auch wenn ein weiteres Schütteln nicht mehr zu erwarten sei, da A. kein Säugling mehr sei, bestehe im elterlichen Haushalt die Gefahr einer anderweitigen Misshandlung. Mit weiterem Schreiben vom 08.04.2024 hat die Amtspflegerin darauf hingewiesen, dass keiner der Eltern sich im Verlauf des Verfahrens in eine therapeutische Maßnahme begeben habe. Aufgrund der bereits im Babyalter eingetretenen Überforderung der Eltern gehe sie davon aus, dass diese auch nicht wüssten, wie sie dem derzeitigen sehr fordernden Verhalten des Kindes begegnen sollten. Die Option einer Eltern-Kind-Einrichtung sehe sie nicht, da dies bereits zu Beginn eine ungeeignete Maßnahme gewesen sei.

Das Jugendamt des Landkreises H. hat mit Schreiben vom 12.03.2024 ebenfalls dahingehend Stellung genommen, dass eine Kindeswohlgefährdung von A. bei einer Rückkehr in den mütterlichen Haushalt nicht ausgeschlossen werden könne, da aufgrund der Ausführungen der ./. von einem Schütteltrauma auszugehen sei und der Sachverständige P. zudem die Erziehungsfähigkeit der Eltern als eingeschränkt angesehen habe. Während der Umgänge würden die Eltern zwar altersangemessen, liebevoll und fürsorglich mit dem Kind umgehen und auch Arztbesuche begleiten. Die Umgangssituationen würden jedoch nicht das Alltagsleben mit einem Kleinkind widerspiegeln und seien daher nicht aussagekräftig hinsichtlich der Frage einer Rückführung.

Der Verfahrensbeistand hat unter dem 13.03.2024 von seinem Besuch in der Bereitschaftspflegestelle am 07.03.2024 berichtet. Die Pflegeeltern hätten ihm mitgeteilt, dass weiterhin dreimal wöchentlich Besuchskontakte der Eltern stattfänden, die sehr harmonisch verlaufen und an den Wochenenden bis zu vier Stunden dauern würden. A. sei ein sehr lebhaftes und herausforderndes Kind. Bei der derzeitigen Pflegestelle könne sie nur noch bis Juni bleiben. Der Sache nach erachtet der Verfahrensbeistand die Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. als überzeugend. Insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe er sich ausführlich mit sämtlichen Einwänden von Prof. P. auseinandergesetzt und sei diesen entgegengetreten. Von einer erneuten Anhörung beider Sachverständiger verspreche er sich keinen weiteren Erkenntnisgewinn. Ferner sei zu beachten, dass anhaltendes Babyschreien als Hauptauslöser für das Schütteln gelte. Insoweit falle auf, dass die Eltern sich zum Schreien ihres Kindes widersprüchlich geäußert hätten. Im Bericht des Jugendamts vom 19.01.2023 sei angeführt, A. sei nach Angabe der Eltern zunächst ein ruhiges Baby gewesen, habe dann aber täglich begonnen, dauerhaft zu schreien. Im Gutachten von Herrn P. sei festgehalten, dass A. nach Angabe des Vaters kein Schreikind gewesen sei. Dies stehe im Widerspruch zu den Angaben der Bereitschaftspflegeeltern, die berichtet hätten, dass A. zu Beginn ihres dortigen Aufenthalts tagsüber und manchmal auch nachts ohne erkennbare Gründe anhaltend geschrien habe, was sehr belastend gewesen sei. Im Ergebnis seien die Ursachen für A. Verletzungen mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein durch die Eltern verursachtes Schütteltrauma zurückzuführen. Aufgrund des liebevollen Umgangs der Eltern mit dem Kind könne zwar dennoch erwogen werden, ob eine Rückführung zu verantworten sei. Dies setze aber eine Gefahrenprognose voraus, die hier nicht möglich sei, da die Eltern das Schütteln bestreiten würden. Zudem schließe auch der Sachverständige P. in seinem Gutachten eine Wiederholungsgefahr nicht aus. Insgesamt sei der amtsgerichtliche Beschluss daher seines Erachtens aufrechtzuerhalten. Mit Schreiben vom 27.03.2024 hat der Verfahrensbeistand ergänzend Stellung genommen und auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Mit weiterem Schreiben vom 02.05.2024 hat er darauf hingewiesen, dass bereits das von den Eltern beschriebene Erbrechen ihrer Tochter in der Kinderarztpraxis während der U3 am TT.11.2022 ein erstes Symptom eines zuvor erfolgten Schüttelns gewesen sein könne. Zudem falle auf, dass die Eltern gegenüber dem Jugendamt angegeben hätten, A. habe am 14.11.2022 erstmals auffällig geschrien und sei danach erschlafft, wohingegen in den Krankenhausunterlagen insoweit der 15.11.2022 als Datum festgehalten sei. Die Eltern seien somit erst mindestens einen Tag nach Auftreten von Symptomen einer Hirnverletzung mit ihrer Tochter ins Krankenhaus gefahren. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Folgen der ersten Misshandlung von den Eltern nicht bemerkt worden seien.

Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 21.03.2024, auf den wegen seines Inhalts Bezug genommen wird, ergänzende Fragen an die Sachverständigen P. und Dr. A. gerichtet.

Der Sachverständige Dr. A. hat mit Schreiben vom 03.04.2024 ausgeführt, die höchste Inzidenz von Schütteltraumata werde bei Kindern unter einem Jahr beobachtet (medianes Alter 2,2 bis 5,9 Monate). In der Mehrzahl der wissenschaftlichen Forschungsarbeiten beträfen die meisten Fälle Kinder im Alter von unter zwei Jahren und in einigen Fällen von vier bis fünf Jahren, sporadisch auch bis zum Alter von sieben und acht Jahren. Hinsichtlich des Ausschlusses einer Glutarazidurie Typ I hat er auf den beigefügten Bericht der ./. vom 06.12.2022 verwiesen, nach dem sich bei der Suche nach organischen Säuren im Urin keine Hinweise auf eine Glutarazidurie Typ I ergeben haben.

In dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen P. vom 08.04.2024 hat dieser nach erneutem Gespräch mit beiden Elternteilen seine ursprüngliche Einschätzung bestätigt. Maßnahmen, um eine Gefährdung des körperlichen Kindeswohls in Obhut der Eltern abzuwenden, seien nicht ersichtlich.

Der Senat hat sich am 25.04.2024 einen persönlichen Eindruck von A. verschafft und im Anschluss die Verfahrensbeteiligten persönlich angehört und die Angelegenheit mit ihnen erörtert. Zudem sind die Bereitschaftspflegeeltern sowie der Sachverständige P. ergänzend mündlich befragt worden.

Die Pflegeeltern haben u. a. angegeben, im Hinblick auf den Umgang der Eltern mit A. keine Einschränkungen beobachtet zu haben. Im Laufe der Zeit habe sich ein Vertrauensverhältnis zu ihnen entwickelt, so dass sie A. auch mehrfach einen ganzen Tag lang mit ihnen alleine gelassen hätten. Danach sei das Kind jeweils unbeeinträchtigt zu ihnen zurückgekehrt.

Der Sachverständige P. hat seine Feststellungen zu der Persönlichkeitsstruktur des Vaters erläutert und ausgeführt, er habe bei ihm keine Hinweise auf eine Impulskontrollstörung, sondern eine Tendenz zur Rationalisierung und Affektkontrolle sowie eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung festgestellt. Aus dem mehrfachen Schütteln eines Säuglings könne geschlossen werden, dass es der handelnden Person nur eingeschränkt möglich sei, sich empathisch in die Befindlichkeiten eines kleinen Kindes einzufühlen. Die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit erneuter Übergriffe sei dadurch erschwert, dass die Tatumstände nicht bekannt seien. Die Gefahr könne aber abgemildert werden, wenn der betroffene Elternteil in Umständen lebe, in denen Stressfaktoren aufgefangen werden könnten und wenn Maßnahmen erlernt würden, um Überforderungs- und Stresssituationen zu begegnen.

Die Mitarbeiterinnen des Jugendamts haben im Termin am 25.04.2024 mitgeteilt, dass derzeit ein Platz für die Familie in einer Eltern-Kind-Einrichtung in B. vorhanden sei. Die Eltern haben sich bereit erklärt, mit ihrer Tochter dort einzuziehen. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass er dies als geeignete Maßnahme erachte. Der Verfahrensbeistand hat sich hierzu ablehnend geäußert, insbesondere aufgrund des fehlenden Schuldeingeständnisses des verantwortlichen Elternteils.

Mit Schreiben vom 02.05.2024 hat das Jugendamt des Landkreises H. mitgeteilt, die Eltern hätten am 30.04.2024 einen Antrag auf Hilfen zur Erziehung sowie eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterzeichnet. Auch habe ein Kennlerngespräch im Eltern-Kind-Wohnen S. in B. stattgefunden. Die Aufnahme sei bereits für den 02.05.2024 geplant.

Wegen der Einzelheiten der Ausführungen der Sachverständigen wird auf deren o. g. schriftliche Gutachten sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Amtsgericht vom 22.11.2023 und vor dem Senat vom 25.04.2024 Bezug genommen, auf letzteres auch wegen der mündlichen Angaben der Pflegeeltern und der übrigen Verfahrensbeteiligten. Ferner wird wegen weiterer Einzelheiten auf die o. g. schriftlichen Berichte und Stellungnahmen des Jugendamts und des Verfahrensbeistands verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Kindeseltern ist begründet. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, der ergänzenden Ermittlungen und der mündlichen Angaben der Verfahrensbeteiligten sind die Voraussetzungen für den vom Amtsgericht ausgesprochenen Teilentzug der elterlichen Sorge nicht erfüllt. Vielmehr kann das Kindeswohl auch durch die den Eltern erteilten Auflagen sichergestellt werden.

Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern setzt dabei voraus, dass bei dem Kind bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, wobei auch die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von seinen Eltern zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.06.2020 - 1 BvR 572/20, juris Rn. 22 f. m.w.N.). Zudem darf eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.09.2022 - 1 BvR 1807/20, juris Rn. 42).

Ob eine Trennung des Kindes von der Familie zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes geboten ist, hängt demnach regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und an die Belastbarkeit der Tatsachengrundlage, von der auf die Gefährdung geschlossen wird, sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (BGH, Beschluss vom 21.09.2022 - XII ZB 150/19, juris Rn. 21; im Anschluss an Beschlüsse vom 06.02.2019 - XII ZB 408/18, FamRZ 2019, 598 und vom 23.11.2016 - XII ZB 149/16, juris Rn. 13-14; BVerfG, Beschluss vom 16.09.2022 - 1 BvR 1807/20, juris Rn. 45). Bestehen Anhaltspunkte, dass dem Kind durch eine Misshandlung erhebliche, unumkehrbare Schäden drohen, insbesondere weil es in der Vergangenheit bereits zu einer solchen Misshandlung kam und die Eltern hierfür auf die ein oder andere Art als verantwortlich anzusehen sind, so verlangt ein Absehen von einer Trennung des Kindes von der Familie ein hohes Maß an Prognosesicherheit, dass dieser Schaden nicht eintreten wird (BVerfG, a.a.O., Rn. 43).

1.

Vorliegend sprechen die Umstände dafür, dass A. in den ersten Wochen nach ihrer Geburt durch mindestens einen Elternteil mehrfach so erheblich geschüttelt wurde, dass dadurch Subduralblutungen und nachfolgend Hygrome sowie Hirnparenchymläsionen entstanden sind. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. legen die Annahme nahe, dass die bei A. festgestellten Verletzungen mit großer Wahrscheinlichkeit auf einem sog. Schütteltrauma beruhen. Zwar hat der von den Eltern beauftragte Sachverständige Prof. P. dagegen verschiedene Einwendungen erhoben. Die von ihm angegebene Alternativursache erscheint jedoch nicht vollends geeignet, um ein Schütteltrauma auszuschließen oder erhebliche Zweifel daran zu begründen.

Unstreitig wurden bei A. bilatere subdurale Hygrome mit lokalen Einblutungen, Sinus- und Brückenvenenthrombosen sowie strukturelle Hirnschädigungen (Hirnparenchymläsionen) festgestellt. Wie der Sachverständige Dr. A. im Schreiben vom 15.09.2023 ausgeführt hat, seien diese Verletzungen aufgrund des Fehlens von Alternativursachen nur mit einem Schütteltrauma zu vereinbaren. Gerinnungsstörungen seien als Ursache der festgestellten Blutungen ausgeschlossen worden. Auch eine rein pränatale oder geburtsbedingte Ursache der Blutungen sei ausgeschlossen. Zwar könnten sich Hygrome auch verspätet durch die Lyse bereits vorgeburtlich vorhandener Hämatome entwickeln. Auch seien die vorhandenen Hämosiderinauflagerungen mit einem solchen Ablauf gut vereinbar. Allerdings sei das bei der neurochirurgischen Operation entnommene Blut nicht älter als eine Woche gewesen.

Soweit Prof. P. einwendet, weitere im Zusammenhang mit einem Schütteltrauma typischerweise auftretende Symptome (wie etwa Läsionen der Medulla oblongata und des Halsmarks, retinale Blutungen, Verschiebungen der Mittellinie) seien hier nicht vorhanden gewesen, steht dies der Ausschlussdiagnose "Schütteltrauma" nicht entgegen, da diese Symptome nach einem Schütteln nicht zwingend auftreten müssen und nichts daran ändern, dass keine plausible anderweitige Erklärung für die Subduralblutungen vorhanden ist. Bezüglich der retinalen Blutungen hat der Sachverständige Dr. A. in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 22.11.2023 ausgeführt, diese würden nur in 60 bis 80 Prozent der Fälle auftreten.

Dem weiteren Einwand, es seien lediglich Brückenvenenthrombosen, aber keine - bei einem Schütteltrauma zwingend zu erwartenden - Rupturen von Brückenvenen festgestellt worden, hat Dr. A. plausibel entgegengehalten, dass die festgestellten subduralen Blutungen eine Folge der Ruptur von Brückenvenen seien. Eine andere plausible Ursache für eine venöse Blutung zwischen harter und weicher Hirnhaut gebe es nicht. Damit ist davon auszugehen, dass Brückenvenenrupturen vorlagen.

Soweit Prof. P. die OP-Indikation in Zweifel zieht, hat dies keinen Einfluss auf die Diagnose eines Schütteltraumas. Gleiches gilt für die während der OP erfolgte Verletzung von Hirngewebe.

Dem Hinweis auf etwaige Gerinnungsstörungen als Blutungsursache ist zum einen entgegenzuhalten, dass sich im Rahmen der in der ./. durchgeführten erweiterten Gerinnungsdiagnostik kein pathologischer Befund ergeben hat. Dies folgt aus dem Arztbrief der ./. vom 06.12.2022 und wurde auch vom Sachverständigen Dr. A. im Termin am 22.11.2023 mündlich bestätigt. Zum anderen hat Dr. A. gegenüber dem Amtsgericht mündlich erläutert, Blutungen aufgrund von Gerinnungsstörungen würden nicht subdural (zwischen harter und weicher Hirnhaut) entstehen, sondern vom Gehirn ausgehen und außerdem sehr selten gleichzeitig auch Thrombosen verursachen. Dies erscheint plausibel und wurde von Prof. P. in der Stellungnahme vom 15.12.2023 auch nicht beanstandet.

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Glutarazidurie Typ I als Ursache für die Subduralblutungen liegen nicht vor. Hierbei handelt es sich um eine seltene Stoffwechselerkrankung mit einer Störung des Lysin-Stoffwechsels. Ausweislich der dritten Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Management der Glutarazidurie Typ I (publiziert bei AWMF online: 027-018l_S3_Diagnostik-Therapie-Management-der-Glutarazidurie-Typ-1_2022-05.pdf (awmf.org)) entwickeln manche Patienten im Säuglingsalter eine Makrozephalie. Dadurch besteht ein erhöhtes Risiko für subdurale Blutungen und Hygrome, die gehäuft im späten Säuglingsalter zeitlich parallel zur maximalen Ausprägung der Makrozephalie entstehen. Mögliche Verwechslungen mit einem Schütteltrauma wurden in der Literatur beschrieben (S.11 der Leitlinie). Unbehandelt kommt es meistens im Alter von drei bis 36 Lebensmonaten zu einer komplexen, meist schwer dystonen Bewegungsstörung mit akuten enzephalopathischen Krisen (S. 3 der Leitlinie). Die definitive Diagnose erfolgt durch den Nachweis eines krankheitsrelevanten Genotyps (S. 6 der Leitlinie). Durch das seit 2005 in Deutschland flächendeckend eingeführte Neugeborenenscreening kann eine Glutarazidurie Typ I bei bestimmten Patienten nicht sicher ausgeschlossen werden. Für die gezielte Diagnostik kommt die Bestimmung der Konzentration bestimmter Säuren im Blut sowie bei auffälligem Befund die molekulargenetische Analyse des GCDH-Gens in Betracht (S. 10 der Leitlinie).

Soweit Prof. P. darauf hinweist, dass nach seinen Erkenntnissen eine Glutarazidurie Typ I nicht sicher ausgeschlossen worden sei und dass allein die Ergebnisse des Neugeborenenscreenings insoweit nicht genügen würden, trifft dies nach der oben zitierten Leitlinie zwar zu. Der Sachverständige Dr. A. hat jedoch mit der ergänzenden Stellungnahme vom 03.04.2024 auf den Arztbrief der ./. vom 06.12.2022 verwiesen, in dem festgehalten ist, dass die Stoffwechseldiagnostik unauffällig gewesen sei und sich bei der Suche nach organischen Säuren im Urin kein Hinweis auf eine Glutarazidurie Typ I ergeben habe. Damit hat zusätzlich zu dem Neugeborenenscreening eine weitere gezielte Diagnostik stattgefunden, wenn auch keine molekolargenetische Analyse. Gegen eine Glutarazidurie Typ I als Ursache der Subduralblutungen spricht vorliegend indessen außerdem, dass sich auch im Rahmen der nachfolgenden Untersuchungen insoweit keine Auffälligkeiten ergeben haben. Ausweislich des Berichts der Einrichtung vom 26.01.2023 sowie des Abschlussberichts vom 28.03.2023 sind regelmäßige Schädelsonografien sowie Messungen des Kopfumfangs erfolgt, die unauffällig waren. Auch in dem Bericht über die MRT-Kontrolle vom 28.07.2023 wurden lediglich alte Blutabbauprodukte sowie posttraumatische Parenchymdefekte und keine sonstigen Auffälligkeiten festgestellt. In den aktuellen Berichten vom 13.03.2024 haben sowohl die Amtspflegerin als auch der Verfahrensbeistand mitgeteilt, sämtliche bisherigen ärztlichen Untersuchungen seien unauffällig gewesen und die Entwicklung des Kindes verlaufe zufriedenstellend. Der Umstand, dass bei den vorgenannten Untersuchungen keine neurologischen Auffälligkeiten aufgetreten sind und auch im Verlauf des letzten Jahres nicht von medizinischen Auffälligkeiten berichtet wurde, steht dem Vorliegen einer Glutarazidurie Typ I entgegen. Denn bei Vorliegen dieser Erkrankung wäre in den ersten beiden Lebensjahren mit dem Eintritt neurologischer Krisen zu rechnen (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.03.2020 - 6 UF 131/18, juris Rn. 187). Mangels jeglicher Hinweise auf eine Glutarazidurie Typ I besteht kein Anlass, insoweit weitere Untersuchungen zum vollständigen Ausschluss dieser Erkrankung zu veranlassen (vgl. ähnlich BVerfG, Beschluss vom 16.09.2022 - 1 BvR 1807/20, juris Rn. 54).

Ausgehend von der Annahme, dass keine Glutarazidurie Typ I vorliegt, ist die Angabe des Sachverständigen Dr. A. nachvollziehbar, dass keine plausible Erklärung für die jüngere subdurale Blutung vorliegt. Auch erscheint es plausibel, dass es - wie Dr. A. vor dem Amtsgericht mündlich erläutert hat - zu mehrzeitigen subduralen Blutungsereignissen gekommen sein muss, da sowohl Hygrome vorhanden waren, die sich erst durch die Lyse (den Zerfall) eines Hämatoms entwickeln, als auch eine Blutung festgestellt wurde, die nach der Aussage von Dr. A. nicht älter als eine Woche war. Selbst wenn sich bereits aufgrund einer etwaigen pränatalen oder perinatalen subduralen Blutung Hygrome entwickelt haben können, was aufgrund der Ausführungen der beiden medizinischen Sachverständigen insbesondere in Anbetracht der vorhandenen Hämosiderinauflagerungen durchaus möglich ist, so ist dadurch die zusätzlich festgestellte jüngere Blutung nicht zu erklären.

Soweit Prof. P. angibt, es könne durch die Krampfanfälle und das Erbrechen zu Einblutungen in die vorbestehenden Hygrome gekommen sein, erscheint dies mangels einer Gerinnungsstörung und mangels Glutarazidurie Typ I nicht plausibel. So hat auch der Sachverständige Dr. A. in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht erklärt, weder das gehäufte Erbrechen noch das Überfahren einer Bodenwelle könne ursächlich für die Subduralblutung sein. Eine anderweitige Erklärung für die jüngere Blutung ist nicht ersichtlich und findet sich auch nicht in den Ausführungen von Prof. P..

Im Ergebnis besteht zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die bei A. festgestellten Verletzungen auf einem Schütteltrauma beruhen. Jedenfalls liegen insoweit konkrete Anhaltspunkte vor, die es im Rahmen der Prüfung von Maßnahmen zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung erforderlich machen davon auszugehen, dass es zu einem mehrfachen Schütteln durch jedenfalls einen der Elternteile gekommen ist.

2.

Selbst wenn A. von ihren Eltern im Zeitraum zwischen ihrer Geburt am TT.MM.2022 und dem 16.11.2022 mehrfach geschüttelt worden sein sollte, so erfordert die Sicherstellung des Kindeswohls vorliegend aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles gleichwohl keine Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von den Eltern. Vielmehr kann eine künftige erneute Kindeswohlgefährdung mit hinreichender Sicherheit auch durch anderweitige Maßnahmen vermieden werden. Dies beruht auf den folgenden Erwägungen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann aus der Feststellung, dass ein Säugling durch ein schweres Erziehungsversagen und eine bewusst gesteuerte Handlung eines Elternteils schweren gesundheitlichen Schaden genommen hat, der Schluss gezogen werden, dass bei der Betreuung durch die Eltern mit ziemlicher Sicherheit mit weiteren ähnlichen Verletzungen des Kindes zu rechnen ist (BVerfG, Beschluss vom 16.09.2022 - 1 BvR 1807/20, juris Rn 59). Umgekehrt setzt eine Rückkehr des Kindes in die Obhut der Eltern eine hohe Prognosesicherheit voraus, dass es nicht erneut zu erheblichen, unumkehrbaren Schäden kommt (BVerfG, a.a.O. Rn. 43). In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der betroffene Säugling nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Frankfurt innerhalb der ersten drei Lebensmonate zunächst einen vom Vater durch eine Gewalteinwirkung mit massivem Kraftaufwand verursachten Spiralbruch des Oberschenkels erlitten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.03.2020 - 6 UF 131/18, juris Rn. 160 ff.) und einige Wochen später ein Subduralhämatom, welches entweder durch ein Schütteltrauma oder durch einen Sturz aus mindestens 90 cm Höhe verursacht worden war (OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 174 ff.). Bei dieser Sachlage hat das BVerfG angesichts der Schwere der durch weitere Verletzungen drohenden Schäden keine weitergehenden Feststellungen zum Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und auch keine weitergehende Konkretisierung möglicher Verletzungshandlungen als geboten erachtet (BVerfG, a.a.O.).

Dennoch bleibt es im Grundsatz auch bei einer nachgewiesenen Misshandlung dabei, dass zu prüfen ist, ob prognostisch mit erheblichen weiteren, gleichartigen Schädigungen zu rechnen ist, um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen. Allein die abstrakte Wiederholungsgefahr, die im Falle von Misshandlungen mit 30 bis 40 % in einem Zeitraum von drei bis sechs Jahren beschrieben wird, genügt insoweit nach der Würdigung des Senats nicht in jedem Fall (vgl. auch Billhardt, Anm. zu BVerfG 1 BvR 1807/20, FamRZ 2023, 55, 56). Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls sowie die Art und Schwere der stattgefundenen und ggf. zu befürchtenden Verletzungen zu berücksichtigen. Selbst schwere Verletzungen müssen einer Rückführung nicht allgemein entgegenstehen, sofern die Gefährdungslage in der Herkunftsfamilie beseitigt ist (Grüneberg/Götz, BGB, 83. Auflage 2024, § 1666 Rn. 14; OLG Frankfurt, 18.04.2018 - 4 UF 240/17, juris Rn. 15 f.). Wiegt der drohende Schaden weniger schwer, so steigen die an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellenden Anforderungen.

Vorliegend bestehen - abgesehen von dem unterstellten Schütteln des Kindes - keine Anhaltspunkte dafür, dass es auch in Zukunft zu weiteren, ähnlich schwerwiegenden Verletzungen des Kindes durch seine Eltern kommen wird. Das Risiko einer erneuten körperlichen oder psychischen Misshandlung des Kindes durch die Eltern ist nach der derzeitigen Erkenntnislage zwar nicht vollständig auszuschließen, führt aber - unter Berücksichtigung der Schwere möglicher Verletzungsfolgen sowie des Grads der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gefährdung - insgesamt nicht dazu, dass zur Gefahrabwendung eine dauerhafte Fremdunterbringung des Kindes erforderlich ist.

a) Insoweit ist zunächst zu beachten, dass die Gefahr eines erneuten Schütteltraumas mittlerweile aufgrund des Alters des Kindes zwar nicht vollständig entfallen, aber nach den Ausführungen beider medizinischer Sachverständigen jedenfalls deutlich gesunken ist. Die meisten Fälle treten nach Angabe von Dr. A. in seiner Stellungnahme vom 03.04.2024 im Alter von unter einem Jahr auf, bei Kindern im Alter von mehr als zwei Jahren werden in der Literatur nur noch wenige Fälle beschrieben. Ähnlich hat sich auch Prof. P. in seiner Stellungnahme vom 09.04.2024 geäußert, in der er ausgeführt hat, Schütteltraumata träten am häufigsten im Zusammenhang mit heftigem und wiederholtem Schreien von Säuglingen im Alter von vier bis acht Monaten auf.

Auch der Sachverständige P. hat zu den begünstigenden Faktoren für ein Schütteltrauma in seinem Ergänzungsgutachten vom 08.04.2024 nachvollziehbar erläutert, dass insbesondere für Säuglinge, die anhaltend schreien und sich schwer beruhigen lassen, die erhöhte Gefahr bestehe, dass Eltern diese im Affekt hochreißen und heftig schütteln. Dies gelte besonders, wenn Eltern zu Affektdurchbrüchen neigen und selbst über längere Zeit nicht zum Schlafen kämen, so dass bei ihnen die Nerven blank lägen. Mit der Wiederholung einer derartigen Situation ist schon deshalb nicht mehr zu rechnen, weil A. kein Säugling mehr ist, nachts durchschläft und kein Schreiverhalten mehr zeigt. Damit besteht eine hohe Prognosesicherheit dafür, dass es nicht zu einem erneuten Schütteltrauma kommen wird.

b) Im Vergleich zu dem Schütteln eines Säuglings haben etwaige sonstige vorliegend in Betracht zu ziehende körperliche Übergriffe voraussichtlich keine ebenso schwerwiegenden, potenziell lebensgefährlichen Folgen. So hat der Sachverständige P. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat plausibel erläutert, dass sich die Art der Kindeswohlgefährdung mit zunehmendem Alter des Kindes weg von einer lebensbedrohlichen Verletzung und hin zu einer psychischen Belastung, etwa durch Schläge oder auch verbale Gewalt entwickele. Angesichts dessen rechtfertigt das - unterstellte - Schütteln von A. in der Vergangenheit nach der Würdigung des Senats nicht die Annahme, dass es auch künftig durch anderweitige Gewaltanwendung eines Elternteils zu gravierenden körperlichen Schädigungen des Kindes kommen könnte. Dabei ist insbesondere zu bedenken, dass das Schütteln eines Säuglings keine erhebliche Krafteinwirkung erfordert. Dies unterscheidet das Schütteln von anderweitiger erheblicher körperlicher Gewalt, die zu schwerwiegenden Verletzungen wie etwa Knochenbrüchen, Hirnschädigungen oder inneren Blutungen führt. Anhaltspunkte dafür, dass ein Elternteil von A. zu derartig massiven Gewaltdurchbrüchen neigt, sind nicht ersichtlich. Insoweit weicht der hiesige Sachverhalt von der Konstellation ab, über die das Bundesverfassungsgericht zu befinden hatte und in der es nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Frankfurt neben einem Subduralhämatom auch zu einem durch massive Gewalteinwirkung des Vaters verursachten Oberschenkelspiralbruch des Säuglings gekommen war (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.03.2020 - 6 UF 131/18, juris Rn. 160 ff.; BVerfG, Beschluss vom 16.09.2022 - 1 BVR 1807/20, juris Rn. 43 und 59). Damit unterscheiden sich Art und Schwere der vorliegend in Betracht zu ziehenden künftigen Gefährdung des Kindeswohls deutlich von der in Folge des - unterstellten - Schüttelns eingetretenen Schädigung.

c) Ferner besteht vorliegend im Unterschied zu der vom Oberlandesgericht Frankfurt festgestellten Fallkonstellation auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Eltern im Falle einer unfallbedingten Verletzung oder sonstigen behandlungsbedürftigen Erkrankung ihrer Tochter nicht unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen würden. Vielmehr haben sie ihre Tochter ausweislich der vom Klinikum ./. dokumentierten Angaben nach dem Auftreten von alarmierenden Symptomen in Form von Zuckungen am frühen Nachmittag des 16.11.2022 unverzüglich in die Klinik gebracht. Dass sie nicht bereits am Vortag, als A. nach ihrer Angabe zunächst besonders spitz geschrien habe und dann auffällig erschlafft sei, mit ihr in die Klinik gefahren sind, kann ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, da diese Symptome nicht derart spezifisch erscheinen, dass jedem verantwortungsbewussten Elternteil die Erforderlichkeit einer sofortigen ärztlichen Abklärung und ggf. Behandlung deutlich wird. Soweit in dem Jugendamtsbericht vom 19.01.2023 angegeben ist, die Eltern hätten im Gespräch geäußert, A. habe bereits am 14.11.2022 Auffälligkeiten gezeigt, erscheint nicht ausgeschlossen, dass es sich um ein Missverständnis oder um eine versehentliche Falschangabe handeln. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vom Klinikum ./. dokumentierten Angaben vom 16.11.2022 nicht zutreffen, liegen nicht vor.

d) Die verbleibende Gefahr einer sonstigen Schädigung des Kindes durch Affektdurchbrüche eines Elternteils steht einer Rückkehr des Kindes in die Obhut seiner Eltern vorliegend nicht entgegen.

aa) Dem Senat ist bewusst, dass das Verhalten eines Kleinkindes im Alter von eineinhalb Jahren für den betreuenden Elternteil eine ebenso große Herausforderung darstellen kann wie das eines Säuglings. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass A. nach den Schilderungen der Bereitschaftspflegeeltern ein sehr lebhaftes Kind mit einem ausgeprägten Trotzverhalten ist. Zudem werden im Verlauf der Betreuung und Erziehung des Kindes mit hoher Wahrscheinlichkeit noch anderweitige Stresssituationen für die Eltern eintreten. Insoweit ist im Einklang mit den mündlichen Ausführungen des Sachverständigen P. die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass es bei Auftreten ähnlicher Umstände wie derjenigen, die zu dem Schütteln des Kindes geführt haben, erneut zu erheblichen aggressiven Entäußerungen in Form von körperlichen oder auch psychischen Misshandlungen kommen kann. Bei der insoweit anzustellenden Prognose sind auch die vom Sachverständigen P. festgestellten Persönlichkeitsmerkmale des Vaters mit einzubeziehen. Der Sachverständige hat plausibel ausgeführt, dass bei Menschen, die zur Rationalisierung neigen und um ständige Affektkontrolle bemüht sind, eine größere Gefahr unkontrollierter Affektentladungen besteht als bei Menschen, die ein sozialverträgliches Ausleben von Affekten im Alltag gewohnt sind. Hinzu kommen die vom Sachverständigen gesehenen narzisstischen Anteile der Persönlichkeitsstruktur des Vaters, die er nachvollziehbar mit dessen Anamnese begründet hat, die von Abbrüchen, Wechseln und Schuldzuweisungen an Dritte sowie der Betonung eigener Leistungen bzw. eigener Überheblichkeit geprägt ist.

bb) Der danach fortbestehenden körperlichen und seelischen Gefährdung des Kindeswohls kann jedoch auch durch mildere Maßnahmen als einer Fremdunterbringung wirksam begegnet werden. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Ursachen und Begleitumstände des Schüttelns vorliegend nicht bekannt sind, womit es schwieriger ist, festzustellen, inwieweit die Lebensbedingungen des Kindes und der Eltern verändert werden müssen, damit die Risikofaktoren für körperlich aggressive Reaktion der Eltern auf ein sie stressendes kindliches Verhalten beseitigt werden. Gleichwohl ist es nach der Würdigung des Senats möglich, diese Risikofaktoren u. a. durch Jugendhilfemaßnahmen so weit zu minimieren, dass eine ausreichend hohe Prognosesicherheit dafür besteht, dass es künftig zu keinen weiteren Übergriffen der Eltern gegen ihre Tochter kommen wird.

So besteht zum einen die Möglichkeit, durch die äußeren Lebensbedingungen von Eltern und Kind dazu beizutragen, dass eine Kumulation verschiedener Stressoren vermieden wird. Zum anderen können die Eltern durch geeignete therapeutische und pädagogische Maßnahmen erlernen, besser mit Stresssituationen umzugehen und sich hierfür geeignete Handlungsstrategien aneignen.

Der Senat erachtet insoweit den nochmaligen Aufenthalt in einer Eltern-Kind-Einrichtung als geeignete Maßnahme. Hierdurch können Überforderungssituationen der Eltern vermieden werden, da sie dort in etwaigen Stresssituationen die benötigte Anleitung und Unterstützung erfahren. Gleichzeitig wird das Risiko erneuter Affektdurchbrüche durch die in einer Einrichtung gegebene Kontrolle der Eltern erheblich minimiert, wenn nicht gar beseitigt. Auch der Sachverständige P. hat während seiner mündlichen Befragung bestätigt, dass die von einem übermäßig gestressten Elternteil ausgehende Gefahr für das Kind abgemildert werden kann, wenn dieser in Umständen lebt, in denen die Stressfaktoren durch andere Faktoren aufgefangen werden können, was in einer Eltern-Kind-Einrichtung der Fall ist. Eine ununterbrochene Anwesenheit Dritter erachtet der Senat dabei für die Abwendung von Gefährdungssituationen nicht als erforderlich, da mittlerweile keine ernstzunehmende Gefahr eines erneuten Schütteltraumas mehr besteht und zudem durch technische Hilfsmittel wie Babyphone auch nachts eine Überwachung und erforderlichenfalls ein Eingreifen seitens des Fachpersonals gewährleistet werden kann. Zudem hat sich im Rahmen der durch die Bereitschaftspflegeeltern begleiteten Umgangskontakte bereits gezeigt, dass die Eltern auch ohne Hilfe Dritter jederzeit in der Lage sind, ihre Tochter zu versorgen und sich liebevoll und fürsorglich um diese zu kümmern. Auch nach mehrstündigen und teils tageweisen unbegleiteten Umgängen haben die Bereitschaftspflegeeltern keine Verhaltensauffälligkeiten des Kindes beobachtet.

Gleichzeitig können die Eltern in einer Einrichtung durch pädagogische Angebote Strategien erlernen, um mit etwaigen Stresssituationen und Aggressionen umzugehen, die durch das Verhalten ihres Kindes in ihnen hervorgerufen werden. Dies erscheint insbesondere in der bevorstehenden Trotzphase des Kindes sehr wichtig. So können sie sich in einer Übergangsphase auf die erhöhten Anforderungen der Betreuung ihrer Tochter im eigenen Haushalt vorbereiten.

Dafür, dass eine derartige pädagogische Intervention mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen wird, spricht das während des ersten dreimonatigen Aufenthalts in einer Eltern-Kind-Einrichtung sowie auch während der Umgänge beobachtete zugewandte und fürsorgliche Verhalten der Eltern sowie deren Offenheit für Anregungen und Ratschläge der Fachleute. Ferner haben die Eltern durch die zuverlässige Wahrnehmung sämtlicher ihnen gewährter Umgangskontakte und auch durch ihre Bereitschaft, sich erneut auf eine stationäre Jugendhilfemaßnahme einzulassen, gezeigt, dass das Wohl ihrer Tochter für sie an oberster Stelle steht und sie bereit und in der Lage sind, eigene Bedürfnisse hinter denen des Kindes zurückzustellen.

Der Prognose, dass es beiden Eltern gelingen wird, Strategien zu erlernen, um künftig gegen ihre Tochter gerichtete Affektdurchbrüche zu vermeiden, stehen auch nicht die vom Sachverständigen P. festgestellten Persönlichkeitsmerkmale des Kindesvaters entgegen. Denn der Sachverständige hat diesbezüglich ausgeführt, dass die Möglichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung besteht, deren Erfolg wesentlich von der Behandlungsmotivation abhängt. Insoweit haben beide Eltern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft versichert, zu einer therapeutischen Behandlung bereit zu sein. Daher ist die Annahme gerechtfertigt, dass eine Psychotherapie dem Vater helfen kann, Affekte in sozialverträglicher Weise auszuleben, um unkontrollierte Durchbrüche zu vermeiden. Dafür, dass der Vater hierzu grundsätzlich in der Lage ist, spricht die von ihm selbst gegenüber dem Sachverständigen P. ausweislich des Gutachtens vom 08.04.2024 beschriebene Situation, als er aus Wut einen Schraubenzieher auf den Tisch gehämmert habe (S. 10 des Gutachtens).

Ein Schuldeingeständnis der Eltern erachtet der Senat nicht als unabdingbare Voraussetzung für einen Therapieerfolg. Insbesondere ist das Vorliegen einer Behandlungsmotivation davon nicht abhängig. Ein für das Schütteln verantwortlicher Elternteil kann vielmehr über sein Verhalten erschrocken sein und alles dafür tun wollen, um künftig jegliche von ihm ausgehende Gefährdung seines Kindes zu vermeiden, auch ohne dies anderen gegenüber zu äußern. Zudem kann der andere Elternteil im Rahmen einer Therapie daran arbeiten, seine eigene Schutz- und Kontrollfunktion zu stärken.

Die Annahme, dass ein Elternteil A. mehrfach geschüttelt hat, erlaubt für sich genommen auch nicht die Schlussfolgerung, dass dieser grundsätzlich nicht in der Lage ist, sich empathisch in das Erleben eines kleinen Kindes einzufühlen. Hier kann eine mangelnde Empathiefähigkeit insbesondere nicht darauf gestützt werden, dass nach einem ersten Schütteln kein Lernerfolg eingetreten ist. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass sich vor dem 16.11.2022 bereits auffällige Symptome bei A. gezeigt haben. So stellt das von den Eltern beschriebene Erbrechen des Kindes während der am TT.11.2022 erfolgten U3-Untersuchung kein derart eindeutiges Symptom einer Hirnschädigung dar, dass der verantwortliche Elternteil dies als Folge seines Schüttelns einordnen musste. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die U3 ansonsten unauffällig verlief. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte muss daher die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass dem für das Schütteln verantwortlichen Elternteil erst nach der Feststellung der Subduralblutungen bewusst wurde, welche schwerwiegenden Folgen sein Handeln hatte.

Allein der Umstand, dass der im Zusammenhang mit dem sog. Kindchen-Schema stehende Beschützerinstikt mit dem Schütteln eines Säuglings mehrfach überwunden wurde, schließt nicht aus, dass die Eltern es durch pädagogische und therapeutische Maßnahmen lernen können, die kindlichen Signale besser zu verstehen und im Falle auftretender Aggressionen diese nicht gegen das Kind zu richten, sondern ihre Affekte anderweitig zu entladen. Ferner hat sich nach den Schilderungen der Bereitschaftspflegeeltern während der von ihnen begleiteten Umgangskontakte gezeigt, dass es den Eltern gelingt, sich angemessen und altersgerecht mit ihrer Tochter zu beschäftigen, dabei auf deren Bedürfnisse einzugehen und sie auch zu beruhigen, ohne dabei selbst aufgeregt oder ungeduldig zu wirken. Ähnliches wurde ausweislich des Abschlussberichts auch bereits während des ersten Aufenthalts in einer Eltern-Kind-Einrichtung im vergangenen Jahr beobachtet.

Soweit der Sachverständige bei den Eltern Anhaltspunkte für ein eingeschränktes Gefahrenbewusstsein sieht, kann auch diese Thematik im Rahmen einer stationären Eltern-Kind-Maßnahme bearbeitet werden. Dabei können die Eltern sowohl allgemein als auch konkret in Bezug auf den Umgang mit ihrem Hund im Hinblick auf mögliche Gefahrensituationen für A. sensibilisiert werden.

Die Überzeugung des Senats von der Ernsthaftigkeit der von den Eltern erklärten Bereitschaft zur Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen wird dadurch gestützt, dass diese den erforderlichen Jugendhilfeantrag sowie die vom Jugendamt benötigte Schweigepflichtentbindungserklärung bereits unterzeichnet haben und nach einem Kennlerntermin sogar bereits in die Einrichtung S. in B. eingezogen sind.

Insgesamt ist die Prognose gerechtfertigt, dass die Eltern während des nunmehrigen weiteren Aufenthalts in einer Eltern-Kind-Einrichtung sowie mit Hilfe einer parallel durchgeführten psychotherapeutischen Behandlung ihre Erziehungsfähigkeit, insbesondere den Umgang mit Stresssituationen und auftretenden Affekten, dahingehend verbessern werden, dass sie ihre Tochter anschließend mit ambulanter Unterstützung im eigenen Haushalt betreuen können, ohne dass damit eine Kindeswohlgefährdung verbunden sein wird.

Dabei entspricht es dem Kindeswohl von A. besser, bereits jetzt zu ihren Eltern zurückzukehren als abzuwarten, bis diese mit einer therapeutischen Behandlung begonnen und weitere Maßnahmen zur Stärkung ihrer Erziehungsfähigkeit ergriffen haben. Diesbezüglich ist im Rahmen der durchzuführenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, dass A. in ihrer derzeitigen Bereitschaftspflegestelle nur noch kurze Zeit verbleiben könnte, weshalb ihr ohnehin ein Aufenthaltswechsel bevorstünde. Ein Wechsel in die Obhut ihrer Eltern hat den Vorteil, dass A. zu ihnen aufgrund der regelmäßigen, engmaschigen Umgangskontakte bereits eine gute Beziehung hat. Für ihre weitere Bindungsentwicklung ist es daher vorteilhaft, dass sie daran anknüpfen und diese Beziehung festigen kann, wohingegen sie sich in einer neuen Pflegestelle an ganz neue Hauptbezugspersonen gewöhnen müsste.

Nach alledem erachtet der Senat es zur künftigen Sicherstellung des Kindeswohls als ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Eltern sich vorübergehend erneut mit ihrer Tochter in eine Eltern-Kind-Einrichtung begeben und dort so lange verbleiben, wie es von den Fachkräften der Einrichtung und des Jugendamts für erforderlich gehalten wird. Im Anschluss daran wird ambulante Unterstützung, etwa in Form von sozialpädagogischer Familienhilfe, in Anspruch zu nehmen sein. Darüber hinaus sollte A. zeitnah in einer Krippe angemeldet werden, zum einen um die Eltern nach der Rückkehr in ihren eigenen Haushalt zu entlasten und dadurch Überforderungen zu vermeiden und zum anderen um eine möglichst weitreichende Kontrolle des Wohlergehens des Kindes zu gewährleisten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Da im vorliegenden Verfahren der Kinderschutz im Vordergrund steht, entspricht es der Billigkeit, von der Erhebung von Gerichtskosten sowie der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten abzusehen.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Entscheidung beruht vielmehr auf den besonderen Umständen des Einzelfalls, wobei die zu Grunde liegenden Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind.