Landgericht Lüneburg
Urt. v. 10.12.1992, Az.: 4 S 227/92
Anforderungen an die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs und eines Schmerzensgeldanspruchs gegenüber einem Hundehalter wegen der Tötung eines Katers durch dessen Hund; Anforderungen an die Substantiierung der vorsätzlichen bzw. fahrlässigen Verursachung der Tötung eines Katers bzw. einer Katze
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 10.12.1992
- Aktenzeichen
- 4 S 227/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 22021
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:1992:1210.4S227.92.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - 08.05.1992 - AZ: 9 C 656/91
Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB
- § 847 BGB
In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 26. November 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 08. Mai 1992 teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 131,23 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 07.12.1991 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die Klägerin kann von den Beklagten Schadensersatz für die Tötung ihres Katers in Höhe von 131,23 DM verlangen, nicht aber Schmerzensgeld.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin durch die gewaltsame Tötung ihre Katers einen seelischen Schock erlitten hat, der einer Körper- oder Gesundheitsverletzung gleichzusetzen wäre. Jedenfalls scheitert ein Schmerzensgeldanspruch gemäß §847 in Verbindung mit §823 BGB daran, daß die Klägerin den Beklagten kein Verschulden nachgewiesen hat.
Die Beklagte zu 2) trifft schon deshalb kein Verschulden, weil sie bei dem Vorfall gar nicht anwesend war. Ihr ist auch nicht etwa anzulasten, sie habe pflichtwidrig ihren Hund einer nicht geeigneten Aufsichtsperson überlassen. Der Beklagte zu 1), der seinen und den der Beklagten zu 2) gehörenden Hund ausführte, ist mit dem Tier der Beklagten zu 2) derart umfassend vertraut, daß keine Bedenken bestanden, ihm den Hund für einen Spaziergang zu überlassen.
Auch den Beklagten zu 1) trifft kein Verschulden, denn er hat weder vorsätzlich noch fahrlässig die Tötung des Katers verursacht.
Er hatte die Hunde ordnungsgemäß angeleint, nämlich mit üblichen, nach Aussage der Klägerin im Ermittlungsverfahren 20 Js 16543/90 StA Lüneburg etwa 1 1/2 m langen Hundeleinen. Da es sich um ausgebildete Jagdhunde handelt, bestanden auch keine Bedenken, sie in einem Wohngebiet angeleint auszuführen, zumal nicht vorgetragen ist, daß es sich um besonders aggressive oder beißwütige Tiere gehandelt habe.
Allerdings haben die Hunde den Kater der Klägerin getötet und zerrissen. Das ist jedoch nicht auf fahrlässiges Fehlverhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen, sondern darauf, daß der Kater sich in die unmittelbare Nähe der Hunde begeben hat. Die Kammer geht davon aus, daß der Kater die Hunde nicht direkt attakiert hat, sondern nur vom Grundstück aus zu den Hunden hingelaufen ist. Auf dieses Verhalten des Katers aber hatte der Beklagte zu 1) keinen Einfluß. Schon in dem Moment, als der Kater die Hunde erreicht hatte, bissen diese zu und töteten den Kater innerhalb kürzester Zeit. Es ist nicht festzustellen, auf welche Weise der Beklagte zu 1) dies noch hätte verhindern können. Zwar hätte er möglicherweise insoweit eingreifen können, als er die Hunde von ihrer "Beute" trennte und damit der Klägerin den Anblick des Zerreißens des Katers ersparte. Das hätte aber bedeutet, daß der Beklagte zu 1) sich zwischen die kämpfenden Hunde begeben und ihnen die "Beute" hätte wegnehmen müssen. Daß das nicht ohne Risiko gewesen wäre und den Beklagten zu 1) der Gefahr erheblicher Verletzungen ausgesetzt hätte, liegt auf der Hand. Ein solches Eingreifen wäre vom Beklagten zu 1) daher nur dann zu erwarten gewesen, wenn es dem Schutz eines mindestens gleichwertigen Rechtsguts gedient hätte. Das aber war nicht der Fall. Der Kater war bereits gebissen worden, also letztlich nicht mehr zu retten. Der Beklagte zu 1) mußte sich daher nicht unwägbaren Gefahren aussetzen, nur um das Zerreißen eines bereits getöteten Tieres zu beenden. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Beklagte zu 1) durch bloßes Zurufen die Hunde vom Kater hätte trennen können, denn der Jagdinstinkt der ausgebildeten Jagdhunde wäre allein dadurch nicht zu stoppen gewesen.
Da ein Fehlverhalten des Beklagten zu 1) nicht festzustellen ist, scheidet ein Schmerzensgeldanspruch aus.
Dagegen haften die Beklagten als gemeinsame Halter der Hunde gemäß §833 BGB für die Tiergefahr ihrer Hunde, ohne daß es auf ein Verschulden ankäme. Durch die Hunde der Beklagten ist der Kater der Klägerin verletzt worden; insoweit sind die für Sachen geltenden Vorschriften anwendbar (§90 a Satz 3 BGB). Die Verletzungshandlung beruhte auf typischem Tierverhalten, nämlich der natürlichen Aggression von Tieren, insbesondere von Hunden und Katzen untereinander. Eine Entlastungsmöglichkeit, gemäß §833 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht, weil die Hunde nicht Berufs- oder Erwerbszwecken dienen.
Die Klägerin muß sich jedoch auch die Tiergefahr ihres Katers gemäß §833 BGB schadensmindernd anrechnen lassen (§254 BGB). Das typische tierische Verhalten ihres Tieres hat ebenfalls wesentlich zu dem Vorfall beigetragen, nämlich die Neugier des Katers, der sich den beiden Hunden bis auf Reichweite genähert hatte. Nur weil die Tiere sich so nahegekommen sind, konnte es überhaupt zu dem "Kampf" kommen.
Bei der Abwägung der beiderseitigen Tiergefahren hält die Kammer die Gefährlichkeit der Hunde für deutlich höher als die des Katers. Zum einen waren die Hunde schon zahlenmäßig in der Übermacht, zum anderen waren sie als ausgebildete Jagdhunde wesentlich gefährlicher in einer Auseinandersetzung als der relativ harmlose Stubenkater. Die Kammer hält daher eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten der Beklagten und 1/3 zu Lasten der Klägerin für angemessen.
Bei der Schadenshöhe ist vom Zeitwert des Katers auszugehen. Da der Kater nicht mehr vorhanden ist und daher die Bewertung durch ein Sachverständigen, der insbesondere den Gesundheitszustand des Tieres überprüfen müßte, nicht mehr möglich ist, kann die Kammer den Wert nur nach dem Anschaffungspreis schätzen. Der Kater ist ausweislich des Kaufbeleges für 250,- DM gekauft worden. Für eine spätere Wertsteigerung gibt es keine konkreten Anhaltspunkte. Die Klägerin kann insbesondere nicht die für Impfungen aufgewendeten Kosten in Ansatz bringen, weil dies nur der Erhaltung des Tieres diente, aber dessen Wert nicht gesteigert hat.
Zu addieren sind pauschale Kosten anläßlich der Schadensregulierung, die mit 30,- DM angemessen erscheinen. Vom Gesamtschaden in Höhe von 280,- DM haben die Beklagten der Klägerin folglich 2/3, also 186,67 DM zu ersetzen.
Gegen diesen Anspruch haben die Beklagten wirksam mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 55,44 DM teilweise aufgerechnet.
Bei dem Vorfall sind auch die Hunde der Beklagten verletzt worden, wie sich aus den tierärztlichen Attesten vom Vorfallstage, die typische Kampfverletzungen ausweisen, ergibt. Gemäß §833 BGB haftet die Klägerin dafür, daß ihr Kater den "Kampf" und damit die Verletzungen mitverursacht hat. Der Schaden beträgt ausweislich der Arztkosten 166,32 DM. Dabei ist gleichgültig, welcher der Hunde verletzt wurde, welchem der Beklagten also der Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zusteht. Da die Beklagten als Gesamtschuldner haften, kann jeder von ihnen mit befreiender Wirkung mit eigenen Ansprüchen aufrechnen (§422 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Bei der Schadenshöhe ist aber wiederum der Mitverursachungsanteil der Beklagten zu berücksichtigen, Auch die Beklagten haften gemäß §833 BGB für die Tiergefahr ihrer Hunde, wobei dieselbe Quote wie oben zugrundezulegen ist. Die Beklagten müssen folglich 2/3 ihres Schadens selbst tragen und können nur 1/3 von der Klägerin ersetzt verlangen. Das sind 55,44 DM.
Die Beklagten schulden der Klägerin folglich 186,67 DM abzüglich der Aufrechnungsforderung von 55,44 DM, also 131,23 DM.
Auf diesen Betrag haben die Beklagten Prozeßzinsen gemäß §291 BGB zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §92 ABs. 2 ZPO, weil die Klägerin nur mit einem geringfügigen Teil obsiegt hat und dies keine besonderen Kosten veranlaßt hat.