Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 10.08.2006, Az.: 10 B 4745/06

Berufsfreiheit; Bewerbung; DDR; Dienstleistungsfreiheit; Erlaubnis; Gemeinschaftsrecht; Gibraltar; Glücksspiel; Internet; Konzession; Niederlassungsfreiheit; Oddset-Wette; Sportverein; Sportwette; Strafbarkeit; Straftat; Trikotwerbung; Untersagung; Veranstalten; Verfassungsrecht; Vermittlung; Vorrang; Wettmonopol; Wettunternehmen; Wettveranstalter

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
10.08.2006
Aktenzeichen
10 B 4745/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53316
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Bewerbung von Sportwetten durch Sportvereine (Trikotwerbung), die von Wettunternehmen in Niedersachsen ohne die nach § 3 Abs. 1 NLottG erforderliche Konzession veranstaltet werden, kann in Niedersachsen ordnungsrechtlich unterbunden werden. Ob der Ausschluss Privater von der Veranstaltung von Sportwetten in Niedersachsen mit dem Grundgesetz und Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

2. Ein Wettunternehmen veranstaltet auch dann Sportwetten in Niedersachsen, wenn es diese lediglich über das Internet anbietet, ohne Wetten von in Niedersachsen ansässigen Personen auszuschließen.

3. Weder eine nach dem Gewerberecht der DDR noch eine von einer Behörde in Gibraltar erteilte Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten besitzt in Niedersachsen Gültigkeit.

Tenor:

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zu 1/2.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 250.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegenüber Verfügungen, durch die ihnen der Antragsgegner die Bewerbung von Sportwetten für in Niedersachsen nicht konzessionierte Veranstalter oder Anbieter untersagt.

2

Der Betrieb der Fußball-Bundesligamannschaft B. gehört zum Geschäftsbereich des Antragstellers zu 2), der Antragsteller zu 1) betreibt den Amateur-Sportbereich. Beide Antragsteller möchten für das Unternehmen D., Alleininhaber E., mit Sitz in F. - im Folgenden: D. - unter anderem in der Weise werben, dass auf den Trikots der Spieler das Logo „G.“ erscheint. D. veranstaltet selbst Sportwetten und vermittelt Sportwetten an die H. mit Sitz in Gibraltar - im Folgenden: I. -, die ein Tochterunternehmen der J. mit Sitz in Wien ist. D. bietet Sportwetten ausschließlich im Internet auf der Domain G. an, die von der I. gehalten wird und auf Grund einer Lizenzvereinbarung D. zur Verfügung steht. Nach Angaben der Antragsteller hat E. 1990 nach dem Gewerbegesetz der DDR eine Genehmigung zur Durchführung von Sportwetten erhalten. I. ist - ebenfalls nach dem Vortrag der Antragsteller - im Besitz einer in Gibraltar erteilten Lizenz für die Durchführung von Sportwetten.

3

Nach Anhörung der Antragsteller untersagte ihnen der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung durch Verfügungen vom 04.08.2006, ab dem Beginn der Bundesligasaison 2006/2007 am 11.08.2006 Sportwetten für in Niedersachsen nicht konzessionierte Veranstalter oder Anbieter - derzeit für D. -in Niedersachsen zu bewerben. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,00 Euro angedroht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Bescheide Bezug genommen.

4

Am 09.08.2006 haben die Antragsteller Klage erhoben (10 A 4747/06), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung machen sie geltend, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage sei schon deshalb wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil die angefochtenen Verfügungen rechtswidrig seien. Die Annahme des Antragsgegners, die Tätigkeit von D. sei unzulässig und stelle ein strafbares Verhalten dar, sei nach den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben unhaltbar. Da die Sportwetten nur im Internet angeboten würden, veranstalte D. keine Sportwetten in Niedersachsen. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Untersagungsverfügungen überwiege das private Suspensivinteresse das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.

5

Die Antragsteller beantragen,

6

1.D., Alleininhaber K., beizuladen;

7

2.die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 04.08.2006 bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag zu 3. wiederherzustellen bzw. anzuordnen;

8

3.die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 04.08.2006 ohne Beifügung einer Befristung wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

9

Der Antragsgegner beantragt,

10

die Anträge abzulehnen.

11

Zur Begründung beruft er sich unter Vertiefung im Einzelnen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

12

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

13

Die Beiladungsanträge haben keinen Erfolg.

14

Ein Fall der notwendigen Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor. Ob die rechtlichen Interessen von D. durch die angefochtenen Verfügungen betroffen sind und daher eine Beiladung gemäß § 65 Abs. 1 VwGO möglich wäre, bedarf keiner Entscheidung, da die Kammer eine Beiladung im vorliegenden Eilverfahren im Hinblick auf die Notwendigkeit einer baldigen Entscheidung für unzweckmäßig hält.

15

Die Anträge zu 2. sind durch die Entscheidung über die Anträge zu 3. erledigt.

16

Die Anträge zu 3. sind statthaft und auch im Übrigen zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg.

17

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der von dem Antragsgegner getroffenen Maßnahmen ist formell nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügungen begründet.

18

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch sachlich nicht zu beanstanden.

19

Die vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung setzt eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen voraus, in die auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs - hier der Klage der Antragsteller - mit einzubeziehen sind. Bei einem nach summarischer Prüfung offensichtlich Erfolg versprechenden Rechtsbehelf überwiegt im Hinblick auf die Art. 19 Abs. 4 GG zu entnehmende Garantie effektiven Rechtsschutzes das Suspensivinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse, so dass die aufschiebende Wirkung grundsätzlich wiederherzustellen ist. Ergibt eine summarische Einschätzung des Gerichts, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos bleiben wird, reicht dies zwar allein noch nicht aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr ein über den Erlass des Grundverwaltungsaktes hinausgehendes öffentliches Interesse. Hierfür ist allerdings nicht ein besonders gewichtiges oder qualifiziertes öffentliches Interesse zu fordern; notwendig und ausreichend ist vielmehr, dass überhaupt ein öffentliches Vollzugsinteresse vorliegt. Bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt reichen daher auch Vollzugsinteressen minderen Gewichts für die Anordnung der sofortigen Vollziehung aus.

20

Die von den Antragstellern gegen die Bescheide vom 04.08.2006 erhobene Klage wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben.

21

Die Untersagungsverfügungen des Antragsgegners erweisen sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als rechtmäßig.

22

Nach § 14 Abs. 1 NLottG i.V.m. § 12 Abs. 1 des Lotteriestaatsvertrages - LottoStV - , dem der Niedersächsische Landtag durch Art. 2 des Gesetzes vom 4. Juni 2004 (Nds.GVBl. S. 163) zugestimmt hat, hat die zuständige Behörde im öffentlichen Interesse u.a. darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass die Bestimmungen dieses Staatsvertrages eingehalten werden und dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Sie kann die hierzu erforderlichen Maßnahmen treffen, wozu auch gehört, die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel zu untersagen.

23

Bei der von den Antragstellern begonnenen und weiter beabsichtigten Werbung für D. handelt es sich um Werbung für in Niedersachsen unerlaubtes Glücksspiel.

24

Die von D. veranstalteten bzw. vermittelten Sportwetten stellen sich als Glücksspiel im Sinne von § 14 Abs. 1 NLottG i.V.m. § 12 des Lotteriestaatsvertrages dar. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Rdnr. 44 des Urteils vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06 -; ebenso OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.03.2005 - 11 ME 369/03 -, NVwZ 2005, 1336 sowie Urteil der Kammer vom 11. April 2005 - 10 A 2329/03 -) ist geklärt, dass es sich bei den in Rede stehenden Sportwetten weder um ein Geschicklichkeitsspiel noch um ein Unterhaltungsspiel, sondern um ein Glücksspiel handelt.

25

Die von D. veranstalteten und vermittelten Sportwetten werden (auch) in Niedersachsen im Sinne von § 3 Abs. 1 NLottG veranstaltet. Dabei geht die Kammer davon aus, dass der niedersächsische Landesgesetzgeber mit dem Begriff des Veranstaltens öffentlicher Sportwetten in § 3 Abs. 1 NLottG an den in § 284 Abs. 1 StGB verwandten Begriff des Veranstaltens öffentlicher Glücksspiele anknüpft und damit sowohl hinsichtlich des Veranstaltungsbegriffs wie auch des Veranstaltungsorts im Sinne des niedersächsischen Landesrechts auf die hierzu im Strafgesetzbuch getroffenen Regelungen zurückgegriffen werden kann. Veranstalten im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB bedeutet, dass jemand verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 - 4 StR 260/02 - GewArch 2003, 332 = JZ 2003, 858 m. zustimmender Anm. Wohlers, JZ 2003, 860 sowie BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006, a.a.O.). So hat die Rechtsprechung die Veranstaltung eines Glücksspiels bereits dann bejaht, wenn der Veranstalter Spielscheine versendet und so dem Empfänger eine Beteiligung am Glücksspiel ermöglicht.

26

Auf die tatsächliche Durchführung des Glücksspiels kommt es nicht an, das Angebot eines Vertragsschlusses genügt (vgl. BGH, Urt. V. 14.03.2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, 2175). Diesem weiten Veranstaltungsbegriff unterfällt auch das Anbieten von Sportwetten im Internet. Denn es macht keinen Unterschied, ob dem Wettinteressenten der Wettschein per Post zugesandt oder über das Internet zugeleitet wird. Dass im Falle des Angebots über das Internet der Wettinteressent selbst initiativ werden muss, ändert nichts daran, dass der Wettunternehmer in beiden Fällen den Abschluss des Wettvertrages anbietet und damit ein Glücksspiel veranstaltet. Dieses Glücksspiel wird auch in Niedersachsen veranstaltet, denn Ort der Begehung einer Straftat im Sinne des § 9 Abs. 1 StGB ist jeder Ort, an dem ein Teil des strafbaren Tatbestandes verwirklicht wird. Ist aber die Übermittlung des Wettscheins durch die Post wie über das Internet Teil des Veranstaltens des Glücksspiels, wird dieses auch dort veranstaltet, wo das Angebot ankommt, also auch in Niedersachsen. Dass bei der Nutzung des Internets der Wettunternehmer sein Angebot nicht an bestimmte Personen richtet, ändert hieran nichts, weil er durch das Einstellen des Angebotes ins Internet jedem Wettinteressenten, also auch dem in Niedersachsen wohnenden, die Teilnahme von seinem jeweiligen Aufenthaltsort aus ermöglichen will (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 05.12.2003 - 4 B 1987/03; OLG Köln, Urt. V. 21.04.2006 - 6 U 145/05 -, zitiert nach juris; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 01.08.2006 - 14 L 872/06 -). Eine Einschränkung des über das Internet unterbreiteten Angebots dahingehend, dass Wetten von in Niedersachsen ansässigen Personen nicht angenommen werden, erfolgt durch D. nicht, obwohl dies- etwa durch eine Kontrolle der Postleitzahlen der registrierten Wetter - durchführbar wäre. Darüber hinaus weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass Nutzung des Internets durch den Wettunternehmer darauf angelegt ist, interaktiv mit dem Spieler in Verbindung zu treten. Spielinteressenten müssen auf ihren Rechner zunächst vom Wettunternehmer bereitgestellte Daten herunterladen. Daten, die der Spieler hierauf an seinem Rechner eingibt, werden dem Wettunternehmer übermittelt, der seinerseits - in Reaktion hierauf - wiederum dem Spieler - nur diesen betreffende - Daten übermittelt. Ist sonach die Durchführung der Wette ohne ein Tätigwerden des Spielers nicht möglich, wird deutlich, dass das Glücksspiel auch dort veranstaltet wird, wo der Spieler seinen Rechner bedient.

27

Die Betätigung eines Wettunternehmens für Sportwetten von einer vorherigen Zulassung im Bundesgebiet abhängig zu machen, ist verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen EU-Gemeinschaftsrecht. Es ist deshalb nicht nur gerechtfertigt, die Veranstaltung von nicht zugelassenen Sportwetten zu unterbinden, sondern auch, die Werbung für solche Sportwetten zu untersagen

28

Der Hintergrund dafür, das Veranstalten von Sportwetten einer präventiven staatlichen Kontrolle zu unterziehen, ist die Erkenntnis, dass das Wettwesen mit Gefahren verbunden ist. Diese bestehen - erstens - in der Spiel- und Wettsucht, insbesondere für Jugendliche, - zweitens - in der Gefahr betrügerischer Machenschaften seitens der Wettanbieter und in Gefahren für den Verbraucherschutz, insbesondere durch irreführende Werbung und die finanzielle Unzuverlässigkeit und fehlende Leistungsfähigkeit des Wettveranstalters sowie - drittens - in den Gefahren der mit dem Wetten verbundenen Folge- und Begleitkriminalität (vgl. zu diesen Gesichtspunkten BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, Az.: 1 BvR 1054/01, GewArch, 2006, 1999 Rdnrn. 98 bis 106). Der Gesetzgeber darf zur Abwehr dieser Gefahrenpotentiale das Wettwesen begrenzen und ordnen, weil er damit legitime Ziele verfolgt. Das schließt die Befugnis des Gesetzgebers zur Prävention ein (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 102).

29

Ein gesetzlicher (präventiver) Erlaubnisvorbehalt verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Denn wenn sogar die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich ein zulässiges Mittel zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist, gilt dieses erst Recht für die Schaffung eines gesetzlichen Erlaubnisvorbehaltes. Soweit das Bundesverfassungsgericht den Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG angesichts der zur Zeit der Entscheidung bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Wettmonopols in Bayern als unverhältnismäßig angesehen hat, ergibt sich daraus jedenfalls kein verfassungsrechtliches Gebot, die Betätigung nicht staatlich zugelassener Wettunternehmen erlaubnisfrei zu lassen und die Vermittlung von Sportwetten an diese Unternehmen hinzunehmen. Die Erlaubnispflicht ist - unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis nach § 3 NLottG im Einzelnen mit der Verfassung in Einklang stehen - ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Mittel zur präventiven Kontrolle des Wettmarktes (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. September 2005 -1 BvR 789/05 - schon zur Berechtigung der präventiven Kontrolle des Wettvermittlers und der Vermittlungstätigkeit).

30

Auch EU-Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, die Vermittlung von Sportwetten an in Deutschland nicht staatlich zugelassene Wettunternehmen zu gestatten. Beschränkungen der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43 und 49 EG können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie Verbraucherschutz, Verbrechensprävention, Schutz der öffentlichen Sittlichkeit und zur Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Maßnahmen, die auf derartige Gründe gestützt sind, müssen allerdings geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie "kohärent und systematisch" zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urteil vom 06.11.2003 - C-243/01 - "Gambelli"). Die der präventiven Kontrolle des Wettunternehmens dienende Schaffung eines Erlaubnisvorbehalts für das Anbieten von Sportwetten trägt diesen Anforderungen Rechnung. Zur Wahrung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ist eine (generelle) Freistellung von der Erlaubnispflicht für die Veranstaltung von Sportwetten nicht erforderlich. Der gesetzliche Konzessionsvorbehalt ist schließlich nicht diskriminierend, weil das Erfordernis, eine Erlaubnis einzuholen, für alle Veranstalter von Glücksspielen gleichermaßen gilt (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, 2175).

31

Die Veranstaltung von Sportwetten durch D. und I. ist in Niedersachsen nicht erlaubt.

32

Die Antragsteller können sich nicht mit Erfolg auf die nach ihrem Vortrag D. und I. jeweils erteilten Konzessionen berufen. Maßgeblich sind die rechtlichen Verhältnisse in Niedersachsen, da der Bund von der ihm eröffneten Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für den hier betroffenen Bereich des Rechts der Sportwetten (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, a.a.O., Rdnr. 96) bisher keinen Gebrauch gemacht hat. Weder D. noch I. ist im Besitz einer Genehmigung nach dem NLottG.

33

Die nach dem Vortrag der Antragsteller Herrn L. 1990 nach dem Gewerbegesetz der DDR erteilte Genehmigung zur Durchführung von Sportwetten gilt nicht in Niedersachsen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in den Entscheidungen vom 04. März 2003 (11 ME 420/02, Nds.VBl. 2003, 158) und 17. März 2005 (a.a.O.) im Einzelnen dargelegt, dass eine nach dem Gewerberecht der DDR erteilte Sportwettenerlaubnis nach dem Wirksamwerden des Beitritts nicht für das gesamte Bundesgebiet, sondern nur für die betreffenden neuen Bundesländer Geltung beanspruchen kann (so auch OVG NRW, Beschl. v. 14. Mai 2004 - 4 B 2096/03 -; BayVGH, Urt. v. 29. September 2004, GewArch 2005, 78 [VGH Baden-Württemberg 19.11.2004 - 6 S 2544/04]; Hess. VGH, Beschl. v. 27. Oktober 2004, GewArch 2005, 17 [BVerfG 20.10.2004 - 1 BvR 117/03]). Das Bundesverwaltungsgericht teilt im diese Ansicht in seinem Urteil vom 21. Juni 2006 (BVerwG 6 C 19.06, Rdnrn. 51-58).

34

Auch I. darf in Niedersachsen keine Sportwetten vermitteln. Die Genehmigungspflicht wird nicht durch die diesem Unternehmen nach dem Vortrag der Antragsteller von der für Gibraltar zuständigen Behörde erteilten Sportwettenlizenz erfüllt. Die Kammer folgt den Ausführungen des Nds. OVG im Beschluss vom 17. März 2005 (a.a.O.) zur Reichweite einer in Österreich erteilten Erlaubnis, die sich auf eine in Gibraltar erteilte Erlaubnis übertragen lassen:

35

„Eine Bindung an die österreichische Erlaubnis lässt sich auch nicht aus europarechtlichen Vorgaben herleiten. Es fehlen entsprechende Harmonisierungsrechtsakte der EG. Sekundäres Gemeinschaftsrecht im Sinne des Art. 55 i. V. m. Art. 47 Abs. 2 EG ist bislang dazu nicht ergangen. Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8. Juni 2000 (ABl. Nr. L 178, S. 6) und die Richtlinie 1999/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennungsmöglichkeiten von Zulassungen aus anderen Mitgliedsstaaten vom 16. Februar 1999 (ABl. Nr. L 201, S. 77) nehmen die Regulierung des Glücksspielsektors ausdrücklich vom jeweiligen Anwendungsbereich aus (vgl. BGH, Urt. v. 1. 4. 2004, a. a. O.; Korte, Das Gambelli-Urteil des EuGH, NVwZ 2004, 1449, 1452). Allerdings laufen Bestrebungen seitens der Europäischen Kommission, im Rahmen einer Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt auch den Glücksspielbereich in den gemeinsamen Markt zu überführen und dabei auf das Herkunftsland-Prinzip abzustellen (vgl. Tettinger, Grenzüberschreitende Glücksspiel-Internetangebote und europäischer Binnenmarkt, GewArch 2005, 49, 55; Hübsch, Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten ohne Erlaubnis - ein Glücksspiel ?, GewArch 2004, 313, 316 f.). Solange aber eine derartige Richtlinie, die umstritten ist und zur Zeit im Europaparlament beraten wird (vgl. SZ. v. 15. 3. 2005, S. 21), nicht erlassen ist, bleibt es nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa Urt. v. 21. September 1999 - C-124/97 -, „Zenatti“, GewArch 1999, 476 [BVerwG 13.04.1999 - BVerwG 1 C 11.98]) mit Rücksicht auf die jeweiligen soziokulturellen Besonderheiten Sache der Mitgliedsstaaten, das Glücksspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln. Auch die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 6. November 2003 (C-243/01 - „Gambelli“ - NJW 2004, 139 = DVBl. 2004, 306)..... setzen gerade die Möglichkeit voraus, dass einzelne Mitgliedsstaaten der EU die in anderen Mitgliedsstaaten erteilten Sportwettenerlaubnisse nicht anerkennen (so auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12. Januar 2005, 6 S 1288/04).“

36

Entgegen der Auffassung der Antragsteller genügt daher gerade nicht der bloße Hinweis auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts, um aufgrund der von einem Mitgliedsstaat der EU erteilten Erlaubnis in jedem Mitgliedsstaat auf dem Sportwettenmarkt tätig sein zu dürfen. Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (a.a.O.) aus. Denn es hätte der Ausführungen zur Zulässigkeit eines staatlichen Monopols nicht bedurft, wenn die Zulassung eines Wettanbieters in einem anderen Mitgliedsstaat von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland hinzunehmen wäre, weil das nationale Zulassungsrecht für Sportwetten durch das EU-Recht überspielt werden könnte.

37

An dieser Beurteilung ändert sich auch durch die Erwägung nichts, dass die Vorschriften des NLottG in ihrer derzeitigen Ausgestaltung privaten Wettunternehmen nicht die Möglichkeit eröffnen, eine Zulassung zu erhalten, weil die in § 3 Abs. 2 NLottG aufgestellten Anforderungen nicht erfüllt werden können, wonach eine Konzession nur einer Gesellschaft (Wettunternehmen) erteilt werden darf, an der das Land unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist und deren andere Beteiligte entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Zusammenschlüsse oder Gesellschaften solcher Personen sind oder die Voraussetzungen des §5 Abs.1 Nr.9 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 erfüllen. Dieser Gesichtspunkt betrifft nämlich allein die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das staatliche Wettmonopol mit Vorschriften des Grundgesetzes und des Rechts der Europäischen Gemeinschaft vereinbar ist und ob ein Anspruch auf Zulassung besteht. Diese Frage ist aber im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Denn Streitgegenstand ist nicht ein Genehmigungsanspruch, sondern die Untersagung der Bewerbung von Sportwetten, die von einem Wettunternehmen ohne die erforderliche Erlaubnis veranstaltet werden. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Behörde gegen eine Werbung für ein unerlaubtes Glücksspiel sind bereits dann erfüllt, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt, also schon dann, wenn der Wettunternehmer lediglich gegen formelles Recht verstößt. Ob der Zulassungsanspruch besteht, weil die gesetzlichen Zulassungsanforderungen erfüllt sind, ist ebenso im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu prüfen wie die Frage, ob diese Anforderungen mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Es ist danach für die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung ohne Belang, unter welchen Voraussetzungen das staatliche Wettmonopol rechtlich zulässig ist und ob diese eingehalten werden (vgl. OLG Köln, Urt. V. 21.04.2006 - 6 U 145/05 -).

38

Die getroffene Maßnahme ist auch ohne Ermessensfehler ergangen. Der nach § 14 Abs. 1 NLottG in Bezug genommene Lotteriestaatsvertrag eröffnet der Behörde in § 12 Abs. 1 Satz 2 einen Ermessenspielraum, den der Antragsgegner erkannt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgefüllt hat. Ein milderes, ebenfalls geeignetes Mittel als die Untersagung der gemäß § 284 Abs. 4 StGB strafbaren Tätigkeit ist nicht erkennbar. Dass die wirtschaftlichen Interessen der Antragsteller durch die angefochtenen Verfügungen betroffen sind, wird vom Antragsgegner gesehen. Diese Interessen nötigen aber angesichts der Strafbarkeit des Verhaltens der Antragsteller nicht dazu, von der Untersagung der strafbaren Werbung abzusehen.

39

Die Strafbarkeit des von der Untersagungsverfügung betroffenen Verhaltens begründet zugleich ein die privaten Belange der Antragsteller überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügungen. Dieses öffentliche Interesse wird durch die Notwendigkeit verstärkt, bis zu der vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebenen Neuordnung des Rechts der Sportwetten nicht nur das gegenwärtige staatliche Sportwettenmonopol konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht auszurichten, sondern auch das gewerbliche Veranstalten von ungenehmigten privaten Sportwetten sowie die Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten, die vom Land Niedersachsen nicht zugelassen sind, ordnungsrechtlich zu unterbinden. Da nach dem Vortrag des Antragsgegners und den hierzu vorgelegten Unterlagen keine Zweifel daran bestehen, dass in Niedersachsen zumindest damit begonnen wurde, die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 verfügten Maßgaben, die unter Zugrundelegung der zur gegenwärtigen Rechtslage in Baden-Württemberg ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 04. Juli 2006 (- 1 BvR 138/05 - ) auch für Niedersachsen Geltung beanspruchen, umzusetzen, ergibt sich daraus nicht nur das ordnungsrechtliche Verbot der Veranstaltung, Vermittlung und Bewerbung von privaten Sportwetten, sondern auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der auf die Durchsetzung dieses Verbots gerichteten Verfügungen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.07.2006). Demgegenüber muss das private Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen auch deshalb zurücktreten, weil sie ihre Entscheidung zur Zusammenarbeit mit D. vor dem Hintergrund einer Rechtslage getroffen haben, die für alle erkennbar starke Zweifel aufwerfen musste, ob sich diese Zusammenarbeit würde durchführen lassen. Es ist deshalb gerechtfertigt, dass die Antragsteller das wirtschaftliche Risiko der von ihnen gleichwohl getroffenen unternehmerischen Entscheidung tragen.

40

Soweit die Anträge darauf gerichtet sind, die aufschiebende Wirkung der gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 64 Abs. 4 Nds. SOG) Zwangsgeldandrohung in den Verfügungen vom 04.08.2006 gerichteten Klage anzuordnen, bleiben sie ebenfalls erfolglos. Die Zwangsgeldandrohungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 67 Abs. 1, § 70 Nds. SOG. Angesichts des wirtschaftlichen Interesses der Antragsteller an der Nichtbefolgung der Untersagungsverfügungen begegnet auch die Höhe des jeweils angedrohten Zwangsgeldes keinen Bedenken (§ 67 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG).

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 173 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53, Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 39 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die von den Antragstellern geltend gemachte wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens und den Umstand, dass durch das vorläufige Rechtsschutzverfahren die Hauptsache zumindest teilweise vorweggenommen wird.