Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.03.1992, Az.: 20 U 69/90
Rechtliche Einordnung von Verträgen über Software-Leistungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.03.1992
- Aktenzeichen
- 20 U 69/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 14964
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1992:0303.20U69.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AZ: 3 O 34/90
Rechtsgrundlagen
- § 459 BGB a.F.
- § 462 BGB a.F.
Fundstellen
- CR 1994, 217-219 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- NJW-RR 1993, 432-434 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch ...
... und die Richter am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 18: Februar 1992
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senats vom 17. September 1991 wird aufrecht erhalten. Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Klägers: 52.668,00 DM.
Entscheidungsgründe
Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch des Klägers war das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen, weil die Beklagte hinsichtlich der ihr am 2. Januar 1990 angedienten 11 Programme zur Wandlung nach Kaufrecht berechtigt war.
1.
Das durch den Händler-Lizenzvertrag vom 25. August 1987 und die Ergänzungsvereinbarung vom 12. Dezember 1988 geregelte Vertragsverhältnis der Parteien ist als Kaufvertrag zu qualifizieren. Grundlegend für die rechtliche Einordnung von Verträgen über Software-Leistungen ist das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. November 1987 (BGHZ 102, 135 ff = NJW 1988, 406 ff), an dem der Bundesgerichtshof in weiteren Urteilen festgehalten hat (BGH NJW 1990, 3008 [BGH 15.05.1990 - X ZR 128/88] und 3011 sowie Urteil vom 24. Januar 1990 - 8 ZR 22/89, BGH-Dat in Zivilsachen -) und dem der erkennende Senat folgt. Danach kommt es einerseits darauf an, ob es sich um die werkvertragliche Herstellung spezieller Individualsoftware oder um die Überlassung vorgefertigter Standardsoftware handelt (Abgrenzung zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag), und andererseits darauf, ob die Überlassung im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses oder im Wege eines einmaligen Erwerbsaktes gegen einmaliges Entgelt erfolgt (Abgrenzung zwischen einerseits Kauf- bzw. Werkvertrag und andererseits Miete bzw. Leasing). Das hat der Bundesgerichtshof insbesondere auch in bezug auf solche Verträge über Software-Leistungen ausgesprochen, die - wie das im vorliegenden Fall geschehen ist - mit "Lizenzvertrag" bezeichnet waren (BGHZ 102, 135 ff = NJW 1988, 406, 407 [BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86] und 408).
Nach diesen Grundsätzen kann die Anwendung von Kaufrecht auf die Vertragsbeziehungen der Parteien nicht zweifelhaft sein. Die Auffassung der Berufung, Vertragsgegenstand sei eine für den Fleischerei-Bereich entwickelte "Spezialsoftware" und auf "Spezialsoftware" finde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Werkvertragsrecht Anwendung, beruht auf einem begrifflich bedingten Mißverständnis dieser Rechtsprechung. Danach ist - wie es auch dem Regelungsmodell der §§ 631 ff BGB entspricht - für die Anwendung von Werkvertragsrecht die Herstellung individueller Software für einen bestimmten Besteller maßgebend; dementsprechend wird in den maßgeblichen Entscheidungen auch zwischen "Standardsoftware" (Kaufrecht) und "Individualsoftware" (Werkvertragsrecht) unterschieden (BGHZ 102, 135, 140 [BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86]/141 = NJW 1988, 406, 407) [BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86]. Die Verwendung des Wortes "Spezialsoftware" in der in der Berufungsbegründung zitierten Entscheidung BGH NJW, 1990, 3011, 3012 beruht allein auf sachverhaltsbedingten Besonderheiten des dort zu entscheidenden Falles, in dem es um die Veräußerung von Hardware, Standardsoftware und einer besonderen auf den konkreten Abnehmer abgestellten "Spezialsoftware" ging; auch in dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof indessen eindeutig darauf abgestellt, daß für Werkvertragsrecht die Herstellung von Individualsoftware kennzeichnend sei (a.a.O., S. 3012 linke Spalte).
Der bloße Umstand, daß die vom Kläger entwickelte Software "speziell" zum Einsatz im Fleischerei-Bereich bestimmt ist, macht sie noch nicht zu einer Individualsoftware, die auf die Bedürfnisse eines konkreten Bestellers abgestellt ist. Das Programm "..." ist ein zum Einsatz bei einer unbestimmten Vielzahl von Fleischereibetrieben vorgesehenes Programm, das deshalb auch von einer Vielzahl von Fleischerei-Betrieben ohne besondere auf den einzelnen Betrieb bezogene Programmierungsänderungen verwendet werden kann. So sind die Vertragsbeziehungen der Parteien darauf abgestellt, daß die Beklagte eine möglichst große Zahl dieser Programme beziehen und weiter veräußern wollte, wobei ihr ab dem 30. "verkauften" ("sic!") Programm ein ermäßigter Vertragspreis eingeräumt wurde. Die vom Kläger gegenüber dem Endabnehmer zu erbringenden Leistungen beziehen sich auf die "fachspezifische Beratung und Einarbeitung", bedeuten also nicht, daß etwa eine individuelle Software für den Endkunden zu erstellen war. Es kommt hinzu, daß die für einen konkreten Endkunden vom Kläger zu erbringenden Leistungen gesondert mit 1.400,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu vergüten und deshalb nicht in dem Vertragspreis von 4.200,00 DM pro verkauftes Programm enthalten waren. Diejenige Leistung, die der Kläger der Beklagten zu dem Vertragspreis von 4.200,00 DM pro Stück zu erbringen hatte, stand in keinem konkreten Bezug zu einem bestimmten Fleischereibetrieb. Daß an dieser Software nicht jedermann, sondern nur Abnehmer aus einem speziellen Marktbereich, nämlich Fleischerei-Betriebe, interessiert sind, ändert nichts an ihrer Eigenschaft als "Standardsoftware". Wegen dieser auf Rechtsgründen beruhenden Abgrenzung bedarf es nicht der Erhebung des vom Kläger für seine gegenteilige Auffassung angebotenen Sachverständigenbeweises.
Auch die anderen Elemente eines Kaufes sind erfüllt. Es handelte sich um diskettengebundene Software, so daß auch eine körperliche Übergabe möglich (und vom Kläger am 2. Januar 1990 auch beabsichtigt) war; die Streitfrage, ob auch eine "unkörperliche" Veräußerung von Software (Übertragung von Festplatte zu Festplatte) nach Kaufrecht zu beurteilen sein könnte, stellt sich im vorliegenden Fall nicht (vgl. hierzu BGHZ 102, 132 [BGH 04.11.1987 - IVa ZR 158/86] = NJW 1988, 406, 407 [BGH 04.11.1987 - VIII ZR 314/86] linke Spalte). Die Programme waren im Falle der Veräußerung an die Beklagte auch zum dauernden Verbleib bei ihr (bzw. dem Endkunden) und nicht etwa nur für eine zeitlich befristete Nutzung nach Art. eines Miet- oder Leasingvertrages bestimmt. So ist auch das vertraglich vereinbarte Entgelt "pro Stück" ohne irgend eine Abhängigkeit von der Nutzungsdauer vereinbart und insbesondere eine Rückgabe des erworbenen Programms nicht vorgesehen.
Bei diesem Sachverhalt ist es kein Zufall, sondern entspricht dem Willen der Parteien, daß sowohl im "Händler-Lizenzvertrag" vom 25. August 1987 als auch in der Ergänzungsvereinbarung vom 12. Dezember 1988 vom "Verkauf" des Programmes gesprochen und das von der Beklagten geschuldete Entgelt als "Kaufpreis" bezeichnet wird.
Die Auffassung der Berufung, tatsächlich sei die Beklagte nicht "Endabnehmerin" der Programme und habe deshalb lediglich die Rolle eines Vermittlers von Kaufverträgen zwischen dem Kläger und dem Endkunden, steht im Widerspruch zu den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Danach waren keinerlei vertragliche Beziehungen des Klägers mit dem einzelnen Fleischereibetrieb (im Vertrag als "Endkunde" bezeichnet) gewollt. Vielmehr betätigte sich die Beklagte, wie schon die Bezeichnung des Vertrages als "Händler-Lizenzvertrag" zum Ausdruck bringt, als Händler, der die vom Hersteller (Kläger) gekauften Programme an von ihm geworbene Endkunden im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiter veräußerte. Dem entspricht, daß die Beklagte die von ihr vom Kläger erworbenen Programme zu bezahlen hatte und bei der Bildung von Preisen gegenüber Endkunden (bis zu einem Höchstpreis von 11.600,00 DM) frei war sich also keineswegs auf eine bloße Vermittlung von Verträgen zwischen dem Kläger und dem Endkunden mit der dafür typischen Vergütung in Form einer Provision beschränkte. Selbst die vom Kläger gegenüber dem Endkunden zu erbringenden Leistungen (Beratung und Einarbeitung) waren nach den getroffenen Vereinbarungen nicht vom Kläger gegenüber dem Endkunden, sondern gegenüber der Beklagten abzurechnen, so daß nicht einmal insoweit der. Kläger in vertragliche Beziehungen mit dem, Endkunden treten wollte. Im übrigen ist - wie gerade die im anhängigen Rechtsstreit geltend gemachte Forderung zeigt - die Abnahmepflicht der Beklagten unabhängig davon, ob sie überhaupt ihrerseits Abnehmer ("Endkunden") geworben hatte. Die Beklagte war demgemäß selbst Käuferin und konnte vom Kläger mangelfreie Lieferung im Sinne der §§ 459 ff BGB verlangen.
2.
Der gegenüber dem Zahlungsanspruch des Klägers geltend gemachten Wandlung nach §§ 459, 462 BGB steht nicht entgegen, daß die Beklagte die ihr vom Kläger angedienten 11 streitigen Programme nicht abgenommen hat und daher die Gefahr insoweit nicht auf sie übergegangen ist. Nach herrschender Auffassung kann der Käufer die Sachmängelhaftung auch schon vor Übergabe der Ware geltend machen, wenn der Verkäufer die Beseitigung eines Mangels endgültig verweigert (vgl. BGHZ 34, 32, 35 [BGH 14.12.1960 - V ZR 40/60]; MüKo/Westermann, BGB, 2. Aufl., § 459, Rn 5; Palandt/Putzo, BGB, 51. Aufl., § 459 Rn 7 und § 462 Rn 9; Soergel-Huber, BGB, 12. Aufl., § 462, Rn 14). So liegt es hinsichtlich der vom Landgericht zur Grundlage der Klagabweisung gemachten Mängel (ungenügendes Handbuch, fehlendes Paßwort und fehlender Kryptoschutz): Der Kläger hat im anhängigen Rechtsstreit noch in der Berufungsbegründung die Auffassung vertreten, daß die Beklagte keinen Anspruch auf das Paßwort und den Kryptoschutz habe und daß die seinerzeit mitgelieferte Dokumentation (grüner Hefter) den vertraglichen Anforderungen genüge. Erstmals mit der Einspruchsbegründung hat sich der Kläger - ohnehin mit dem Hinweis, daß die Beklagte ja eigentlich nur die Demo-Version benötige, verklausuliert - zur Lieferung einer Krypto-Box bereit erklärt. Zu diesem Zeitpunkt war das Wandlungsrecht der Beklagten aber wegen der seinerzeit insoweit ablehnenden Haltung des Klägers längst wirksam entstanden.
Die Wandlung unter ausdrücklicher Berufung auf fehlenden Kryptoschutz und ungenügendes Handbuch hat die Beklagte ausdrücklich bereits in der Klageerwiderung vom 28. März 1990 erklärt (Bl. 18 d.A.). Bei der Frage, ob die Beseitigung dieser Mängel als endgültig verweigert anzusehen ist, muß der Rechtsgedanke des § 242 BGB auf den der Bundesgerichtshof in der grundlegenden Entscheidung (BGHZ 34, 32, 35) [BGH 14.12.1960 - V ZR 40/60] das Recht zur Wandlung auch schon vor Gefahrübergang ausdrücklich gestützt hat, beachtet werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Käufer wandeln, wenn der Mangel zwar behebbar ist, der Verkäufer dazu aber bis zum Liefertermin zuzüglich einer angemessenen Nachfrist nicht bereit ist (Soergel-Huber, a.a.O., § 462 Rn 14).
Diese Zeit war beim Eingang der Einspruchsbegründung im Oktober 1991 längst verstrichen. Dabei war zu berücksichtigen, daß es um die im Jahre 1989 zu liefernden Programme geht, und daß aufgrund der Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Kläger die Beklagte ab dem 1. Januar 1990 keinen Gebietsschutz mehr beanspruchen konnte. Insofern konnte sie im Oktober 1991 die Programme nicht mehr unter gleichen wirtschaftlichen Voraussetzungen weiter veräußern wie im Falle eines rechtzeitigen Angebots mangelfreier Programme mit Krypto-Box spätestens Anfang 1990. Mit Rücksicht darauf gibt der Schriftsatz des Klägers vom 19. Februar 1992 keinen Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder zur Zulassung der Revision: Der Senat folgt gerade der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
3.
Tatsächlich waren die vom Kläger der Beklagten am 2. Januar 1990 angebotenen 11 Programme auch fehlerhaft im Sinne des § 459 BGB. Das hat das Landgericht zutreffend aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens ausgesprochen. Es liegen drei Mängel vor, von denen jeder für sich bereits das Wandlungsbegehren der Beklagten rechtfertigen würde.
a)
Die vom Kläger mitgelieferte Dokumentation (grüner Hefter) stellt kein ordnungsgemäßes Anwender-Handbuch dar. Der Sachverständige ... hat auf S. 7 seines Gutachtens insoweit ausgeführt, daß diese als "vorläufige Arbeitsanweisungen" bezeichneten grünen Hefter "als Bedienerdokumentation unzureichend" seien. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß mittels der einzelnen Komponenten "Schulung, vorläufige Arbeitsanweisung und Online-Hilfen" eine kompetente Programmbedienung erlernt werden kann. Auch dann genügen diese grünen Hefter "formal nicht den Ansprüchen ..., die üblicherweise an Programmdokumentationen zu stellen sind" (S. 8 des Gutachtens). Die dem Gutachten des Sachverständigen zugrunde liegende Wertung, daß üblicherweise der Erwerber eines EDV-Programms ungeachtet anderer Komponenten zum Erlernen des Programms Anspruch auf eine umfassende schriftliche Fixierung der Funktions- und Bedienungsregeln ("Handbuch") hat, steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH NJW 1989, 3222: Lieferung eines Benutzerhandbuches ist sogar ohne Erwähnung im Vertragstext Hauptleistungspflicht; vgl. ferner OLG Frankfurt NJW 1987, 3206: Fehlen einer schriftlichen Bedienungsanleitung als Sachmangel beim Kaufvertrag über EDV).
Die Berufung greift diese Feststellung des Sachverständigen auch nicht im einzelnen an, sondern verweist in rechtlicher Hinsicht darauf, daß nach dem Vertrag vom 25. August 1987 das Handbuch durch den Kläger und die Beklagte gemeinsam erarbeitet werden sollte. Damit hat indessen die Berufung keinen Erfolg. Die Beklagte hat in der Berufungserwiderung demgegenüber darauf verwiesen, daß ihre Mitarbeit in diesem Zusammenhang sich lediglich auf die graphische Gestaltung beschränken, dagegen nicht auf die inhaltliche Gestaltung erstrecken sollte. Dieses Vorbringen hat der Kläger nicht bestritten. Im übrigen dürfte schon die Auslegung des Vertrages für die Auffassung der Beklagten sprechen, zumal das Handbuch inhaltlich nur vom Kläger als dem Hersteller des Programms gestaltet werden konnte; der Kläger hat sich als Programmschütz von der Beklagten auch versprechen lassen, daß diese nicht versuchen durfte, die Quellfassung des Programms zu entschlüsseln. Auch darin kommt zum Ausdruck, daß eine inhaltlich auf das Programm und seine Bedienung bezogene Mitarbeit der Beklagten nicht erwartet war. Die vom Sachverständigen ... gerügten Mängel der "vorläufigen Anweisungen" (grüne Hefter) beziehen sich aber gerade darauf, daß die Anweisungen keine hinreichende Bedieneranleitung darstellten.
b)
Mängel der Programme liegen auch darin, daß der Kläger der Beklagten das Paßwort und den Kryptoschutz vorenthalten hat. Unstreitig und im übrigen durch das Gutachten des Sachverständigen ... belegt führen diese Mängel jeder für sich dazu, daß die Beklagte die ihr angedienten Programme nicht einmal starten konnte. Ohne die (im Kaufpreis für die Programme nicht enthaltene, sondern gesondert zu vergütende) weitere Beratung und Einarbeitung durch den Kläger war die Beklagte weder in der Lage, das Programm selbst zu nutzen, es potentiellen Kaufinteressenten vorzuführen, noch seine Nutzung solchen Endkunden zu ermöglichen, die es bei ihr kauften. Zwar stellt eine sog. Programmsperre nicht stets einen Mangel eines auf die Überlassung von Software gerichteten (Kauf-, Werk- oder Miet-) Vertrages dar; entscheidend ist vielmehr, ob durch die Programmsperre dem Abnehmer die ungehinderte vertragliche Verwendung ermöglicht wird (vgl. BGH NJW 1987, 2004, 2005 [BGH 25.03.1987 - VIII ZR 43/86]; NJW 1981, 2684). Wie dargelegt, war Gegenstand der vom Kläger der Beklagten geschuldeten Leistung aber der "Verkauf" seines Programm "..." für einen Stückpreis von 4.200,00 DM; deshalb mußte der Kläger der Beklagten oder ihren Abnehmern das Programm in einer solchen Weise anbieten, daß es auch genutzt werden konnte. Da indessen die Beklagte das Programm ohne Auslieferung des Kryptoschutzes und Bekanntgabe des Paßwortes nicht selbst prüfen und auch potentiellen Kunden nicht einmal vorführen konnte, hat der Sachverständige das Zurückhalten des Kryptoschutzes mit Recht als "widersinnig" bezeichnet.
Zu Unrecht leitet der Kläger eine Berechtigung zur Zurückhaltung des Kryptoschutzes daraus her, daß er sich gegenüber der Beklagten dazu verpflichtet hat, "nach Verkauf des Programms durch die Firma ... die fachspezifische Beratung und Einarbeitung des Endkunden zu übernehmen". Nach der Gestaltung des Vertrages vom 25. August 1987 handelte es sich dabei um eine von dem Kläger zusätzlich zum Verkauf des Programmes für 4.200,00 DM pro Stück übernommene und zusätzlich zu vergütende Leistung. Die Beklagte ihrerseits war nicht verpflichtet, diese Leistung auch in Anspruch zu nehmen, wenn sie etwa selbst in der Lage war, den von ihr gewonnenen Endkunden fachspezifisch zu beraten und einzuarbeiten. Demgemäß stellt der Verkauf der Programme mit jeweils 4.200,00 DM pro Stück eine in sich geschlossene, selbständige Leistung des Klägers dar. Das kommt im Vertrag auch dadurch zum Ausdruck, daß bereits im Rubrum das Programm "..." Vertragsgegenstand bezeichnet und der Stückpreis von 4.200,00 DM auch ausdrücklich auf den "Vertragsgegenstand" bezogen ist. Als Gegenleistung für die mit der Klage verfolgte Zahlung von 4.200,00 DM pro Programm schuldete demgemäß der Kläger die Übergabe dieses Programmes (Übereignung der Disketten nebst Handbuch) in einer Form, in der die Beklagte es auch nutzen konnte. Die Beklagte sollte nach dem Inhalt des Vertrages die Programme im Rahmen der Garantieabnahme bezahlen, auch wenn es ihr nicht gelungen war, Endkunden zu gewinnen. Als Käuferin hatte deshalb die Beklagte Anspruch auf Übereignung "vollwertiger", einsatzfähiger Programme.
Dem steht der vom Kläger erwähnte "Programmschutz", den die Parteien am Ende des Händler-Lizenzvertrages vom 25. August 1987 im einzelnen niedergelegt haben, nicht entgegen. Nach seinen eigenen Darlegungen soll durch die mittels Paßwort und Kryptoschutz bewirkte Programmsperre erreicht werden, daß nur solche Nutzer mit dem Programm arbeiten können, die dafür auch bezahlt haben. Wer dagegen den Kaufpreis gezahlt hat, hat - das nimmt der Kläger nicht in Abrede - selbstverständlich Anspruch auf ungeschmälerten Zugang zu diesem Programm. Das gilt auch für die Beklagte, die, wie oben dargelegt, das Programm vom Kläger käuflich erwerben sollte. Soweit der Kläger darauf verweist, daß das Programm letztlich nicht von der Beklagten selbst, sondern von ihren Abnehmern (Endkunde, Fleischereibetriebe) genutzt werden sollte, handelt es sich um einen Ausfluß seiner unrichtigen Auffassung, nach der der Beklagten lediglich die Position eines Vermittlers zukomme. Demgegenüber beziehen sich die unter der Überschrift "Programmschutz" im Händler-Lizenzvertrag vom 25. August 1987 enthaltenen Regelungen auf einen ganz anderen Problembereich, nämlich den urheberrechtlichen Schutz des Programmes auf Anerkennung der Autorenschaft des Klägers, auf Schutz vor Veränderungen und Vervielfältigungen u.ä.. Insbesondere das in diesem Zusammenhang an die Beklagte gerichtete Verbot, den Versuch zur Entschlüsselung der Quellfassung zu unternehmen, hat mit der durch Paßwort und Kryptoschutz erreichten "Programmsperre" nichts zu tun. Dieses Verbot soll vielmehr die in dem Programm enthaltene geistige Leistung des Klägers vor Nachahmung und verändernden Eingriffen schützen. Gerade der Umstand, daß der Kläger die Quellfassung seines Programms seinen Abnehmern vorenthält, ist im übrigen ein weiterer Beleg für die oben schon begründete Auffassung, daß es um den Verkauf des Programmes und nicht um die Herstellung individueller Software aufgrund eines Werkvertrages geht. Der Hersteller einer Standardsoftware will diese typischerweise in möglichst großer Zahl verkaufen und hat deshalb typischerweise ein Interesse an Geheimhaltung des Quellprogrammes, um sein Programm vor Nachahmung und verändernden Eingriffen durch Dritte zu schützen. Demgegenüber ist ein solches Interesse des Herstellers einer für einen bestimmten Besteller hergestellten individuellen Software so gering, daß sich eher umgekehrt die Frage stellt, ob bei einem Vertrag über die Erstellung von Individualsoftware der Ersteller auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung sogar zur Herausgabe des Quellprogramms verpflichtet ist (bejaht vom LG München I, NJW 1989, 2625 [LG München I 18.11.1988 - 21 O 11130/88] jedenfalls für den Fall, daß zwischen Anwender und Ersteller kein langfristiger Wartungsvertrag geschlossen ist; nach Auffassung des BGH NJW 1987, 1259 [BGH 30.01.1986 - I ZR 242/83] ist eine solche Verpflichtung zur Herausgabe des Quellenprogrammes beim Vertrag über die Erstellung von Individualsoftware Frage der vertraglichen Ausgestaltung im Einzelfall).
4.
Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 713, 546 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwer des Klägers: 52.668,00 DM.