Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 28.04.2005, Az.: 10 Ca 791/04

Soziale Rechtfertigung für eine Änderungskündigung ; Verstoßes gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis ; Öffnen von Dateien eines Mitarbeiters durch den Vorgesetzten

Bibliographie

Gericht
ArbG Hannover
Datum
28.04.2005
Aktenzeichen
10 Ca 791/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 38183
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGHAN:2005:0428.10CA791.04.0A

Fundstelle

  • NZA-RR 2005, 420-423 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Feststellung

In dem Rechtsstreit
...
hat das Arbeitsgericht Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 28.04.2005
durch
den Richter am Arbeitsgericht Dr. Kammerer als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter B. Wessarges und R. Siegismund als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Der Streitwert wird auf 9.501,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitgegenstand der am 16.11.04 erhobenen Änderungsschutzklage ist eine Änderungskündigung, die die Beklagte als Arbeitgeberin mit Schreiben vom 10.11.04 zum 31.01.05 ausgesprochen hat (Bl. 8 d.A.). Der Kläger hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen.

2

Auf das Arbeitsverhältnis ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar. Die Beklagte hat vor Ausspruch der Kündigung den bei ihr bestehenden Betriebsrat (Personalausschuss) gehört.

3

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe den ihm zur Verfugung gestellten Arbeitsplatz-Computer missbräuchlich genutzt, indem er im Intranet der Beklagten Dateien mit sexuellen bzw. anzüglichen Inhalten empfangen, gespeichert und weitergeleitet habe.

4

Mit der Änderungskündigung erstrebt die Beklagte die Versetzung des Klägers in den Karosseriebau mit gleichzeitiger Abgruppierung in die Entgeltgruppe 09 (nach dem für ihr Haus maßgeblichen Entgelttarifvertrag).

5

Der Kläger rügt, das mit der Änderungskündigung verbundene Änderungsangebot entspreche nicht dem Bestimmtheitsgebot, weshalb die Änderungskündigung unwirksam sein. Die Änderungskündigung sei unverhältnismäßig und könne das von der Beklagten angestrebte Ziel nicht erreichen (Verhinderung von Missbrauch im Datenverkehr). Er habe zwar in seiner Anhörung eingestanden und das entspreche auch den Tatsachen, dass er teilweise im Intranet E-Mails mit Darstellungen unbekleideter Frauen, mit pornographischen Darbietungen und mit Witzen anzüglichen Inhalts erhalten, geöffnet und an Dritte weitergeleitet habe. Doch hätten auch andere Mitarbeiter und Personen Zugriffsberechtigung und Zugang zu dem Personalcomputer. Nicht alle E-Mails stammten aus seiner Nutzung.

6

Die Beklagte habe den privaten E-Mail-Verkehr im Intranet gestattet. Die Dateien seien deshalb vor einer Überwachung geschützt. Die Beklagte habe sie widerrechtlich geöffnet und ausgewertet. Die Kenntnisse seien prozessual nicht verwertbar. Die Dateien seien nur temporär im Rahmen des E-Mail-Verkehrs gespeichert. Deshalb seien sie zu keinem Zeitpunkt weiblichen Mitarbeitern oder Jugendlichen zugänglich gewesen. Ihm sei nicht bekannt, dass im Betrieb die Betriebsvereinbarung Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz gelte. Die Beklagte hätte mit einer Abmahnung verhältnismäßig reagieren können.

7

Er bestreitet die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats.

8

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen des Klägers durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 10.11.2004, zugegangen am 16.11.2004, unwirksam ist.

9

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie trägt vor, am 15.10.04 habe der Mitarbeiter der Werkssicherheit, der Zeuge ..., der internen Revision mitgeteilt, dass auf einem frei zugänglichen internen Netzlaufwerk Bilder mit pornographischen Inhalten gesichtet worden seien. Deren Bericht vom 21.10.04 habe ergeben, dass der Kläger in 11 E-Mails Anlagen mit anzüglichem Inhalt erhalten, geöffnet und weitergeleitet habe. Der Umfang der Dateien habe 10,9 MB bzw. 27,7 MB betragen.

11

Die Beklagte bilde aus und beschäftige auch weibliche Mitarbeiter. Im Betrieb gelte die Betriebsvereinbarung Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz, die besonders (über eine Broschüre) im Betrieb bekannt gemacht worden sei (Beklagtenvorbringen in der Kammerverhandlung). Sie müsse aus generalpräventiven Gründen abschreckend reagieren, um einen EDV-Missbrauch auszuschließen, der erhebliche Speicherkapazitäten blockiere und geschützte Rechtsgüter von Jugendlichen und weiblichen Mitarbeiter tangiere (Persönlichkeitsrecht, Menschenwürde).

12

Wegen des Vorbringens der Parteien wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die Anlagen, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Auch wird Bezug genommen auf die Erklärungen der Parteien in der Güteverhandlung und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte konnte aus Verhaltens- und betriebsbedingtem Grund den Kläger im Wege der Änderungskündigung in den Karosseriebau versetzen und zugleich (in die Entgeltgruppe 09 ihres Entgelttarifvertrages) abgruppieren. Das mit der Änderungskündigung verbundene Angebot ist wirksam, vom Kläger unter Vorbehalt angenommen.

14

Nachdem die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt ist (§§ 1, 2 KSchG), ist (mit Rechtskraft des Urteils) die Änderungsvereinbarung zustande gekommen (§§ 2, 8 KSchG, 311 Abs. 1BGB).

15

1.

Die Änderungskündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis unwirksam (§§ 623, 125 BGB). Das im Kündigungsschreiben vom 10.11.04 (Bl. 8 d.A.) enthaltene Änderungsangebot entspricht dem Bestimmtheitsgrundsatz. Die Beklagte teilt dem Kläger im Kündigungsschreiben mit, dass ihm mit Wirkung ab 01.02.2005 (nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist) eine neuer Arbeitsplatz im Karosseriebau mit der Entgeltstufe 09 angeboten werde.

16

Die Beklagte wendet im Betrieb, also auch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers, ein tarifliches Entgeltsystem an. Die maßgebliche Eingruppierung wird der Entgeltstufe 09 (neue Tätigkeit im Karosseriebau) entnommen. Das bedeutet, dass die Beklagte kraft Direktionsrecht dem Kläger alle Arbeiten übertragen kann, die dieser Entgeltstufe entsprechen. Die Beklagte hatte im übrigen den Kläger im Gespräch am 10.11.04 (siehe Bl. 4 d.A.) darauf hingewiesen, dass der neue Arbeitsplatz eine Rückstufung um vier Lohngruppen mit sich bringe. Sie hat dem Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung, nämlich einen Tag nach diesem Gespräch, in den Karosseriebau versetzt, so dass dem Kläger die Arbeitsbedingungen bekannt waren. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ausreichend, wenn der Inhalt des Änderungsangebots im Kündigungsschreiben hinreichenden Anklang gefunden hat (BAG, 16.09.04, DB 05, 395, 396).

17

2.

Die Betriebsratsanhörung ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat dazu ausführlich vorgetragen (Klageerwiderung vom 12.04.05, Seite 4/5 - BI. 49/50 d.A.). Auch ist der Urkundenbeweis geführt (Anhörungsschreiben vom 10.11.04 - Bl. 57 d.A.). Der Kläger hat sich mit dem insoweit substantiierten Vorbringen der Beklagten nicht (mehr) auseinandergesetzt. Das Vorbringen der Beklagten gilt als zugestanden (§ 138 ZPO).

18

3.

Die Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt (§ 2 KSchG). Die Beklagte konnte den Kläger aus verhaltens- und betriebsbedingtem Grund versetzen (Mischtatbestand). Denn der Kläger hat eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung begangen, indem er das Intranet der Beklagten und den erlaubten privaten E-Mail-Verkehr missbrauchte, indem er Dateien mit sexuellen und anzüglichen Inhalten an Dritte (im Betrieb) weiterleitete, und darüber hinaus gegenüber der Beklagten als Arbeitgeberin nicht offenbarte, dass ein solcher Datenmissbrauch (veranlasst durch Dritte) stattfindet (durch Zusendung solcher E-Mails an die Adresse des Klägers im Intranet).

19

3.1.

Eine verhaltensbedingteÄnderungskündigung setzt ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers und im Regelfall eine vorherige Abmahnung voraus. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Änderungskündigung liegen vor, wenn der Vollzug einer unternehmerischen Entscheidung zur Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen führt. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob die dem Arbeitnehmer vorgeschlagene Änderung der Arbeitsbedingungen im Hinblick auf den Kündigungsgrund dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht. Bei der verhaltensbedingten Änderungskündigung ist dabei zu prüfen, ob das Änderungsangebot geeignet und erforderlich ist, die Störung des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen. Weiter ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Interesse des Arbeitgebers an einer Änderung der Arbeitsbedingung abzuwägen ist.

20

Bei der betriebsbedingtenÄnderungskündigung ist zu prüfen, ob die Durchführung der unternehmerischen Entscheidung das Änderungsangebot erforderlich macht, oder ob weniger einschneidende Änderungen in Betracht kommen. Nach der Rechtsprechung des BAG ist bei der betriebsbedingten Änderungskündigung das Änderungsangebot daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen, und ob sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Auch in der Rechtsprechung des BAG gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ausführlich und mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BAG s. statt aller von Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Auflage, Anmerkung 62 ff., 66 zu § 2 KSchG).

21

Die Beklagte konnte - auch aus generalpräventiven Gründen - auf den schwerwiegenden Vertragsverstoß des Klägers nur mit einer Änderungskündigung (anstelle einer ohnehin gebotenen Beendigungskündigung) reagieren, und zwar ohne vorherige Abmahnung.

22

Das ergibt sich aus folgendem:

23

3.2.

Die Frage kann dahinstehen, ob dem Kläger die Betriebsvereinbarung Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitplatz bekannt war, die Beklagte sie also gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG ausgelegt hatte. Auch kann offen bleiben, ob diese Betriebsvereinbarung tatbestandlich den hier in Rede stehenden Datenmissbrach (Intranet) erfasst. Der Kläger hat jedenfalls gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, die zum Schütze Dritter, insbesondere Jugendlicher und weiblicher Mitarbeiter, bestehen.

24

Die Beklagte gestattet privaten E-Mail-Verkehr im Intranet. Damit ist eine private Nutzung eingeräumt, die den gesetzlichen Vorschriften der Telekommunikation unterliegen. Dabei ist unerheblich (schriftsätzlicher Einwand des Klägers), dass die Dateien nur temporär abgelegt - (gespeichert) waren (siehe ArbG Düsseldorf, 01.08.01, RDV 02, 134 = NZA 01, 1386; Ernst, NZA 02, 585; ausführlich dazu neuderdings OVG Lüneburg, 21.02.05, NJW 05,1387 f.).

25

Gestattet der Arbeitgeber die private Nutzung von Internet und E-Mail (und sei es - wie hier - auch im Intranet), finden die gesetzlichen Vorschriften der Telekommunikation Anwendung. Der Arbeitgeber unterliegt dem Fernmeldegeheimnis, was die Inhalts- und Verbindungsdaten anlangt (§§ 85, 89 TKG - abgedruckt in RDV 96, 261 ff.). Bezüglich der (insbesondere der Abrechnung dienenden) Bestands-, Verbindungs- und Nutzungsdaten, unterliegt eine Überwachung (Kontrolle) durch den Arbeitgeber den Vorschriften der §§ 3 TDSV (vom 12.07.96 - RDV 96,197 ff.) sowie § 3 TDDSG (vom 22.07.97 in der Fassung vom 21.12.01 - RDV 02, 36 f.). Für die Auswertung der Dateien (und das vom Kläger geltend gemachte prozessuale Beweisverwertungsverbot) ist § 85 TKG (Fernmeldegeheimnis) maßgeblich. Danach kann sich der Verpflichtete (hier: der das Intranet betreibende und die private Nutzung gestattende Arbeitgeber) über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation verschaffen und ihn für andere Zwecke verwenden, soweit das Gesetz selbst oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht.

26

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Beklagte war berechtigt, auch ohne Einwilligung des Klägers die festgestellten Dateien zu öffnen und auszuwerten.

27

Der Kläger hat die bei ihm eingegangen E-Mails nicht nur geöffnet, sondern - wie er selbst zugestanden hat - teilweise an Dritte (im Intranet, also an Mitarbeiter) weitergeleitet. Er trägt nicht vor, dass und aufweiche Weise er die weitergeleiteten E-Mails als ausschließlich privat gekennzeichnet hatte, so dass für den Empfänger dieser E-Mails im Intranet sofort erkennbar gewesen wäre, dass es sich nicht um dienstliche E-Mails, sondern um private E-Mails des Klägers handelte. Fehlt ein solcher Hinweis auf den privaten Charakter, begibt sich der Arbeitnehmer selbst aus dem Anwendungsbereich der aufgeführten Telekommunikationsvorschriften, insbesondere des Schutzes (Fernmeldegeheimnis) aus § 85 TKG (siehe Beck-Schulze, DB 03, 2777, 2780).

28

Darüber hinaus wird ein Kontroll- und Überwachungsrecht des Arbeitgebers aus § 85 Abs. 3 TKG abgeleitet, wenn ein faktischer Verdacht für einen Missbrauch vorliegt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist (ausführlich Deck-Schulze, a.a.O., Seite 2780; Beck-Schulze/Henkel, DB 01, 1495; Hörnle, NJW 02, 1008 ff.; Grosjean, DB 03, 2652; Bejok/Class,RDV 01, 54, 57; Post-Ortmann,RDV 99, 106, 107; ausführlich Hilber/Frik, Rd.A. 02, 89 ff., 92 ff.; aus dem früheren Schrifttum s. Lindemann/Simon, BB 01, 1953; Raffler/Hellich, NZA 97, 862 ff.; einschränkend Weißgerber, NZA 03, 1007 f.).

29

3.3.

Das Weiterleiten von Dateien mit pornographischem Inhalt im Intranet (an Dritte) erfüllt die Straftatbestände der §§ 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB und 21 Abs. 1 GjSM (Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalten, den Jugendschutz betreffend). Mit diesen Strafnormen soll die ungewollte Konfrontation Jugendlicher und auch Erwachsener mit (einfacher) Pornographie verhindert werden (ausführlich dazu Hörnle, NJW 02, 1008 ff., 1012, unter Hinweis auf die BT-Drucksache VI/1552, Seite 43, wonach ein einschneidender Eingriff in die Intimsphäre anderer verhindert werden soll; s. auch OVG Lüneburg, a.a.O., S. 1388). Wer einfache Pornographie ins Internet (hier: in das Intranet) stellt, macht diese im Sinne der Vorschrift des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB zugänglich. Voraussetzung dafür ist, dass dies an einem Ort geschieht, der Minderjährigen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann. Dabei genügt, dass die Inhalte dieser Dateien an einem Computer-Bildschirm sichtbar gemacht und wahrgenommen werden können, d.h. maßgeblich ist nach h. M. der Ort, wo Bildschirme und Lautsprecher stehen, zu denen Minderjährige (üblicherweise) freien Zutritt haben (Hörnle, a.a.O. Seite 1010).

30

Darauf beruft sich die Beklagte: Sie trägt vor, sie bilde aus, d.h. Jugendliche (Minderjährige) könnten ohne weiteres an den im Betrieb befindlichen und an das Intranet angeschlossenen Arbeitsplatz - Computern (Bildschirme) diese Dateien einsehen. Der Kl. geht im übrigen selbst davon aus, dass die an das Intranet angeschlossenen Geräte von mehreren Personen bedient werden können, sie also jeweils Zugang zu den Dateien haben.

31

3.4.

Liegen solche strafbaren Handlungen vor oder besteht ein dringender Verdacht dafür, kann auch nach den aufgezeigten Telekommunikationsvorschriften (insbesondere § 85 Abs. 3 TKG - Fernmeldegeheimnis) der Arbeitgeber als Betreiber und Eigentümer des Intranets diese Dateien auf ihren Inhalt hin kontrollieren und überprüfen. Diese Auffassung teilt auch überwiegend die Rechtsprechung (siehe die Nachweise bei Beck-Schulze, DB 03, 2781 f.; ferner ArbG Frankfurt a. M, 01.07.02, RDV 03, 190; ArbG Hannover, 01.12.00, NJW 01, 3502; OVG Lüneburg, a.a.O., S. 1388).

32

Der Kläger kann sich deshalb nicht auf einen prozessuales Beweisverwertungsverbot berufen. Es gelten hier (in Analogie) die Grundsätze, die das BAG (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zum Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des gesprochenen Worts) zur Zulässigkeit verdeckter Videoüberwachung aufgestellt hat (BAG, 27.03.03, DB 03, 2230 = NJW 03, 3436; BVerfG, 31.07.01, NZA 02, 284; aus dem Schrifttum nachdrücklich für eine Analogie sich aussprechend Beck-Schulze, DB 03, 2779 f., 2781).

33

Die Beklagte hat deshalb auf rechtmäßige Art und Weise Kenntnis vom Inhalt dieser Dateien erlangt. Der Mitarbeiter ... hat die Revision auf diese Dateien hingewiesen, auf die er bei Ausführung seiner dienstlichen Tätigkeit gestoßen war (vom Kläger nicht bestritten). Die von der Beklagten vorgenommene Kontrolle und das festgestellte Ergebnis begründen deshalb kein prozessuales Beweisverwertungsverbot, auch nicht im Hinblick auf den von der EG-Datenschutz-Richtlinie gewährleisteten Schutz, wonach rechtswidrig erlangte persönliche Daten vom Arbeitgeber nicht im Kündigungsschutzprozess (nach Ausspruch einer Kündigung) zum Nachteil des Arbeitnehmers verwendet werden dürfen (Art. 14 Satz 1 a der Richtlinie (RL) 95/46/EG, abgedruckt in EAS A 3480, Seite 21; eingehende Würdigung bei Hilber/Frik, RDA 02, 94).

34

3.5.

Rechtsprechung und Schrifttum sehen in solchen schwerwiegenden Vertragspflichtverletzungen (strafbare Handlung durch Datenmissbrauch) einen Grund für eine Beendigungskündigung, in manchen Fällen sogar für eine fristlose Beendigungskündigung (ArbG Düsseldorf, 01.08.01, RDV 02, 134 = NZA 01, 1386; ArbG Hannover, 01.12.00, NJW 01, 3500; ArbG Hannover, 10.01.02, NZA - RR 02, 582 = RDV 02, 249; w. N. bei Beck-Schulze, DB 03, 2781 f.; Kramer, NZA 04, 462 f.; Dickmann, NZA 03, 1012; Fischer, AuR 05, 92).

35

3.6.

Eine vorherige Abmahnung war entbehrlich, und zwar auch aus betriebsbedingtem Grund: Die Beklagte musste im Hinblick auf § 2 BeschSchG reagieren und die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter (auch weibliche Mitarbeiter und Jugendliche) schützen.

36

Eine Abmahnung macht nur Sinn, wenn (Vertrauensbereich) eine Überwachung durch den Arbeitgeber jederzeit möglich ist. Der Kläger stellt sich selbst (schriftsätzlich) auf den Standpunkt, dass aufgrund der aufgezeigten Vorschriften der Telekommunikation eine Überwachung und Kontrolle der privaten E-Mails nicht zulässig sei. Wenn der Kläger das meint, wäre eine Abmahnung zwecklos, weil er damit seinem Arbeitgeber (der Beklagten) für die Zukunft (Prognose) eine Überprüfung des Inhalts seiner Dateien (private E-Mails) verwehrt. Darüber hinaus sprechen generalpräventive Gründe gegen eine Abmahnung. Die Abmahnung als rechtsgeschäftsähnliche Handlung betrifft nur die Arbeitsvertragsparteien selbst. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Abmahnung "zu veröffentlichen", d.h. sie (als vertragsrechtliche Sanktion) gegenüber der Belegschaft bekannt zu geben (entgegen BAG, 21.02.79, AP Nr. 13 zu § 847 BGB = BB, 79, 1558; siehe Kammerer, Personalakte und Abmahnung, 3. Auflage 2001, Anmerkung 254, 382 f.).

37

Das Versenden von Dateien pornographischen Inhalts stellt eine sexuelle Belästigung gemäß § 2 BeschSchG dar (siehe BAG, 25.03.04, NJW 04, 3508, 3509). Zwar muss tatbestandlich eine "erkennbare Ablehnung" des Empfängers hinzutreten, doch kann sich im Einzelfall aus den Umständen diese erkennbare Ablehnung ergeben (siehe Schlachter, AR-Blattei SD 425 BeschSchG, insbesondere Anmerkung 5, 35, 37; Erfurter Kommentar, 5. Auflage, Anmerkung 12 zu § 4 BeschSchG 190). Die Beklagte ist jedenfalls als Arbeitgeberin gemäß § 3 Abs. 2 BeschSchG verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Sie hat hier mit der Änderungskündigung angemessen reagiert (siehe LAG Hamm, 22.10.96, DB 97, 482 f. = NZA 97, 769).

38

Nicht nachvollziehbar sind die Entscheidungen des LAG Rheinland-Pfalz (18.12.03 und 12.07.04 - RDV 04, 224 und 05, 72), wonach grundsätzlich von einer Erlaubnis zur privaten Nutzung auszugehen sei, solange nicht der Arbeitgeber sie ausdrücklich verbiete (Verbotsvorbehalt), und das gelte auch, soweit es sich um Zugriffe des Arbeitnehmers auf Dateien mit pornographischem Inhalt handele. Woraus sich dieses Recht zum "Gebrauchsdiebstahl" ableitet, sagt das LAG nicht. Auch führt es keine rechtstatsächlichen Erkenntnisse an, die auf eine entsprechende, in den Betrieben existierende "Sozialadäquanz" schließen ließen.

39

4.

Die Änderungskündigung erweist sich als sozial gerechtfertigt. Eine Interessenabwägung spricht nicht zu Gunsten des Klägers. Die Beklagte muss sich darauf verlassen können, dass der von ihr gestattete private E-Mail-Verkehr im Intranet nicht missbräuchlich genutzt, insbesondere keine Straftatbestände erfüllt werden. Die Klage war deshalb abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 GKG.