Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 01.06.1995, Az.: 2 U 17/95
Wettbewerbswidrigkeit von Honoraranfragen und Ausschreibungen bei Bindung an bestimmte Preise und Leistungssätze; Aufforderung zur Unterschreitung von Mindestsätzen als Aufforderung zum Rechtsbruch; Verleitung zum Vertragsbruch
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 01.06.1995
- Aktenzeichen
- 2 U 17/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 17639
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1995:0601.2U17.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG ... - 09.01.1995 - AZ: 21 O 228/94
Rechtsgrundlage
- § 1 UWG
Fundstelle
- BauR 1995, 869-870 (Volltext)
Prozessführer
...
vertreten durch ihren Präsidenten
Prozessgegner
...
vertreten durch ihre Geschäftsführer ... und ...
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des ...
auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Mai 1995
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 9. Januar 1995 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts ... wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Denn die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) hat nicht glaubhaft gemacht, daß die Ausschreibung der Verfügungsbeklagten (im folgenden: Beklagten) darauf angelegt war, Angebote für vermessungstechnische Leistungen mit Preisen unterhalb der Mindestsätze der ... hereinzuholen.
Vermessungsingenieure sind für die in § 96 ... genannten vermessungstechnischen Leistungen an die Preisbestimmungen der ... gebunden. Die hierin genannten Mindestsätze sind zwingend; sie dürfen - von Ausnahmefällen abgesehen - nicht unterschritten werden (§ 4 ...). Angesichts dieser Bindungen sind Honoraranfragen und entsprechend auch Ausschreibungen als wettbewerbswidrig i.S.v. § 1 UWG zu werten, wenn sie von den angesprochenen Architekten und Ingenieuren als Aufforderung zur Unterschreitung der Mindestsätze und damit als Aufforderung zum Rechtsbruch zu verstehen sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn durch die Ausschreibung eine von den Vorschriften der ... abweichende Art und Weise der Honorarermittlung nahegelegt wird, die zur Unterschreitung der Mindestsätze führen muß (vgl. BGH, Urt. v. 02.05.1991, GRUR 1991, 769, 770 ff [BGH 02.05.1991 - I ZR 227/89] - Honoraranfrage -).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht zu beanstanden, daß die Beklagte den Auftrag zu einem Pauschalfestpreis hat vergeben wollen. Denn die Bindungswirkung der ... erstreckt sich nicht auf die von ihr zur Verfügung gestellten Honorarberechnungsmaßstäbe. Deshalb wird auch bei Architekten- und Ingenieurleistungen die Vereinbarung eines Pauschalhonorars, mit dem alle vereinbarten Leistungen eines Auftrages abgegolten werden sollen, als zulässig angesehen, ohne daß die Vertragsparteien für dessen Festlegung die Berechnungsmaßstäbe der ... zugrunde legen müssen. Ein solches Pauschalhonorar wird erst dann unzulässig, wenn bei zutreffender (Parallel-)Berechnung nach der ... die hier festgelegten Mindestsätze unterschritten werden (Vygen in: Hesse/Korbion/Mantscheff/Vygen, ..., 4. Aufl., § 4 HOAI Rndrn. 48 ff., 71 m.w.N.). Da die ... ferner die Modalitäten einer Auftragsvergabe an Architekten und Ingenieuren ungeregelt läßt, sind auch Ausschreibungen für Leistungen, die der ... unterliegen, grundsätzlich zulässig, solange hierbei keine Honorarangebote unterhalb der Mindestsätze angestrebt werden (Vygen, § 4 Rdnr. 92 m.w.N.). Der Beklagten ist vorliegend also weder eine Ausschreibung von Ingenieurleistungen noch die Vereinbarung eines Pauschalhonorars durch entgegenstehendes, zwingendes Recht verwehrt gewesen.
Anders wäre nur dann zu entscheiden gewesen, wenn die Beklagte durch die von ihr gewählten Ausschreibungsmodalitäten bei den Adressaten der Ausschreibung eine Honorarermittlung nahegelegt hätte, die zur Unterschreitung der Mindestsätze der ... hätte fuhren müssen, wenn also die Ausschreibung zugleich auch als eine dahingehende Aufforderung hätte verstanden werden müssen. Dazu genügt es nicht, daß einzelne Anbieter dies möglicherweise so hätten deuten können. Erforderlich ist vielmehr, daß sich ihnen dies durch die gewählten Ausschreibungsmodalitäten gleichsam hätte aufdrängen müssen. So wird etwa für die Fallgestaltung des Verleitens zum Vertragsbruch angenommen, daß es für das Unwerturteil einen Unterschied mache, ob derjenige, der einen vertraglich Gebundenen zum Vertragsschluß auffordere, dessen möglichen Vertragsbruch nur als bedauerliche Folge seiner Intervention in Kauf nehme, oder ob es ihm gerade darum gehe, die Ansprüche des betroffenen Vertragsgläubigers in einer besonders signifikanten Weise zu vereiteln, bei der objektiv dem Umworbenen sogar ein Vertragsbruch lohnend erscheinen müsse (vgl. BGH, Urt. v. 02.06.1981, NJW 1981, 2184, 2186; von Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 33 Rdnr. 6). Ähnlich wird bei der Fallgestaltung der mittelbaren Patentverletzung darauf abgestellt, ob ein geliefertes Zubehörteil, das zur Herstellung eines schutzrechtsverletzenden Gegenstandes geeignet ist, nach den Intentionen des Liefernden hierzu benutzt werden soll oder jedenfalls objektiv fast nur benutzt werden kann (vgl. RG, Urt. v. 05.10.1935, RGZ 149, 12, 17).
Eine ausdrückliche Aufforderung zur Unterschreitung der Mindestsätze der ... läßt sich der angegriffenen Ausschreibung nicht entnehmen. Ebensowenig hat die Klägerin glaubhaft gemacht, daß für die angesprochenen Verkehrskreise eine dahingehende Aufforderung nahegelegt war. Denn auch § 4 ... eröffnet durchaus einen Preisermittlungsspielraum im Rahmen der Mindest- und der Höchstsätze. Daß die Beklagte angekündigt hat, den Auftrag auf der Basis des günstigsten Angebots zu erteilen, läßt gleichfalls keine zwingenden Schlüsse zu, zumal nach dem Ausschreibungstext für die Auftragsvergabe nicht nur der Preis, sondern auch eine kurzfristige Leistungserbringung von Bedeutung gewesen ist. Weiter ist nicht entscheidend, daß einer der Ausschreibungsempfänger darin eine Aufforderung zur Mindestsatzunterschreitung gesehen haben will. Denn die Beklagte hat drei andere, auf der Grundlage der ... erstellte Angebote vorgelegt, die in ihren Einzelheiten teilweise zwar stark von einander abweichen, aber durchaus noch im Honorarermittlungsspektrum der ... liegen sollen. Die darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat demgegenüber nicht aufgezeigt, daß diese Angebote am Maßstab der ... nicht mehr zu vertreten gewesen sind und deshalb ggfs. umgekehrt sogar den Schluß rechtfertigen, daß die Ausschreibung tatsächlich als Aufforderung zur Mindestsatzunterschreitung verstanden worden ist.
Zu Unrecht macht die Klägerin schließlich geltend, daß Angaben zur Honorarzone, in die das Bauwerk einzustufen sei, nicht gemacht worden seien. Zwar kann eine Ausschreibung, die in dieser Hinsicht keinerlei Angaben enthält, möglicherweise darauf schließen lassen, daß es dem Ausschreibenden darauf ankommt, dem Ausschreibungsempfänger gerade keine Honorarkalkulation auf der Grundlage der ... ermöglichen. Vorliegend waren der Ausschreibung jedoch eine Reihe von Plänen beigefügt, die es nahelegen, daß die Ausschreibungsempfänger hieraus hinreichende Informationen zur Einschätzung von Umfang und Schwierigkeitsgrad der geforderten vermessungstechnischen Leistungen haben entnehmen können. Die zu dieser Frage von der Klägerin vorgelegte Entscheidung des OLG Celle (Urt. v. 23.11.1994 - 13 U 65/94 -) enthält demgegenüber keine Angaben zu dem dort behandelten Ausschreibungstext und zu beigefügten Unterlagen, so daß eine Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht erkennbar ist. Soweit dort die beschränkte Ausschreibung von Ingenieurleistungen als wettbewerbswidrig angesehen worden ist, hat dem eine übereinstimmende Beurteilung der Parteien und die auf der Grundlage dieser Beurteilung getroffene Feststellung zugrunde gelegen, daß der Ausschreibende die aufgeforderten Ingenieure in einen Preiswettbewerb unter bewußter Mißachtung der Bestimmungen der ... habe treiben wollen, und daß damit Wettbewerbsverstöße der Teilnehmer an der Ausschreibung provoziert worden seien. Eine vergleichbare Feststellung kann vorliegend jedoch nicht getroffen werden.
Die Ausschreibung ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht deshalb zu beanstanden, weil den Ausschreibungsadressaten die Einzonung der geforderten Leistungen nicht vorgegeben war. Soweit sie geltend macht, daß die ausgeschriebenen Ingenieure hierin einen gewissen Arbeitsaufwand investieren müßten, den sie trotz Honorarpflichtigkeit einer solchen Tätigkeit nicht vergütet erhielten, wird übersehen, daß die ... eine Honorarberechnung erst für die Zeit ab Auftragserteilung erfaßt. Der vorhergehende Bereich der Akquisition ist dagegen frei von vergleichbaren Reglementierungen, so daß ein Verstoß gegen die Vorschriften der ... von vornherein ausscheidet, wenn vor Auftragserteilung bei einem Ausschreibungsadressaten ein zur sachgerechten Angebotserstellung notwendiger Aufwand anfällt. Daß derartige Leistungen im Falle einer Auftragserteilung mit Verstoß gegen die ... ohne Vergütung hätten bleiben sollen, hat die Klägerin nicht aufzuzeigen vermocht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.