Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 13.12.1990, Az.: 12 UF 139/90
Zugewinnausgleich; Berechnung des Anfangsvermögens unter Berücksichtigung der eingetretenen Geldentwertung; Berechnung des Endvermögens unter Berücksichtigung bestehender Verbidlichkeiten; Einbeziehung eines Unterhaltsrückstands
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.12.1990
- Aktenzeichen
- 12 UF 139/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 10606
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1990:1213.12UF139.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Stadthagen - 22.06.1990 - AZ: 3 F 43/90
Fundstelle
- FamRZ 1991, 944-945 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Ausgleich des Zugewinns
Prozessführer
XXX
Prozessgegner
YYY
In der Familiensache
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadthagen vom 22. Juni 1990 teilweise geändert und neu gefaßt:
Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, der Klägerin 613,00 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12. Dezember 1989 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt 9/10, der Beklagte 1/10 der Kosten des ersten Rechtszuges. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien haben am 12. Juli 1963 geheiratet. Ihre Ehe wurde auf den am 5. Mai 1986 zugestellten Antrag durch Urteil vom 21. November 1986 (3 F 33/86/AG Stadthagen) geschieden. Die Scheidung ist seit dem 30. Dezember 1986 rechtskräftig.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten den Ausgleich des Zugewinns. Der Beklagte hat Widerklage auf Auskunftserteilung erhoben. Das Amtsgericht - Familiengericht - Stadthagen hat nach Beweisaufnahme durch Urteil vom 22. Juni 1990 die Widerklage abgewiesen und den Beklagten unter Zurückweisung des weitergehenden Klagbegehrens verurteilt, der Klägerin als Zugewinnausgleich weitere 9.710,79 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12. Dezember 1989 zu zahlen. Es hat einen Ausgleichsanspruch von insgesamt 27.710,79 DM errechnet und auf diesen eine vom Beklagten bereits erbrachte Zahlung von 18.000,00 DM angerechnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Beklagten. Er rügt, daß das Familiengericht davon ausgegangen sei, er - der Beklagte - habe zu Beginn der Ehe über kein Anfangsvermögen verfügt. Er habe Anfang Januar 1963 unter Ausnutzung eines Rabatts als ... einen ... gekauft. Dieses Fahrzeug habe zum Zeitpunkt der Eheschließung einen Zeitwert von 4.200,00 DM gehabt. Außerdem sei er im Zeitpunkt der Eheschließung Inhaber einer ... Aktie gewesen, die damals einen Kurswert von 800,00 DM gehabt habe. Bei der Berechnung seines Endvermögens sei zu Unrecht nur von einer Steuerschuld von 2.761,75 DM ausgegangen worden. Tatsächlich seien - was von der Klägerin im zweiten Rechtszug nicht mehr bestritten wird - noch Steuerschulden von insgesamt 4.361,30 DM vorhanden gewesen (3.888,00 DM + 333,75 DM aus dem Jahre 1985; 139,55 DM aus dem Jahre 1984). Im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages habe weiterhin gegenüber der Klägerin ein titulierter Unterhaltsrückstand von 3.430,00 DM bestanden. Diese weitere Verbindlichkeit müsse gleichfalls von seinem Endvermögen abgesetzt und als Forderung beim Endvermögen der Klägerin hinzugerechnet werden. Unter Berücksichtigung der bereits unstreitig erbrachten Zahlung von 18.000,00 DM schulde er der Klägerin auf keinen Fall noch einen höheren Zugewinnausgleich als 613,00 DM.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, mehr als 613,00 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 12. Dezember 1989 an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet, daß der Beklagte bei Eheschließung Eigentümer eines Pkw-... gewesen sei. Der im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags zu ihren Gunsten ausgeurteilte Unterhaltsrückstand von 3.430,00 DM könne beim Ausgleich des Zugewinns nicht berücksichtigt werden. Der Beklagte sei - was er bislang verschwiegen habe - im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages Inhaber einer weiteren Lebensversicherung gewesen. Der Rückkaufswert dieser weiteren Lebensversicherung erhöhe sein Endvermögen. Der Wert seiner Münzsammlung habe zu diesem Zeitpunkt mindestens 3.000,00 DM betragen.
Im übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen. Der Senat hat gemäß Beschluß vom 29. November 1990 Beweis erhoben. Das Ergebnis der Beweisaufnahme befindet sich in der Verhandlungsniederschrift vom gleichen Tage, auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat nur noch über den Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des Zugewinns zu entscheiden. Die Widerklage des Beklagten, mit der er von der Klägerin Auskunft über ihre Sparguthaben begehrt hat, ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Beklagte hat insoweit das klagabweisende Urteil des Familiengerichts nicht angefochten. Es bleibt damit bei der Abweisung der Widerklage.
Die auf den Ausgleich des Zugewinns beschränkte Berufung des Beklagten ist begründet.
Die Klägerin kann nach den §§ 1372 ff., 1378 BGB von dem Beklagten einen Ausgleich des Zugewinns verlangen, wenn der vom Beklagten während der Ehe erworbene Zugewinn ihren Zugewinn übersteigt. Ihr steht unter diesen Voraussetzungen die Hälfte des Überschusses als Ausgleichsforderung zu. Unter "Zugewinn" wird nach § 1373 BGB der Betrag verstanden, um den das Endvermögen eines Ehegatten sein Anfangsvermögen übersteigt. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung des Anfangsvermögens ist nach § 1376 Abs. 1 BGB der Zeitpunkt des Beginns des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft. Das ist hier der Tag der Eheschließung (12. Juli 1963). Für die Berechnung des Endvermögens ist nach § 1384 BGB auf den Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages (5. Mai 1986) abzustellen.
Der Beklagte war im Zeitpunkt der Eheschließung Inhaber einer ... Aktie mit einem damaligen Kurswert von 800,00 DM. Das steht aufgrund der glaubhaften Bekundung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 1990 fest. Auch die Klägerin hat auf Befragen des Senats erklärt, sie halte es durchaus für möglich, daß der Beklagte bei Eheschließung bereits eine solche ... Aktie besessen habe.
Aufgrund der Aussage des vom Senat vernommenen Zeugen ..., des Bruders des Beklagten, ist ferner bewiesen, daß dieser bereits bei Eheschließung Eigentümer eines Pkw-... war. Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung bekundet, daß der Beklagte im Jahre 1961 einen Pkw-... besessen habe, den er im Januar oder Februar 1962 verkauft und an dessen Stelle er einen türkisfarbenen Pkw-... gekauft habe, den er seinerseits Anfang des Jahres 1963 weiterverkauft und für den er sich dann einen anderen Pkw-... angeschafft habe. Der Senat hat keine Zweifel, daß die Aussage dieses Zeugen den Tatsachen entspricht. Der Beklagte war unstreitig seit. 1961 Angehöriger des ... Werks. Es ist und war schon damals allgemein üblich, daß die Werksangehörigen ihren sog. Jahreswagen jeweils nach Ablauf eines Jahres abstoßen und dafür einen neuen Wagen kaufen. Der Zeuge hatte auch deshalb eine genaue Erinnerung an das im Zeitpunkt der Eheschließung vorhandene Fahrzeug des Beklagten, weil er gleichfalls Angehöriger des ... Werkes war, damals noch kein eigenes Fahrzeug besessen hatte und aus diesem Grunde mit dem Beklagten eine Fahrgemeinschaft bildete. Der Zeitwert des Anfang des Jahres 1963 vom Beklagten angeschafften Pkw-... schätzt der Senat in Übereinstimmung mit dem Beklagten auf 4.200,00 DM. Das Anfangsvermögen des Beklagten belief sich somit nach damaliger Kaufkraft auf insgesamt 5.000,00 DM (800,00 DM ... Aktie + 4.200,00 DM Wert des Pkw-...). Zur Vermeidung eines bloß nominellen, lediglich auf der inzwischen eingetretenen Geldentwertung beruhenden scheinbaren Zugewinns muß der Wert von 5.000,00 DM in einen dem Jahre 1986 entsprechenden Wert umgerechnet werden. 5.000,00 DM entsprachen 1963 in ihrer Kaufkraft 1986 einem Betrag von 11.583,49 DM (5.000,00 DM × 120,7: 52,1). Dieser Betrag ist als Anfangsvermögen des Beklagten in die Berechnung seines Zugewinns einzusetzen.
Im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages (5. Mai 1986) war der Beklagte unstreitig Inhaber von zwei Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert (einschließlich der angefallenen Überschußanteile) von 28.581,73 DM und 20.396,18 DM. Entgegen der Darstellung der Klägerin besaß der Beklagte in dem für die Berechnung seines Endvermögens maßgebenden Zeitpunkt keine weitere Lebensversicherung. Der Beklagte hat durch Vorlage einer Ablichtung des Versicherungsantrags glaubhaft dargetan, daß diese weitere Lebensversicherung nicht von ihm, sondern von seinem Sohn abgeschlossen worden ist und daß dieser Versicherungsnehmer der Lebensversicherung war. In der mündlichen Verhandlung vom 29. November 1990 hat er dazu erklärt, daß der Abschluß dieser Lebensversicherung mit der Wehrpflicht seines Sohnes in der Bundeswehr in Zusammenhang stand. Der Senat ist von der Richtigkeit der Darstellung des Beklagten überzeugt.
Der Beklagte war im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages unstreitig Inhaber eines Guthabens bei der ... von 2.337,09 DM (2.312,73 + 24,36 DM anteilige Zinsen) und besaß zu diesem Zeitpunkt einen Pkw-... mit einem Zeitwert von 13.800,00 DM. Er war ferner Eigentümer einer Münzsammlung, deren Wert zwischen den Parteien streitig ist. Der Beklagte hat dazu vorgetragen, daß es sich um 4 Olympia-Münzen zur Olympiade in München (1972) sowie um 10 Sondermünzen zu je 5,00 DM (einfache Ausführung) ab dem Jahre 1969 gehandelt habe. Diese Angaben sind nicht widerlegt worden. Die Klägerin hat keinen Beweis dafür angeboten, daß der Beklagte noch andere Münzen besessen hat. Das geht zu ihren Lasten, da sie für die Höhe des Endvermögens des Beklagten darlegungs- und beweispflichtig ist. Der Senat muß unter diesen Umständen davon ausgehen, daß der Beklagte nur Eigentümer der von ihm angegebenen Münzen war. Der Zeitwert dieser Münzen kann auf insgesamt 230,00 DM geschätzt werden, zumal von diesem Wert im ersten Rechtszug auch die Parteien ausgegangen sind.
Dem Aktivvermögen des Beklagten standen unstreitig am 5. Mai 1986 Verbindlichkeiten von 2.073,89 DM sowie 266,25 DM gegenüber. Außerdem bestanden zu diesem Zeitpunkt - was gleichfalls nicht mehr bestritten wird - Steuerschulden von insgesamt 4.361,30 DM. Ferner bestand in Höhe von 3.430,00 DM ein gegenüber der Klägerin ausgeurteilter Unterhaltsrückstand.
Diese weitere Verbindlichkeit muß beim Endvermögen des Beklagten berücksichtigt werden; denn grundsätzlich sind alle Verbindlichkeiten, auch solche familienrechtlicher Natur, im Rahmen des § 1375 BGB bei der Berechnung des Endvermögens in Ansatz zu bringen (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1986, 167 ff.). Anders ist die Sachlage nur bei künftigen Unterhaltsschulden. Diese werden - ebenso wie künftige Rentenzahlungen - bei der Berechnung des Endvermögens nicht in Ansatz gebracht. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Beklagte bei einer Berücksichtigung des rückständigen Unterhalts letztlich den Unterhaltsrückstand auf Kosten ihres Anspruchs auf Zugewinnausgleich tilgt. Sie übersieht, daß das Endvermögen des Beklagten sich bei rechtzeitiger Zahlung des Unterhalts um diesen Betrag gemindert hätte. Die von dem Beklagten geltend gemachte Verbindlichkeit von 1.180,00 DM hat das Familiengericht dagegen zu Recht nicht berücksichtigt. Diese Verbindlichkeit steht im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 3. September 1987, durch den der Beklagte seinen Miteigentumsanteil an dem bis dahin gemeinsamen Hausgrundstück an die Klägerin verkaufte, und hat im Rahmen dieser Vermögensauseinandersetzung seine abschließende Regelung gefunden. Das Endvermögen des Beklagten betrug damit insgesamt 55.313,56 DM (28.681,73 DM + 20.396,18 DM Lebensversicherungen + 2.337,09 DM Bankguthaben + 13.800,00 DM Zeitwert Pkw-... + 230,00 DM Wert der Münzsammlung ./. 2.073,89 DM ./. 266,25 DM Verbindlichkeiten ./. 4.361,30 DM Steuerschulden ./. 3.430,00 DM Unterhaltsschulden). Diesem Endvermögen steht ein Anfangsvermögen von 11.583,49 DM gegenüber, so daß der Beklagte während der Ehezeit einer. Zugewinn von 43.730,07 DM erzielt hat (55.313,56 DM ./. 11.583,49 DM).
Die Klägerin verfügte demgegenüber bei Eheschließung über kein Anfangsvermögen. Im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags verfügte sie über ein Bankguthaben von 460,08 DM sowie über ein weiteres Guthaben von 944,10 DM (927,10 DM + 17,00 DM anteilige Zinsen). Sie war gleichfalls Eigentümerin eines Pkw's mit einem unstreitigen Zeitwert von 3.500,00 DM. Ihr Endvermögen erhöhte sich schließlich noch um ihre Forderung gegenüber dem Beklagten auf Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von 3.430,00 DM. Diese Forderung ist auch bei ihrem Endvermögen zu berücksichtigen, da sie nach eigenen Angaben wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung des Unterhalts ihr Sparguthaben hat angreifen müssen. Dieses Sparguthaben hatte sich bei rechtzeitiger Zahlung des Unterhalts nicht um den für den Lebensunterhalt in Anspruch genommenen Betrag vermindert. Das Endvermögen der Klägerin belief sich damit auf insgesamt 8.334,18 DM (460,08 DM + 944,10 DM Guthaben + 3.500,00 DM Zeitwert Pkw + 3.430,00 DM Unterhaltsforderung). Der von der Klägerin erzielte Zugewinn entspricht diesem Endvermögen, da ein Anfangsvermögen von ihm nicht abzusetzen ist.
Der Klägerin steht nach § 1378 Abs. 1 BGB als Ausgleich die Hälfte der Differenz zwischen dem von den Parteien jeweils erzielten Zugewinn zu. Sie kann demnach von dem Beklagten als Zugewinnausgleich einen Betrag von 17.697,95 DM fordern (43.730,07 DM ./. 8.334,18 DM = 35.395,89 DM; 35.395,89 DM: 2). Der Beklagte hat unstreitig an die Klägerin zum Ausgleich des Zugewinns bereits 18.000,00 DM gezahlt. Die Klägerin kann damit keinen weiteren Zugewinnausgleich mehr als die von dem Beklagten nicht eingegriffenen 613,00 DM verlangen. Die Berufung des Beklagten ist in vollem Umfange begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der von der Klägerin nachgereichte Schriftsatz vom 30. November 1990 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Der Senat hat bei seiner Entscheidung nicht darauf abgestellt, ob der Beklagte bei Beginn seiner Ehe auch über Bankguthaben verfügt hat. Es ist deshalb unerheblich, worauf die Ende des Jahres 1964 vorhandenen Guthaben des Beklagten von insgesamt 11.000,00 DM beruhen.