Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.08.2003, Az.: 222 Ss 59/03 (Owi)
Fehlmessung des Atemalkohols mit einem Messgerät; Fahrlässiges ordnungswidriges Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss; Fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.08.2003
- Aktenzeichen
- 222 Ss 59/03 (Owi)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 14353
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0818.222SS59.03OWI.0A
Rechtsgrundlage
- § 25 Abs. 2a StVG
Fundstellen
- Blutalkohol 2004, 267-268
- NZV 2004, 318-319 (Volltext mit amtl. LS)
- VRA 2003, 178
- ZAP 2003, 992
Verfahrensgegenstand
eine Verkehrsordnungswidrigkeit
Amtlicher Leitsatz
Lässt sich im Einzelfall eine Fehlmessung des Atemalkohols mit dem Messgerät "Alcotest 7110 Evidenzial" der Firma Dräger ausschließen, ist die Einhaltung der Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende ohne Bedeutung.
In der Bußgeldsache
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts ####
vom 15. Januar 2003 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und
die Richter am Oberlandesgericht ####### und #######
am 18. August 2003 nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 stop
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen ordnungswidrigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss zu einer Geldbuße von 250,00 EUR und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt; die Privilegierung des § 25 Abs. 2 a StVG ist angeordnet worden.
Der Betroffene erhebt mit seiner Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung allein eine Verfahrensrüge. Er macht geltend, das Amtsgericht habe einen gestellten Beweisantrag fehlerhaft abgelehnt. Er habe zum Beweis der Tatsache, dass zwischen Trinkende und Messung mit dem Dräger Evidenzial 7110 (Atemalkoholmessgerät) mindestens 20 Minuten liegen müssen, Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt; das Amtsgericht habe den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich bei der aufgeworfenen Frage letztlich um eine Rechtsfrage handele, die vom Gericht geprüft werden könne.
In den Urteilsgründen ist festgestellt, dass der Betroffene am 21. Januar 2002 gegen 02:20 Uhr mit einer Atemalkoholkonzentration von mindestens 0,27 mg/l einen Pkw im Straßenverkehr gesteuert habe. Dieser (Mittel)Wert sei mit einem geeichten Atemalkoholmessgerät Alcotest 7110 Evidenzial der Firma Dräger festgestellt worden. Die Messung sei um 02:32 Uhr begonnen worden und um 02:39 Uhr beendet gewesen. Das Amtsgericht hat das Messergebnis für einwandfrei und zuverlässig gehalten.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die zulässig ausgeführte Verfahrensrüge ist unbegründet.
Dabei kann zu Gunsten des Betroffenen zu Grunde gelegt werden, dass das Amtsgericht den Beweisantrag des Betroffenen zu Unrecht abgelehnt hat.
Es ist jedoch auszuschließen, dass das angefochtene Urteil darauf beruht.
Die Messung entspricht den Anforderungen der aktualisierten Version der Gebrauchsanweisung Ordnungsnummer GA 4753.200 d, 3. Ausgabe vom März 2000, für das zum Einsatz gekommene Gerät (vgl. 2. Nachtrag zur Innerstaatlichen Bauartzulassung vom 17. Dezember 1998, datierend vom 20. April 2000, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig - Geschäftszeichen: 3.23-000283 59 -). Die Kontrollzeit von mindestens zehn Minuten ist eingehalten. Die erste Messung um 02:34 Uhr ergab laut Urteil eine Atemalkoholkonzentration von 0,264 mg/l, die zweite Messung um 02:37 Uhr einen Einzelwert von 0,282 mg/l. Die Einzelmessungen sind also in einem Zeitabstand von weniger als fünf Minuten erfolgt; die Spreizung zwischen den Einzelmessergebnissen ist deutlich kleiner als 0, 04 mg/l oder 10 % des Mittelwertes der Einzelmessergebnisse.
Nicht eingehalten ist allerdings die Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende, siehe Nr. 2.1.2 2. Absatz der gemeinsamen Verfügung d. MJ, d. MI, d. MFAS, d. MW u. d. MWK vom 18. Oktober 1999 zur Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten pp. - NdsRpfl. 1999, 332, 333 (vgl. BGHSt. 46, 358, 367 [BGH 03.04.2001 - 4 StR 507/00]; OLG Hamm NZV 2002, 414, 415; OLG Zweibrücken DAR 2002, 279, 280 [OLG Zweibrücken 27.09.2001 - 1 Ss 212/01]; siehe aber auch BayObLG, Beschluss vom 5. März 2003 - 1 ObOWi 9/03 -). Doch schließt dies die Verwertung des im konkreten Fall erzielten Messergebnisses ohne Sicherheitsabschlag nicht aus. Dieses kann vielmehr unbedenklich zu Grunde gelegt werden. Der Senat ist auf der Grundlage eines ihm vorliegenden, in anderer Sache und gegenüber einem anderen Gericht erstatteten Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Prof. Dr. #### aus ##### vom 10. Juni 2003 genügend sachkundig, um dies zuverlässig zu beurteilen zu können. Nach diesem überzeugenden Gutachten hat - kurz zusammengefasst - die Wartezeit zwei Funktionen: Sie soll unnötige Fehlmessungen durch zu große Spreizung der Einzelmessergebnisse vermeiden; außerdem hat sie Bedeutung für ein definiertes Verhältnis von Atemalkoholkonzentration zu Blutalkoholkonzentration. Letzteres ist durch den vom Gesetzgeber festgelegten selbstständigen Wert einer Atemalkoholkonzentration, ab dem ein Ordnungswidrigkeitentatbestand eingreift, bedeutungslos geworden. Erstere Funktion ist im zu entscheidenden Fall nicht betroffen, weil die Einzelmesswerte in einem Bereich liegen, der ihre Verwertung durch Bildung eines Mittelwertes ohne Weiteres erlaubt. Ein Ausschluss des Einflusses von Mundrestalkohol ist durch die hier beachtete Kontrollzeit gewährleistet.
Der Betroffene hat rechtliches Gehör gehabt. Seine Äußerung vom 14./18. August 2003 hat dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen.
III.
Der Senat ist nicht gehalten, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung BGHSt. 46, 358, die Sache nach § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Die Vorlagepflicht gilt nur für Rechtsfragen. Mit seiner Entscheidung trifft der Senat jedoch eine Tatsachenentscheidung in einem Einzelfall. Eine Aussage über die rechtlichen Anforderungen an die Darlegung zu Atemalkoholmessergebnissen bei Tatrichterentscheidungen, die § 24 a StVG betreffen, ist damit nicht verbunden.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.
Der Betroffene wird darauf hingewiesen, dass er sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar macht, wenn er nach Ablieferung des Führerscheins oder vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft, also nach dem 18. Dezember 2003, ein Kraftfahrzeug führt, dass die Fahrverbotsfrist aber erst vom Tage der Ablieferung des Führerscheins bei der Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft #######) an gerechnet wird, § 25 Abs. 5 Satz 1 StVG.