Arbeitsgericht Hannover
Beschl. v. 13.01.2005, Az.: 10 BV 7/04
Antrag auf Ersetzung der verweigerten Zustimmung zur Versetzung eines Mitarbeiters; Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich des Anforderungsprofils des Arbeitsplatzes; Bestehen einer gesetzlichen Pflicht zur Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 13.01.2005
- Aktenzeichen
- 10 BV 7/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 28579
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:2005:0113.10BV7.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 92 Abs. 3 BetrVG
- § 95 BetrVG
- § 7 Abs. 1 TzBfG
- § 93 BetrVG
Fundstellen
- AUR 2005, 275 (Volltext mit amtl. LS)
- AuR 2005, 275 (Volltext mit amtl. LS)
- AuR 2005, 255-257 (Urteilsbesprechung von RA Ulrich Fischer)
- DB 2005, 896 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBVR online 2005, 7 (amtl. Leitsatz)
- schnellbrief 2005, 7
Verfahrensgegenstand
Feststellung
Das Arbeitsgericht in Hannover hat
auf die mündliche Anhörung der Beteiligten vom 13.01.2005
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters Xxxx vom Arbeitsplatz als Wareneingangsprüfer zum Leiter/Wareneingang wird ersetzt.
- 2.
Es wird festgestellt, dass die vorläufige personelle Maßnahme der Betrauung des Mitarbeiters Xxxx mit den Tätigkeiten als Leiter Wareneingang ab 16.08.2004 dringend erforderlich ist.
Gründe
I.
Streitgegenstand sind Anträge auf Ersetzung der vom Antragsgegner verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters Xxxx auf die Position des Leiters/Wareneingang sowie (Antragserweiterung vom 20.08.04) auf Feststellung, dass diese Versetzung zunächst als vorläufige Maßnahme dringend erforderlich ist (Blatt 2, 15 d.A.).
Der Antragsgegner ist der im Betrieb der Antragstellerin bestehende Betriebsrat. Die Antragsstellerin begehrt mit Schreiben vorn 27.04.2004 die Zustimmung zur geplanten Versetzung, der Antragsgegner widersprach mit Schreiben vom 03.05.2004. Entsprechend bat die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.08.2004, der vorläufigen Versetzung als dringend erforderliche Maßnahme zuzustimmen. Auch insoweit verweigerte der Antragsgegner mit seinem Widerspruch vom 17.08.2004 die Zustimmung.
Die ursprünglich damit verbundene Streitfrage der zutreffenden Eingruppierung des Mitarbeiters Lingies (Position: Leiter/Wareneingang) ist durch Herstellung des Einvernehmens der Beteiligten (vor Anhängigwerden des Antrags) erledigt.
Der Antragsgegner stützt die Zustimmungsverweigerung auf § 99 Abs. 2 Ziffer 1 und Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz. Er behauptet, die Position des Leiters/Wareneingang sei teilzeitgeeignet. Die Antragstellerin hätte deshalb die Stelle auch als Teilzeitstelle ausschreiben müssen. Außerdem meine der Antragsgegner, dass der Mitarbeiter geeigneter sei und deshalb hätte ausgewählt werden müssen (an Stelle von Xxxx)
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
die Zustimmung des Antragsgegners zur Versetzung des Xxxx von seinem jetzigen Arbeitsplatz als Wareneingangsprüfer zum Leiter/Wareneingang zu ersetzen,
- 2.
festzustellen, dass die vorläufige personelle Maßnahme der Betrauung von Xxxx den Tätigkeiten als Leiter/Wareneingang ab dem 16.08.2004 dringend erforderlich.
Der Antragsgegner beantragt,
Er macht ergänzend geltend (Antrag Ziffer 2), der Antragstellerin sei für die Dauer dieses Verfahrens (bis zum rechtskräftigen Abschluss) zumutbar, im Sinne einer wie bisher praktizierten Abwesenheitsvertretung die Position zu fuhren.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die Anlagen, die alle Gegenstand der mündlichen Anhörung waren. Auch wird Bezug genommen auf die Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Anhörung vor der Kammer.
II. Die Anträge sind statthaft, zulässig und in der gebotenen Verfahrensart gestellt (§§ 2 a Abs. 1 Ziffer 1 ArbGG, 99 Abs. 1 - 4 und 100 Abs. 1 - 3 BetrVG). Sie sind in vollem Umfang begründet.
1.
Der Antragsgegner hat als Betriebsrat kein sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebendes (qualifiziertes) Mitbestimmungsrecht in der Frage, ob ein Arbeitsplatz teilzeitgeeignet ist oder nicht, also der Arbeitgeber die Aufgaben und den Arbeitsplatz entsprechend als Teilzeit ausweisen und beschreiben kann.
Der Arbeitgeber bestimmt (als Unternehmer) das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes, der Betriebsrat kann insoweit nicht mitbestimmen, er hat nur ein entsprechendes Vorschlags-, Beratungs- und Erörterungsrecht (aus § 92 Abs. 3 BetrVG - Personalplanung, § 92 a Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 1 Ziffer 2 a und Ziffer 2 b BetrVG - Teilzeitstellen zur Förderung der Familie und Gleichstellung der Frau, schließlich § 93 BetrVG - Vorschlagsrecht bezüglich Ausschreibung von Arbeitsplätzen auch als Teilzeitarbeitsplätze). Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht ergibt sich auch nicht aus § 95 BetrVG (Auswahlrichtlinien). Denn das dort geregelte Mitbestimmungsrecht bezieht sich nur auf Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen oder Versetzungen, ist mithin abhängig davon, welcher Arbeitsplatz mit welchen Anforderungen vom Arbeitgeber festgelegt und eingerichtet worden ist (Anforderungsprofil, Funktionen, Aufgaben). Die eigentliche Auswahl selbst (Besetzung einer ausgewiesenen Vollzeitarbeitsstelle mit einem Bewerber oder einer Bewerberin) ist wiederum nicht Gegenstand des Mitbestimmungsrechts in § 95 BetrVG, das allgemein nur die Auswahlrichtlinien, aber nicht individuell die einzelne Auswahl regelt.
Die Antragstellerin hat den Arbeitsplatz ausgeschrieben, und zwar als Vollzeitarbeitsplatz und nicht als Teilzeitarbeitsplatz. Verlangt der Antragsgegner als Betriebsrat die Ausschreibung, ist er an diese Vorgabe gebunden (Einrichtung des Arbeitsplatzes als Vollzeitarbeitsplatz). Über § 93 BetrVG (Ausschreibungspflicht) kann er keine (qualifizierte) Mitbestimmung darüber erzwingen, ob die Stelle auch als Teilzeitstelle ausgeschrieben wird. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers muss sich aus (anderer) Rechtsvorschrift ergeben (hier: möglicherweise § 7 TzBfG - siehe die Ausführungen nachfolgend).
III.
1.
Der Arbeitgeber entscheidet als Unternehmer selbst darüber, ob er Teilzeitstellen einrichten und ein entsprechendes Organisationskonzept aufstellen und umsetzen will (ständige Rechtsprechung des BAG, siehe 24.04.97, NJW 98, 179 ff.; 19.05.93, NJW 93, 3218; 07.11.96, DB 97, 581 - Anforderungsprofil; insbesondere 09.05.96, NZA 96, 1145 - Weight Watchers).
Der Antragsgegner kann deshalb auf betriebsverfassungsrechtlicher Grundlage (lediglich Vorschlags- und Beratungsrecht) nicht die Ausschreibung der Position: Leiter/Wareneingang (auch) als Teilzeitstelle erzwingen (Fitting u.a., BetrVG, 22. Auflage, Anm. 14 ff. zu § 93 BetrVG; Anm. 204 zu § 99 BetrVG, Anm. 147 zu § 5 BetrVG).
2.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners (gestützt auf einen entsprechenden Internetauftritt eines Arbeitsgerichtsdirektors, auszugsweise vorgelegt in der mündlichen Anhörung) begründet § 7 TzBfG keine gesetzliche Verpflichtung der Antragsstellerin als Unternehmerin, den streitgegenständlichen Arbeitsplatz (auch) als Teilzeitstelle auszuschreiben.
Nach einhelliger Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung unterlegt die Frage, ob ein Arbeitsplatz teilzeitgeeignet und entsprechend auszuschreiben ist, der Beurteilung des Arbeitsgebers (Beurteilungsspielraum). Die Arbeitsgerichte können eine solche Prüfung und Entscheidung des Arbeitgebers als Unternehmer nicht auf Zweckmäßigkeit, sondern nur auf Rechtsmissbrauch (Willkür) überprüfen (siehe Erfurter Kommentar 5. Aufl." Anm. 3 ff. zu § 7 TzBfG sowie Anm. 34 zu § 99 BetrVG). Es geht also nicht um die (nachgeordnete) Frage, ob der Arbeitgeber eine Ausschreibungspflicht (§ 93 BetrVG) verletzt hat oder nicht, sondern um die vorgeschaltete Frage (im Sinne einer Prämisse), ob eine gesetzliche Pflicht zur Einrichtung eines Teilzeitarbeitsplatzes überhaupt besteht. Zwar spricht § 7 Abs. 1 TzBfG von einer entsprechenden Ausschreibungspflicht, doch ist damit gemeint, dass zunächst auf Grund einer entsprechenden Geeignetheit dieser Teilzeitarbeitsplatz auch als solcher eingerichtet werden muss. Eignet sich ein Arbeitsplatz auch für eine Teilzeitbeschäftigung, dann ist sie entsprechend auszuschreiben, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Antragsgegner als Betriebsrat auf Grund der Anspruchsnorm § 93 BetrVG seinerseits eine Ausschreibung verlangt. Insoweit kann die Verletzung einer Ausschreibungspflicht einen Zustimmungsverweigerungsgrund gemäß § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG darstellen, weil (nämlich) die Antragstellerin als Arbeitgeberin eine gesetzliche Ausschreibungspflicht (§ 7 Abs. 1 TzBfG) verletzen würde. Das setzt aber logisch voraus (Prämisse), dass der Arbeitsplatz: Leiter/Wareneingang auch teilzeitgeeignet ist. Das beurteilt, wie dargelegt, nur die Antragstellerin als Arbeitgeberin (siehe die Ausführungen in der Antragsbegründung und im ergänzenden Schriftsatz).
Wenn die Antragstellerin meint, dass die Position des Leiters/Wareneingang ganztägig besetzt werden muss, so kann sie dafür Zweckmäßigkeitsgründe geltend machen, die das Arbeitsgericht nicht überprüfen kann. Ist insoweit eine gerichtliche Nachprüfbarkeit ausgeschlossen, lässt sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 TzBfG als Gesetzesnorm über den Umweg des § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG eine irgendwie geartete Mitbestimmung darüber ableiten, ob eine auszuschreibende oder ausgeschriebene Stelle teilzeitgeeignet ist oder nicht. Denn, wie aufgezeigt, unterliegt die Eignungsbeurteilung als unternehmerische Entscheidung keiner Zweckmäßigkeitsüberprüfung (Rechtsprechungszitate Erfurter Kommentar, AAO, Anm. 4 zu § 7 TzBfG 605). Daran ändert auch nichts die Entscheidung des BAG vom 30.09.03 (NZA 04, 382). Dort war dem Teilzeitbegehren einer Arbeitnehmerin gem. § 8 TzBfG stattgegeben worden, mit der Begründung, dass die sich aus der Teilzeitbeschäftigung ergebende zeitweise Abwesenheit der Arbeitnehmerin dem Organisationskonzept der beklagten Arbeitgeberin nicht entgegensteht (weil ohnehin die Arbeits- und Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer sich nicht mit den Ladenöffnungszeiten decken und folglich Kunden mit der Nichterreichbarkeit des Verkaufspersonal rechnen müssen).
Die abweichende Auffassung von Fischer (AuR 2001, 326, unter Ziffer II 4) wird nicht mit Argumenten begründet, vielmehr nur als Postulat aufgestellt.
3.
Der weitere Zustimmungsverweigerungsgrund (§ 99 Abs. 2 Ziffer 3 BetrVG) ist (ebenfalls) unbeachtlich. Der Antragsgegner hat als Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht, was die konkrete Auswahl von Bewerbern auf eine zu besetzende Stelle anlangt (§ 95 BetrVG). Soweit der Antragsgegner den Mitbewerber für geeigneter hält, kann die Zustimmungsverweigerung darauf nicht gestützt werden. Denn es besteht keine Rechtsvorschrift (auch nicht in einer Betriebsvereinbarung), dass bei zumindest gleicher Eignung ein bestimmter Mitarbeiter bevorzugt einzustellen oder ihm die Position zu übertragen wäre.
4.
Die Voraussetzungen des § 100 BetrVG liegen vor, die einstweilige Besetzung der Stelle mit dem Bewerber Jpist aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Das ergibt sich aus der Natur der Sache und ist gerichtsbekannt (hier war die Stelle des Direktors fast ein Jahr nicht besetzt). Das ist nicht zu vergleichen mit zeitlich begrenzten Abwesenheitsvertretungen wegen Krankheit oder Urlaub.