Sozialgericht Stade
Urt. v. 05.10.2020, Az.: S 28 AS 352/18

Klage gegen die Festsetzung des Leistungsanspruchs auf Null sowie gegen die daraus resultierende Erstattungsforderung

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
05.10.2020
Aktenzeichen
S 28 AS 352/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 39761
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Kläger wehren sich gegen die Festsetzung ihres Leistungsanspruchs auf Null sowie gegen die daraus resultierende Erstattungsforderung. Der im Jahr 1967 geborene Kläger zu 1. ist seit 2010 selbstständig mit einem Dienstleistungsunternehmen (Kleintransporte, Umzugshilfe, Haushaltsauflösungen, Entrümpelung, Entsorgungen und Fahrzeugüberführungen). Die Klägerin zu 2. wurde 1982 geboren, erzielt Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Reinigungskraft in geringfügiger Höhe und ist die Lebensgefährtin des Klägers zu 1. Den Klägern wurden in der Vergangenheit jeweils vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und der Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) regelmäßig für sechs Monate gewährt; nach Ablauf der Leistungszeiträume erfolgte jeweils die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs. Der Kläger zu 1. beantragte am 29. Juni 2017 für sich und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Klägerin zu 2. die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab Juli 2017. Er legte die Anlage EKS (Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit) mit den prognostischen Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 vor. Der Beklagte bewilligte den Klägern durch Bescheid vom 4. September 2017 vorläufige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017. Am 22. November 2017 erklärte der Kläger zu 1. gegenüber dem Beklagten, dass "[er] ab dem 01.11.2017 [seinen] am 29. Juni 2017 gestellten Antrag auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch widerrufe." Zugleich legte er eine weitere Anlage EKS mit prognostischen Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 vor, aus denen sich - insbesondere für die Monate November und Dezember 2017 - ein höherer Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit ergab. Der Beklagte zahlte den Klägern aufgrund der Erklärung des Klägers zu 1. die ursprünglich vorläufig gewährten Leistungen nach dem SGB II für die Monate November und Dezember 2017 nicht mehr aus. Am 20. Dezember 2017 erbat der Beklagte vom Kläger zu 1. bis zum 28. Februar 2018 die Vorlage der Anlage EKS mit abschließenden Angaben über die Einnahmen und Ausgaben aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers zu 1. für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017. Zugleich wies der Beklagte den Kläger zu 1. darauf hin, dass festgestellt werden müsste, dass für den Leistungszeitraum kein Leistungsanspruch bestand, wenn der Kläger seiner Nachweis- und Auskunftspflicht nicht nachkäme und die erforderlichen Unterlagen nicht oder nicht vollständig einreichen würde. An die Übersendung der Anlage EKS mit den abschließenden Angaben für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 wurde der Kläger ebenfalls unter Beifügung einer Rechtsfolgenbelehrung am 5. März 2018 seitens des Beklagten erinnert. Am 22. März 2018 legte der Kläger die Anlage EKS für den Zeitraum Juli bis Oktober 2017 beim Beklagten vor. Hieraus ergab sich ein Verlust in Höhe von insgesamt 6.431,78 EUR. Durch Bescheid vom 28. März 2018 stellte der Beklagte fest, dass für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 kein Leistungsanspruch bestanden hätte. Es wären trotz Aufforderung und Erinnerung keine Unterlagen über Einnahmen und Ausgaben aus der selbstständigen Tätigkeit für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 vorgelegt worden. Am gleichen Tag ergingen jeweils Erstattungsbescheide gegenüber den Klägern, mit welchen die Erstattung der für den Zeitraum Juli bis Oktober 2017 erbrachten vorläufigen Leistungen in Höhe von jeweils 954,92 EUR von den Klägern verlangt wurde. Die Kläger erhoben am 23. April 2018 Widerspruch. Am 23. Juli 2018 wies der Beklagte die Widersprüche der Kläger gegen die Bescheide vom 28. März 2018 zurück. Hiergegen haben die Kläger am 2. August 2018 - jeweils getrennt - Klage erhoben. Das Gericht hat beide Klagen durch Beschluss vom 27. Juli 2020 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Kläger sind der Meinung, dass die Nullfestsetzung für den gesamten Zeitraum Juli bis Dezember 2017 rechtswidrig wäre. Den Klägern wären zuvor zutreffend vorläufige Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden. Jedoch habe der Kläger zu 1. durch seine Erklärung vom 22. November 2017 seinen Leistungsantrag vom 29. Juni 2017 für den Zeitraum ab November 2017 widerrufen. Damit habe sich der Bewilligungszeitraum bis einschließlich Oktober 2017 verkürzt. Für November und Dezember 2017 wären den Klägern auch gar keine Leistungen ausgezahlt worden. Da der Leistungszeitraum aufgrund der Widerrufserklärung auf die Monate Juli bis Oktober 2017 verkürzt worden wäre, sei die Aufforderung des Beklagten gegenüber den Klägern, die Anlage EKS für den gesamten Zeitraum Juli bis Dezember 2017 vorzulegen, rechtswidrig. Der Beklagte könne lediglich die Anlage EKS mit den Zahlen für die Monate Juli bis Oktober 2017 verlangen und diese habe der Kläger zu 1. fristgerecht beim Beklagten eingereicht. Die endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs habe daher für die Monate Juli bis Oktober 2017 zu erfolgen; dies wäre dem Beklagten anhand der vom Kläger zu 1. eingereichten Unterlagen möglich gewesen und hätte wegen der Regelung des § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II erfolgen müssen.

Die Kläger beantragen,

  1. 1.

    die Bescheide des Beklagten vom 28. März 2018 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juli 2018 aufzuheben und

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für den Zeitraum Juli bis Oktober 2017 abschließende Leistungen nach dem SGB II in vorläufig gewährter Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beruft sich zur Begründung seines Antrags auf die seiner Auffassung nach zutreffenden Bescheide. Er ist der Meinung, dass die Leistungen nach dem SGB II für den gesamten Zeitraum Juli bis Dezember 2017 zu berechnen wären und dafür wären sowohl die Anlage EKS als auch die die Selbstständigkeit des Klägers zu 1. betreffenden Unterlagen für die Monate November und Dezember 2017 notwendig. Ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes könne, nachdem über den Antrag unanfechtbar entschieden worden wäre, nicht mehr zurückgenommen werden. Durch den Leistungsbescheid vom 4. September 2017 wäre der Leistungszeitraum Juli bis Dezember 2017 beschieden worden; dieser Bescheid wäre bestandskräftig geworden, weshalb eine Rücknahme des Antrags nicht mehr in Betracht komme. Es läge nicht in der Entscheidungsgewalt des Leistungsempfängers, den Bewilligungszeitraum für vorläufige Bewilligungen eigenmächtig zu verkürzen und damit erwartete hohe Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit von der Berechnung der zustehenden Leistungen auszunehmen. Denn die Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit wären gleichmäßig über den gesamten Bewilligungsabschnitt zu verteilen und anzurechnen. Niedrige Einnahmen zu Beginn des Zeitraums und hohe Einnahmen zum Ende hin führten nicht dazu, dass am Ende des Bewilligungszeitraums kein Leistungsanspruch mehr bestände, während dies zu Beginn des Zeitraums noch der Fall wäre. Ein Leistungsverzicht hingegen sei möglich, bewirke jedoch lediglich den Verzicht auf die Auszahlung von bewilligten Leistungen, nicht jedoch die Unwirksamkeit der Bewilligung selbst. Da sich der Kläger zu 1. geweigert hätte, die die Selbstständigkeit betreffenden Unterlagen auch für die Monate November und Dezember 2017 vorzulegen, wäre für den gesamten Zeitraum Juli bis Dezember 2017 festzustellen, dass kein Leistungsanspruch bestand. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die die Kläger betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 1 i.V.m. Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften Klagen sind zulässig, jedoch nicht begründet. Die Bescheide des Beklagten vom 28. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2018 erweisen sich als rechtmäßig und beschweren die Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs 2 SGG. Zu Recht hat der Beklagte für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 festgestellt, dass zugunsten der Kläger ein Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht bestand. Im Weiteren hat der Beklagte zu Recht die Erstattung der für Juli bis Oktober 2017 zu Unrecht erbrachten vorläufigen Leistungen in Höhe von insgesamt 1.909,84 EUR (= 2 x 954,92 EUR) verlangt. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Bescheide vom 28. März 2018 ist § 41a Abs 3 Sätze 3 und 4 i.V.m. Abs 6 Satz 2 und 3 SGB II. Nach § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden, wenn die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nachkommt. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand. Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären. Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten. Das gilt auch im Fall des Absatzes 3 Satz 3 und 4; § 41a Abs 6 SGB II. Für den hier streitigen Zeitraum Juli bis einschließlich Dezember 2017 war festzustellen, dass ein Leistungsanspruch der Kläger nicht bestand, denn die Kläger als ursprünglich Leistungsberechtigte im Sinne der §§ 7, 9 SGB II sind ihrer Nachweis- und Auskunftspflicht nicht nachgekommen. Die Auskunftspflicht resultiert für die Kläger aus § 60 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Danach hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Den Klägern waren ursprünglich vorläufige Leistungen nach dem SGB II gemäß § 41a Abs 1 Nr 1 SGB II gewährt worden. Der Kläger zu 1. ist mit einem Dienstleistungsunternehmen selbstständig tätig und erzielt hieraus Einkommen. Bei den Leistungen nach dem SGB II handelt es sich dem Grunde nach um Leistungen, die vom Einkommen der Leistungsberechtigten abhängig sind. Die Kläger haben ihr Einkommen und insbesondere das des Klägers zu 1. nachzuweisen. Dem ist gerade der Kläger zu 1. für die Monate November und Dezember 2017 jedoch nicht nachgekommen. Er hat weder bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens noch im hiesigen Klageverfahren die Anlage EKS mit den abschließenden Angaben über die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für den Zeitraum November und Dezember 2017 vorgelegt, wobei streitig ist, ob im Klageverfahren noch nachgereichte Unterlagen überhaupt noch Berücksichtigung finden können. Der Kläger zu 1. hat zudem für die Monate November und Dezember 2017 weder eine vollständig ausgefüllte und plausible Anlage EKS über seine selbstständigen Tätigkeiten eingereicht, noch hat er Nachweise über die Betriebseinnahmen und -ausgaben vorgelegt. Der Kläger zu 1. war verpflichtet, die Anlage EKS und die hierfür maßgeblichen Unterlagen auch für die Monate November und Dezember 2017 einzureichen. Der Kläger zu 1. hatte für die Bedarfsgemeinschaft zeitlich uneingeschränkte Leistungen beantragt. Der Beklagte hat mit der vorläufigen Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 4. September 2017 den Leistungszeitraum Juli bis Dezember 2017 bestandskräftig festgestellt. Der Kläger konnte seinen am 29. Juni 2017 gestellten Leistungsantrag nach der Bestandskraft nicht mehr zurücknehmen. Im Einzelnen: Mit seinem Antrag vom 29. Juni 2017 hat der Kläger zu 1. Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab Juli bis Dezember 2017 begehrt. Dies folgt für die Kammer zum einen aus der Historie heraus, nach der die Kläger bis einschließlich Juni 2017 durchweg Leistungen nach dem SGB II zunächst vorläufig und im Nachhinein als abschließend festgestellt bezogen. Die Kläger haben zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, dass es ihnen möglich ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II auszuscheiden, etwa weil die Einkommenssituation darauf hätte hindeuten können. Im Leistungsantrag vom 29. Juni 2017 hat der Kläger zu 1. als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 38 SGB II die begehrten Leistungen auch nicht zeitlich eingegrenzt. Bei dem Antrag handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft - die Vorschriften des Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 133 BGB, Anwendung finden (BSG vom 17.7.1990 - 12 RK 10/89 - SozR 3-1200 § 16 Nr 2 mwN, juris RdNr 20). Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher - unter Berücksichtigung aller Umstände - der erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers (BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 29/13 R - BSGE 115, 225 = SozR 4-4200 § 37 Nr 6, RdNr 16, unter Hinweis auf BSG vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, juris RdNr 17; BSG vom 23.2.1973 - 3 RK 44/71 - BSGE 35, 220, 221 = SozR Nr 2 zu § 173a RVO, juris RdNr 18). Die Auslegung selbst hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (vgl BSG vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon welchen Antragsvordruck er hierfür benutzt oder welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG vom 11.9.2001 - B 2 U 41/00 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 5, juris RdNr 24; BSG vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, juris RdNr 17; BSG vom 15.11.1979 - 7 RAr 75/78 - BSGE 49, 114 = SozR 4100 § 100 Nr 5, juris RdNr 13; BSG, Urteil vom 24. April 2015 - B 4 AS 22/14 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 71, Rn. 18 - 19). So liegt der Fall hier. Die Kläger haben den Leistungsantrag mangels entgegenstehender Anhaltspunkte für den gesamten an Juni 2017 anschließenden Leistungszeitraum gestellt. Dieser beträgt wegen der Sollvorschrift des § 41a Abs 3 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 41a Abs 1 SGB II insgesamt sechs Monate und umfasst die Kalendermonate Juli bis Dezember 2017. Mit der sechsmonatigen (vorläufigen) Leistungsgewährung ab Juli 2017 mussten die Kläger im Übrigen auch deshalb rechnen, weil die vorangegangenen Bewilligungszeiträume ebenfalls immer sechs Monate betrugen. Der Beklagte hat den Klägern mit Bescheid vom 4. September 2017 vorläufige Leistungen für den Zeitraum Juli bis Dezember 2017 gewährt. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden und mit ihm auch der Bewilligungszeitraum, § 41 Abs 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB II. Mithin steht nicht nur fest, für welchen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind, sondern auch, wie und für welchen Zeitraum bei Selbstständigen der Leistungsanspruch berechnet wird, vgl. § 3 Arbeitslosengeld II-Verordnung (AlgII-V). Der Leistungsantrag vom 29. Juni 2017 konnte mit Bestandskraft des Bewilligungsbescheides vom 4. September 2017 nicht zurückgenommen werden. Ein Antrag ist, wie bereits ausgeführt, eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die die Vorschriften des BGB Anwendung finden. Gemäß § 130 Abs 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist und wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Der Kläger hat seinen Antrag vom 29. Juni 2017 nicht bis zu diesem Zeitpunkt für die Zeit ab November 2017 widerrufen. Eine (spätere) Antragsrücknahme bzw. ein Widerruf des Antrags ist im hiesigen Fall nicht mehr möglich gewesen. Eine nachträgliche Disposition über die Gestaltung des Sozialleistungsverhältnisses ist grundsätzlich nur zulässig, soweit sie einseitige Rechte und Vergünstigungen des Berechtigten betrifft. Die hier vom Kläger nachträglich gewählte Gestaltung des Leistungszeitraums bewirkt jedoch einen im Grundsicherungsrecht unzulässigen nachträglichen Eingriff in die materiell-rechtliche Rechtslage. Als einseitiges Recht ist es dem Antragsteller zwar unbenommen, durch die Antragstellung den Leistungsbeginn zu bestimmen (vgl hierzu BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - RdNr 20, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 37 Nr 7 vorgesehen). Die Zulässigkeit dessen folgt bereits aus dem gesetzlichen Antragsgrundsatz und -erfordernis. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende werden nicht ohne Rücksicht auf ein konkretes Leistungsbegehren erbracht. Der Staat ist zwar verpflichtet, die Existenz eines jeden Grundrechtsträgers zu gewährleisten (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 137). Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dürfen einem Hilfebedürftigen jedoch nicht aufgezwungen werden. Denn mit der Erbringung dieser Leistungen sind nicht nur Rechte, sondern ebenso Pflichten für den Leistungsempfänger verbunden. Er unterwirft sich mit deren Bezug auch dem System des Förderns und Forderns sowie der materiell-rechtlichen Rechtslage zur Entscheidung über den von ihm geltend gemachten Anspruch. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Leistungen und den damit verbundenen Eintritt in den Pflichtenkreis des SGB II bleibt daher zwar dem Antragsteller vorbehalten, der dabei grundsätzlich auch über den Beginn der Leistungsinanspruchnahme bestimmen kann. Ebenso steht es ihm grundsätzlich frei seinen Antrag zurückzunehmen, um nicht dem Regime des SGB II zu unterfallen (vgl hierzu im Rentenrecht: BSG vom 6.2.1991 - 13/5 RJ 18/89 - BSGE 68, 144 [BSG 06.02.1991 - 13 RJ 18/89] = SozR 3-1200 § 53 Nr 1, SozR 3-1200 § 16 Nr 3, juris RdNr 24; im Arbeitsförderungsrecht: BSG vom 16.9.1998 - B 11 AL 17/98 R - juris RdNr 21 mwN; BSG vom 17.4.1986 - 7 RAr 81/84 - BSGE 60, 79 = SozR 4100 § 100 Nr 11; BSG vom 5.8.1999 - B 7 AL 38/98 R - SozR 3-4100 § 110 Nr 2, juris RdNr 30; BSG, Urteil vom 24. April 2015 - B 4 AS 22/14 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 71, Rn. 21 - 22). Der rechtlich zulässigen Disposition des Antragstellers unterfällt hingegen nicht die nachträgliche Beschränkung des einmal gestellten Antrags, wenn dadurch die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen innerhalb des Antragsmonats zugunsten des Antragstellers verändert werden sollen (so wohl auch Aubel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 37 RdNr 30; siehe darüber hinaus zur Begründung des Verteilzeitraumes über den Ablauf des Bewilligungszeitraumes hinaus und nach erneuter Antragstellung: BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 29). Abgesehen davon, dass eine derartige Veränderung immer zu Lasten der Steuerzahler ginge (vgl zu dem vergleichbaren Argument des 11. Senats des BSG im Bereich des Arbeitsförderungsrechts für die Beschränkung der Zulässigkeit der Antragsrücknahme bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verwaltungsentscheidung, wenn er für die Zeit danach auf die Belastung der Versichertengemeinschaft durch die Antragsrücknahme hinweist: BSG vom 16.9.1998 - B 11 AL 17/98 R - juris RdNr 21, unter Hinweis auf BSG vom 17.4.1986 - 7 RAr 81/84 - BSGE 60, 79 = SozR 4100 § 100 Nr 11), widerspräche sie auch dem Nachranggrundsatz des § 2 Abs 2 S 1 SGB II, wonach die Leistungsberechtigten ihren Lebensunterhalt zuvörderst aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten haben (vgl auch Begründung des Gesetzentwurfes für eine Änderung des § 37 Abs 2 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG, BT-Drucks 17/3404, S 114). Erst wenn ihnen dies aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, liegt Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 SGB II vor, die einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auslösen kann. Hilfebedürftigkeit soll jedoch nicht erst durch eine rechtliche Disposition des Antragstellers geschaffen werden können, zumindest wenn er sich mit dem Antrag als "Türöffner" bereits in das Regime des SGB II begeben hat (vgl nur BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 14; BSG, Urteil vom 24. April 2015 - B 4 AS 22/14 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 71, Rn. 23). Mit der Antragsrücknahme ab November 2017 hat der Kläger eine unzulässige Disposition zu Lasten des Leistungsträgers getroffen. Zunächst hatte er sich mit seinem Antrag ab Juli 2017 in den SGB II-Leistungsbezug als Selbstständiger begeben mit der Folge des Bezugs von zunächst vorläufigen und vom Einkommen als Selbstständiger abhängigen Leistungen nach dem SGB II. Der Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 SGB II) war mit der vorläufigen Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 4. September 2017 bestandskräftig festgestellt worden und damit auch der Zeitraum, der für die Einkommensermittlung bei Selbstständigen maßgeblich ist, § 3 AlgII-V. Nach § 3 Abs 1 AlgII-V ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbständiger Arbeit erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum nach § 41 Absatz 3 SGB II tatsächlich zufließen. Wird eine Erwerbstätigkeit nach Satz 1 nur während eines Teils des Bewilligungszeitraums ausgeübt, ist das Einkommen nur für diesen Zeitraum zu berechnen. Nach § 3 Abs 2 AlgII-V sind zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen. Gemäß § 3 Abs 4 AlgII-V ist für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Im Fall des Absatzes 1 Satz 3 gilt als monatliches Einkommen derjenige Teil des Einkommens, der der Anzahl der in den in Absatz 1 Satz 3 genannten Zeitraum fallenden Monate entspricht. Von dem Einkommen sind die Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzusetzen. In dem gegenüber den Klägern bindend gewordenen Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2017 hat der Kläger zu 1. seine selbstständige Tätigkeit durchweg ausgeübt und nicht etwa nachgewiesen, dass er die Tätigkeit Ende Oktober 2017 eingestellt hat. Entsprechend kam eine Verkürzung des Zeitraums, für den Betriebseinnahmen und -ausgaben zur Ermittlung des Einkommens nachgewiesen werden müssen, nicht in Betracht. Mit der Antragsrücknahme am 22. November 2017 für die Zeit ab November 2017 hat der Kläger bei absehbar guter Einkommenslage - ansonsten hätte er nicht auf Leistungen nach dem SGB II verzichtet - eine Disposition zulasten des Leistungsträgers und letztlich des Steuerzahlers getroffen, um bewusst für die ersten vier Monate des Leistungsbezugs die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft herbeizuführen. Diese Dispositionsbefugnis steht dem Kläger indes nicht zu. Die tatsächliche Feststellung des Leistungsanspruchs für den Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2017 anhand der gesetzlichen Vorgaben des § 3 AlgII-V ist ohne die umfassenden Angaben über Einnahmen und Ausgaben auch für die Monate November und Dezember 2017 nicht möglich und führt - im hiesigen Fall aller Wahrscheinlichkeit nach - zu einer finanziellen Übervorteilung der Bedarfsgemeinschaft der Kläger. Denn ohne Berücksichtigung der in den Monaten November und Dezember 2017 erzielten Gewinne aus der selbstständigen Tätigkeit verbliebe es bei einem Leistungsanspruch der Kläger im Bewilligungszeitraum, da nach der vorgelegten abschließenden EKS für die Monate Juli bis Oktober 2017 die Selbstständigkeit des Klägers zu 1. lediglich ein Verlustgeschäft war. Unter Einrechnung der sehr wahrscheinlich im November und Dezember 2017 angefallenen Gewinne indes errechnete sich ein durchschnittlicher monatlicher Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit, der zu einem geringeren oder nicht bestehenden Leistungsanspruch im gesamten Bewilligungszeitraum geführt hätte, weil die Kläger ihren Lebensunterhalt - ganz oder zumindest teilweise - aus eigenen Mitteln hätten bestreiten können. Mithin hätten die Kläger überzahlte vorläufige Leistungen erstatten müssen; die vorläufig gewährten steuerfinanzierten SGB II-Leistungen wären in den Steuerhaushalt zurückgeflossen. Entgegen der Meinung der Kläger liegt hier kein Fall des § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II vor mit der Folge der Feststellung, dass nur in den Monaten November und Dezember 2017 kein Leistungsanspruch bestand. Denn der Bewilligungszeitraum Juli bis Dezember 2017 wurde bereits mit der (vorläufigen) Leistungsgewährung durch Bescheid vom 4. September 2017 festgelegt (s.o.) und damit der Zeitraum, für den Einnahmen und Ausgaben aus der selbstständigen Tätigkeit nachgewiesen werden müssen. Die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens bei Selbstständigen richtet sich einzig nach § 3 AlgII-V. Diese Regelung würde durch Anwendung des § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II ausgehebelt, wenn regelmäßig und bewusst für bestimmte Monate - nämlich die, in denen höhere Gewinne erzielt werden - Unterlagen nicht vorgelegt werden, für die dann der Leistungsanspruch nicht festgestellt werden könnte. Im Fall der (vorläufigen) Leistungsgewährung gegenüber Selbstständigen mit bindend festgestelltem Bewilligungszeitraum besteht für die Anwendung des § 41a Abs 3 Satz 3 SGB II mit Ausnahme der Fallgestaltung des § 3 Abs 1 Satz 2 AlgII-V grundsätzlich kein Raum. Die Kläger sind am 20. Dezember 2017 und am 5. März 2018 auf die Rechtsfolgen der nicht rechtzeitigen bzw. nicht vollständigen Vorlage der angeforderten Unterlagen hingewiesen worden. Gegenüber den Klägern wurden im Zeitraum Juli bis Oktober 2017 individuelle Leistungen in Höhe von jeweils 954,92 EUR (insgesamt 1.909,84 EUR) seitens des Beklagten erbracht, die sie mangels Bestehens eines Leistungsanspruchs zu erstatten haben, § 41a Abs 6 SGB II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.