Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.08.2003, Az.: 22 Ss 101/03
Änderung eines Rechtsfolgenausspruches durch das Revisionsgericht; Ermessen über die Art und Höhe der Rechtsfolge
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.08.2003
- Aktenzeichen
- 22 Ss 101/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 18043
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2003:0818.22SS101.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 349 Abs. 2 StPO
- § 354 Abs. 1 StPO
Fundstelle
- NStZ-RR 2004, 142 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Diebstahl
In der Strafsache
wegen Diebstahls
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts ... vom 24. März 2003
auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 18. August 2003 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens. Die Rechtsmittelgebühren werden um jeweils ein Viertel ermäßigt; in dieser Höhe trägt die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten in den Rechtsmittelinstanzen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht ... hatte den Angeklagten am 16. Dezember 2002 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten verworfen.
Nach den Feststellungen entwendete der vorwiegend wegen Straßenverkehrsdelikten sowie Betruges vorbelastete Angeklagte am 27. April 2002 gegen 15:15 Uhr in den Verkaufsräumen der Firma ... in ... zwei Tuben "Uhu-Sekundenkleber" im Wert von 5,99 EUR bzw. 5,19 EUR., die der Angeklagte noch im Geschäft dem Detektiv zurückgab.
Die Strafkammer hat - nach Erörterung von § 47 Abs. 1 StGB - eine Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten insbesondere deshalb für tat- und schuldangemessen angesehen, weil der Angeklagte bereits in erheblichem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und die fragliche Tat nur zehn Tage nach einer vorangegangenen Verurteilung durch das Amtsgericht ... vom 17. April 2002 begangen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, der die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.
II.
Das Rechtsmittel des Angeklagten hat nur teilweise Erfolg.
1.
Die Verfahrensrüge ist nicht in zulässiger Weise ausgeführt. Die auf die Sachrüge hin durchzuführende Überprüfung des Urteils deckt zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insoweit hat der Senat die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2.
Der Rechtsfolgenausspruch hält hingegen sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts. Das Revisionsgericht kann insoweit u.a. nur einschreiten, wenn sich z.B. die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, ein gerechter Schuldausgleich zu sein, also unvertretbar hoch oder niedrig ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 46 Rdnr. 108 m.w.N.).
Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Monaten im vorliegenden Fall keinen Bestand haben. Sie erscheint auch unter Berücksichtigung der Vorbelastungen des Angeklagten sowie der hohen Rückfallgeschwindigkeit im Hinblick auf den Wert der entwendeten Gegenstände von insgesamt 11,18 EUR als unvertretbar hoch. Dabei verkennt der Senat nicht, dass bereits Diebstahlstaten von Waren bzw. Gegenständen geringen Wertes durchaus die Ahndung durch eine mehrmonatige Freiheitsstrafe gebieten können (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1986, S. 512 f.) und diese auch nicht aus sich selbst heraus gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtstaatsprinzip verstoßen würde. Aus diesem Gebot ergibt sich nicht, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe gem. § 47 StGB erst ab einer bestimmten Schadenshöhe in Betracht kommt. Diese Beurteilung hat das Bundesverfassungsgericht (Kammerbeschluss vom 9. Juni 1994 - 2 BvR 710/94 -, bei juris Web, Nr. KVRE253149401) in einem Fall bestätigt, in dem der Beschwerdeführer wegen Zechbetrugs in Höhe von 13,60 DM sowie wegen Diebstahls von Waren im Wert von 1,40 DM zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war. Die entgegenstehende Auffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig (NdsRpfl. 2002, S. 60 f.), wonach eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten für den Ladendiebstahl einer Ware im Werte von 5,00 DM auch nach Verbüßung zahlreicher einschlägiger Freiheitsstrafen nicht mehr als gerechter Schuldausgleich anzusehen sei und gegen das Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit verstoße (ähnlich OLG Zweibrücken StV 1993, S. 30 f.), teilt der Senat nicht.
Im vorliegenden Fall belasten den Angeklagten zwar zahlreiche Vorstrafen aus den Jahren 1980 bis 2002 wegen überwiegend Straßenverkehrsstraftaten und Vermögensdelikten, Bewährungsversagen sowie die hohe Rückfallgeschwindigkeit. Mit einem Diebstahlsdelikt ist der Angeklagte allerdings bislang nicht in Erscheinung getreten, er hat zudem Freiheitsstrafe bisher noch nicht verbüßt. Insgesamt lässt sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände die Verhängung einer Freiheitsstrafe von drei Monaten nicht rechtfertigen und erscheint unvertretbar hoch.
Der Zurückverweisung der Sache bedarf es hier jedoch nicht, weil einer jener Ausnahmefälle vorliegt, in denen das Revisionsgericht den Rechtsfolgenausspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst ändern kann (vgl. KK-Kuckein, StPO, 4. Aufl., § 354 Rdnr. 19 m.w.N.). In nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht bereits ausgeführt, dass auch unter Prüfung der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich ist. Diese Freiheitsstrafe ist durch den Senat auf die niedrigstmögliche Strafe von einem Monat herabzusetzen, weil die konkrete Verfahrenslage jedes Ermessen über die Art und Höhe der Rechtsfolge ausschließt. Unter Berücksichtigung aller Umstände - auch der drohenden Möglichkeit des Widerrufs der Strafaussetzungen - ist zudem ausgeschlossen, dass das Landgericht angesichts der vorliegenden negativen Prognose zu einer erneuten Strafaussetzung zur Bewährung gelangen könnte, sodass der Senat auch insoweit nach § 354 Abs. 1 StPO entsprechend entscheiden kann, dass es bei der Versagung der Strafaussetzung verbleibt.
3.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.