Sozialgericht Stade
Urt. v. 06.09.2023, Az.: S 1 KR 303/20
Angeborene Erkrankung; Krankenhausvergütung; Neugeboreneninfektion; Perinatalphase; Zur Abgrenzung der ICD-Kodes P37.9 und P39.9
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 06.09.2023
- Aktenzeichen
- S 1 KR 303/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 34893
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2023:0606.S1KR303.20.00
Rechtsgrundlagen
- SGB V § 109 Abs. 4 S. 3
- KHG § 17b Abs. 1
- SGB V § 39 Abs. 1 S. 2
- KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine infektiöse oder parasitäre Erkrankung ist "angeboren" im Sinne des ICD-Kodes P37.9, wenn sie nachweislich bei Vollendung der Geburt bereits vorhanden war. Auf den Zeitpunkt der erstmaligen Manifestation der Infektion ist nicht abzustellen.
- 2.
Aus dem Auftreten einer Neugeboreneninfektion binnen der ersten 72 Lebensstunden folgt nicht zwingend, dass die Infektion "angeboren" im Sinne des ICD-Kodes P37.9 war. Lässt sich der Infektionszeitpunkt eines nicht identifizierten Erregers bei Neugeboreneninfektion nicht abschließend aufklären, erfolgt die Kodierung mit dem ICD-Kode P39.9
In dem Rechtsstreit
A.,
,
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt B.,
B-Straße, B-Stadt
gegen
C. ,
,
C-Straße, B-Stadt
- Beklagte -
hat die 1. Kammer des Sozialgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2023 durch den Richter am Sozialgericht Dr. F. sowie die ehrenamtlichen Richter Sagir und Behrens für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 14.646,77 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung von Krankenhausleistungen.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Bei ihr wurde am 5. Februar 2018 die Versicherte der Beklagten geboren und anschließend bis zum 5. März 2018 stationär behandelt. Die Versicherte kam in der 39+1 Schwangerschaftswoche mit einem Geburtsgewicht von 2.670 g in stark reduziertem Allgemeinzustand als drittes Kind der Mutter zur Welt. Der Entlassungsbericht vermerkt blasses Hautkolorit, Akrozyanose, Tachydyspnoe, subcostale Einziehungen sowie eine stöhnende Atmung. Die Versicherte habe bei der Geburt initial nicht geschrien. Der Leukozytenwert lag direkt nach der Geburt am 5. Februar 2018 bei 14,1 c/nl (gem. Entlassungsbericht: 13,9 c/nl), ein CRP-Wert ist für diesen Tag nicht festgestellt. Am 6. Februar 2018 betrug der CRP-Wert 15 mg/l und erhöhte sich am Folgetag auf 40 mg/l.
Die Klägerin diagnostizierte eine Neugeboreneninfektion und leitete eine Antibiotikatherapie mit Ampicillin und Gentamicin vom 6. Februar 2018 bis 9. Februar 2018 ein. Bei steigenden Entzündungszeichen im Blut (CRP-Wert am 9. Februar 2018: 80 mg/l) wurde die Therapie ab 9. Februar 2018 auf Meropenem und Gentamicin umgestellt und bis 14. Februar 2018 fortgeführt. Ein Keimnachweis gelang nicht. Hyperkapnien führten vom 7. Februar 2018 bis 14. Februar 2018 initial zu einer High-flow- und später einer CPAP-Beatmung. Eine ebenfalls festgestellte Hypoglykämie wurde durch die intravenöse Gabe von Dextrose behandelt. Auch unter dieser Behandlung erfolgte nur eine mäßige Gewichtszunahme. Bei der Entlassung lag das aktuelle Gewicht noch unter dem Geburtsgewicht. Das erstgeborene Kind der Mutter war bei ähnlichem Krankheitsbild im Alter von anderthalb Jahren verstorben.
Mit Rechnung vom 14. März 2018 rechnete die Klägerin einen Gesamtbetrag von 30.966,07 € ab, der sich aus dem Ansatz der DRG P06A ergab. Hierbei kodierte die Klägerin die Nebendiagnose P37.9 (angeborene infektiöse oder parasitäre Krankheit, nicht näher bezeichnet). Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam im Gutachten vom 26. September 2018 zu dem Ergebnis, dass die Neonatalinfektion ohne Keimnachweis oder Hinweise für eine parasitäre Genese oder einen anderen in der ICD-Gruppe P37.- aufgeführten seltenen Erreger nicht mit dem ICD-Kode P37.9, sondern mit dem ICD-Kode P39.9 (Infektion, die für die Perinatalperiode spezifisch ist, nicht näher bezeichnet) zu kodieren sei. Ferner erfolgte eine Kürzung der abgerechneten Beatmungsstunden, die von der Klägerin akzeptiert wurde und daher vorliegend nicht streitig gestellt worden ist.
Die Klägerin vertrat im Schreiben vom 10. Oktober 2018 die Auffassung, dass der ICD-Kode P37.9 zu kodieren sei, wenn eine Infektion vorliege, die sich innerhalb von 72 Stunden nach der Entbindung durch erhöhte Infektionsparameter im Blut, durch Fieber, Keimnachweis oder andere Symptome offenbart habe. Der ICD-Kode P39.9 sei hingegen nur dann zu kodieren, wenn sich die Zeichen der Infektion später als 72 Stunden, aber vor dem achten Tag nach der Geburt manifestiert hätten.
Der von der Beklagten erneut beauftragte MDK hielt im Gutachten vom 31. Mai 2019 an seiner Auffassung fest. Der Verlauf und das Vorliegen einer Neugeboreneninfektion seien unstreitig. Die Behandlung der Versicherten mit Ampicillin und Gentamicin entspreche einer empirischen antibiotischen Therapie, die bei unbekanntem Erreger ein zu erwartendes Keimspektrum der Neonatologie abdecke. Die Einteilung bezüglich eines Auftretens vor bzw. nach 72 Lebensstunden sei im DRG-System nicht vorgesehen. Da eine genaue zeitliche Zuordnung der Infektion nicht sicher belegbar sei, sei bei der Kodierung auf den ICD-Kode P39.9 zurückzugreifen. Die ICD-Gruppe P37.- enthalte seltene infektiöse und parasitäre Erkrankungen. Anhand des Zeitpunktes des Auftretens einer Neugeboreneninfektion sei keine sichere Unterscheidung bezüglich des Übertragungsweges möglich. Aus diesem Grund sei im ICD-System eine Einteilung der Neugeboreneninfektion gemäß des Erregerspektrums und nicht anhand des Zeitpunktes des Auftretens durchzuführen. Ein Kode aus der ICD-Gruppe P37.- könne nur bei tatsächlichem Nachweis eines der seltenen infektiösen oder parasitären Erreger dieser Gruppe mit Einleitung einer spezifischen Therapie verwendet werden. Die Beklagte schloss sich dem an und verrechnete den streitigen Betrag am 23. Juli 2019. Hiergegen hat die Klägerin Klage zu dem Sozialgericht Stade am 1. Dezember 2020 erhoben.
Sie vertieft ihre Auffassung, es sei von einer angeborenen infektiösen Erkrankung auszugehen und daher der ICD-Kode P37.9 zu kodieren gewesen. Maßgeblich sei zur Abgrenzung, dass sich der Infekt in den ersten 72 Lebensstunden gezeigt habe. Außerdem deuteten die geburtsnah festgestellten Leukozyten- und CRP-Werte darauf hin, dass die Infektion schon bei der Geburt vorgelegen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 14.646,77 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2019 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass bei fehlendem Nachweis des Zeitpunktes der Infektion nur der ICD-Kode P39.9 habe kodiert werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Statthafte Klageart für den vorliegend verfolgten Vergütungsanspruch ist die echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat den unstreitig entstandenen Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung anderer Versicherter dadurch erfüllt, dass sie mit einem aus der Behandlung der Versicherten resultierenden Gegenanspruch aus öffentlich-rechtlicher Erstattung wirksam aufrechnete. Der Klägerin standen als Vergütung nicht die dafür von der Beklagten gezahlten weiteren 14.646,77 € zu.
Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruches ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) sowie § 17b des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG). Nach der Rechtsprechung des Eufach0000000008s (BSG) bemisst sich die betroffene Krankenhausvergütung nach vertraglichen Fallpauschalen aus einem Fallpauschalen-Katalog und Regelungen zur Ermittlung der jeweiligen Fallpauschale, die erst durch vertragliche Kodierrichtlinien operationabel sind. Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien, DKR) vereinbart haben (BSG, Urteil vom 30. Juli 2019, B 1 KR 13/18 R, juris, Rn. 13, auch zum folgenden).
Der vereinbarte Fallpauschalen-Katalog umschreibt lediglich mit Buchstaben und Ziffern gekennzeichnete DRG-Positionen, deren zugehörige Bewertungsrelationen und weitere Angaben (zB zur Verweildauer), die für die Abrechnung von stationären Leistungen notwendig sind, umreißt aber keinen einer Auslegung als Basis und Ausgangspunkt zugrunde zu legenden subsumtionsfähigen Vergütungstatbestand. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein zertifiziertes automatisches Datenverarbeitungssystem (Grouper), in den die nach den ICD zu stellenden Diagnosen nach den Vorgaben von FPV und DKR eingegeben werden.
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterliegt im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht.
Die von der Klägerin abgerechnete DRG ergibt sich danach nur, wenn u.a. die Nebendiagnose P37.9 angesetzt wird. Eine hierfür erforderliche angeborene infektiöse oder parasitäre Krankheit ist nicht belegt, die Klägerin war darauf verwiesen, den ICD-Kode ICD 39.9 zu kodieren. Es muss nicht entschieden werden, ob die Unterscheidung zwischen den ICD-Kodes P37.9 und P39.9 nach der Seltenheit des Erregers oder dem Vorliegen eines Erregers aus einem bestimmten Spektrum getroffen wird (1.), weil das Merkmal "angeboren" des ICD-Kodes P37.9 nicht nachweislich erfüllt ist. Angeboren ist eine Erkrankung, wenn sie nachweisbar bei Vollendung der Geburt vorhanden war (2.). Bei vorliegend ungeklärtem Infektionszeitpunkt (3.) war hier der ICD-Kode P39.9 zu kodieren.
1. Die Abgrenzung zwischen den ICD-Kodes P37.9 und P39.9 erfolgt für den hier gegebenen Sachverhalt über das Merkmal des Angeboren-Seins. Die Kammer lässt offen, ob mit dem MDK unter den ICD-Kode P37.9 nur Infektionen aus dem Spektrum der ICD-Gruppe P37.- mit einer gewissen Schwere, Seltenheit bzw. einer spezifischen Behandlung gefasst werden können. Dies wird offenbar daraus abgeleitet, dass die Wendung "für die Perinatalperiode spezifisch" in P37.- fehlt, so dass es sich (im Gegensatz zum ICD-Kode P39.-) um Infektionen handeln soll, die bei Neugeborenen typischerweise nicht auftreten. P37.9 enthält jedoch wortlautgemäß "nicht näher bezeichnete" infektiöse oder parasitäre Erkrankungen, also einen nicht identifizierten Erreger. Dies lässt die vom MDK vorgenommene Einteilung kaum praktikabel erscheinen. Wenn ein Erreger nicht bezeichnet werden kann, droht bei einer derartigen Begriffsabgrenzung ein Leerlaufen des ICD-Kodes P37.9, weil dem Kode immanent ist, dass das Erregerspektrum und die Häufigkeit seines Auftretens nicht abschließend festgestellt werden können. Vorliegend muss nicht entschieden werden, ob die Auffassung des MDK zutrifft und ob die hier vorliegende Infektion die Manifestation eines bei Neugeborenen typischerweise auftretenden Erkrankung ist. Es fehlt schon am Vorliegen einer angeborenen Erkrankung.
2. Eine Erkrankung ist nur dann "angeboren" im Sinne des ICD-Kodes P37.9, wenn sie nachweisbar bei Vollendung der Geburt vorhanden war. Seinem reinen Wortsinn nach bezieht sich der Begriff auf einen bestimmten Zeitpunkt, nämlich den Abschluss der Geburt. Zu diesem Zeitpunkt muss der Infekt nachweislich schon vorhanden/erworben gewesen sein, um als "angeboren" bezeichnet zu werden. Soweit das Landessozialgericht (LSG) Hamburg im Urteil vom 23. September 2021, L 1 KR 56/21, juris, Rn. 19f den Wortlaut abgrenzen will, "indem man die Begriffe "angeboren" in dem ICD-Kode P37.9 und "Perinatalperiode" in dem ICD-Kode P39.9 zueinander in Bezug setzt", liegt darin letztlich eine systematische Erwägung und nicht mehr ein bestimmtes Wortlautverständnis. Der Wortsinn wird überdehnt, wenn danach der Begriff "angeboren" nicht mehr als auf einen Zeitpunkt bezogen verstanden wird, sondern einen Zeitraum beschreibt.
Ein solches Verständnis des Begriffes "angeboren" widerspricht im Übrigen auch der ICD-Systematik. Unter der Überschrift der ICD-Gruppe P35-P39 ist als Exklusivum "Nach der Geburt erworbene Infektionskrankheiten (A00-B99, J09-J11)" aufgeführt. Alle Erkrankungen, die in P37.- als angeboren erfasst, sind auch in dem Katalog der A00-B99, J09-J11 enthalten, beispielhaft sei zB die Tuberkulose (ICD-Kode A15) genannt. Die ICD-Systematik stellt damit einen Gegensatz zwischen "angeboren" und "nach der Geburt erworben" her. Dies ist nur mit dem hier vertretenen Verständnis des Begriffes des Angeboren-Seins zu vereinbaren, das auf den Erwerb der Infektion bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Geburt abstellt und steht der Auffassung des LSG Hamburg, aaO, entgegen.
3. Die Infektion der Versicherten war nicht nachweisbar bei Abschluss der Geburt vorhanden. Die Kammer folgt der Einschätzung des MDK, dass sich der Eintrittszeitpunkt nicht genau bestimmen lässt. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erstmals bezuggenommenen Leukozyten- und CRP-Werten. Das Gericht kann offenlassen, ob diese Werte überhaupt aussagekräftig genug sein können, um das Vorliegen einer Infektion hinreichend zu belegen, oder ob der Auffassung der Beklagten zu folgen ist, wonach bestimmte Blutwerte unter dem Geburtsstress pathologisch erhöht sein können, ohne dass dies das Vorliegen einer Infektion belegt. Selbst wenn man dem Grunde nach unterstellt, dass die von ihr bezeichneten drei Blutwerte bei entsprechender Höhe das Vorliegen einer Infektion bereits bei Abschluss der Geburt belegen können, ist dies jedenfalls vorliegend nicht der Fall. Der Leukozyten-Wert betrug am Tag der Geburt am 5. Februar 2018 nach der Patientenakte 14,1 c/nl ausweist (gemäß Entlassungsbericht: 13,9 c/nl). Beide Werte liegen noch innerhalb des natürlichen Rahmens von 6 bis 15 c/nl. Ein CRP-Wert ist am Geburtstag nicht ermittelt worden. Der am Folgetag bestimmte Wert und der Anstieg bis 9. Februar 2018 lassen keinen Rückschluss auf das CRP am Tag der Geburt zu. Weitere Ermittlungen hierzu waren nicht angezeigt. Letztlich hat die Klägerin durch ihren Hinweis auf die Blutwerte in der mündlichen Verhandlung nicht streitig gestellt, dass der Infektionszeitpunkt nicht eindeutig bestimmbar ist. Sie selbst hatte schon zuvor daraus nicht den Schluss gezogen, dass der Infektionszeitpunkt definitiv bestimmt werden kann. Die Klägerin hat in ihrer Stellungnahme vom 17. Juli 2020 zum zweiten Gutachten des MDK vielmehr (nur) ausgeführt, dass die der Krankheit zu Grunde liegende Infektion "mit hoher Wahrscheinlichkeit kurz vor oder unter der Geburt erworben" wurde.
Auch das Auftreten des Infekts binnen der ersten 72 Lebensstunden lässt nicht den zwingenden medizinischen Schluss zu, dass der Infekt bereits mit Abschluss der Geburt erworben war. Dass auch die Klägerin einen derartigen Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Auftretens und dem Erwerb der Infektion nicht herstellt, ergibt sich, wie vorstehend dargelegt, aus ihrer Stellungnahme vom 17. Juli 2020. Deren Aussage deckt sich vielmehr mit der Leitlinie "Bakterielle Infektion beim Neugeborenen" (Entwicklungsstufe: 2k), S. 4, die den Hinweis enthält, dass Erreger, die innerhalb der ersten drei Lebenstage zu einer Infektion führen (early-onset, "EOS"), meist der mütterlichen Vaginalflora entstammen. Aus der (von der Kammer hervorgehobenen) Einschränkung folgt, dass auch im Fall eines EOS-Infekts dieser im Wortsinn "nach der Geburt erworben" worden sein kann, wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit. Ein erhöhter Grad an Wahrscheinlichkeit, der bei Auftreten der Infektion binnen der ersten 72 Lebensstunden für einen Infektionsursprung bereits in der Vaginalflora besteht, reicht nicht aus, um den Nachweis eines Kausalzusammenhanges zu führen. Dies liefe auf eine Absenkung der Anforderungen an die Beweisführung im Rahmen der Kodierung hinaus, für die es keinen Ansatzpunkt im ICD-Kode P37.9 gibt. Lassen sich nach alledem Infektionszeitpunkt und Erregertyp nicht eindeutig bestimmen, verbleibt die objektive Beweislast bei Nichterweislichkeit der tatbestandlichen Voraussetzungen einer DRG nach der Rechtsprechung des BSG beim Krankenhaus (zB Urteil vom 17. Dezember 2020, B 1 KR 13/20 R, juris, Rn. 21). Es verbleibt nur die Kodierung mit dem ICD-Kode P39.9. Ihm kommt als Folge der hier vertretenen Auffassung systematisch eine Funktion als Auffangkode gegenüber allen anderen Kodes der ICD-Gruppe P35-P39 zu, dh. auch dem ICD-Kode P37.9. Dies zeigt nicht nur die Positionierung ganz am Ende der ICD-Gruppen P35-P39 an, sondern auch sein Wortlaut, der die Überschrift über die ICD-Gruppen P35-39 "Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind", wieder aufgreift.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. § 193 SGG ist nicht anwendbar, da die Beteiligten in kostenrechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des § 183 SGG nicht privilegiert sind. Die Festsetzung des Streitwertes hat ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.