Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.03.2010, Az.: 5 A 2630/08

Abluftreinigungsanlage; Biofilter; Schweinestall; Geruch; Geruchsabsorption; Cloppenburger Leitfaden; GIRL

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.03.2010
Aktenzeichen
5 A 2630/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41258
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2010:0310.5A2630.08.0A

Fundstelle

  • BauR 2010, 1107

Amtlicher Leitsatz

Ein Tierhalter kann eine bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine kostengünstigere Abluftreinigungsanlage als Ersatz für die ursprünglich in seiner Genehmigung der Schweinemastanlage geforderte mehrstufige Abluftreinigungsanlage nur erlangen, wenn er nachweist, dass die begehrte Abluftreinigungsanlage in gleicher Weise schädliche Umwelteinwirkungen für die umliegende Wohnbebauung verhindert (hier wegen verbleibender Tiergerüche im Reingas verneint).

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren von dem Beklagten die Erteilung einer Genehmigung für eine Abluftreinigungsanlage der Kompetenzteam GbR aus V,. (HLF-Biofilter) in einem errichteten Mastschweinestall zum Ersatz der in der ursprünglichen Genehmigung geforderten dreistufigen Abluftreinigungsanlage.

2

Die Kläger sind Landwirte. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. April 2004 erteilte der Beklagte dem Kläger zu 1) eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum Halten von Mastschweinen (414 Mastschweineplätze) auf dem im Eigentum des Klägers zu 2) befindlichen Grundstück K.... in M./R. (Flurstücke ... und ... der Flur ... der Gemarkung M.). Die Genehmigung enthält u.a. die Bedingung, eine dreistufige Abluftreinigungsanlage der Dr. S. Umwelttechnik GmbH (Dr. S.-Filter) zur Minderung der Geruchsimmissionen (insbesondere durch eine Wasserwäsche) einzubauen. Die Kläger errichteten den Mastschweinestall ohne die geforderte Abluftreinigungsanlage. Im Umkreis des Stalls von 100 m befinden sich mehrere Wohnhäuser. Im weiteren Umkreis von 600 m befinden sich zahlreiche weitere Tierhaltungsanlagen verschiedener Betreiber (vgl. Lageplan Bl. 100 GA). Nach Feststellung der abweichenden Bauausführung verfügte der Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 21. September 2005 die Stilllegung der Anlage.

3

Unter dem 4. Dezember 2005 beantragten die Kläger die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung für den Einbau und den Betrieb einer Abluftreinigungsanlage der Kompetenzteam GbR aus V., eines Biofilters nach deren zertifizierten HLF-System (HLF-Filter). Zur Begründung gaben sie im Wesentlichen an, der erheblich kostengünstigere HLF-Filter unterbinde in gleichwertiger Weise Geruchs- und Staubimmissionen.

4

Nach vorausgegangener Korrespondenz lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 21. August 2006 unter Hinweis auf unzureichende Mitwirkung der Kläger ab. Zur Begründung führte er aus, mangels Vorlage der von ihm geforderten qualifizierten Unterlagen sei eine abschließende Prüfung unmöglich.

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Unter dem 18. September 2006 erhoben die Kläger hiergegen Widerspruch. Zur Begründung verwiesen sie u.a. auf die von Dr. Z. vom B. Umweltinstitut erstellten Gutachten vom 16. und 22. November 2006, wonach der HLF-Filter den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen entspreche. Unter dem 2. März 2007 beantragten sie formell eine Änderungsgenehmigung nach Immissionsschutzrecht bzw. Baurecht.

6

Mit Bescheid vom 20. August 2008, zugestellt am 22. August 2008, lehnte der Beklagte den Widerspruch ab. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Kläger könnten die Genehmigung für den HLF-Filter weder nach Immissionsschutzrecht noch nach Baurecht erhalten. Wegen der Änderung der 4. BImSchV sei das Vorhaben nunmehr nach § 75 NBauO zu beurteilen. Die in der ursprünglichen Genehmigung vom 1. April 2004 geforderte Abluftreinigungsanlage (Dr. S.-Filter) sei integrierender Bestandteil der Genehmigung, ohne den diese hätte versagt werden müssen. Dieser geforderte Filter stelle sicher, dass - wie in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 22 BImSchG gefordert - keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchs- und Staubimmissionen auf die benachbarte Wohnbebauung ausgingen. Nur bei derart irrelevanten Immissionsbeiträgen der neuen Anlage sei das Vorhaben genehmigungsfähig. Den Nachweis einer gleichwertigen Wirksamkeit des HLF-Filters hätten die Kläger bislang nicht erbracht. Deren Kritik an ihrem in ständiger Verwaltungspraxis zugrunde gelegten Leitfaden für Einzelfallprüfungen nach der Geruchsimmissionsrichtlinie - GIRL - und zu fordernde Abluftreinigungsanlagen (Cloppenburger Leitfaden) ändere daran nichts.

7

Die Kläger haben am 22. September 2008 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgen. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Sie könnten die Erteilung einer Genehmigung zum Einbau und Betrieb des HLF-Filters im errichteten Mastschweinestall verlangen, weil dieser in mindestens gleichwertiger Weise schädliche Geruchs- und Staubimmissionen unterbinde (Emissionsbericht der Braunschweiger Umwelt-Biotechnologie GmbH vom 26. November 2009 einer HLF-Biofilter-Anlage in V./G.; Ergänzende Stellungnahmen der Dipl.-Ing. H. vom 22. Februar 2010 und des Dipl.-Ing (FH) H., Kompetenzteam GbR, vom 5. März 2010). Die Analyse der Filterwirkung einer erprobten Pilotanlage zeige, dass sich die Absorption von Stallgerüchen noch deutlich steigern lasse, etwa durch die vorgesehene Befeuchtung des Filtermaterials oder nach Abschluss der Anlaufphase. Der Beklagte stelle übertrieben hohe Anforderungen an die Ausgestaltung von Abluftreinigungsanlagen für Mastschweineställe und privilegiere bestimmte Hersteller. Insbesondere würde ein zu hohes Gewicht auf eine Abluftwäsche gelegt. In Rechtsvorschriften sei weder ein elektronisches Dokumentationssystem noch ein bestimmtes Abluftreinigungskonzept vorgeschrieben. In wissenschaftlichen Abhandlungen, aber auch in den vorgelegten Gutachten des B. Umweltinstituts werde die Eignung des HLF-Filters bestätigt. Der Beklagte müsse auch die beim Betrieb eines Filtersystems für den Anlagenbetreiber entstehenden Betriebskosten mit berücksichtigen. Während der Dr. S.-Filter Kosten in Höhe von 4,95 Euro pro Mastschwein und Mastdurchgang verursache, koste der HLF-Filter 0,60 Euro pro Mastschwein und Mastdurchgang. Der Beklagte dürfe unzureichende gutachterliche Aussagen zur Wirksamkeit des HLF-Filters nicht beanstanden, wenn er zugleich verhindere, dass am Beispiel ihres Maststalls weitere praktische Erfahrungen mit diesem Filtersystem gesammelt würden. Belange Dritter, die hier überwiegend selbst Landwirte und Betreiber emittierender Betriebe seien, könnten durch begleitende oder nachträgliche Nebenbestimmungen gewahrt werden.

8

Die Kläger beantragen,

  1. den Bescheid des Beklagten vom 21. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen entsprechend dem Antrag vom 5. Dezember 2005/2. März 2007 eine Genehmigung für den Einbau und den Betrieb einer Abluftreinigungsanlage der Kompetenzteam GbR nach dem HLF-System in dem errichteten Mastschweinestall K.... in M./R. (414 Mastschweineplätze) zu erteilen.

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Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Er erwidert ergänzend: Die Genehmigung sei zu versagen, da die Kläger jedenfalls nicht hinreichend nachgewiesen hätten, dass der HLF-Filter in gleicher Weise sicherstelle, dass von dem Maststall allenfalls irrelevante Geruchsimmissionen auf die benachbarte Wohnbebauung ausgingen. Der von den Klägern beauftragte Gutachter Dr. Z. vom Umweltinstitut B. habe verschiedene erforderliche Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt. Die vorgelegten Messungen entsprächen in Methode, Probenahme, Häufigkeit und Dauer nicht den Anforderungen des Prüfrahmens der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) und den daran angelehnten C. Leitfaden. Wesentliche, zur Beurteilung der Reinigungsleistungen relevante Messgrößen, wie Filterflächenbelastung und Druckverlust des Biofilters, in Abhängigkeit von Volumenstrom und Alter des Materials fehlten. Die von beschriebenen Sensoren und Funktionselementen (etwa Befeuchtungsanlage) gemessenen Werte seien nicht dokumentiert. Die behauptete hohe Reinigungsleistung könne daher nicht auf Plausibilität geprüft werden. Hierzu fehle auch ein elektronisches Betriebstagebuch, in dem alle relevanten Betriebsdaten über längere Zeiträume gespeichert würden. Es gebe Zweifel an der Einhaltung der nach DIN 18910 erforderlichen Rahmenbedingungen zur Entlüftung des beprobten Stalls (Temperatur, Feuchte, NH3-Konzentrationen). Die Frage einer ausreichenden Dimensionierung der Anlage dränge sich auf. Der Funktionsnachweis der technische Einrichtungen über ein Jahr hinaus sei nicht erbracht. Dies betreffe insbesondere die Befeuchtungssteuerung sowie die eingebauten Sensoren. Herstellerangaben, wonach Hackschnitzel nur nachgefüllt werden müssten, seien mit einem vergleichbaren Filter widerlegt. Die angegebenen Standzeiten für Hackschnitzel seien falsch und die für Holzschwarten nicht hinreichend belegt.

11

Die Herstellerangabe, wonach Ammoniak in Nitrat umgesetzt und anschließend unter Denitrifikation in atmosphärischen Stickstoff umgesetzt werde, sei unbewiesen und angesichts der großen Luftmengen und dem Mangel an bakteriellen Futterstoffen unglaubhaft (vgl. Stellungnahme Dr. H. vom J.-Institut, Bundesforschungsanstalt für Ländliche Räume, Wald und Fischerei - FHL - vom 11. März 2009, Blatt 45 ff. GA, 53 GA). Die europäische CE-Zertifizierung bestätige lediglich, dass das Produkt den geltenden Europäischen Richtlinien entspreche, sei aber kein Gütesiegel und belege nicht die wirksame Unterbindung von Geruchs- und Staubimmissionen. Die Zertifizierung des Dr. S.-Filters nach dem C. Leitfaden vom 12. Juni 2003 werde von der DLG anerkannt und ersetze den gegenwärtig geforderten DLG-Signum-Test. Nach dem DLG Prüfrahmen, dem auch der Cloppenburger Leitfaden folge, gebe es keine unterschiedliche Verwaltungspraxis. Geringere Betriebskosten eines Filtersystems seien unbeachtlich, solange nicht der Nachweis erbracht sei, dass es den C. Leitfaden erfüllten oder in anderer Weise nachweisbar zur vollständigen Reduzierung von Geruchsimmissionen führte. Angesichts der gravierenden Vorbelastung der umliegenden Wohnbebauung (nach älteren Studien liege die Jahresgeruchsstundenhäufigkeit hier bei 40 - 50 %) könne wegen des gebotenen Schutzes der Nachbarschaft eine Pilotierung des HLF-Filters im Maststall der Kläger nicht ermöglicht werden. Schwierigkeiten bei dem gutachtlichen Nachweis der Irrelevanz der zusätzlichen Geruchsimmissionen, weil es noch keine vergleichbaren Ställe mit HLF-Filtern gebe, fielen in den Verantwortungsbereich der Kläger bzw. der Filteranlagenhersteller. Auch nach dem Emissionsbericht der B. Umwelt-Biotechnologie GmbH vom 26. November 2009 fehle der gebotene Nachweis der gleichen Eignung des HLF-Filters, zumal dieser den Rohgasgeruch im Reingas nicht vollständig vermindere (vgl. Stellungnahme Dr. H. vom 13. Januar 2010, Blatt 120 ff. GA). Annahmen zu einem höheren Reinigungspotential des Filters seien nicht hinreichend belegt.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

14

Die Versagung der begehrten Genehmigung für den Einbau und den Betrieb einer Abluftreinigungsanlage der Kompetenzteam GbR nach dem HLF-System in dem errichteten Schweinemaststall K.... in M./R. in dem angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 21. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten ( § 113 Abs. 5 VwGO ). Die Kläger können weder die Erteilung der begehrten Genehmigung noch eine Neubescheidung ihres Antrages vom 05. Dezember 2005/02. März 2007 verlangen.

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Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 20. August 2008. Ohne Rechtsfehler wird darin ausgeführt, dass sich das einheitlich zu behandelnde Vorhaben (Mastschweinestall mit HLF-Biofiltersystem) nunmehr nach Baurecht (§ 75 NBauO) beurteilt. Zutreffend ist ferner die Annahme, dass durch das Vorhaben - wie in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 22 BImSchG gefordert - keine schädlichen Umwelteinwirkungen, etwa durch Geruchsimmissionen, auf die benachbarte Bebauung ausgehen dürfen. Das Vorhaben liegt in einem sogenannten Überschreitungsgebiet. Die benachbarte Wohnbebauung im Umkreis von 100 m ist bereits durch die Immissionen zahlreicher anderer Tierhaltungsbetriebe im 600 m Radius des Vorhabens erheblich vorbelastet. In der mündlichen Verhandlung verwies der Beklagte darauf, dass die Jahresgeruchsstundenhäufigkeit nach älteren Studien hier bei 40 - 50 % liegt. Zutreffend führt der Beklagte im Widerspruchsbescheid insoweit aus, dass das Vorhaben daher allenfalls genehmigungsfähig ist, wenn die nach der Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen - GIRL - zu beurteilende Geruchszusatzbelastung irrelevant wäre, zumal die Abstandsvorgaben der VDI-Richtlinie 3471 (Immissionsminderung Tierhaltung - Schwein) hier nicht eingehalten werden. Dies erfordert, dass von dem geplanten Mastschweinestall so gut wie keine Geruchsimmissionen für die angrenzende Wohnbebauung ausgehen. Nach den vom Beklagten geforderten Mindeststandards (vgl. auch Merkblatt Abluftreinigungsanlagen auf der Internetseite des Beklagten, http://www.lkclp.de/2_kreisverwaltung/kv_bauen_abluftreinigungsanlagen.shtml) darf kein Rohgas im Reingas mehr wahrnehmbar sein (es darf also nicht mehr nach z.B. Schwein riechen) und der Filtereigengeruch darf einen Wert von 300 Geruchseinheiten (GE)/m3 Abluft nicht überschreiten. Nach eingehender Prüfung des Beklagten in dem früheren immissionsschutzrechtlichen Verfahren wird eine derartige Geruchsabsorption etwa mit einer dreistufigen Abluftreinigungsanlage erreicht, wie sie Gegenstand und integrierender Bestandteil der Genehmigung vom 01. April 2004 gewesen ist. Den für die begehrte Genehmigung des Vorhabens erforderlichen Nachweis, dass der aus Kostengründen nunmehr bevorzugte HLF-Filter in gleicher Weise sicherstellt, dass von dem Maststall allenfalls irrelevante Geruchsimmissionen auf die benachbarte Wohnbebauung ausgehen, haben die Kläger nicht erbracht.

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Ein Gutachten, das speziell für den errichteten Mastschweinestall mit 414 Mastplätzen und bei Einbau eines entsprechend dimensionierten HLF-Filters die Geruchszusatzbelastung prognostiziert und im Verhältnis mit den erheblichen Vorbelastungen durch vorhandene Tierhaltungsbetriebe bewertet, haben die Kläger nicht vorgelegt. Den ihnen obliegenden Nachweis einer mindestens gleichwertigen Wirkung des HLF-Filters haben sie auch nicht in anderer Weise erbracht. Sie haben zwar zwischenzeitlich die Funktion eines HLF-Filters in einem Mastschweinestall mit 75 Mastschweinen in V./G. von einer (auch vom Beklagten) anerkannten Sachverständigen untersuchen lassen. Aber auch nach dem Bericht der Dipl.-Ing. H. von der B. Umwelt-Biotechnologie GmbH vom 26. November 2009 kann nicht von einer gleichwertigen Wirksamkeit der Abluftreinigungsanlage ausgegangen werden. Selbst bei der kleiner dimensionierten Pilotanlage wurde schon nicht der Nachweis erbracht, dass so gut wie keine zusätzlichen Geruchsimmissionen entstehen. Im Übrigen verweist der Beklagte zu Recht auf zusätzliche konzeptionelle Nachteile des HLF-Filter-Systems.

17

Nach zutreffender Bewertung des Beklagten unter Mithilfe von Dr. H. vom FHL (Stellungnahme vom 13. Januar 2010) ist der HLF-Filter nicht in der Lage, den typischen Schweinemaststallgeruch überwiegend herauszufiltern, so dass trotz des Filtereinsatzes zusätzlich Geruchsbelastungen für die angrenzende Wohnbebauung oberhalb der Irrelevanzschwelle nach GIRL drohen. Der gemessene Geruchsminderungsgrad betrug lediglich 57 %, wobei im Reingas in allen Proben Rohgasgeruch wahrnehmbar war. Nach Einschätzung von Dr. H. ist dies ein geringer Minderungsgrad, der bei vergleichweise niedriger Rohgaskonzentration erreicht wurde. Die bei dem Geruchsgutachten eingesetzten Probanden nahmen die Geruchsintensität deutlich wahr, beschrieben die Hedonik als unangenehm, beurteilten die Geruchsart als schweinestallartig und nahmen Rohgas im Reingas wahr.

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Im Übrigen beanstandet Dr. H. nachvollziehbar technische Mängel des Filterbetriebs. Die fehlende Befeuchtung des Biofilters offenbart einen schwerwiegenden Mangel, der letztlich zum Austrocknen des Biofilters führt. Ferner bemängelt er, dass keine bessere Geruchsminderung erreicht wurde, obwohl die Weichholzhäckselschicht erst 2 bis 3 Monate zuvor ausgetauscht wurde und mit 0,5 bis 0,6 m relativ mächtig angelegt war.

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Vor dem Hintergrund dieser tatsächlichen Geruchsuntersuchung bei der Pilotanlage in V./G. sind auch die ergänzenden Stellungnahmen der Dipl.-Ing. H. vom 22. Februar 2010 und des Dipl.-Ing (FH) H., Fa Kompetenzteam GbR, vom 5. März 2010 nicht geeignet, den Nachweis einer gleich geeigneten Filterwirkung zu erbringen.

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Der Ansatz H., die negativen Messergebnisse mit dem sogenannten Randgängigkeits-Phänomen zu relativieren, überzeugt nicht. Es mag durchaus sein, dass weniger oder gar kein Rohgasgeruch im Reingas einer Filteranlage wahrnehmbar ist, wenn die Filterfläche bedeutsam größer ist als die vom Gutachter benutzte Messhaube und nicht - wie hier - die Filterfläche die gleiche Größe (1 m2) wie die Messhaube aufweist. Denn bei größerer Filterfläche sinkt zwar die Wahrscheinlichkeit einer Mitberücksichtigung von Rohgasgeruch aus anderen diffusen Quellen über den Randbereich der Messhaube. Dieser messtechnische Ansatz überzeugt aber nicht für die zu lösende Immissionsproblematik. Sollte der bei der Pilotanlage in V. wahrgenommene Rohgasgeruch nicht aus dem gefilterten Reingas stammen, sondern sich durch das Randgängigkeits-Phänomen erklären, gäbe es Hinweise auf problematische diffuse Rohgasaustritte, die im Hinblick auf die Belastung der angrenzenden Wohnbebauung ebenfalls in diesem Genehmigungsverfahren zu beanstanden wäre. Im Übrigen ist das Randgängigkeits-Phänomen nur ein möglicher Erklärungsansatz für die negativen tatsächlichen Messergebnisse, und die behaupteten Verbesserungen bei einer größer dimensionierten Filterfläche beim Reingas sind nicht belastbar belegt.

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Entsprechendes gilt, soweit die Kläger darauf verweisen, das bei der Pilotanlage eingesetzte frische Häckselmaterial sei noch nicht vollständig wirksam gewesen und die hier eingesetzten Mikroorganismen hätten ein höheres Potential an Geruchsminderung. Die Argumentation ist hier schon in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft. Heidtmann gibt in seiner Stellungnahme vom 5. März 2010 an, die Weichholzhäckselschicht sei nicht erneuert, sondern lediglich "ergänzt und aufgefüllt" worden. Möglicherweise will er damit der vorherigen Kritik von Dr. H. begegnen, bei der Pilotanlage sei durch eine erneuerte Häckselschicht manipuliert worden. Bei einer lediglich ergänzten und aufgefüllten Häckselschicht müsste jedenfalls ein Teil der Filtermaterialien bereits seinen vollen Wirkungsgrad erreicht gehabt haben, was im Widerspruch zur Einlassung der Kläger steht, das eingesetzte Filtermaterial habe nach einer Anlaufphase ein noch höheres Absorptionspotential. Vor allem aber bestätigt die Sachverständige H. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Februar 2010 (Seite 2) aus fachlicher Sicht nicht die Behauptung der Kläger. Zwar räumt sie ein, dass relativ frisches Filtermaterial einer von diversen Gründen für das negative Untersuchungsergebnis sein könne und grundsätzlich zu erwarten sei, dass bei hinreichender Dimensionierung der Anlage Zahl und Aktivität der Mikroorganismen steigen und dies zu deutlich besseren Leistungen führt. Ausdrücklich ergänzt sie aber, dass ein entsprechender Nachweis noch zu führen sei und ihr eine weitere Bewertung unmöglich sei, weil sie keine Angaben zum Mikroorganismen-Besatz des Filtermaterials beim Einbau bzw. zum Zeitpunkt der Messung gehabt habe.

22

Auch die Behauptung der Kläger, der Einsatz der (konstruktionsbedingt regelmäßig vorgesehenen) Befeuchtungsanlage steigere die Geruchsstoff-Minderung erheblich, überzeugt die Kammer nicht. Die Kammer kann schon nicht nachvollziehen, dass es insoweit bei der selbst arrangierten Pilotanlage keine optimalen Rahmenbedingungen gegeben haben soll, zumal der Beklagte bzw. die ihn beratenden Fachleute (vgl. etwa Dr. H., Stellungnahme vom 23. Januar 2006) Zweifel am Aufbau und an der Funktionsweise von Befeuchtungseinrichtung und Feuchtigkeitssensor geäußert hatten. Die Behauptung H., die vorgesehene Bewässerungsanlage habe zwingend wegen der Geruchsprobennahme demontiert werden müssen, erscheint zweifelhaft. In dem überreichten technischen Manual (Blatt 132 GA) ist zwar unter Nr. 6 von der Befeuchtung des Filtermaterials über eine Berieselungsanlage mit Feuchtigkeitssensor die Rede, bei den unter Nr. 3 näher beschriebenen Filtertypen findet eine Berieselungsanlage jedoch nur bei dem Flächenfilter, nicht aber bei Modul- oder Etagenfilter eine gesonderte Erwähnung. Die Sachverständige H. berichtet hierzu in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Februar 2010 von unterschiedlichen Sachständen zum Zeitpunkt ihrer Messungen am 26. November 2009 und ihrer ergänzenden Betrachtung anhand von weiter zugesandtem Material am 19. Februar 2010. Nach den ihr ursprünglich vorgelegten Unterlagen sowie dem beigefügten Bild zum Aufbau der Anlage war keine Befeuchtung zu erkennen, so dass sie die kritischen Aussagen Dr. H. zur unzureichenden Befeuchtung des Filtermaterials als korrekt bezeichnet. Dem später übersandten Material konnte sie zwar entnehmen, dass bei dem HLF-Filter eine über Feuchtigkeitsfühler gesteuerte Berieselungsanlage vorgesehen ist. Gleichzeitig weist sie aber darauf hin, dass das beigefügte Bild nicht dem Aufbau des ihr bisher vorgelegten Bildes entspreche. Außerdem äußert sie plausible Zweifel daran, dass eine Befeuchtung des Filtermaterials über die Oberfläche - also gegen den Luftstrom - und entsprechende Feuchtigkeitsfühler tatsächlich funktionieren. Entgegen der Auffassung der Kläger bestätigt sie deren Behauptung nicht, sondern hält ihrerseits einen entsprechenden Nachweis noch für erforderlich. Ausdrücklich weist sie darauf hin, dass mangels eines Nachweises zur Feuchte des Filtermaterials und der Wirksamkeit des Feuchtigkeitsfühlers zu diesem Punkt nicht weiter Stellung bezogen werden kann. Der Stellungnahme H. vom 5. März 2010 lassen sich diesbezüglich keine überzeugenden Zusammenhänge entnehmen.

23

Insgesamt bleibt es bei dem Befund, dass ein höheres Geruchsstoff-Minderungspotential des HLF-Filters lediglich behauptet, aber nicht ansatzweise fachlich belegt wird.

24

Die Frage, ob der Beklagte das von den Klägern gewünschte Filtersystem auch unter Hinweis auf die in ständiger Verwaltungspraxis geforderten weiteren Standards des DLG-Prüfrahmens und des "C. Leitfadens" ablehnen durfte, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Allerdings neigt die Kammer im Hinblick auf die sich hier aus dem Immissionsschutzrecht allgemein ergebenden Schutzanforderungen dazu, auch die Forderung nach technischen Dokumentationssystemen zum ordnungsgemäßen Betrieb und zur Wartung von Abluftreinigungsanlagen sowie zum Nachweis einer permanent hohen Reinigungsleistung (vgl. hierzu im Einzelnen den Beklagtenvortrag) als sachdienlich anzusehen.

25

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.