Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.02.1992, Az.: 3 U 92/91

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.02.1992
Aktenzeichen
3 U 92/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 23335
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1992:0219.3U92.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 14.11.1990 - AZ: 13 O 137/90

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 1992 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . und die Richter am Oberlandesgericht . und . für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Kläger wird das am 14. November 1990 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover (13 O 137/90) abgeändert.

    Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

    Im übrigen wird die Sache wegen des Nachverfahrens über den Betrag an das Landgericht zurückverwiesen.

    Wert der Beschwer: 16.000,00 DM.

    Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

1

Die zulässige Berufung der Kläger führt zu einer Abänderung des die Klage abweisenden Urteils und zum Erlaß eines Grundurteils unter Zurückverweisung der Sache im übrigen.

2

Den Klägern steht wegen einer Schlechterfüllung des mit den Beklagten zustandegekommenen Geschäftsbesorgungsvertrages grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch zu.

3

1. Den Beklagten war das Mandat mit dem Auftrag erteilt worden, die von dem Miterben . betriebene Zwangsversteigerung möglichst zu verhindern. Dies ist ihnen unstreitig nicht gelungen. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob eine rechtzeitige Erhebung der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO i.V.m. einem Antrag nach § 771 Abs. 3, 769 ZPO Erfolg gehabt hätte. Die Beklagten weisen insoweit zutreffend darauf hin, daß dem Vorbringen der Kläger die hypothetische Entwicklung im Falle einer einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung und eines Obsiegens im Drittwiderspruchsverfahren nicht ausreichend entnommen werden kann. Die insoweit in Rede stehende Pflichtverletzung der Beklagten ist mithin nicht geeignet, einen Schadensersatzanspruch zu begründen.

4

2. Zu den Pflichten der Beklagten gehörte es im Rahmen ihres Mandates allerdings auch, die Kläger auf den bevorstehenden Termin der Zwangsversteigerung hinzuweisen und ihnen somit Gelegenheit zu geben, das Grundstück zu ersteigern.

5

Der Grundsatz, daß der Rechtsanwalt im Interesse seines Mandanten den jeweils sichersten Weg zu wählen hat, gebot es vorliegend, die Kläger jedenfalls von dem bevorstehenden Versteigerungstermin zu unterrichten und sich nicht darauf zu verlassen, daß sie über die Ankündigungen in der Presse von der Versteigerung des Grundstücks Kenntnis erlangen würden. Die Beklagten haben keinerlei Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, daß die Kläger an einer entsprechenden Terminsbenachrichtigung nicht interessiert gewesen sein könnten.

6

Die weitere Entwicklung im Falle einer entsprechenden Benachrichtigung der Kläger durch die Beklagten ist zwischen den Parteien streitig. Sie betrifft die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem von den Klägern behaupteten Schaden und gehört mithin zur Schadensfeststellung, so daß der Senat wegen des auf den Grund des Anspruchs beschränkten Urteils dazu keine Feststellung treffen muß. Zum Grund des Anspruchs gehören nur die anspruchsbegründenden, nicht aber die haftungsausfüllenden Tatsachen. Der von den Klägerin behauptete Schadenseintritt betrifft, wie bereits angesprochen, nicht den Anspruchsgrund. Soweit sich auf Vermögensschäden bezogene Ersatzansprüche nur aus der Verletzung vertraglicher Pflichten ergeben können, stellt die Schadensentstehung keine haftungsbegründene Tatsache dar und gehört mithin nicht zum Haftungsgrund (vgl. BGH VersR 1975, 540, 541; NJW 1987, 705, 706 [BGH 24.06.1986 - VI ZR 21/85]).

7

3. Soweit der Erlaß eines Grundurteils voraussetzt, daß der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit wenigstens teilweise besteht, bedarf es ebenfalls keiner besonderen Feststellungen durch den Senat. Eine hohe Wahrscheinlichkeit kann, anders als das für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche Maß an Wahrscheinlichkeit, schon dann bejaht werden, wenn aufgrund des Vortrages der darlegungspflichtigen Partei unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gegenseite viel dafür spricht, daß die Feststellung eines Schadens möglich sein wird. Das ist hier der Fall. Der Senat geht aufgrund der Gesamtumstände davon aus, daß die Kläger bei entsprechender Kenntniserlangung von dem Versteigerungstermin mitgeboten hätten und dadurch zumindest ein etwas größerer Erlös erzielt worden wäre. Dem Senat reicht es für die Prognose aus, daß die Kläger die hypothetische Entwicklung bis zum Schadenseintritt in Einklang mit der nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwartenden Verhaltensweise letztlich glaubhaft dargelegt haben und die Beklagten dem nicht mit überzeugenden Gründen entgegengetreten sind.

8

Gerade im vorliegenden Fall wird es nämlich für die Beantwortung der Frage, wie die Dinge bei rechtzeitiger Kenntniserlangung vom Versteigerungstermin gelaufen wären, entscheidend auf die Glaubwürdigkeit der Kläger und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben ankommen.

9

Da das Landgericht die Klage abgewiesen hat, der Anspruch der Kläger dem Grunde und der Höhe nach streitig ist und der Senat über den Grund vorab entscheidet, liegen die Voraussetzungen für eine notwendige Zurückverweisung der Sache zur Durchführung des Nachverfahrens über den Betrag gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor. Eine eigene Sachentscheidung über die Höhe des Anspruchs hält der Senat auch nicht im Hinblick darauf für angezeigt, daß das Landgericht die angefochtene Entscheidung auf eine nicht ausreichend substantiierte Darlegung des Schadens gestützt hat. Unbeschadet der Frage, ob das Landgericht nicht gemäß § 139 ZPO auf eine Vervollständigung des Parteivorbringens hätte hinwirken müssen, sind im Berufungsrechtszug jedenfalls dazu weitere Tatsachen vorgetragen worden.

10

Die Kostenentscheidung bleibt dem Landgericht vorbehalten, weil der Erfolg der Berufung derzeit noch nicht feststeht.